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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §66 Abs4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Rigler, Dr. Handstanger und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Keller, über die Beschwerde des P, in Wien, vertreten durch Dr. Alois Eichinger, Rechtsanwalt in Wien XIV, Hütteldorfer Straße 90, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 3. Juli 1997, Zl. SD 492/97, betreffend Abweisung eines Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsfrist gegen den Aufenthaltsverbots-Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 14. Februar 1997, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 3. Juli 1997 wurde der Antrag des Beschwerdeführers, eines türkischen Staatsangehörigen, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsfrist betreffend den Bescheid der Bundespolizeidirektion vom 14. Februar 1997, mit dem gegen den Beschwerdeführer ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von fünf Jahren erlassen worden war, gemäß § 71 Abs. 1 AVG abgewiesen.
In seinem Wiedereinsetzungsantrag habe der Beschwerdeführer im wesentlichen seine mangelnden Deutschkenntnisse sowie seine Rechtsunkenntnis geltend gemacht. Erst nach der Zustellung des Berufungsbescheides der belangten Behörde vom 14. April 1997 habe der Beschwerdeführer innerhalb der sechswöchigen Beschwerdefrist eine anwaltliche Beratung in Anspruch genommen und erst dabei erfahren, daß seine Berufung einen begründeten Antrag zu enthalten gehabt hätte.
Hiezu habe die belangte Behörde folgendes erwogen: Zunächst sei davon auszugehen - und dies tue auch der Beschwerdeführer im Rahmen seines Wiedereinsetzungsantrages, zumal es sich dabei um eine wesentliche Voraussetzung für einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand handle -, daß dem Beschwerdeführer der erstinstanzliche Aufenthaltsverbotsbescheid vom 24. Februar 1997 rechtswirksam zugestellt worden sei und er einen begründeten Berufungsantrag erst nach Ablauf der zweiwöchigen Rechtsmittelfrist eingebracht habe. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes seien aber weder mangelnde Rechtskenntnis oder Rechtsirrtum noch mangelnde Deutschkenntnis als ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis zu werten, das die Voraussetzung für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bilden könnte. Dies ergebe schon die einfache Überlegung, daß die rein subjektive Beurteilung einer bestimmten Rechtslage den Beschwerdeführer niemals hindern könne, sich über die Wirkungen eines Bescheides vorsorglich bei Rechtskundigen zu informieren. Ebensowenig wäre der Beschwerdeführer nach Erhalt des erstinstanzlichen Aufenthaltsverbots-Bescheides gehindert gewesen, den Bescheid samt Rechtsmittelbelehrung übersetzen zu lassen. Letztlich sei der Beschwerdeführer nach Zustellung des Berufungsbescheides einerseits in der Lage gewesen, zu erkennen, daß dagegen innerhalb von sechs Wochen Beschwerde an den Verwaltungs- oder Verfassungsgerichtshof erhoben werden könne und andererseits wäre es dem Beschwerdeführer möglich gewesen, sich an eine rechtskundige Person zu wenden. Abgesehen davon sei auf den Umstand hinzuweisen, daß der Beschwerdeführer aufgrund des Schreibens der Erstbehörde vom 27. Dezember 1996, mit dem ihm bereits (u.a.) die beabsichtigte Erlassung einer Ausweisung bzw. eines Aufenthaltsverbotes angekündigt worden sei, eine schriftliche Stellungnahme - und zwar in deutscher Sprache - abgegeben habe. Er habe die in dem genannten Schreiben gestellten Fragen offenbar verstanden und sei auch in der Lage gewesen, diese innerhalb von wenigen Tagen zu beantworten.
Angesichts des gegebenen Sachverhaltes sei die Erstbehörde daher zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, daß im Beschwerdefall die Voraussetzungen des § 71 Abs. 1 AVG nicht vorlägen, sodaß der Berufung keine Folge zu geben gewesen sei.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.
3. Die belangte Beörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Der Beschwerdeführer bringt gegen die angefochtene Abweisung seines Wiedereinsetzungsantrages vor, daß "sehr wohl ein unvorhersehbares oder unabwendbares Ereignis" dazu geführt habe, daß er keine ausreichend begründete Berufung gegen den Aufenthaltsverbots-Bescheid vom 14. Februar 1997 eingebracht habe. Die dem Beschwerdeführer fehlende Rechtsvertretung, seine mangelhaften Deutschkenntnisse sowie die Unterlassung der Beiziehung eines Amtsdolmetschers gemäß § 39a AVG durch die belangte Behörde hätten nämlich dazu geführt, daß der Beschwerdeführer die Berufungsfrist insofern versäumt habe, als er innerhalb dieser Frist "keinen ausreichend begründeten Rechtsmittelschriftsatz" eingebracht habe. Der Erstbehörde, die den Aufenthaltsverbots-Bescheid erlassen habe, sei aus dem geführten Verfahren bekannt gewesen, daß der Beschwerdeführer über keine ausreichenden Sprachkenntnisse verfügte. Nach § 39a AVG sei aber von der Behörde für eine Partei, die der deutschen Sprache nicht hinreichend kundig sei, ein Amtsdolmetscher beizuziehen. Nach der Bestimmung des § 13a AVG habe die Behörde Personen, die nicht durch berufsmäßige Parteienvertreter vertreten seien, die zur Vornahme ihrer Verfahrenshandlungen nötigen Anleitungen in der Regel mündlich zu geben und sie über die mit diesen Handlungen oder Unterlassungen unmittelbar verbundenen Rechtsfolgen zu belehren. Im Beschwerdefall sei auch nur ein minderer Grad des Versehens gegeben. Nach der Rechtsprechung sei unter einem minderen Grad des Versehens leichte Fahrlässigkeit zu verstehen; letztere liege dann vor, wenn das Verhalten auf einem Fehler beruhe, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch mache. Der Beschwerdeführer habe - in diesem Sinne - lediglich nicht erkannt, daß ein "Einspruch", der nach der Judikatur zwar als Berufung zu behandeln sei, trotzdem nicht (materiell) behandelt werden könne, wenn ein begründeter Berufungsantrag fehle. Auch habe der Beschwerdeführer in den letzten Jahren seine Anträge auf Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung jeweils ohne Rechtsbeistand gestellt und daher nicht erkannt, daß er nach Zustellung des Aufenthaltsverbots-Bescheides vom 14. Februar 1997 sofort anwaltliche Beratung hätte in Anspruch nehmen sollen.
2. Dieses Vorbringen ist nicht zielführend. Der Beschwerdeführer übersieht, daß die belangte Behörde seine Berufung gegen den Aufenthaltsverbotsbescheid vom 14.2.1997 nicht wegen Versäumung der Berufungsfrist, sondern deswegen als unzulässig gemäß § 66 Abs. 4 AVG zurückgewiesen hat, weil die Berufung keinen begründeten Berufungsantrag enthielt. (Diese Zurückweisung ist, wie sich aus dem hg. Erkenntnis vom 13. November 1997, Zl. 97/18/0314, ergibt, im übrigen zu Recht erfolgt.) Gegen eine aus diesem Grund erfolgte Zurückweisung steht aber das Rechtsmittel der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht zur Verfügung, kommt dieses nach § 71 AVG doch überhaupt nur für Fälle in Betracht, in denen eine Frist oder eine Verhandlung versäumt wurde und eine Partei durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 17. Juni 1981, Zl. 81/03/0086). Den Umstand, daß die belangte Behörde den Wiedereinsetzungsantrag nicht zurückgewiesen, sondern abgewiesen hat, macht den Bescheid nicht rechtswidrig, wurde doch der Beschwerdeführer hiedurch nicht in seinen Rechten verletzt.
3. Da somit dem angefochtenen Bescheid die behauptete Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen. Bei diesem Ergebnis erübrigte sich ein Abspruch über den Antrag des Beschwerdeführers vom 9. Dezember 1997, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
4. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Der Umstand, daß der Behörde die von ihr aufgrund der Verfügung über die Einleitung des Vorverfahrens gemäß § 36 VwGG vorgelegten Verwaltungsakten zuvor vom Verwaltungsgerichtshof - dem sie bereits in dem schon genannten Beschwerdeverfahren Zl. 97/18/0314 vorgelegt worden waren - zur Verfügung gestellt wurden, ändert nichts daran, daß es sich dabei um eine Vorlage iS des § 48 Abs. 2 Z. 1 VwGG handelt, für die im Falle des Obsiegens der belangten Behörde dieser Aufwandersatz gebührt, sofern er - wie vorliegend - rechtzeitig beantragt worden ist (vgl. in diesem Sinne das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 20. Dezember 1979, Zl. 53/79, Slg. Nr. 10000/A).
Schlagworte
Inhalt der Berufungsentscheidung Voraussetzungen der meritorischen Erledigung Zurückweisung (siehe auch §63 Abs1, 3 und 5 AVG)European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1997180461.X00Im RIS seit
20.11.2000