TE OGH 2020/7/31 33R45/20k

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Veröffentlicht am 31.07.2020
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Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Hinger als Vorsitzenden sowie den Richter Dr. Schober und den Patentanwalt DI Mag. Babeluk in der Rechtssache der klagenden Partei B*****, vertreten durch Dr. Andreas Frauenberger, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei T*****, vertreten durch die KWR Karasek Wietrzyk Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Unterlassung (EUR 21.600), Beseitigung (EUR 1.000), Urteilsveröffentlichung (EUR 1.000) und Rechnungslegung (EUR 1.000) über den Kostenrekurs der klagenden Partei gegen die Kostenentscheidung im Teilurteil des Handelsgerichts Wien vom 8.4.2020, 19 Cg 6/19g-43, Rekursinteresse EUR 3.080,04, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen EUR 280,54 (darin EUR 46,76 USt) an Kosten der Rekursbeantwortung zu ersetzen.

Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.

Begründung

Text

1.1 Die Klägerin erzeugt und vertreibt Babytragevorrichtungen. [...]

1.2 Die Beklagte stellt in Italien Textil-Waren her und bewirbt seit Anfang März 2017 [...] eine Babytragehilfe [...].

Die Parteien stehen in einem Wettbewerbsverhältnis.

2. Die Klägerin behauptet den Eingriff in ihre Gebrauchsmuster [...]. Zur Sicherung ihrer Ansprüche beantragte sie die Erlassung einer einstweiligen Verfügung sowie die entsprechende Unterlassung, Beseitigung, Urteilsveröffentlichung und Rechnungslegung.

Die Beklagte beantragte, sowohl den Sicherungsantrag als auch die Klagebegehren abzuweisen. Ihre Babytragehilfe erfülle nicht die Merkmale nach Anspruch 1 des Gebrauchsmusters [...].

3. Im Provisorialverfahren gab das Erstgericht dem Sicherungsbegehren im zweiten Rechtsgang mit Beschluss vom 12.3.2018, ON 16, teilweise statt […]. Über die Kosten sprach es (nur) aus, dass die Klägerin die Kosten des Provisorialverfahrens vorläufig selbst zu tragen habe.

Dem gegen den abgewiesenen Teil des Sicherungsbegehrens [...] erhobenen Rekurs der Klägerin gab das OLG Wien mit Beschluss vom 4.7.2018 zu 133 R 43/18y (ON 20) nicht Folge.

4. Mit dem nunmehr im Hauptverfahren im Kostenpunkt angefochtenen Teilurteil des Erstgerichts wurde dem letztlich noch eingeschränkten Urteilsbegehren teilweise wie folgt stattgegeben:

«1. Die beklagte Partei ist schuldig, es zu unterlassen, Produkte in Verkehr zu bringen oder in Verkehr bringen zu lassen, die in [...] eingreifen [...].

2. Die beklagte Partei ist schuldig, die unter Punkt 1. näher beschriebenen Produkte zu vernichten.

3. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei über die Zahl der von ihr seit Aufnahme des Vertriebs verkauften in Punkt 1. näher beschriebenen Produkte, sowie über den damit erzielten Gewinn durch Vorlage von Buchhaltungs- und Kalkulationsunterlagen unter Angabe der Menge und des Verkaufspreises Rechnung zu legen und basierend auf dieser Auskunft Schadenersatz sowie Herausgabe des Gewinns zu leisten.

4. Die beklagte Partei ist schuldig, den Urteilsspruch gem Punkt 1., 2 und 4. innerhalb von zwei Wochen ab Rechtskraft [...] zu veröffentlichen.»

Abgewiesen wurde hingegen das Mehrbegehren in Bezug auf einen Eingriff in den Anspruch 4 des Gebrauchsmusters [...] sowie das (erweiterte) Veröffentlichungsbegehren (bezogen auf die Homepage und Facebook-Seite der Beklagten in deutscher, englischer und italienischer Sprache).

Die Beklagte wurde verpflichtet, der Klägerin die mit EUR 7.310 bestimmten Kosten des Verfahrens zu ersetzen (Betrag laut dem einen Rechenfehler berichtigenden Beschluss vom 18.5.2020, ON 47). Das Erstgericht bildete aufgrund der Klagseinschränkung am 16.7.2018 zwei Verfahrensabschnitte, wobei die Klägerin im ersten Verfahrensabschnitt mit rund 52 % obsiegt habe, weshalb die Kosten gegenseitig aufzuheben und die Barauslagen jeweils zur Hälfte zu ersetzen seien. Im zweiten Verfahrensabschnitt sei die Klägerin mit einem Teilanspruch aus ihrem Unterlassungsbegehren sowie teilweise im Urteilsveröffentlichungsbegehren unterlegen, wobei die Abweisung (in Bezug auf den Anspruch 4 des Gebrauchsmusters AT 11620) ein nicht zu berücksichtigendes geringfügiges Unterliegen sei; so auch in Bezug auf die Urteilsveröffentlichung.

5. Gegen diese Kostenentscheidung richtet sich nunmehr der Kostenrekurs der Beklagten (samt Ergänzung des Kostenrekurses aufgrund der Berichtigung vom 18.5.2020) mit dem Antrag, ihr Kosten in Höhe von EUR 10.390,04 zuzusprechen [...].

Die Beklagte beantragt, dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Kostenrekurs ist nicht berechtigt.

6.1 Nach Ansicht der Klägerin habe die Beklagte den Kostenersatzanspruch für das Provisorialverfahren verwirkt, weil sie die Entscheidung des Erstgerichts vom 12.3.2018, die keinen Kostenzuspruch zu Gunsten der Beklagten enthält, nicht bekämpft habe. Somit würden der Klägerin auch noch Kosten für das Provisorialverfahren nicht nur im Rahmen der Barauslagen von 50 % zustehen, sondern auch sonstige Vertretungskosten zur Hälfte.

6.2 Gelingt dem Beklagten die Abwehr des Sicherungsantrags, dann ist die Entscheidung über seine Kosten des Sicherungsverfahrens nicht vorzubehalten, sondern er hat gemäß §§ 78, 402 Abs 4 EO, § 50 Abs 1 ZPO Anspruch auf Ersatz der abgrenzbaren Kosten des Provisorialsverfahrens. Gelingt ihm nur die Abwehr eines Teils des Sicherungsantrags – wie im konkreten Fall –, sind die Vorschriften der ZPO über die Kostenteilung zufolge § 393 Abs 1 EO, der einen Zuspruch von Kosten an den Kläger im Provisorialverfahren ausschließt, nicht anzuwenden. Der Beklagte hat vielmehr Anspruch auf Kostenersatz in jenem Ausmaß, in dem er im Provisorialverfahren erfolgreich war (1 Ob 14/04x mwN).

Zutreffend ist, dass das Erstgericht in der Entscheidung vom 12.3.2018 keinen Kostenzuspruch im Ausmaß der nicht kompensierten Quote (an die Beklagte) ausgesprochen hat. Es hat nur festgehalten, dass die Klägerin die Kosten des Provisorialverfahrens vorläufig selbst zu tragen hat.

Dies ändert aber nichts am Umstand, dass die Beklagte im Provisorialverfahren einen Teil des Sicherungsantrags hat abwehren können und mit der Verzeichnung ihrer diesbezüglichen Kosten Anspruch auf Ersatz der Kosten in jenem Ausmaß hat, in dem sie im Provisorialverfahren erfolgreich gewesen ist (vgl RS0005667). Wenn das Erstgericht die Kosten der Beklagten im Provisorialverfahren – mangels einer (Quotenkompensations-)Entscheidung im Sicherungsverfahren – nunmehr im Hauptverfahren quotenmäßig gegen die Kosten der Klägerin aufrechnet, ist das nicht weiter zu beanstanden. Ihr quotenmäßiger Kostenersatzanspruch aus dem Provisorialverfahren geht nicht dadurch verloren, dass darüber in der Entscheidung über den Sicherungsantrag nicht entschieden wurde.

Es ist zwar ständige Rechtsprechung, dass die Kosten des teilweise oder vollständig erfolgreichen Gegners der gefährdeten Partei schon im Provisorialverfahren (ganz oder anteilsmäßig) zu bestimmen sind und der gefährdeten Partei der Ersatz aufzutragen ist. Obermaier (Kostenhandbuch3 Rz 1.592) führt dazu aus, dass über Kostenersatzansprüche des Beklagten (des Gegners der gefährdeten Partei) – sofern solche zustehen – sofort und endgültig zu entscheiden sei, doch enthält dies keine Aussage darüber, dass ein Ersatzanspruch eines Beklagten, dessen verzeichnete Kosten in der Entscheidung über den Sicherungsantrag mit Stillschweigen übergangen wurden, durch das Unterlassen eines Rechtsmittels gegen diese Entscheidung verloren ginge.

Eine solche Präklusivwirkung ist dem Gesetz nicht zu entnehmen. In 4 Ob 195/98z (Obermaier aaO FN 1810) führt der OGH dazu aus, dass über die Kosten des Beklagten gegebenfalls gleich entschieden werden „kann“, was einen Verlust des Anspruchs durch eine Nichtentscheidung ausschließt. Soweit das Gericht über die Kosten des Provisorialverfahrens, das in ein Hauptverfahren integriert war, nicht entschieden hat, besteht die Verpflichtung des Gerichts nach § 52 ZPO, über den Ersatz der Kosten zu entscheiden, weiter, und zwar bis zur Entscheidung, mit der die Streitsache in der jeweiligen Instanz erledigt wird. Die von der Beklagten verzeichneten Kosten des Provisorialverfahrens verlieren den Charakter, zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig gewesen zu sein, nicht dadurch, dass das Gericht nicht zum frühestmöglichen Zeitpunkt ihren Ersatz angeordnet hat.

Im konkreten Fall hat das Erstgericht somit zutreffend auch die Kosten, die beiden Parteien für das Provisorialverfahren entstanden sind, der Kostenaufhebung unterworfen.

6.3 Gegen die Höhe der verzeichneten Barauslagen wendet sich die Klägerin nicht.

[...]

8. Die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens gründet sich auf § 41 Abs 1, § 50 Abs 1 ZPO, jedoch gilt für Kostenrekursbeantwortungen Tp 3A (und nicht – wie verzeichnet – Tp 3B).

Gemäß § 528 Abs 2 Z 3 ZPO ist der Revisionsrekurs jedenfalls unzulässig.

Schlagworte

Sicherungsverfahren; Provisorialverfahren; Kostenrecht,

Textnummer

EW0001044

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OLG0009:2020:03300R00045.20K.0731.000

Im RIS seit

25.08.2020

Zuletzt aktualisiert am

16.09.2021
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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