Index
L94059 Ärztekammer Wien;Norm
ÄrzteG 1984 §78 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde des Dr. W in W, vertreten durch Dr. Ladislav Margula, Rechtsanwalt in Wien I, Neuer Markt 8, gegen den Bescheid des (im verwaltungsgerichtlichen Verfahren durch Dr. Armenak Utudjian, Rechtsanwalt in Wien I, Gonzagagasse 9, vertretenen) Beschwerdeausschusses des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien vom 30. Juni 1997, Zl. B 147/97, betreffend Befreiung von der Beitragspflicht, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Die Ärztekammer für Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerdeführer ist ein in die Österreichische Ärzteliste eingetragener Arzt und Mitglied der Ärztekammer für Wien. Mit Schreiben an den Wohlfahrtsfonds dieser Ärztekammer vom 30. Jänner 1995 (eingelangt am 31. Jänner 1995) erklärte er, mit sofortiger Wirkung aus dem Wohlfahrtsfonds auszutreten. Er habe "eine pragmatisierte Stelle bei der Stadt Wien". Todesfallbeihilfe und Krankenunterstützung würden davon nicht betroffen.
Aus Anlaß der Vorschreibung des Fondsbeitrages für 1995 mit "Brief" vom 28. Februar 1997 monierte er gegenüber dem Wohlfahrtsfonds, seit 1. Februar 1995 nicht mehr beitragspflichtig zu sein. Mit einem weiteren, am 18. April 1997 beim Wohlfahrtsfonds eingegangenen Schreiben formulierte er sein Austrittsschreiben vom 30. Jänner 1995 dahingehend um, daß er um Befreiung von der Beitragspflicht zum Wohlfahrtsfonds ersuche. Diesem Schreiben war ein Nachweis darüber angeschlossen, daß er mit Wirkung vom 1. April 1987 als Arzt der Verwendungsgruppe A der Dienstordnung 1966 der Stadt Wien unterstellt wurde.
Mit Bescheid des Verwaltungsausschusses vom 7. Mai 1997 wurde der Beschwerdeführer mit Wirkung vom 1. Mai 1997 an von der Beitragspflicht, ausgenommen den für die Todesfallbeihilfe und Unterstützungsleistung nach § 73 ÄrzteG einzuhebenden Teil, befreit. Das "Mehrbegehren um rückwirkende Ermäßigung ab 01.02.1995" wurde abgewiesen.
In seiner gegen den abweisenden Abspruch gerichteten Berufung (Beschwerde) an die belangte Behörde macht der Beschwerdeführer geltend, daß sein "Austritt" aus dem Wohlfahrtsfonds mit 1. Februar 1995 "im Prinzip vollzogen" worden sei. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung (Beschwerde) gegen den Erstbescheid abgewiesen.
In seiner Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof macht er Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend und beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Strittig ist nach dem geschilderten Sachverhalt, ob das Schreiben des Beschwerdeführers vom 30. Jänner 1995 die Befreiung von der Beitragspflicht auszulösen geeignet war. Die belangte Behörde begründet ihre Position damit, daß der Beschwerdeführer den Austritt aus dem Wohlfahrtsfonds begehrt habe, welcher rechtlich nicht möglich sei, sowie daß die erforderlichen Unterlagen, insbesondere das "Pragmatisierungsdekret", nicht beigeschlossen waren.
Die von der belangten Behörde angewendete und vom Beschwerdeführer zitierte, auf § 78 Abs. 1 ÄrzteG gestützte Rechtsvorschrift ist § 7 Abs. 1 der Satzung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien. Nach dieser Verordnungsbestimmung ist ein Fondsmitglied auf Antrag von seiner Beitragspflicht (ausgenommen den für die Todesfallbeihilfe und die Unterstützungsleistungen nach § 73 ÄrzteG einzuhebenden Teil des Fondsbeitrages) zu befreien, wenn es den Nachweis darüber erbringt, daß ihm und seinen Hinterbliebenen ein gleichwertiger Anspruch auf Ruhe-(Versorgungs-)genuß u.a. auf Grund eines unkündbaren Dienstverhältnisses zu einer Gebietskörperschaft zusteht, wie dieser gegenüber dem Wohlfahrtsfonds besteht, und wenn er keine freiberufliche ärztliche Tätigkeit ausübt. Nach dem letzten Satz des § 7 Abs. 1 der Satzung (der im ÄrzteG keine Entsprechung findet) werden "die vorstehenden Anträge ... mit dem auf das Einlangen des Antrages folgenden Monatsersten wirksam ...".
Der Umstand, daß der Beschwerdeführer im Schreiben vom 30. Jänner 1995 seinen (rechtlich nicht möglichen) Austritt aus dem Wohlfahrtsfonds erklärt hat, bedeutet für sich noch nicht, daß es sich nicht um einen Antrag im Sinne des § 7 Abs. 1 der Satzung gehandelt haben könnte. Die Bezugnahme auf seine "Pragmatisierung" und die ausdrückliche Erwähnung der Ausnahmen lassen nämlich deutlich erkennen, daß der Beschwerdeführer auf diese Verordnungsbestimmung Bezug nahm und deren Anwendung auf ihn begehrte. Bei verständiger Würdigung dieses Anbringens konnte kein Zweifel darüber aufkommen, was der Beschwerdeführer damit bezweckte. Das bloße Vergreifen in der Ausdrucksweise durch einen juristischen Laien rechtfertigt nicht die formalistische, am Wort klebende Vorgangsweise der belangten Behörde.
Es ist zwar nach § 7 Abs. 1 der Satzung Aufgabe eines Antragstellers, den Nachweis darüber zu erbringen, daß er einen in dieser Bestimmung näher umschriebenen Anspruch auf Ruhe-(Versorgungs-)genuß hat. Dieser Nachweis ist Voraussetzung für die positive Erledigung des Antrages. Der Verwaltungsgerichtshof teilt in diesem Zusammenhang die Auffassung der belangten Behörde, daß es für die Behörde im vorliegenden Fall keineswegs notorisch war, daß der Beschwerdeführer dieses Kriterium erfüllt. Das Fehlen dieses Nachweises stellt zwar kein Formgebrechen im Sinne des § 13 Abs. 3 AVG dar, auf dessen Behebung die Behörde nach den dort geregelten Grundsätzen hinzuwirken hat und welches gegebenenfalls zur Zurückweisung des Anbringens führen kann. Die Behörden des Wohlfahrtsfonds sind auch nicht nach § 13 Abs. 3 AVG vorgegangen, was bedeutet hätte, dem Beschwerdeführer einen befristeten Auftrag zur Behebung des Mangels und zur Nachbringung des fehlenden Nachweises zu erteilen und ihm für den Fall der Nichtbefolgung dieses Auftrages die Zurückweisung seines Antrages anzudrohen.
Die Erstbehörde hat vielmehr formlos (fernmündlich) das "Pragmatisierungsdekret" eingefordert, ohne eine Frist zu setzen und Rechtsfolgen für die Nichtbeibringung des Nachweises anzudrohen. Die belangte Behörde war offenbar von den unrichtigen Rechtsauffassungen geleitet, daß ein Antrag nach § 7 Abs. 1 der Satzung gar nicht vorliege bzw. daß ein Anbringen erst dann ein solcher Antrag sei, wenn ihm der Nachweis des in Rede stehenden Inhalts angeschlossen ist. Dadurch, daß sie dem vom Beschwerdeführer erst am 18. April 1997 vorgelegten Nachweis die Bedeutung beimaß, daß der Beschwerdeführer erst mit 1. Mai 1997 von der Beitragspflicht zu befreien sei, obwohl sich aus dem Nachweis ergab, daß der Beschwerdeführer die Befreiungsvoraussetzung auch am 1. Februar 1995 schon längst erfüllt hat, hat sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet. Der Bescheid war gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil der Schriftsatzaufwand nach der zitierten Verordnung mit S 12.500,-- pauschaliert ist, wobei die Umsatzsteuer in diesem Pauschalbetrag bereits enthalten ist.
Schlagworte
Individuelle Normen und Parteienrechte Auslegung von Bescheiden und von Parteierklärungen VwRallg9/1European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1997110259.X00Im RIS seit
11.07.2001