Entscheidungsdatum
04.08.2020Norm
KFG 1967 §45 Abs1 Z3Text
Im Namen der Republik!
Erkenntnis
Das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg hat durch sein Mitglied Mag Pathy über die Beschwerde des E H, A, vertreten durch die Advokaten Keckeis Fiel Scheidbach OG, Feldkirch, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft F vom 24.04.2019, Zl X-9-2018/76486, betreffend Übertretungen des KFG, zu Recht erkannt:
Gemäß § 50 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) wird der Beschwerde Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.
Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG) eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof unzulässig.
Begründung
Angefochtenes Straferkenntnis
1. Im angefochtenen Straferkenntnis wurden dem Beschuldigten vorgeworfen:
? Elf Übertretungen des § 45 Abs 6 KFG, weil im Nachweis über die Verwendung eines Probefahrtkennzeichens („Fahrtenbuch“) die Type des Fahrzeuges nicht eingetragen wurde (Spruchpunkte 1, 3, 4, 6 bis 10 und 15 bis 17); und
? Sechs Übertretungen des § 45 Abs 4 zweiter Satz KFG, weil mit dem Probefahrtkennzeichen keine Probefahrt durchgeführt wurde (Spruchpunkte 2, 5 und 11 bis 14).
Der Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses lautet auszugsweise:
„Fahrzeug: […]
1. Sie haben es als Besitzer einer Bewilligung zur Durchführung von Probefahrten unterlassen, über die Verwendung der mit dieser Bewilligung zugewiesenen Probefahrtkennzeichen im Nachweis vor jeder Fahrt den Namen des Lenkers und das Datum des Tages sowie der Marke, die Type und die Fahrgestellnummer des Fahrzeuges, sofern dieses zugelassen ist, jedoch nur sein Kennzeichen einzutragen. Es fehlt die Type.
Tatzeit: 22.02.2018
Tatort: […]
2. Sie haben das angeführte Probefahrtkennzeichen dem(r) W[…] W[…] überlassen, obwohl es sich um keine Probefahrt gehandelt hat. Das genannte Kennzeichen war auf einem Fahrzeug der Marke … montiert und das Fahrzeug wurde von der genannten Person gelenkt.
Tatzeit: 12.05.2018, 11:00 Uhr
Tatort: […]
3. [wie Spruchpunkt 1, aber Tatzeit: 07.05.2018, 15:00 Uhr]
4. [wie Spruchpunkt 1, aber Tatzeit: 08.05.2018, 5:00 Uhr]
5. [wie Spruchpunkt 2, aber mit einem anderen Fahrzeuglenker, einer anderen Fahrzeugmarke und der Tatzeit: 17.05.2018, 10:45 Uhr]
6. [wie Spruchpunkt 1, aber Tatzeit: 16.06.2018, 8:00 Uhr]
7. [wie Spruchpunkt 1, aber Tatzeit: 19.06.2018, 9:40 Uhr]
8. [wie Spruchpunkt 1, aber Tatzeit: 17.07.2018, 17:30 Uhr]
9. [wie Spruchpunkt 1, aber Tatzeit: 27.07.2018]
10. [wie Spruchpunkt 1, aber Tatzeit: 27.07.2018, 17:00 Uhr]
11. [wie Spruchpunkt 2, aber mit einem anderen Fahrzeuglenker, einer anderen Fahrzeugmarke und der Tatzeit: 10.08.2018]
12. [wie Spruchpunkt 2, aber mit einem anderen Fahrzeuglenker, einer anderen Fahrzeugmarke und der Tatzeit: 27.09.2018]
13. [wie Spruchpunkt 2, aber mit einem anderen Fahrzeuglenker, einer anderen Fahrzeugmarke und der Tatzeit: 07.11.2018]
14. [wie Spruchpunkt 2, aber mit einem anderen Fahrzeuglenker, einer anderen Fahrzeugmarke und der Tatzeit: 08.11.2018]
15. [wie Spruchpunkt 1, aber Tatzeit: 09.11.2018, 10:50 Uhr]
16. [wie Spruchpunkt 1, aber Tatzeit: 09.11.2018, 14:50 Uhr]
17. [wie Spruchpunkt 1, aber Tatzeit: 26.1.2018, 14:50 Uhr]“
2. Die Bezirkshauptmannschaft erblickte hierin folgende Übertretungen und hat folgende Strafen verhängt:
? hinsichtlich der Spruchpunkte 1, 3, 4, 6 bis 10 und 15 bis 17 jeweils eine Übertretung des § 45 Abs 6 KFG; es wurde jeweils eine Geldstrafe von 60 Euro verhängt (Ersatzfreiheitsstrafe jeweils 12 Stunden);
? hinsichtlich der Spruchpunkte 2, 5 und 11 bis 14 jeweils eine Übertretung des § 45 Abs 4 zweiter Satz KFG; es wurde jeweils eine Geldstrafe von 150 Euro verhängt (Ersatzfreiheitsstrafe jeweils 30 Stunden).
Beschwerde
3. Gegen dieses Straferkenntnis hat der Beschuldigte rechtzeitig Beschwerde erhoben. Die Beschwerde lautet auszugsweise wie folgt:
„[…]
Richtig ist, dass ein Fahrtenbuch zu den Fakten 1, 3, 4, 6, 7, 8, 9, 10, 15, 16 und 17 keine Typenbezeichnungen eingetragen wurden. Eingetragen wurden hingegen die jeweiligen Fahrgestellnummern und die Marken der Fahrzeuge. Damit war, bzw ist eine eindeutige Zuordnung der betroffenen Fahrzeuge – auch ohne Typenbezeichnung – möglich.
Der Beschuldigte wurde im Rahmen einer Unterredung durch den zuständigen Sachbearbeiter bei der Bezirkshauptmannschaft F auf diesen Mangel aufmerksam gemacht und war der Beschwerdeführer vollkommen einsichtig. Er hat zugesichert, künftig die Daten der Fahrzeuge lückenlos einzutragen, was auch jederzeit kontrolliert werden kann.
Auf Grund der Einsicht des Beschwerdeführers war es nicht notwendig, für die aufgezeigten Fakten Strafen zu verhängen. Es hätte demnach eine bloße Verwarnung unter Androhung einer Strafe bei künftigen Zuwiderhandlungen völlig ausgereicht.
Dasselbe gilt für die Überlassung der Fahrzeuge an dritte Personen. Auch hier hat sich der Beschwerdeführer vollkommen einsichtig gezeigt und gegenüber dem Sachbearbeiter zugesagt, hinkünftig genau darauf zu achten, dass die Bestimmungen des § 45 KFG eingehalten werden. Auch hier war die Verhängung von Strafen weder als general-, noch spezialpräventiven Gründen notwendig.“
Der Beschuldigte hat beantragt, das Straferkenntnis aufzuheben und das Strafverfahren einzustellen, in eventu das Straferkenntnis abzuändern und eine Verwarnung auszusprechen.
Sachverhalt
4. Dem Beschuldigten wurde die Bewilligung zur Durchführung von Probefahrten erteilt und ein Probefahrtkennzeichen zugewiesen. Der Beschuldigte führt einen Nachweis über die Verwendung des Probefahrtkennzeichens („Fahrtenbuch“). Der Beschuldigte hat in seinem Betrieb nur eine Angestellte, nämlich seine Tochter S.H.
5. In der Zeit zwischen dem 22. Februar 2018 und dem 26. November 2018 wurden im Fahrtenbuch elf Fahrten eingetragen, ohne dass die Type des Fahrzeuges eingetragen wurde. Die Probefahrten wurden mit Anhängern durchgeführt, bei denen die Fahrzeugtype nicht ermittelt werden konnte.
6. Außerdem wurden im Fahrtenbuch sechs Fahrten eingetragen, die jeweils an folgenden Tagen stattgefunden haben: 12. und 17. Mai 2018; 10. August 2018; 27. September 2018; 7 und 8 November 2018.
Diese Fahrten wurden von Kunden des Beschuldigten durchgeführt, die das Probefahrtkennzeichen dazu verwendet haben, um einen Anhänger in die Werkstatt des Beschuldigten zu überstellen, um eine Überprüfung nach § 57a KFG durchzuführen.
Erwägungen zur Feststellung des Sachverhalts
7. Es wurde eine mündliche Verhandlung durchgeführt. Der Beschuldigte und sein Rechtsvertreter haben daran teilgenommen. Die Bezirkshauptmannschaft war nicht vertreten. Außerdem wurde der behördliche Strafakt eingesehen.
8. Dass der Beschuldigte in seinem Betrieb lediglich eine Angestellte, nämlich seine Tochter, hat, ergibt sich aus dem behördlichen Strafakt; laut Anzeige vom 13. Dezember 2018 hat der Beschuldigte entsprechende Angaben bei einer persönlichen Vorsprache bei der Bezirkshauptmannschaft gemacht.
9. Es ist unstrittig, dass bei elf im „Fahrtenbuch“ eingetragenen Fahrten die Fahrzeugtype nicht angeführt wurde.
Dass die Fahrzeugtype deshalb nicht eingetragen wurde, weil sie nicht ermittelt werden konnte, ergibt sich aus den Angaben des Beschuldigten in der mündlichen Verhandlung. Der Beschuldigte hat angegeben, dass er bei Anhängern oft die Type nicht erkennen könne. Wenn ihm die Type bekannt gewesen sei, dann habe er sie auch eingetragen.
Da es gerade bei Anhängern eine große Anzahl einzelgenehmigter Fahrzeuge (Eigenbauten) gibt, ist diese Verantwortung des Beschuldigten glaubhaft. Auch aus dem behördlichen Strafakt ergibt sich nichts, was die Verantwortung des Beschuldigten widerlegen würde.
10. Zu den anderen im angefochtenen Straferkenntnis angeführten Fahrten hat der Beschuldigte in der mündlichen Verhandlung angegeben, er habe das Probefahrtkennzeichen Kunden gegeben, die damit zur Durchführung von § 57a KFG Überprüfungen zu ihm in die Werkstatt gefahren seien.
Diese Verantwortung des Beschuldigten ist nachvollziehbar. Auch aus dem behördlichen Strafakt ergibt sich nichts Gegenteiliges, zumal es keinen Anhaltspunkt dafür gibt, dass der Beschuldigte jemals konkret zu den beanstandeten Fahrten vor der Behörde Angaben gemacht hätte, die seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung widersprächen. Auch das angefochtene Straferkenntnis enthält keine konkreten Feststellungen, zu welchem Zweck die Fahrten durchgeführt worden sind. Diese Verantwortung des Beschuldigten lässt sich somit nicht widerlegen.
Es wird nicht übersehen, dass im Fahrtenbuch bei einigen Fahrten die Bemerkung „Vorführen“ oder „Anmeldegutachten“ angebracht war, die beanstandeten Fahrten jedoch mit der Bemerkung „Überstellung“ versehen sind. Dieser Hinweis im Fahrtenbuch („Überstellung“) lässt aber nicht zwingend den Schluss zu, dass es sich um Fahrten im Sinne des § 45 Abs 1 Z 1 KFG gehandelt hat, die der „Überführung eines Fahrzeuges an einen anderen Ort im Rahmen des Geschäftsbetriebes“ dienen. Damit kann auch gemeint sein, dass der Anhänger zur Vornahme einer § 57a KFG Überprüfung in die Werkstatt des Beschuldigten überführt wurde.
11. Das Verhalten des Beschwerdeführers im behördlichen Strafverfahren lässt auch nicht den Schluss zu, dass er die ihm vorgeworfenen Taten eingestanden hat. Im Einspruch vom 07. März 2019 wird vielmehr ausgeführt, dass die Strafverfügung vollumfänglich angefochten wird. Dass er gleichzeitig Einsicht zeigt, bedeutet nicht, dass er die Übertretungen eingestanden hat.
Maßgebliche Rechtsvorschriften (in der zum Tatzeitpunkt geltenden Fassung)
12. Der § 45 Kraftfahrgesetz 1967 (KFG), BGBl. Nr. 267/1967 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 40/2016, lautet auszugsweise:
„(1) Probefahrten mit nicht zum Verkehr zugelassenen Kraftfahrzeugen oder Anhängern oder Fahrgestellen solcher Fahrzeuge dürfen auf Straßen mit öffentlichem Verkehr nur mit Bewilligung der Behörde durchgeführt werden, in deren örtlichem Wirkungsbereich der Ort liegt, von dem aus der Antragsteller hauptsächlich über die Verwendung der Probefahrtkennzeichen verfügt. Probefahrten sind Fahrten zur Feststellung der Gebrauchsfähigkeit oder der Leistungsfähigkeit von Fahrzeugen oder ihrer Teile oder Ausrüstungsgegenstände oder Fahrten, um Fahrzeuge vorzuführen. Als Probefahrten gelten auch
1. Fahrten zur Überführung eines Fahrzeuges an einen anderen Ort im Rahmen des Geschäftsbetriebes sowie Fahrten um unbeladene Fahrzeuge der Klassen M2, M3, N2 oder N3 gewerbsmäßig im Auftrag von Nutzfahrzeugherstellern oder Nutzfahrzeughändlern zu überführen,
2. Fahrten zur Überführung des Fahrzeuges durch den Käufer bei der Abholung des Fahrzeuges vom Verkäufer,
3. Fahrten zum Ort der Begutachtung oder Überprüfung des Fahrzeuges nach dem III. und V. Abschnitt und
4. das Überlassen des Fahrzeuges mit einem höchsten zulässigen Gesamtgewicht von nicht mehr als 3 500 kg an einen Kaufinteressenten für die Dauer von bis zu maximal 72 Stunden, wobei auch Fahrtunterbrechungen zulässig sind.
[…]
(4) Bei der Erteilung der im Abs. 1 angeführten Bewilligung ist auch auszusprechen, welche Kennzeichen bei den Probefahrten zu führen sind. Diese Kennzeichen sind Probefahrtkennzeichen (§ 48 Abs. 3) und dürfen nur bei Probefahrten geführt werden. Über die Erteilung der im Abs. 1 angeführten Bewilligung ist dem Antragsteller eine Bescheinigung, der Probefahrtschein, auszustellen.
[…]
(6) Der Besitzer einer Bewilligung zur Durchführung von Probefahrten hat über die Verwendung der mit dieser Bewilligung zugewiesenen Probefahrtkennzeichen einen Nachweis zu führen und darin vor jeder Fahrt den Namen des Lenkers und das Datum des Tages sowie die Marke, die Type und die Fahrgestellnummer oder die letzten sieben Stellen der Fahrzeugidentifizierungsnummer des Fahrzeuges, sofern dieses zugelassen ist, jedoch nur sein Kennzeichen einzutragen. Der Nachweis ist drei Jahre gerechnet vom Tag der letzten Eintragung aufzubewahren und der Behörde auf Verlangen zur Einsichtnahme vorzulegen. […] In den Fällen des Abs. 1 Z 4 hat der Besitzer der Bewilligung für den Lenker eine Bescheinigung über die Probefahrt auszustellen, aus der jedenfalls der Zeitpunkt des Beginnes und des Endes der Probefahrt ersichtlich sind.
[…]“.
Rechtliche Beurteilung
13. Dem Beschuldigten wurde vorgeworfen, im Nachweis über die Verwendung des zugewiesenen Probefahrtkennzeichens vor bestimmten angeführten Fahrten die Type nicht eingetragen zu haben. Er soll dadurch gegen den § 45 Abs 6 KFG verstoßen haben.
Der Beschuldigte konnte die Type nicht eintragen, weil es sich bei den Fahrzeugen um Anhänger gehandelt hat, bei denen die Type nicht festgestellt werden konnte. Er hat daher nicht schuldhaft gehandelt.
14. Dem Beschuldigten wurde weiters vorgeworfen, das Probefahrtkennzeichen anderen Personen überlassen zu haben, obwohl es sich um keine Probefahrt gehandelt habe. Die Behörde hat diese Fahrten als „Überführungsfahrten“ im Sinne des § 45 Abs 1 Z 1 KFG qualifiziert, die nur im Rahmen des Geschäftsbetriebes und damit von firmeneigenen Personen durchgeführt werden dürfen.
Das Ermittlungsverfahren hat ergeben, dass es sich um Fahrten zur Durchführung von Überprüfungen nach § 57a KFG und damit um Probefahrten im Sinne des § 45 Abs 1 Z 3 KFG gehandelt hat. Wie sich aus dem Wortlaut dieser Bestimmung ergibt, müssen diese Probefahrten nicht „im Rahmen des Geschäftsbetriebes“ und damit von firmeneigenen Personen durchgeführt werden.
15. Der Beschuldigte hat daher die ihm zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen nicht begangen. Das Straferkenntnis musste aufgehoben und das Strafverfahren eingestellt werden.
Unzulässigkeit der Revision
16. Die Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Kraftfahrrecht, Probefahrt zum Ort der BegutachtungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGVO:2020:LVwG.1.235.2019.R11Zuletzt aktualisiert am
20.08.2020