Entscheidungsdatum
01.07.2020Index
40/01 VerwaltungsverfahrenNorm
VVG §4 Abs2Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Mag. Spielmann über die Beschwerde des AA, Adresse 1, Z, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Y vom 30.11.2018, Zahl ***, wegen der Kosten für die Vorauszahlung einer Ersatzvornahme betreffend eines forstpolizeilichen Auftrages
zu Recht:
1. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
2. Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. Verfahren und Sachverhalt:
Mit Bescheid vom 10.03.2017, Zl ***, hat die Bezirkshauptmannschaft Y als Forstbehörde dem Beschwerdeführer gemäß § 172 Abs 6 Forstgesetz 1975 (ForstG 1975) aufgetragen, eine konsenslos errichtete Forststraße auf den Grundstücken Nr **1 und **2, KG X, bis 31.05.2017 zurückzubauen. Seine dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 17.10.2017, Zahl LVwG-2017/44/0987-13, als unbegründet abgewiesen und die Leistungsfrist mit 31.05.2018 neu festgesetzt.
Ein erster Antrag des Beschwerdeführers auf nachträgliche forstrechtliche Bewilligung dieser Forststraße wurde mit Bescheid der Forstbehörde vom 12.01.2018, Zahl
***, gemäß § 13 Abs 3 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) aufgrund mangelhafter Antragsunterlagen als unzulässig zurückgewiesen. Diese Zurückweisung wurde mit Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 27.02.2018, Zahl LVwG-2018/15/0351-1, bestätigt.
Mit Schreiben vom 17.04.2018 hat der Beschwerdeführer erneut um die nachträgliche forstrechtliche Bewilligung der Forststraße angesucht. Mit Bescheid vom 20.07.2018, Zahl ***, hat die Forstbehörde diesen Antrag mit Spruchpunkt I gemäß § 13 Abs 3 AVG mangels Namhaftmachung einer Bauaufsicht gemäß § 61 Abs 1 ForstG 1975 als unzulässig zurückgewiesen. Gleichzeitig hat sie den Antrag mit Spruchpunkt II gemäß §§ 60 und 62 ForstG 1975 als unbegründet abgewiesen, da die beantragte Forststraße zur forstwirtschaftlichen Nutzung des Waldes nicht erforderlich sei, zu einer Übererschließung des Waldes führe und nicht dem Stand der Forsttechnik bzw der Betriebssicherheit entspreche.
Mit Schreiben vom 21.08.2018, Zahl ***, hat die Forstbehörde dem Beschwerdeführer hinsichtlich des forstpolizeilichen Auftrages vom 10.03.2017, bestätigt mit Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom 17.10.2017, gemäß § 4 Abs 1 Verwaltungsvollstreckungsgesetz 1991 (VVG) die Ersatzvornahme angedroht. Sollte er seiner Verpflichtung nicht bis 30.09.2018 nachkommen, werde die Forstbehörde die Leistung auf seine Gefahr und Kosten bewerkstelligen.
Mit Erkenntnis vom 12.11.2018, Zahl LVwG-2018/44/1933-5, hat das Landesverwaltungsgericht Tirol der gegen den Bescheid der Forstbehörde vom 20.07.2018 erhobenen Beschwerde hinsichtlich des Spruchpunktes I Folge gegeben und diesen Spruchpunkt ersatzlos behoben, da im Bewilligungsantrag noch kein konkretes Bauaufsichtsorgan namhaft gemacht werden muss. Die Beschwerde hinsichtlich des Spruchpunktes II wurde hingegen als unbegründet abgewiesen.
Daraufhin hat die Forstbehörde dem Beschwerdeführer mit Bescheid vom 30.11.2018, Zahl ***, gemäß § 4 Abs 2 VVG die Vorauszahlung der Kosten für die Ersatzvornahme des forstpolizeilichen Auftrages vom 10.03.2017, bestätigt mit Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom 17.10.2017, in Höhe von € 3.600,- binnen 14 Tagen aufgetragen.
Dagegen hat der Beschwerdeführer mit Schreiben 24.12.2018 fristgerecht Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Tirol erhoben und im Wesentlichen ausgeführt, dass er eine Revision gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes vom 12.11.2018 beim Verwaltungsgerichtshof eingebracht habe. Bevor dieser Fall nicht rechtskräftig entschieden sei, könne in sinnvoller Weise kein Rückbau der Fortstraße angeordnet werden. Außerdem sei der betroffene Wald am 29.10.2018 durch eine Sturmkatastrophe zur Hälfte vernichtet worden.
Mit Erkenntnis vom 27.02.2020, Ra 2019/10/0007-10, hat der Verwaltungsgerichtshof die Revision gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom 12.11.2018 zurückgewiesen.
Im Rahmen des Parteiengehörs gemäß § 45 Abs 3 AVG hat der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 29.06.2020 zusammengefasst vorgebracht, dass die gegenständliche Forststraße benötigt werde, dass er die Wegtrassierung nicht selbst vorgenommen habe und, dass er die Übererschließung des Waldes nicht erkennen konnte. Er hat die Durchführung eines Lokalaugenscheins beantragt, um die forstwirtschaftlichen Möglichkeiten für den Wald, das Rückbaubegehren und den Kostenanspruch der Behörde zu prüfen und zu beraten.
II. Rechtslage:
Die entscheidungsrelevante Bestimmung des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes 1991 (VVG) lautet wie folgt:
„Ersatzvornahme
§ 4.
(1) Wenn der zu einer Arbeits- oder Naturalleistung Verpflichtete dieser Pflicht gar nicht oder nicht vollständig oder nicht zur gehörigen Zeit nachgekommen ist, so kann die mangelnde Leistung nach vorheriger Androhung auf Gefahr und Kosten des Verpflichteten bewerkstelligt werden.
(2) Die Vollstreckungsbehörde kann in einem solchen Fall dem Verpflichteten die Vorauszahlung der Kosten gegen nachträgliche Verrechnung auftragen. Der Auftrag zur Vorauszahlung ist vollstreckbar.“
III. Erwägungen:
Die Vorschreibung der Kosten für die Ersatzvornahme ist ein verfahrensrechtlicher Bescheid im Zuge eines Vollstreckungsverfahrens und keine Vollstreckungsverfügung. Die Erlassung eines Kostenvorauszahlungsauftrages setzt lediglich das Vorliegen einer Androhung der Ersatzvornahme und den Ablauf der in der Androhung der Ersatzvornahme gesetzten Frist (Paritionsfrist) voraus (vgl VwGH 06.06.1989, Zl 84/05/0035).
Im Rahmen des Vollstreckungsverfahrens kann die Frage der Rechtmäßigkeit des zu vollstreckenden Bescheides – des Titelbescheides – nicht mehr aufgerollt werden. Allerdings kann gegen eine Vollstreckung im Verfahren Beschwerde ergriffen werden, wenn die Vollstreckung unzulässig ist. In einem solchen Fall darf auch kein Kostenvorauszahlungsauftrag erteilt werden, weil dieser das rechtliche Schicksal der Vollstreckung teilt. Eine nach Erlassen des Titelbescheides eingetretene wesentliche Änderung des Sachverhaltes kann eine Vollstreckung unzulässig machen, wenn bei Vorliegen des neuen Sachverhaltes nicht mehr ein im Spruch gleichlautender Bescheid erlassen werden könnte (vgl VwGH 28.02.2017, Zl Ro 2014/06/0029; 26.09.2017, Zl Fe 2016/05/0001).
Daher hat das Landesverwaltungsgericht Tirol entsprechend dem Begehren des Beschwerdeführers das Verfahren ausgesetzt und die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes über das nachträgliche Bewilligungsverfahren für die Forststraße abgewartet. Mit dem nunmehr vorliegenden Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27.02.2020 steht aber endgültig fest, dass die Forststraße einen forstrechtlich konsenslosen Zustand darstellt und der forstpolizeiliche Auftrag – also der Bescheid der Forstbehörde vom 10.03.2017 in der Fassung des Erkenntnisses des Landesverwaltungsgerichtes vom 17.10.2017 – zu vollstrecken ist.
Am bewilligungslosen Zustand der Forststraße ändert auch nichts, dass der Beschwerdeführer weiterhin einen Bedarf für die Forststraße sieht und, dass er die Wegtrassierung nicht selbst vorgenommen und die Übererschließung des Waldes nicht erkannt habe. Damit wird keine wesentliche Änderung des Sachverhaltes aufgezeigt, die die Vollstreckung des Titelbescheides unzulässig machen würde.
Entscheidend für die Rechtmäßigkeit der Kostenvorschreibung ist, dass die Ersatzvornahme im Titelbescheid ihre Deckung findet. Einwendungen gegen die Kostenvorschreibung kann der Verpflichtete nur unter dem Gesichtspunkt erheben, dass die vorgeschriebenen Kosten unverhältnismäßig hoch seien, wofür er allerdings den Beweis erbringen muss (vgl VwGH 08.04.2014, 2011/05/0050). Bei einem Kostenvorauszahlungsauftrag gemäß § 4 Abs 2 VVG sind Ermittlungen zur Feststellung des Sachverhaltes nur insoweit erforderlich, als die voraussichtlichen Kosten der Ersatzvornahme im Wege der Schätzung festgestellt werden müssen. Dass die Behörde diese Kostenschätzung fehlerhaft vorgenommen haben könnte, wurde weder vom Beschwerdeführer behauptet, noch sind im Verfahren diesbezügliche Bedenken hervorgekommen. Dazu ist auch klarzustellen, dass die Vorauszahlung der Kosten nur gegen nachträgliche Verrechnung erfolgt, was bedeutet, dass höhere tatsächliche Kosten nachzuzahlen sind, ein verbleibender Überschuss hingegen zurückzuerstatten ist (vgl VwGH 26.02.2015, 2011/07/0155). Ein Kostenvorauszahlungsbescheid entfaltet keinerlei Bindungswirkung für den Bescheid über die Vorschreibung der Kosten nach § 11 Abs 1 VVG (vgl VwGH 08.04.2014, 2011/05/0050).
Schließlich war auch die beantragte Durchführung eines Augenscheines nicht erforderlich, da der Beschwerdeführer kein relevantes Beweisthema konkretisiert hat und die Akten nicht erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung zu einer weiteren Klärung der Rechtssache führen könnte. Da dem Vorauszahlungsbescheid auch nicht die Funktion zukommt, einen bindenden Rahmen für die tatsächlich auflaufenden Vollstreckungskosten festzulegen (vgl VwGH 08.04.2014, 2011/05/0050), steht dem Entfall einer mündlichen Verhandlung weder Art 6 Abs 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten noch Art 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegen. Das Landesverwaltungsgericht sieht somit gemäß § 24 Abs 4 VwGVG von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung ab. Die Beschwerde erweist sich als unbegründet und ist abzuweisen.
IV. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Soweit die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof in Wien für zulässig erklärt worden ist, kann innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung dieser Entscheidung eine ordentliche Revision erhoben werden. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision kann innerhalb dieser Frist nur die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.
Wenn allerdings in einer Verwaltungsstrafsache oder in einer Finanzstrafsache eine Geldstrafe von bis zu Euro 750,00 und keine Freiheitsstrafe verhängt werden durfte und im Erkenntnis eine Geldstrafe von bis zu Euro 400,00 verhängt wurde, ist eine (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichthof wegen Verletzung in Rechten nicht zulässig.
Jedenfalls kann gegen diese Entscheidung binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, erhoben werden.
Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Verwaltungsgericht einzubringen.
Es besteht die Möglichkeit, für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof Verfahrenshilfe zu beantragen. Verfahrenshilfe ist zur Gänze oder zum Teil zu bewilligen, wenn die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten bzw wenn die zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel weder von der Partei noch von den an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.
Für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist beim Verfassungsgerichtshof einzubringen. Für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist im Fall der Zulassung der ordentlichen Revision beim Verwaltungsgericht einzubringen. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision ist der Antrag auf Verfahrenshilfe beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen; dabei ist im Antrag an den Verwaltungsgerichtshof, soweit dies dem Antragsteller zumutbar ist, kurz zu begründen, warum entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.
Zudem besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.
Landesverwaltungsgericht Tirol
Mag. Spielmann
(Richter)
Schlagworte
Ersatzvornahme;European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGTI:2020:LVwG.2019.44.0038.2Zuletzt aktualisiert am
20.08.2020