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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §58 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde des F in W, vertreten durch Dr. Michael Bereis, Rechtsanwalt in Wien V, Pilgramgasse 22, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 8. April 1997, Zl. MA 65-8/630/96, betreffend Entziehung der Lenkerberechtigung und Versagung eines Duplikatführerscheines, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 73 Abs. 1 KFG 1967 die Lenkerberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppen B, C, E, F und G entzogen und gemäß § 73 Abs. 2 KFG 1967 ausgesprochen, daß ihm bis (einschließlich) 18. November 1997 keine neue Lenkerberechtigung erteilt werden dürfe; in diese Frist seien von ihm zu verbüßende Haftzeiten nicht einzurechnen. Gleichzeitig wurde ein Antrag des Beschwerdeführers auf Ausstellung eines Duplikatführerscheines abgewiesen.
In seiner Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend; er beantragt dessen kostenpflichtige Aufhebung. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde begehrt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Laut Begründung des angefochtenen Bescheides sei der Beschwerdeführer mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 6. April 1995 wegen des Verbrechens nach § 12 Abs. 1 SGG, des "Vergehens nach § 15 StGB" und des Vergehens nach § 16 Abs. 1 SGG rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer eines Jahres verurteilt worden. Die rechtskräftige Verurteilung nach § 12 SGG bilde eine bestimmte Tatsache im Sinne des § 66 Abs. 2 lit. c KFG 1967; sie sei von der Erstbehörde zu Recht als Entziehungsgrund herangezogen worden. Die "genannte Tathandlung" sei offensichtlich als gefährlich und verwerflich zu werten, zumal die vom Beschwerdeführer in Verkehr gesetzte Suchtgiftmenge geeignet gewesen sei, eine große Gefahr für das Leben und die Gesundheit zahlreicher Personen herbeizuführen.
§ 66 Abs. 2 lit. c KFG 1967 gilt unter anderem als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1, wenn jemand eine strafbare Handlung gemäß § 12 Suchtgiftgesetz 1951 idF BGBl. Nr. 184/1985 begangen hat. Demnach bildet nicht die rechtskräftige Verurteilung des Beschwerdeführers gemäß § 12 SGG, sondern die Begehung der dieser Verurteilung zugrundeliegenden strafbaren Handlung eine bestimmte Tatsache nach § 66 Abs. 2 lit. c KFG 1967. Um welche strafbare Handlung des Beschwerdeführers es sich hier konkret handelt, ist allerdings nicht ersichtlich. Der angefochtene Bescheid trifft dazu keine Feststellungen. Das gilt in gleicher Weise für den mit ihm bestätigten erstinstanzlichen Bescheid. Dort heißt es in diesem Zusammenhang lediglich, die Gründe, die zur Verurteilung des Beschwerdeführers geführt hätten, seien ihm hinlänglich bekannt und brauchten daher nicht näher angeführt zu werden. Das gerichtliche Strafurteil vom 6. April 1995 erliegt nicht im Verwaltungsakt. Der Verwaltungsgerichtshof ist daher nicht in der Lage, die für die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides in erster Linie entscheidende Annahme zu prüfen, der Beschwerdeführer habe eine bestimmte Tatsache im Sinne des § 66 Abs. 2 lit. c KFG 1967 gesetzt, die aufgrund ihrer Wertung im Sinne des § 66 Abs. 3 KFG 1967 zur Verneinung seiner Verkehrszuverlässigkeit zwinge. Mangels Kenntnis der Tatzeit und der näheren Umstände der Tat ist die Nachvollziehbarkeit ihrer Wertung anhand der Kriterien des § 66 Abs. 3 KFG 1967 (Verwerflichkeit, Gefährlichkeit der Verhältnisse bei der Begehung, seither verstrichene Zeit und Verhalten während dieser Zeit) nicht gegeben.
Der aufgezeigte Begründungsmangel ist wesentlich, weil er den Verwaltungsgerichtshof an der Prüfung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides hindert. Dieser war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Von der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 3 VwGG abgesehen werden.
Der Zuspruch von Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Schlagworte
Begründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher Verfahrensmangel Sachverhalt Mitwirkungspflicht VerschweigungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1997110118.X00Im RIS seit
19.03.2001