TE Bvwg Beschluss 2019/7/8 L518 2160287-1

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Veröffentlicht am 08.07.2019
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Entscheidungsdatum

08.07.2019

Norm

AsylG 2005 §3
B-VG Art133 Abs3
VwGVG §28 Abs3 Satz2

Spruch

L518 2160283-1/5E

L518 2160287-1/5E

L518 2160290-1/5E

L518 2160294-1/5E

BESCHLUSS

1.) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Markus STEININGER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Irak, vertreten durch VMÖ, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.03.2017, Zl. XXXX , beschlossen:

A) In Erledigung der Beschwerde wird gem. § 28 Abs. 3 VwGVG, Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz), BGBL I 33/2013 idgF der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl verwiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

2.) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Markus STEININGER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Irak, vertreten durch VMÖ, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.03.2017, Zl. XXXX , beschlossen:

A) In Erledigung der Beschwerde wird gem. § 28 Abs. 3 VwGVG, Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz), BGBL I 33/2013 idgF der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl verwiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

3.) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Markus STEININGER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Irak, vertreten durch die Mutter XXXX , geb XXXX , diese vertreten durch VMÖ, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.03.2017, Zl. XXXX , beschlossen:

A) In Erledigung der Beschwerde wird gem. § 28 Abs. 3 VwGVG, Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz), BGBL I 33/2013 idgF der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl verwiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

4.) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Markus STEININGER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Irak, vertreten durch die Mutter XXXX , geb. XXXX , diese vertreten durch VMÖ, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.03.2017, Zl. XXXX , beschlossen:

A) In Erledigung der Beschwerde wird gem. § 28 Abs. 3 VwGVG, Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz), BGBL I 33/2013 idgF der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl verwiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

I.1. Die beschwerdeführenden Parteien (in weiterer Folge gemäß der Reihenfolge ihrer Nennung im Spruch kurz als "bP1" bis "bP4" bezeichnet), sind Familienangehörige. Die bP 1 und 2 sind die Eltern der minderjährigen bP 3 und 4. Die bP 1 und 2 brachten nach rechtswidriger Einreise in das Hoheitsgebiet der Europäischen Union und in weiterer Folge nach Österreich für sich und die Kinder am 09.10.2015 bei der belangten Behörde (in weiterer Folge "bB") Anträge auf internationalen Schutz ein.

I.2. Als Begründung für das Verlassen des Herkunftsstaates brachten die bP 1 und 2 erstbefragt vor, dass sie im Irak einer Minderheit angehören würden und täglich von Milizen bedroht worden wären.

Anlässlich der durch ein Organ des BFA erfolgten niederschriftlichen Einvernahme konkretisierten die bP ihre Angaben. Sie seien Kurden und Angehörige der religiösen Minderheit der Kakai und sei der Vater der bP 1 ermordet worden. Die bP 2 gab an, dass sie und die Kinder keine eigenen Fluchtgründe hätten, sie aber alle im Irak nicht in Sicherheit leben könnten. Die bP 1 gab an, die Religionszugehörigkeit, aufgrund derer sie verfolgt werden würden, sei aufgrund des Oberlippenbartes erkennbar. Sie würden von Schiiten und Sunniten als Ungläubige betrachtet werden. Sie hätte mehrfach Drohungen erhalten und habe die bP 1 bereits einmal Anzeige bei der Polizei wegen eines Drohbriefes erstattet.

Vorgelegt wurden Personalausweise für die Familienmitglieder, eine Sterbeurkunde des Vaters (Todesursache Schüsse), eine Anzeigeschrift bei der Polizei in XXXX .2014, eine Heiratsurkunde, ein irakischer Führerschein der bP 1, niederschriftliches Protokoll der Polizei über Drohbriefe des IS, ein Drohbrief, ein Zeitungsartikel über ihre Religionsgemeinschaft, eine Zusammenfassung zur Religion, eine Bestätigung des Vorsitzenden der Kakaie vom 26.01.2016 über die Angehörigkeit der bP zu dieser Religionsgemeinschaft und ein Schreiben vom ihm zur Situation für die Kakai im Irak sowie Unterlagen zur Integration.

I.3. Die Anträge der bP 1 - 4 auf internationalen Schutz wurden folglich mit im Spruch genannten Bescheiden der belangten Behörde vom 28.03.2017 gemäß § 3 AsylG hinsichtlich des Status eines Asylberechtigten abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gem. § 8 Abs. 1 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.). Eine befristete Aufenthaltsberechtigung wurde bis zum 28.03.2018 erteilt (Spruchpunkte III).

Im Rahmen der Beweiswürdigung erachtete die belangte Behörde das Vorbringen der bP als glaubwürdig, aber nicht asylrelevant. Es sei jedoch Subsidiärer Schutz zu gewähren.

Festgehalten wurde, dass die Behörde überzeugt ist, dass das Vorbringen mit den tatsächlichen Erlebnissen übereinstimmt. Es sei glaubhaft gemacht worden, dass die bP wegen der allgemeinen unsicheren Lage den Irak verlassen hätten. Die bP wären Zugehörige zur Religionsgemeinschaft der Kakai. Diese bilde eine Minderheit im Irak. Die bP hätten beteuert, dass sie - wie jeder andere der Religionsgemeinschaft - im Irak vom IS verfolgt werden würde. Dies habe die bP 1 glaubhaft dargelegt. Eine individuelle Verfolgung ließe sich daraus aber nicht ableiten.

I.4. Gegen den angefochtenen Bescheid erhoben die bP binnen offener Frist mit Schriftsatz vom 01.09.2017 das Rechtsmittel der Beschwerde.

Im Wesentlichen wurde nach Darlegung allgemeiner rechtlicher und sonstiger Ausführungen vorgebracht, dass die bP einer Minderheit angehören würden, welche keinen staatlichen Schutz vor der Verfolgung durch schiitische Milizen erlangen könnte.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Beweis wurde erhoben durch den Inhalt des vorliegenden Verwaltungsaktes der Verwaltungsbehörde und der eingebrachten Beschwerde.

1. Feststellungen:

Die belangte Behörde hat die notwendigen Ermittlungen des maßgeblichen Sachverhaltes unterlassen, weshalb dieser zum Zeitpunkt der Entscheidung der belangten Behörde nicht hinreichend feststand. Hinsichtlich des Verfahrensganges und festzustellenden Sachverhalt wird auf die unter Punkt I getroffenen Ausführungen verwiesen.

2. Beweiswürdigung:

Der für die gegenständliche Zurückverweisung des Bundesverwaltungsgerichtes relevante Sachverhalt ergibt sich aus der Aktenlage zweifelsfrei.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des Bundesgesetzes, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden (BFA-Verfahrensgesetz - BFA-VG), BGBl I 87/2012 idgF, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z1 B-VG das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 28 Abs. 3 hat, wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 leg. cit nicht vorliegen, das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückzuverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgeht.

Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

Zu A)

3.2. Das oa. Modell der Aufhebung des Bescheides und Zurückverweisung der Angelegenheit an die Behörde gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG folgt konzeptionell jenem des § 66 Abs. 2 AVG, setzt im Unterschied dazu aber nicht auch die Notwendigkeit der Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung voraus. Insoweit erscheinen auch die von der höchstgerichtlichen Judikatur -soweit sie nicht die Notwendigkeit der Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung betrifft- anwendbar, weshalb unter Bedachtnahme der genannten Einschränkungen die im Erk. des VwGH vom 16.12.2009, GZ. 2007/20/0482 dargelegten Grundsätze gelten. Mängel abseits jener der Sachverhaltsfeststellung legitimieren das Gericht nicht zur Behebung aufgrund § 28 Abs. 3, 2. Satz (Erk. d. VwGH vom 19.11.2009, 2008/07/0167; vgl. auch Fischer/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren (2013), Anm. 11 zu § 28 VwGVG).

Hinsichtlich der Entscheidungsbefugnis bzw. Entscheidungsverpflichtung geht der Gesetzgeber bei den Verwaltungsgerichten vom Primat der Sachentscheidung aus, wenn er festlegt, dass gem. § 28 Abs. 1 VwGVG das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen hat, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z1 B-VG das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist. Gemäß § 28 Abs. 3 leg. cit. hat, wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 leg. cit nicht vorliegen, das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückzuverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgeht.

Angesichts des in § 28 VwGVG insgesamt verankerten Systems stellt die nach § 28 Abs 3 zweiter Satz VwGVG 2014 bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte dar. Nach dem damit gebotenen Verständnis steht diese Möglichkeit bezüglich ihrer Voraussetzungen nicht auf derselben Stufe wie die im ersten Satz des § 28 Abs. 3 VwGVG verankerte grundsätzliche meritorische Entscheidungskompetenz der Verwaltungsgerichte. Vielmehr verlangt das im § 28 VwGVG insgesamt normierte System, in dem insbesondere die normative Zielsetzung der Verfahrensbeschleunigung bzw. der Berücksichtigung einer angemessenen Verfahrensdauer ihren Ausdruck findet, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht wird.

Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird daher im Lichte der oa. Ausführungen insbesondere dann in Betracht kommen,

- wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat,

- wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder

- bloß ansatzweise ermittelt hat.

- Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (VwGH 26.06.2014, Ro 2014/03/0063).

In seinem Urteil vom 14.6.2017, C-685 EU:C:2017:452 befasste sich der EuGH mit der Frage, ob nationale Bestimmungen, welche dem Verwaltungsgericht die amtswegige Ermittlung des maßgeblichen Sachverhalts -bei entsprechender Untätigkeit der Behörde- der in der europarechtlichen Judikatur geforderten Objektivität und Unvoreingenommenheit des Gerichts entgegenstehen. Nach seiner Ansicht können die Gerichte nach den nationalen Verfahrensregeln zwar verpflichtet sein, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um die Vorlage solcher Beweise zu fördern, doch können sie nicht verpflichtet sein, anstelle der genannten Behörden die Rechtfertigungsgründe vorzubringen, die nach dem Urteil vom 30. April 2014, Pfleger u. a. (C-390/12, EU:C:2014:281) diese Behörden vorzubringen haben. Werden diese Rechtfertigungsgründe wegen der Abwesenheit oder der Passivität dieser Behörden nicht vorgebracht, müssen die nationalen Gerichte alle Konsequenzen ziehen dürfen, die sich aus einem solchen Mangel ergeben. Der EuGH führte weiters aus, dass die Art. 49 und 56 AEUV, wie sie insbesondere im Urteil vom 30. April 2014, Pfleger u. a. (C-390/12, EU:C:2014:281), ausgelegt wurden, im Licht des Art. 47 der Charta dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Verfahrensregelung, nach der in Verwaltungsverfahren das Gericht, bei der Prüfung des maßgeblichen Sachverhalts die Umstände der bei ihm anhängigen Rechtssache von Amts wegen zu ermitteln hat, nicht entgegenstehen, sofern diese Regelung nicht zur Folge hat, dass das Gericht an die Stelle der zuständigen Behörden des betreffenden Mitgliedstaats zu treten hat, denen es obliegt, die Beweise vorzulegen, die erforderlich sind, damit das Gericht eine entsprechende Prüfung durchführen kann. Die Ausführungen des EuGH beziehen sich zwar auf ein Verwaltungsstrafverfahren, sie sind nach ho. Ansicht jedoch auch im gegenständlichen Fall anwendbar.

Im Lichte einer GRC-konformen Interpretation der verfassungsrechtlichen Bestimmungen, wonach das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden hat, finden diese jedenfalls dort ihre Grenze, wenn das Gericht an die Stelle der zuständigen belangten Behörde zu treten hätte, der es obliegt, dem Gericht die Beweise iSd Ermittlung des maßgeblichen Sachverhalts vorzulegen. Wird diese Grenze überschritten ist das Gericht ermächtigt -wenn nicht sogar verpflichtet- eine kassatorische Entscheidung iSd § 28 Abs. 3 VwGVG zu treffen.

3.3. Einzelfallbezogen ergibt sich hieraus Folgendes:

Im konkreten Fall unterließ es die bB, die ihr angebotenen Bescheinigungsmittel, welche in arabischer Sprache abgefasst sind, einer Übersetzung zuzuführen und lässt sich deren Inhalt auch aus dem Akteninhalt nicht vollständig erschließen. Um eine entsprechende Beurteilung des Sachverhalts vornehmen zu können bedarf es jedoch zumindest die in Vorlage gebrachten und mit den bP in Verbindung stehenden Bescheinigungsmittel einer Übersetzung zuzuführen, um nach Kenntniserlangung vom Inhalt, diese einer schlüssigen, nachvollziehbaren und plausiblen Beweiswürdigung zuzuführen.

Es reicht im gegenständlichen Verfahren auch nicht, wenn die bB ausführt, dass das Vorbringen den Tatsachen entspricht und die bP der Minderheit der Kakai angehören. Einerseits kann bislang über den Inhalt der Bescheinigungsmittel (Polizeiprotokoll über Anzeige, Drohbrief) in Ermangelung einer Übersetzung allenfalls spekuliert werden, andererseits wäre von der Behörde bei Annahme des Vorbringens als glaubwürdig in weiterer Folge zu ermitteln gewesen, wie sich die Situation im Irak für Angehörige der Religionsgemeinschaft der Kakai tatsächlich darstellt.

Hierzu wäre es der bB möglich und zumutbar gewesen, durch Recherche über die Staatendokumentation, in welcher sich auch derzeit entsprechende Anfragebeantwortungen hinsichtlich einer Verfolgung von Kakai durch den IS oder andere Personengruppen finden, zu einem entsprechenden Ermittlungsergebnis zu gelangen, aufgrund dessen dann in weiterer Folge darüber abgesprochen werden kann, ob etwa eine Gruppenverfolgung bzw. eine soziale Gruppe hinsichtlich dieser Religionsgemeinschaft im Irak vorliegt. Dies insbesondere unter Berücksichtigung der Herkunft der bP aus XXXX .

Im Lichte dieser Überlegungen wird die belangte Behörde die entsprechenden einzelfallspezifischen Ermittlungen nachzuholen, Übersetzungen zu veranlassen und darauf aufbauende Feststellungen zu treffen haben, anhand derer sie die Asylrelevanz des ausreisekausalen Sachverhalt zu prüfen haben wird.

Sollte sich der Bedarf ergeben, im Ermittlungsverfahren gem. § 45 Abs. 3 AVG vorzugehen oder eine weitere Einvernahme durchzuführen, wird dies von der belangten Behörde ebenfalls zu veranlassen sein.

Die von der belangten Behörde sichtlich zu Gunsten eines raschen Verfahrensabschlusses gewählte Vorgangsweise, obwohl dieser Sachverhalt im gegenständlichen Fall durch relativ einfache Verfahrensschritte ermittelbar ist, stellt in der hier vorliegenden Form letztlich die qualifizierte Rechtsverletzung der Willkür durch die belangte Behörde dar (Es ist auch auf die ständige Rechtsprechung des VfGH zu verweisen, wonach willkürliches Verhalten der Behörde unter anderem im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt oder dem Außer-Acht-Lassen des konkreten Sachverhaltes vorliegt [zB VfSlg. 15.451/1999, 15.743/2000, 16.354/2001, 16.383/2001]).

Trotz der Einrichtung von Außenstellen des BVwG ist auszuführen, dass aufgrund des organisatorischen Aufbaues des BVwG und des BFA, sowie aufgrund des Aufenthaltsortes der bP eine Weiterführung des Verfahrens durch das BVwG im Sinne des § 28 Abs. 2 u 3 VwGVG nicht mit einer Ersparnis an Zeit und Kosten verbunden ist bzw. zu keiner wesentlichen Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens führt.

Gemäß § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG konnte eine mündliche Verhandlung unterbleiben, weil bereits auf Grund der Aktenlage feststand, dass der Beschwerde stattzugeben bzw. die angefochtenen Bescheide aufzuheben waren.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen (vgl. beispielshaft Erk. d. VwGH v. 16.12.2009, GZ. 2007/20/0482; Erk. d. VwGH vom 19.11.2009, 2008/07/0167, sowie die bereits zitierte Judikatur).

Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Asylverfahren Bescheinigungsmittel Ermittlungsmangel Ermittlungspflicht Familienverfahren Kassation mangelhaftes Ermittlungsverfahren mangelnde Feststellungen mangelnde Sachverhaltsfeststellung Minderheiten religiöse Bekenntnisgemeinschaft Übersetzung Zurückverweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:L518.2160287.1.00

Im RIS seit

19.08.2020

Zuletzt aktualisiert am

19.08.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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