Entscheidungsdatum
09.07.2019Norm
AsylG 2005 §10 Abs2Spruch
L519 2220721-1/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Isabella Zopf als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Türkei, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) vom 28.5.2019, FZl. XXXX , über eine Rückkehrentscheidung samt 2-jährigem Einreiseverbot zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE :
I. Verfahrensgang
I.1. Der Beschwerdeführer (in weiterer Folge kurz als BF bezeichnet), ist Staatsangehöriger der Republik Türkei. Er reiste am 25.10.2017 in das Bundesgebiet ein, wobei er in der Zeit von 1.10.2017 bis 29.12.2017 im Besitz eines slowakischen Visum C war. Der am 10.1.2018 bei der zuständigen Magistratsabteilung gestellte Antrag auf Ausstellung einer Rot-Weiß-Rot-Karte plus endete mit Einstellung des Verfahrens am 4.7.2018.
I.2. Am 24.5.2019 wurde der BF von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes einer Kontrolle unterzogen, bei der festgestellt wurde, dass sich der BF seit 2017 nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und in Österreich nirgends entsprechend den Bestimmungen des Meldegesetzes gemeldet ist. Noch am selben Tag wurde das Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem Einreiseverbot eingeleitet und über den BF mit Mandatsbescheid vom 24.5.2019 die Schubhaft verhängt.
I.3. Der gegen den Schubhaftbescheid fristgerecht erhobenen Beschwerde hat das BVwG mit Erkenntnis vom 12.6.2019, G307 2219814, keine Folge gegeben. Der BF wurde noch am selben Tag in die Türkei abgeschoben.
I.4. Mit im Spruch genannten Bescheid der belangten Behörde wurde gemäß § 10 Abs. 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z. 1 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung in die Türkei gemäß § 46 FPG zulässig sei. Gemäß § 53 Abs. 1 und 2 Z.6 FPG wurde ein Einreiseverbot für die Dauer von 2 Jahren erlassen. Der Beschwerde wurde gem. § 18 Abs. 2 Z.1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt.
I.4.1. Die belangte Behörde ging im Wesentlichen davon aus, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des unrechtmäßigen Aufenthaltes des BF im Bundesgebiet dessen private Interessen an einem Verbleib bei weitem überwiegt. Weiter ging das BFA davon aus, dass das Verhalten des BF eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung darstellt.
I.4.2. Zur abschieberelevanten Lage in der Republik Türkei traf die belangte Behörde ausführliche und schlüssige Feststellungen.
I.4.3. Rechtlich führte die belangte Behörde aus, dass die Rückkehrentscheidung keinen ungerechtfertigten Eingriff in Art. 8 EMRK darstelle und aufgrund der Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ein Einreiseverbot zu erlassen war.
I.5. Gegen den im Spruch genannten Bescheid wurde mit im Akt ersichtlichen Schriftsatz innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben.
Im Wesentlichen wurde vorgebracht, dass die Interessensabwägung mangelhaft geblieben sei. Der BF sei in Österreich integriert und sozial verankert. In Österreich würden 2 Schwestern des BF, ein Onkel und eine Tante sowie zahlreiche Cousins und Cousinen leben. Der BF gehe zwar keiner Beschäftigung nach, werde aber von Verwandten und Freunden unterstützt. Der BF habe nie in Österreich studiert und habe auch keine Gartenarbeiten verrichtet. Der Vorwurf der Schwarzarbeit sei zu Unrecht erfolgt, da der BF seine Verwandten nur gelegentlich unterstützt und dafür nur einen geringen Betrag erhalten habe. Der BF sei auch nicht mittellos, da er von Verwandten und Freunden unterstützt werde. Eine individuelle Gefährdungsprognose sei von der belangten Behörde nicht erstellt worden.
Die aufschiebende Wirkung sei zu Unrecht aberkannt worden, da der BF keine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit darstelle.
I.6. Die Beschwerde langte am 3.7.2019 beim BVwG ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen
II.1.1. Der Beschwerdeführer:
Beim BF handelt es sich um einen ledigen türkischen Staatsangehörigen und somit Drittstaatsangehörigen.
Der BF ist ein junger, gesunder, arbeitsfähiger Mann mit bestehenden familiären Anknüpfungspunkten im Herkunftsstaat und einer -wenn auch auf niedrigerem Niveau als in Österreich- gesicherten Existenzgrundlage.
Der BF reiste am 25.10.2017 in das Bundesgebiet ein. Bis einschließlich 29.12.2017 war sein Aufenthalt aufgrund eines Visum C rechtmäßig. Von 30.12.2017 bis zu seiner Abschiebung am 12.6.2019 befand sich der BF illegal im Bundesgebiet. Der BF ist seinen Verpflichtungen nach dem Meldegesetz nicht nachgekommen und ist auch nie einer legalen Beschäftigung im Bundesgebiet nachgegangen. Er ist mittellos und wurde in Österreich von Familienangehörigen und Freunden unterstützt.
In Österreich leben 2 Schwestern des BF, 1 Onkel und 1 Tante sowie zahlreiche Cousins und Cousinen, in der Türkei lebt zumindest die Mutter des BF.
Die Identität des BF steht fest. Er ist in Österreich strafrechtlich bislang unbescholten. Der BF ist in Österreich einer illegalen Beschäftigung nachgegangen. Er hat die Bestimmungen des MeldeG, des FPG, des NAG und des AuslBG verletzt.
II.1.3. Die Lage im Herkunftsstaat im Herkunftsstaat Türkei
Zur abschieberelevanten Lage im Herkunftsstaat werden folgende Feststellungen getroffen:
Sicherheitslage
Als Reaktion auf den gescheiterten Putsch vom 15.7.2016 hat der türkische Präsident am 20.7.2016 den Notstand ausgerufen. Dieser berechtigt die Regierung, verschiedene Einschränkungen der Grundrechte wie der Versammlungs- oder der Pressefreiheit zu verfügen (EDA 24.1.2017). Auf der Basis des Ausnahmezustandes können u. a. Ausgangssperren kurzfristig verhängt, Durchsuchungen vorgenommen und allgemeine Personenkontrollen jederzeit durchgeführt werden. Personen, gegen die türkische Behörden strafrechtlich vorgehen (etwa im Nachgang des Putschversuchs oder bei Verdacht auf Verbindungen zur sogenannten Gülen-Bewegung), kann die Ausreise untersagt werden (AA 24.1.2017a).
Die innenpolitischen Spannungen und die bewaffneten Konflikte in den Nachbarländern Syrien und Irak haben Auswirkungen auf die Sicherheitslage. In den größeren Städten und in den Grenzregionen zu Syrien kann es zu Demonstrationen und Ausschreitungen kommen. Im Südosten des Landes sind die Spannungen besonders groß, und es kommt immer wieder zu Ausschreitungen und bewaffneten Zusammenstößen. Trotz erhöhter Sicherheitsmaßnahmen besteht das Risiko von Terroranschlägen jederzeit im ganzen Land. Seit dem Sommer 2015 hat die Zahl der Anschläge zugenommen. Im Südosten und Osten des Landes, aber auch in Ankara und Istanbul haben die Attentate zahlreiche Todesopfer und Verletzte gefordert, darunter Sicherheitskräfte, Bus-Passagiere, Demonstranten und Touristen (EDA 24.1.2017).
Die Situation im Südosten, so die Europäische Kommission, blieb eine der schwierigsten Herausforderungen für das Land. Die Türkei sah sich mit einer weiterhin sehr ernsten Verschlechterung der Sicherheitslage konfrontiert, in der es zu schweren Verlusten an Menschenleben nach dem Zusammenbruch der Verhandlungen zur Lösung der Kurdenfrage im Juli 2015 kam. Das Land wurde von mehreren terroristischen Großangriffen seitens der PKK und dem sog. Islamischen Staat (auch Da'esh) betroffen. Die Behörden setzten ihre umfangreiche Anti-Terror-kampagnen gegen die kurdische Arbeiterpartei (PKK) fort.Das Ausmaß der Binnenflucht aus jenen Zonen, in denen eine Ausgangssperre herrschte, sowie der mangelnde Zugang zur Grundversorgung in diesen Gebieten gaben der EK ebenfalls Anlass zu großer Sorge. Die EK sah die dringliche Notwendigkeit des ungehinderten Zuganges von unabhängigen Ermittlern in die Region. Überdies zitierte die EK die Venediger Kommission des Europarates, wonach sich die Verhängung der Ausgangssperren weder im Einklang mit der türkischen Verfassung noch mit den internationalen Verpflichtungen des Landes befände (EC 9.11.2016).
Die Parlamentarische Versammlung des Europarates (PACE) wies auf die rechtliche Einschätzung der Venediger Kommission vom 13.6.2016 hin, wonach die seit August 2015 verhängten Ausgangssperren im Südosten des Landes gegen die türkische Verfassung und den Rechtsrahmen verstoßen haben. Denn Ausgangssperren können nur in Zusammenhang mit dem materiellen oder dem Notstandsrecht verhängt werden, wofür es aber eines parlamentarischen Beschlusses bedarf, welcher jedoch nie gefasst wurde. Die Versammlung zeigte sich auch besorgt, dass 21 demokratisch gewählte kurdische Bürgermeister verhaftet und 31 weitere wegen Unterstützung oder Begünstigung einer terroristischen Organisation entlassen wurden. Die Versammlung äußerte ihre Besorgnis ob der breiten Interpretation des Anti-Terror-Gesetzes, um gewaltfreie Äußerungen zu bestrafen und jede Botschaft zu kriminalisieren, wenn diese sich bloß vermeintlich mit den Interessen einer Terrororganisation deckten (PACE 22.6.2016).
Mehr als 80 Prozent der Provinzen im Südosten des Landes waren von Gewalt betroffen. Sieben von neun Provinzen Südostanatoliens sowie zwölf von 14 Provinzen Ostanatoliens waren von Attentaten der PKK, der TAK und des sog. IS, Vergeltungsoperationen der Regierung und bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen der PKK und den türkischen Sicherheitskräften betroffen. In den Provinzen Diyarbakir, Mardin und Sirnak kam es zu den meisten, in Hakkâri, Kilis, Sanliurfa und Van zu relativ vielen Vorfällen (SFH 25.8.2016).
Für den Menschenrechtskommissar des Europarates bestand kein Zweifel daran, dass weite Bevölkerungsteile von den Ausgangssperren und Antiterrormaßnahmen betroffen waren. Laut Parlamentarischer Versammlung des Europarates waren 1,6 Millionen Menschen in den städtischen Zentren von den Sperrstunden betroffen, und mindestens 355.000 Personen wurden vertrieben. Zahlreichen glaubwürdigen Berichten zufolge, die durch dokumentarische Beweise und Videoaufnahmen gesichert wurden, haben die türkischen Sicherheitskräfte in manchen Fällen schwere Waffen eingesetzt, darunter auch Artillerie und Mörser sowie Panzer und schwere Maschinengewehre. Dies deckt sich mit den Zerstörungen, die der Menschenrechtskommissar angetroffen hat. Mehre Städte in den südöstlichen Landesteilen wurden zum Teil schwer zerstört. Der Gouverneur von Diyarbakir schätzte, dass 50% der Häuser von sechs Stadtvierteln in der Altstadt von Sur nun völlig unbewohnbar wurden, und dass weitere 25% beschädigt wurden (CoE-CommDH 2.12.2016).
Bereits im März 2016 wurde von schweren Verwüstungen der Stadt Cizre berichtet. Vom Cudi-Viertel auf der linken Seite des Tigris waren nur noch die Ruinen eingestürzter Häuser übrig; ein Hinweis darauf, dass die Panzer mit ihren Granaten systematisch auf die Stützpfeiler der Wohnhäuser zielten. 80 Prozent der Wohngebiete in Cizre sollen zerstört worden sein (LMD 7.7.2016). In Silopi wurden gemäß Regierungsberichten vom März 2016 6.694 Häuser und Wohnungen im Zuge der Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und PKK-nahen Guerillakämpfern beschädigt, wobei 27 komplett zerstört wurden. Lokale Quellen setzten die Zahl der betroffenen Wohnstätten wesentlich höher an. 241 Wohnobjekte, die im Regierungsbericht nicht aufscheinen, seien völlig zerstört worden (Rudaw 15.3.2016).
Laut der Sicherheitsagentur "Verisk Maplecroft" wurden 2016 bei 269 Terroranschlägen 685 Menschen getötet und mehr als 2.000 verwundet (FT 4.1.2017). Das "Bipartisan Policy Center" zählte bis Dezember 2016 eine Verdoppelung der Opferzahlen im Vergleich zu 2015. Beinahe 300 Personen wurden 2016 bei den größeren Terroranschlägen der Freiheitsfalken Kurdistans (TAK) und des sog. Islamischen Staates getötet. 2015 waren es weniger als 150 (BI 21.12.2016).
Neben Anschlägen der PKK und ihrer Splittergruppe TAK wurden mehrere schwere Anschläge dem sog. Islamischen Staat zugeordnet.
Bei einem Selbstmordanschlag auf eine Touristengruppe im Zentrum Istanbuls wurden im Jänner 2016 zwölf Deutsche getötet. Die Regierung gab dem IS die Schuld für den Anschlag (Zeit 17.1.2017). Am 28. Juni 2016 kamen bei einem Terroranschlag auf den Istanbuler Flughafen Atatürk über 40 Menschen ums Leben. Die Behörden gingen von einer Täterschaft des sog. Islamischen Staates (IS) aus (Standard 30.6.2016). Am 20.8.2016 riss ein Selbstmordanschlag des sog. IS auf eine kurdische Hochzeit in Gaziantep mehr als 50 Menschen in den Tod (Standard 22.8.2016). Mahmut Togrul, lokaler Parlamentarier der HDP, sagte, dass die Hochzeitsgäste größtenteils Unterstützer der HDP gewesen seien, weshalb der Anschlag nicht zufällig, sondern als Racheakt an den Kurden zu betrachten sei (Guardian 22.8.2016). In einer Erklärung warf die HDP der Regierung vor, sie habe Warnungen vor Terroranschlägen durch den sog. IS ignoriert. Vielmehr habe die Regierungspartei AKP tatenlos zugesehen, wie sich die Terrormiliz IS gerade in der grenznahen Stadt Gaziantep ausgebreitet hat (tagesschau.de 21.8.2016). Ein weiterer schwerer Terroranschlag des sog. IS erfolgte in der Silvesternacht 2016/17. Während eines Anschlags auf den Istanbuler Nachtclub Reina wurden 39 Menschen getötet, darunter 16 Ausländer (Zeit 17.1.2017).
Die PKK hat am 12.3.2016 eine Dachorganisation linker militanter Gruppen gegründet, um ihre eigenen Fähigkeiten auszuweiten und ihre Unterstützungsbasis jenseits der kurdischen Gemeinschaft auszudehnen. Die neue Gruppe, bekannt als die "Revolutionäre Bewegung der Völker" (HBDH), wird vom Chef der radikalsten linken Fraktion innerhalb der PKK, Duran Kalkan, geleitet. Erklärte Absicht der Gruppe, die den türkischen Staat und im Speziellen die herrschende AKP ablehnt, ist es, die politische Agenda voranzutreiben, wozu auch Terroranschläge u.a. gegen Ausländer gehören. Die Gruppe unterstrich zudem das Scheitern der kurdischen Parteien in der Türkei, auch der legalen HDP (Stratfor 15.4.2016). Laut Berichten beabsichtigt die HBDH Propagandaaktionen durchzuführen, um auch die Unterstützung von türkischen Aleviten zu erhalten, und um "Selbstverteidigungsbüros" in den Vierteln der südlichen und südöstlichen Städte zu errichten. Die HBDH will auch Druck auf Dorfvorsteher und Beamte ausüben, die in Schulen und Gesundheitsdiensten arbeiten, damit diese entweder kündigen oder die Ortschaften verlassen (HDN 4.4.2016). Neun verbotene Gruppen trafen sich auf Einladung der PKK am 23.2.2016 zur ihrer ersten Sitzung im syrischen Latakia, darunter die Türkische kommunistische Partei/ Marxistisch-Leninistisch (TKP/ML), die Marxistisch-Leninistische Kommunistische Partei (MLKP) [siehe 3.4.], die Revolutionäre Kommunistische Partei (DKP), die Türkische Kommunistische Arbeiterpartei/ Leninistin (TKEP/L), die Kommunistische Partei der Vereinten Nationen (MKP), die türkische Revolutionäre Kommunistenvereinigung (TIKB), das Revolutionshauptquartier und die Türkische Befreiungspartei-Front (THKP-C) [siehe 3.5] (HDN 4.4.2016; vgl. ANF News 12.3.2016). Die HBDH sieht in der Türkei eine Ein-Parteien-Diktatur bzw. ein faschistisches Regime entstehen, dass u.a. auf der Feindschaft gegen die Kurden gründet (ANF News 12.3.2016).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (6.2.2017a): Reise- und Sicherheitshinweise, http://www.auswaertiges-amt.de/sid_28DF483ED70F2027DBF64AC902264C1D/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/Nodes/TuerkeiSicherheit_node.html, Zugriff 6.2.2017
- ANF News (12.3.2016): Peoples' United Revolutionary Movement established for a joint struggle, http://anfenglish.com/news/peoples-united-revolutionary-movement-established-for-a-joint-struggle, Zugriff 25.1.2017
- BPC - Bipartisan Policy Center (21.12.2016): Terror Attacks in Turkey Mark Regional and Internal Conflicts, http://bipartisanpolicy.org/blog/turkey-regional-and-internal-conflicts/, Zugriff 24.1.2017
- CoE-CommDH - Council of Europe - Commissioner for Human Rights (2.12.2016): Memorandum on the Human Rights Implications of Anti-Terrorism Operations in South-Eastern [CommDH (2016)39], https://wcd.coe.int/com.instranet.InstraServlet?command=com.instranet.CmdBlobGet&InstranetImage=2952745&SecMode=1&DocId=2393034&Usage=2, Zugriff 24.1.2017
- Der Standard (22.8.2016): Anschlag auf Kurdenhochzeit: Ein Kind als Attentäter, http://derstandard.at/2000043149810/Anschlahgg-auf-Kurdenhohzeit-Ein-Kind-als-Attentaeter, Zugriff 24.1.2017
- Der Standard (30.6.2016): Istanbul-Anschlag: Spur nach Russland und Zentralasien, http://derstandard.at/2000040160430/Istanbul-Anschlag-Spur-nach-Russland-und-Zentralasien, Zugriff 24.1.2017
- Die Zeit (17.1.2017): Verdächtiger gesteht Attentat auf Nachtclub, http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2017-01/anschlag-istanbul-nachtclub-verdaechtiger-gestaendnis, Zugriff 24.1.2017
- EC - European Commission (9.11.2016): Turkey 2016 Report [SWD (2016) 366 final], http://ec.europa.eu/enlargement/pdf/key_documents/2016/20161109_report_turkey.pdf, Zugriff 24.1.2017
- EDA - Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (24.1.2017): Reisehinweise Türkei, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/vertretungen-und-reisehinweise/tuerkei/reisehinweise-fuerdietuerkei.html, Zugriff 24.1.2017
- FT - Financial Times (4.1.2017): No sign of Turkish shift on Syria and Kurds after terror attacks, https://www.ft.com/content/9ac04d9c-d25f-11e6-b06b-680c49b4b4c0, Zugriff 24.1.2017
- HDN - Hürriyet Daily News (4.4.2016): Newly-formed PKK initiative to target Turkish cities, conduct political propaganda: Report, http://www.hurriyetdailynews.com/newly-formed-pkk-initiative-to-target-turkish-cities-conduct-political-propaganda-report.aspx?pageID=238&nID=97276&NewsCatID=341, Zugriff 25.1.2017
- LMD - Le Monde Diplomatique (7.7.2016): In den Ruinen von Cizre und Sûr, http://monde-diplomatique.de/artikel/!5317476, 24.1.2017
- PACE - Council of Europe - Parliamentary Assembly (22.6.2016): The functioning of democratic institutions in Turkey [Resolution 2121 (2016), Provisional version], http://semantic-pace.net/tools/pdf.aspx?doc=aHR0cDovL2Fzc2VtYmx5LmNvZS5pbnQvbncveG1sL1hSZWYvWDJILURXLWV4dHIuYXNwP2ZpbGVpZD0yMjk1NyZsYW5nPUVO&xsl=aHR0cDovL3NlbWFudGljcGFjZS5uZXQvWHNsdC9QZGYvWFJlZi1XRC1BVC1YTUwyUERGLnhzbA==&xsltparams=ZmlsZWlkPTIyOTU3, Zugriff 25.1.2017
- Rudaw (15.3.2016): Over 6,600 homes damaged by fighting in Kurdish Silopi, Ankara says, http://www.rudaw.net/english/middleeast/turkey/15032016, Zugriff 24.1.2017
- SFH - Schweizerische Flüchtlingshilfe (25.8.2016): Türkei: Situation im Südosten - Stand August 2016, https://www.fluechtlingshilfe.ch/assets/herkunftslaender/europa/tuerkei/160825-tur-sicherheitslage-suedosten.pdf, Zugriff 24.1.2017
- Stratfort (15.4.2016): Turkey's Militants Get More Organized, https://www.stratfor.com/sample/analysis/turkeys-militants-get-more-organized, Zugriff 25.1.2017
- tagesschau.de (21.8.2016): Zwischen Trauer und Wut, https://www.tagesschau.de/ausland/gaziantep-115.html, Zugriff 24.1.2017
- The Guardian (22.8.2016): Erdogan blames Isis for suspected suicide attack at wedding in Turkey, https://www.theguardian.com/world/2016/aug/20/several-dead-in-suspected-terrorist-blast-at-wedding-in-turkey, Zugriff 24.1.2017
Grundversorgung/Wirtschaft
Schätzungen besagten, dass sich das Wachstum des Bruttosozialprodukts 2016 auf unter 3% gemindert hat. Allerdings wird seitens der OECD ein Wiederanstieg auf 3,75% bis 2018 erwartet. Die türkische Wirtschaft ist weiterhin mit dem geopolitischen Gegenwind und ungelösten politischen Problemen konfrontiert. Nach dem gescheiterten Putschversuch im Juli 2015 verschlechterte sich die Marktstimmung nur vorrübergehend. Allerdings kam es im Zuge der geopolitischen Unsicherheiten und der Verlängerung des Ausnahmezustandes zu einer Herabstufung der Ratings, was zu einer zusätzlichen Schwächung der Landeswährung und der Aktienmärkte führte. Das Vertrauen der privaten Haushalte und Unternehmen sank. Die Unsicherheiten sind zwar hoch, doch die Fiskal-, Aufsichts- und Geldpolitik wirken unterstützend und sollten den Privatkonsum wieder anregen (OECD 11.2016).
Die türkische Wirtschaft hat mit enormen Problemen zu kämpfen. Im dritten Quartal des Jahres 2016 fiel das Bruttoinlandsprodukt (BIP) um 1,8% niedriger aus als im Vorjahresquartal, teilte die nationale Statistikbehörde mit. Es war das erste Mal seit 27 Quartalen, dass ein Minus verzeichnet wurde. Die BIP-Entwicklung im dritten Quartal ist bislang das deutlichste Zeichen, dass die schwierige politische Lage im Land sich auf die Wirtschaft auswirkt. Laut der Statistikbehörde gingen die privaten Konsumausgaben um 3,2% zurück. Die Exporte sanken demnach sogar um 7% (Zeit 12.12.2016).
Ein düsteres Bild ergibt ein Blick auf die Detailzahlen für 2016. Die Fertigungsindustrie als Rückgrat der türkischen Wirtschaft sank im dritten Quartal 2016 um fast 5%. Der wichtige Agrarsektor und der Dienstleistungsbereich schrumpften um 1% respektive 2% seit Anfang 2016. Turbulenzen im Privatsektor, Erschütterungen im Bankenbereich, ein Anstieg der Arbeitslosigkeit sowie schrumpfende Einkommen drohen für 2017. Der Hauptgrund liegt darin, dass sich die türkische Wirtschaft auf externe Fonds verlässt und sich eben diese angesichts eines gestiegenen Dollars aus dem Land zurückziehen (AM 4.1.2017).
Die Arbeitslosigkeit bleibt ein gravierendes Problem. Aus der jungen Bevölkerung drängen jährlich mehr als eine halbe Million Arbeitssuchende auf den Arbeitsmarkt, können dort aber nicht vollständig absorbiert werden. Hinzu kommt das starke wirtschaftliche Gefälle zwischen strukturschwachen ländlichen Gebieten (etwa im Osten und Südosten) und den wirtschaftlich prosperierenden Metropolen. Die durchschnittliche Arbeitslosenquote lag im Jahr 2015 bei knapp über 10%. Herausforderungen für den Arbeitsmarkt bleiben der weiterhin hohe Anteil der Schwarzarbeit und die niedrige Erwerbsquote von Frauen. Dabei bezieht der überwiegende Teil der in Industrie, Landwirtschaft und Handwerk erwerbstätigen ArbeiterInnen weiterhin den offiziellen Mindestlohn. Er wurde für das Jahr 2016 auf 1.647 Türkische Lira brutto festgesetzt. Die Entwicklung der Realeinkommen hat mit der Wirtschaftsentwicklung nicht Schritt halten können, sodass insbesondere die ärmeren Bevölkerungsschichten am Rande des Existenzminimums leben (AA 10.2016c, BS 2016).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (1.2017c): Wirtschaft, http://www.auswaertiges-amt.de/sid_E9DC3FE4C4E50A1CDD48B99ED27D8701/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Tuerkei/Wirtschaft_node.html, Zugriff 6.2.2017
- AM - Al Monitor (4.1.2017): Why 2017 doesn't bode well for Turkey's economy, http://fares.al-monitor.com/pulse/originals/2017/01/turkey-economy-black-winter-alarm.html, Zugriff 11.1.2017
- BS - Bertelsmann Stiftung (2016): BTI 2016 - Turkey Country Report, http://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2016/pdf/BTI_2016_Turkey.pdf, Zugriff 11.1.2017
- Die Zeit (12.12.2016): Türkische Wirtschaft schrumpft erstmals seit Jahren, http://www.zeit.de/wirtschaft/2016-12/tuerkei-wirtschaft-politische-situation-unruhe-auswirkungen, Zugriff 11.1.2017
- OECD - Organisation for Economic Co-operation and Development (11.2016): developments in individual oecd and selected non-member economies - Turkey, http://www.oecd.org/eco/outlook/economic-forecast-summary-turkey-oecd-economic-outlook-november-2016.pdf, Zugriff 11.1.2017
II.1.4. Der BF stellt aufgrund seines Verhaltens (mehrfache Übertretung von Verwaltungsvorschriften, Mittellosigkeit) eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr für die Gemeinschaft dar. Eine positive Zukunftsprognose (bzgl. des Verhaltens) konnte nicht erstellt werden. Es ergibt sich aus dem Ermittlungsverfahren überdies, dass die Abschiebung des BF in die Türkei zulässig und möglich ist und war die Erlassung einer Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot geboten.
2. Beweiswürdigung
II.2.1. Das erkennende Gericht hat durch den vorliegenden Verwaltungsakt Beweis erhoben und ein ergänzendes Ermittlungsverfahren durchgeführt. Der festgestellte Sachverhalt in Bezug auf den bisherigen Verfahrenshergang steht aufgrund der außer Zweifel stehenden Aktenlage fest und ist das ho. Gericht in der Lage, sich vom entscheidungsrelevanten Sachverhalt ein ausreichendes und abgerundetes Bild zu machen.
II.2.2. Die personenbezogenen Feststellungen hinsichtlich des BF ergeben sich aus seinen in diesem Punkt nicht widerlegten Angaben sowie den seitens des BF vorgelegten Bescheinigungsmitteln (türk. Führerschein und Reisepass).
II.2.3 Zu der getroffenen Auswahl der Quellen, welche zur Feststellung der abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat herangezogen wurden, ist anzuführen, dass es sich hierbei aus der Sicht des erkennenden Gerichts um eine ausgewogene Auswahl verschiedener Quellen -sowohl staatlichen, als auch nichtstaatlichen Ursprunges- handelt, welche es ermöglichen, sich ein möglichst umfassendes Bild von der Lage im Herkunftsstaat zu machen. Die getroffenen Feststellungen ergeben sich daher im Rahmen einer ausgewogenen Gesamtschau unter Berücksichtigung der Aktualität und der Autoren der einzelnen Quellen. Auch kommt den Quellen im Rahmen einer Gesamtschau Aktualität zu.
Der BF trat auch den Quellen und deren Kernaussagen nicht konkret und substantiiert entgegen.
II.2.4. In Bezug auf den weiteren festgestellten Sachverhalt ist anzuführen, dass die von der belangten Behörde vorgenommene freie Beweiswürdigung (VwGH 28.09.1978, Zahl 1013, 1015/76; Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage, § 45 AVG, E 50, Seite 305) im hier dargestellten Rahmen im Sinne der allgemeinen Denklogik und der Denkgesetze im Wesentlichen von ihrem objektiven Aussagekern her in sich schlüssig und stimmig ist.
II.2.4.1. Nach der Rechtsprechung des VwGH hat die Verpflichtung der Behörde zur amtswegigen Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes dort ihre Grenze, wo es der Mitwirkung der Partei bedarf und diese eine solche unterlässt (Erk. d. VwGH vom 12.9.2006, 2003/03/2006).
Insgesamt gesehen wurde der für die rechtliche Beurteilung entscheidungsrelevante Sachverhalt von der belangten Behörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben, der immer noch die gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweist. Die belangte Behörde hat auch die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in der angefochtenen Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offengelegt und teilt das hier entscheidende Gericht auch die tragenden Erwägungen der Beweiswürdigung der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid.
Der BF konnte auch im Beschwerdeverfahren den Feststellungen der belangten Behörde nicht entsprechend entgegentreten.
Demnach ist die belangte Behörde zu Recht davon ausgegangen, dass sich der BF seit Ende 2017 illegal im Bundesgebiet befindet und für die Behörden nicht erreichbar war, da er es bis dato unterlassen hatte, sich anzumelden. Vielmehr wohnte der BF ständig an verschiedenen Orten bei diversen Freunden und Bekannten. Das BFA hat auch zu Recht festgestellt, dass der BF nicht über ausreichend Barmittel verfügt, um seinen Lebensunterhalt in Österreich zu finanzieren, wenngleich er zwischendurch von Verwandten und Freunden immer wieder finanziell unterstützt wurde. So ging der BF aber nie einer legalen Beschäftigung im Bundesgebiet nach. Vielmehr gab er anlässlich der Personenkontrolle am 24.5.2019 selbst an, dass er mit einem Kollegen und dessen Onkel gerade eine Wohnung entrümpelt habe, wofür sie 100,- Euro erhalten hätten. Weiter hätten sie eine 2. Wohnung entrümpelt, wofür sie 150,- Euro erhalten hätten. Das BFA ist daher in seiner Entscheidung zu Recht davon ausgegangen, dass der BF in Österreich entgegen den Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes gearbeitet hat, zumal auch weder ein Gewerbeschein oder eine Beschäftigungsbewilligung von ihm vorgelegt wurden.
3. Rechtliche Beurteilung
II.3.1. Zuständigkeit, Entscheidung durch den Einzelrichter, Anzuwendendes Verfahrensrecht
II.3.1.1. Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des Bundesgesetzes, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden (BFA-Verfahrensgesetz - BFA-VG), BGBl I 87/2012 idgF) entscheidet das Bundesverwaltungs-gericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.
II.3.1.2. Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesver-waltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG), BGBl I 10/2013 idgF entscheidet im gegenständlichen Fall der Einzelrichter.
II.3.1.3. Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz - VwGVG), BGBl. I 33/2013 idF BGBl I 122/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft und hat das ho. Gericht im gegenständlichen Fall gem. § 17 leg. cit das AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
§ 1 BFA-VG bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt. Gem. §§ 16 Abs. 6, 18 Abs. 7 BFA-VG sind für Beschwerdevorverfahren und Beschwerdeverfahren, die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anzuwenden.
II.3.1.4. Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, es den angefochtenen Bescheid, auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.
Zu A) (Spruchpunkt I)
II.3.2. Erlassung einer Rückkehrentscheidung
II.3.2.1. Gesetzliche Grundlagen (auszugsweise):
§ 9 BFA-VG, Schutz des Privat- und Familienlebens:
"§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
(2) - (6) ..."
§ 52 FPG, Rückkehrentscheidung:
"§ 52. ...
(4) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn
----------
1.-nachträglich ein Versagungsgrund gemäß § 60 AsylG 2005 oder § 11 Abs. 1 und 2 NAG eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Aufenthaltstitels entgegengestanden wäre,
1a.-nachträglich ein Versagungsgrund eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Einreisetitels entgegengestanden wäre oder eine Voraussetzung gemäß § 31 Abs. 1 wegfällt, die für die erlaubte visumfreie Einreise oder den rechtmäßigen Aufenthalt erforderlich ist,
2.-ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 oder 2 NAG erteilt wurde, er der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht und im ersten Jahr seiner Niederlassung mehr als vier Monate keiner erlaubten unselbständigen Erwerbstätigkeit nachgegangen ist,
3.-ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 oder 2 NAG erteilt wurde, er länger als ein Jahr aber kürzer als fünf Jahre im Bundesgebiet niedergelassen ist und während der Dauer eines Jahres nahezu ununterbrochen keiner erlaubten Erwerbstätigkeit nachgegangen ist,
4.-der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels ein Versagungsgrund (§ 11 Abs. 1 und 2 NAG) entgegensteht oder
5.-das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, aus Gründen, die ausschließlich vom Drittstaatsangehörigen zu vertreten sind, nicht rechtzeitig erfüllt wurde.
§ 11. NAG (1) Aufenthaltstitel dürfen einem Fremden nicht erteilt werden, wenn
----------
1.-gegen ihn ein aufrechtes Einreiseverbot gemäß § 53 FPG oder ein aufrechtes Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG besteht;
2.-gegen ihn eine Rückführungsentscheidung eines anderen EWR-Staates oder der Schweiz besteht;
3.-gegen ihn eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung erlassen wurde und seit seiner Ausreise nicht bereits achtzehn Monate vergangen sind, sofern er nicht einen Antrag gemäß § 21 Abs. 1 eingebracht hat, nachdem er seiner Ausreiseverpflichtung freiwillig nachgekommen ist;
4.-eine Aufenthaltsehe, Aufenthaltspartnerschaft oder Aufenthaltsadoption (§ 30 Abs. 1 oder 2) vorliegt;
5.-eine Überschreitung der Dauer des erlaubten visumfreien oder visumpflichtigen Aufenthalts im Zusammenhang mit § 21 Abs. 6 vorliegt oder
6.-er in den letzten zwölf Monaten wegen Umgehung der Grenzkontrolle oder nicht rechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet rechtskräftig bestraft wurde.
(2) Aufenthaltstitel dürfen einem Fremden nur erteilt werden, wenn
----------
1.-der Aufenthalt des Fremden nicht öffentlichen Interessen widerstreitet;
2.-der Fremde einen Rechtsanspruch auf eine Unterkunft nachweist, die für eine vergleichbar große Familie als ortsüblich angesehen wird;
3.-der Fremde über einen alle Risken abdeckenden Krankenversicherungsschutz verfügt und diese Versicherung in Österreich auch leistungspflichtig ist;
4.-der Aufenthalt des Fremden zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte;
5.-durch die Erteilung eines Aufenthaltstitels die Beziehungen der Republik Österreich zu einem anderen Staat oder einem anderen Völkerrechtssubjekt nicht wesentlich beeinträchtigt werden;
6.-der Fremde im Fall eines Verlängerungsantrages (§ 24) das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, rechtzeitig erfüllt hat, und
7.-in den Fällen der §§ 58 und 58a seit der Ausreise in einen Drittstaat gemäß § 58 Abs. 5 mehr als vier Monate vergangen sind.
§ 55 FPG, Frist für die freiwillige Ausreise
§ 55. (1)...
(1a) Eine Frist für die freiwillige Ausreise besteht nicht für die Fälle einer zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 AVG sowie wenn eine Entscheidung auf Grund eines Verfahrens gemäß § 18 BFA-VG durchführbar wird.
(2) - (5).
Art. 8 EMRK, Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens
(1) Jedermann hat Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs.
(2) Der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts ist nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist."
§ 58. AsylG (1) Das Bundesamt hat die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 von Amts wegen zu prüfen, wenn
...
(9) Ein Antrag auf einen Aufenthaltstitel nach diesem Hauptstück ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn der Drittstaatsangehörige
----------
1.-sich in einem Verfahren nach dem NAG befindet,
2.-bereits über ein Aufenthaltsrecht nach diesem Bundesgesetz oder dem NAG verfügt oder
3.-gemäß § 95 FPG über einen Lichtbildausweis für Träger von Privilegien und Immunitäten verfügt oder gemäß § 24 FPG zur Ausübung einer bloß vorübergehenden Erwerbstätigkeit berechtigt ist
soweit dieses Bundesgesetz nicht anderes bestimmt. Dies gilt auch im Falle des gleichzeitigen Stellens mehrerer Anträge.
II.3.2.3. Die Setzung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme kann einen ungerechtfertigten Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens des Fremden iSd. Art. 8 Abs. 1 EMRK darstellen. Daher muss überprüft werden, ob sie einen Eingriff und in weiterer Folge eine Verletzung des Privat- und/oder Familienlebens des Fremden darstellt.
Vom Begriff des 'Familienlebens' in Art. 8EMRKist nicht nur die Kleinfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern umfasst, sondern zB auch Beziehungen zwischen Geschwistern (EKMR 14.3.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Eltern und erwachsenen Kindern (etwa EKMR 6.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215). Dies allerdings nur unter der Voraussetzung, dass eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt. (vgl. dazu EKMR 6.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215; EKMR 19.7.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.2.1979, 7912/77, EuGRZ 1981, 118; EKMR 14.3.1980, 8986/80, EuGRZ 1982, 311; Frowein - Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention, EMRK- Kommentar, 2. Auflage (1996) Rz 16 zu Art. 8; Baumgartner, Welche Formen des Zusammenlebens schützt die Verfassung? ÖJZ 1998, 761; vgl. auch Rosenmayr, Aufenthaltsverbot, Schubhaft und Abschiebung, ZfV 1988, 1, ebenso VwGH vom 26.1.2006, 2002/20/0423).
Bei dem Begriff "Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK" handelt es sich nach gefestigter Ansicht der Konventionsorgane um einen autonomen Rechtsbegriff der Konvention.
Ist von einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme die gesamte Familie betroffen, greift sie lediglich in das Privatleben der Familienmitglieder und nicht auch in ihr Familienleben ein; auch dann, wenn sich einige Familienmitglieder der Abschiebung durch Untertauchen entziehen (EGMR, Cruz Varas and others vs Sweden, 46/1990/237/307, 21.3.1991).
II.3.2.5. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung des Rechts auf das Privat- und Familienleben nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, welche in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, der Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.
Zweifellos handelt es sich sowohl bei der belangten Behörde als auch beim ho. Gericht um öffentliche Behörden im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK und ist der Eingriff in § 10 AsylG gesetzlich vorgesehen.
Es ist in weiterer Folge zu prüfen, ob ein Eingriff in das Recht auf Achtung der durch Art. 8 (1) EMRK geschützten Rechte des Beschwerdeführers im gegenständlichen Fall durch den Eingriffsvorbehalt des Art. 8 EMRK gedeckt ist und ein in einer demokratischen Gesellschaft legitimes Ziel, nämlich die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung iSv. Art. 8 (2) EMRK, in verhältnismäßiger Wiese verfolgt.
II.3.2.6. Im Einzelnen ergibt sich aus einer Zusammenschau der gesetzlichen Determinanten im Lichte der Judikatur Folgendes:
- Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt rechtswidrig war:
Der BF ist seit 25.10.2017 in Österreich aufhältig. Er reiste zwar mit einem slowakischen Visum der Kategorie C legal in Österreich ein, hielt sich aber seit 30.12.2017 bis zu seiner Abschiebung am 12.6.2019 illegal im Bundesgebiet auf.
- das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens [Privatlebens]
Der BF verfügt über die bereits beschriebenen privaten und keine relevanten familiären Anknüpfungspunkte, da er zwar 2 erwachsene Schwestern und sonstige Verwandte in Österreich hat, zu denen aber weder ein Pflege- oder sonstiges Abhängigkeitsverhältnis besteht. Vielmehr haben diesem dem BF bei Bedarf lediglich finanziell unter die Arme gegriffen.
- Grad der Integration
Der BF hat keine Deutschprüfungen abgelegt und war bei seinen Einvernahmen auf einen Dolmetscher angewiesen, sodass nicht von ausreichenden Deutschkenntnissen ausgegangen werden kann, zumal er auch überwiegend in einem türkischen Umfeld verkehrte. Es geht aus dem Akteninhalt auch nicht hervor, dass der BF selbsterhaltungsfähig wäre bzw. entsprechende Anstrengungen in diese Richtung unternommen hätte. Vielmehr lebte er von finanziellen Zuwendungen der Familie und von Freunden bzw. der Schwarzarbeit.
- Bindungen zum Herkunftsstaat
Der BF besuchte in der Türkei die Schule, verbrachte den überwiegenden Teil seines Lebens dort und wurde dort auch sozialisiert. Er bekennt sich zum dortigen Mehrheitsglauben und spricht die dortige Mehrheitssprache auf muttersprachlichem Niveau. Ebenso ist davon auszugehen, dass in der Türkei Bezugspersonen etwa im Sinne eines gewissen Freundes- bzw. Bekanntenkreises und Verwandtschaft des BF existieren, da nichts darauf hindeutet, dass er vor seiner Ausreise im Herkunftsstaat in völliger sozialer Isolation gelebt hätte. Es deutet daher nichts darauf hin, dass es dem BF im Falle einer Rückkehr in den Herkunftsstaat nicht möglich wäre, sich in die dortige Gesellschaft erneut zu integrieren. So gab er auch an, in der Türkei wieder bei seiner Mutter leben zu können.
- strafrechtliche Unbescholtenheit
Der BF ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.
- weitere Erwägungen
Zur Gewichtung der öffentlichen Interessen sei ergänzend das Erkenntnis des VfGH 17. 3. 2005, G 78/04 ua erwähnt, in dem dieser erkennt, dass auch das Gewicht der öffentlichen Interessen im Verhältnis zu den Interessen des Fremden bei der Ausweisung [bzw. nunmehr Rückehrentscheidung] von Fremden, die sich etwa jahrelang legal in Österreich aufgehalten haben, und Asylwerbern, die an sich über keinen Aufenthaltstitel verfügen und denen bloß während des Verfahrens Abschiebeschutz zukommt, unterschiedlich zu beurteilen sind.
Wie bereits erwähnt, garantiert die EMRK gemäß der Rechtsprechung des EGMR (vgl. aktuell SISOJEVA u.a. gg. Lettland, 16.06.2005, Bsw. Nr. 60.654/00) Ausländern kein Recht auf Einreise und Aufenthalt in einem bestimmten Staat. Unter gewissen Umständen können von den Staaten getroffene Entscheidungen auf dem Gebiet des Aufenthaltsrechts (z. B. eine Ausweisungsentscheidung) aber auch in das nach Artikel 8 EMRK geschützte Privatleben eines Fremden eingreifen (wie im Fall SISOJEVA u.a. gg. Lettland oder BAGHLI gg. Frankreich, 30.11.1999, Bsw. Nr. 34374/97; ebenso die Rsp. des Verfassungsgerichtshofes; vgl. dazu VfSlg 10.737/1985; VfSlg 13.660/1993).
Wenn man - wie die Judikaturentwicklung des EGMR auch erkennen lässt - dem Aufenthaltsstatus des Fremden für die Beurteilung des Vorliegens eines Eingriffes in das durch Artikel 8 EMRK geschützte Privatleben keine Relevanz beimisst, so wird die Frage der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts jedenfalls im Rahmen der Schrankenprüfung nach Artikel 8 Absatz 2 EMRK Berücksichtigung zu finden haben.
II.3.2.7. Der BF verfügt nicht über derart enge Anknüpfungspunkte in Österreich zu seinen Familienangehörigen, welche gegenüber den öffentlichen Interessen zurückzutreten hätten. Demgegenüber verfügt er jedoch über Anknüpfungspunkte in der Türkei. Der BF hielt sich im Vergleich zu seinem Lebensalter erst einen sehr kurzen Zeitraum in Österreich auf und war eine gesellschaftliche Integration im beachtlichen Ausmaß nicht erkennbar. Er wurde in der Türkei sozialisiert. Es ist daher davon auszugehen, dass auf Grund dieser Beziehungen zum Herkunftsstaat die Interessen des BF unter Heranziehung des bisherigen Lebens in Österreich unter Einbeziehung der Übertretungen des Meldegesetzes, des Fremdenpolizeigesetzes, des Niederlassungsgesetzes und des Ausländerbeschäftigungsgesetzes den Interessen Österreichs an der Ausreise des BF unterlegen sind.
Nach Maßgabe einer Interessensabwägung im Sinne des § 9 BFA-VG ist davon auszugehen, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthalts des BF im Bundesgebiet das persönliche Interesse des BF am Verbleib im Bundesgebiet deutlich überwiegt und daher durch die angeordnete Rückkehrentscheidung eine Verletzung des Art. 8 EMRK nicht vorliegt. Auch sonst sind keine Anhaltspunkte hervorgekommen (und auch in der Beschwerde nicht vorgebracht worden), dass im gegenständlichen Fall eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig wäre.
II.3.3. Abschiebung
II.3.5.1. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG hat das BFA mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dass dies aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich sei. Für die gemäß § 52 Abs. 9 FPG gleichzeitig mit der Erlassung einer Rückkehrentscheidung vorzunehmende Feststellung der Zulässigkeit einer Abschiebung gilt der Maßstab des § 50 FPG (VwGH 15.09.2016, Ra 2016/21/0234).
Gemäß § 50 FPG ist die Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn dadurch Art 2 EMRK oder Art 3 EMRK oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre (Abs 1), wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Abs 2) oder solange ihr die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den EGMR entgegensteht (Abs 3).
Im gegenständlichen sind im Hinblick auf die von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid gemäß § 52 Abs. 9 iVm. § 50 FPG getroffenen Feststellungen keine konkreten Anhaltspunkte dahingehend hervorgekommen, dass die Abschiebung nach unzulässig wäre. Derartiges wurde auch in gegenständlichen Beschwerden nicht schlüssig dargelegt und wurden bzw. werden hierzu bereits an entsprechend passenden Stellen des gegenständlichen Erkenntnisses Ausführungen getätigt, welche die in § 50 Abs. 1 und 2 FPG erforderlichen Subsumtionen bereits vorwegnehmen.
Eine im § 50 Abs. 3FPG genannte Empfehlung des EGMR liegt ebenfalls nicht vor.
Gemäß der Entscheidung, welche bereits im Zusammenhang mit der Gewährung von Subsidiären Schutz teilweise erörtert wurde (VwGH 06.11.2018, Ra 2018/01/0106) sind Umstände, die im Abschiebungsfall zu einer Verletzung von Art. 2 oder 3 EMRK führen würden, aber für eine Zuerkennung von subsidiären Schutz nicht in Betracht kommen, beim Ausspruch betreffend die Abschiebung zu berücksichtigen.
In seinem Urteil vom 24. April 2018, C-353/16, MP, Rn. 45 und 46, hat der EuGH die Ansicht, dass Subsidiärer Schutz und Non Refoulement zu trennen sind, bestätigt. Er führte nochmals aus, dass der Schutz vor Ausweisung nach Art. 3 EMRK auch unter Berücksichtigung von Art. 4 der GRC (Non-refoulement) von der Gewährung von subsidiärem Schutz nach der Statusrichtlinie zu unterscheiden ist:
"45 ... Die vorliegende Rechtssache betrifft mithin nicht den Schutz vor Ausweisung, der sich nach Art. 3 EMRK aus dem Verbot ergibt, eine Person unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung auszusetzen, sondern die gesonderte Frage, ob der Aufnahmemitgliedstaat gehalten ist, den subsidiären Schutzstatus nach der Richtlinie 2004/83 einem Drittstaatsangehörigen zu gewähren, der von den Behörden seines Herkunftslands gefoltert wurde und dessen schwere psychische Folgeschäden sich bei einer Rückkehr in dieses Land deutlich verschlimmern könnten, wobei die ernste Gefahr eines Suizids besteht.
46 Es trifft ebenfalls zu, dass nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs, auch wenn Art. 3 EMRK - wie in den Rn. 39 bis 41 des vorliegenden Urteils ausgeführt - der Abschiebung eines an einer schweren Krankheit leidenden Drittstaatsangehörigen in ein Land, in dem keine angemessenen Behandlungsmöglichkeiten bestehen, in absoluten Ausnahmefällen entgegensteht, ihm gleichwohl nicht gestattet werden muss, sich im Rahmen des subsidiären Schutzes nach der Richtlinie 2004/83 in einem Mitgliedstaat aufzuhalten (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. Dezember 2014, M'Bodj, C-542/13, EU:C:2014:2452, Rn. 40)."
Zu den Auswirkungen, die es haben kann, dass im Herkunftsland des Betroffenen eine geeignete Infrastruktur zur Behandlung physischer oder psychischer Folgeschäden der von den Behörden dieses Landes verübten Folterhandlungen fehlt, führte der EuGH in diesem Urteil aus, der Gerichtshof habe bereits entschieden, "dass der in Art. 15 Buchst. b der Richtlinie 2004/83 genannte ernsthafte Schaden nicht bloß die Folge allgemeiner Unzulänglichkeiten des Gesundheitssystems des Herkunftslandes sein darf. Die Gefahr der Verschlechterung des Gesundheitszustands eines an einer schweren Krankheit leidenden Drittstaatsangehörigen, die auf das Fehlen angemessener Behandlungsmöglichkeiten in seinem Heimatland zurückzuführen ist, ohne dass diesem Drittstaatsangehörigen die Versorgung vorsätzlich verweigert würde, kann keine ausreichende Rechtfertigung dafür sein, ihm den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. Dezember 2014, M-Bodj, C-542/13, EU:C:2014:2452, Rn. 35 und 36)".
Schließlich hielt der EuGH in dieser Rechtssache fest, dass (unter anderem) Art. 15 lit. b der Richtlinie 2004/83/EG "im Licht von Art. 4 der Charta dahin auszulegen" ist, "dass ein Drittstaatsangehöriger, der in der Vergangenheit von den Behörden seines Herkunftslands gefoltert wurde und bei der Rückkehr in dieses Land nicht mehr der Gefahr einer Folter ausgesetzt ist, aber dessen physischer und psychischer Gesundheitszustand sich in einem solchen Fall erheblich verschlechtern könnte, wobei die ernsthafte Gefahr besteht, dass er aufgrund eines auf den ihm zugefügten Folterhandlungen beruhenden Traumas Suizid begeht, für die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus in Betracht kommt, sofern eine tatsächliche Gefahr besteht, dass ihm in diesem Land eine angemessene Behandlung der physischen oder psychischen Folgeschäden dieser Folterhandlungen vorsätzlich vorenthalten wird". Dies zu prüfen sei Sache des nationalen Gerichts. Der EuGH ging insofern von einer Verursachung durch Dritte (Akteure) aus, wenn er es als maßgeblich erachtete, dass der Betroffene in der Vergangenheit von den Behörden seines Herkunftslands gefoltert wurde und ihm nunmehr von den Behörden eine angemessene Behandlung vorsätzlich vorenthalten wird.
Der in dieser Rechtssache (C-353/16) zuständige Generalanwalt Bot sieht "die Bestimmung eines Akteurs, von dem der Schaden ausgeht und vor dem geschützt werden muss" als "eines der wesentlichen Kriterien für die Zuerkennung subsidiären Schutzes" (vgl. Schlussanträge 24.10.2017, C-353/16, MP, Rn. 29). Nach dem Generalanwalt "muss ... nachgewiesen werden, dass diese Gefahr auf Faktoren beruht, die den Behörden dieses Landes direkt oder indirekt anzulasten und ihnen stets bewusst sind, und zwar entweder weil die Behörden des Staates, dem der Betroffene angehört, ihn persönlich bedrohen oder diese Bedrohung tolerieren, oder weil diese Bedrohung auf unabhängige Gruppen zurückgeht, vor denen die Behörden ihre Staatsangehörigen nicht wirksam schützen können" (Rn. 30). Andernfalls "ist eine der wesentlichen Voraussetzungen für die Gewährung subsidiären Schutzes sachlich nicht erfüllt, nämlich die direkte oder indirekte Verantwortung der Behörden des Herkunftslands für die Zufügung eines ernsthaften Schadens, wogegen Schutz geboten ist"
II.3.3.2. Zur individuellen Versorgungssituation des BF wird darüber hinaus festgestellt, dass dieser in der Türkei über eine hinreichende Existenzgrundlage verfügt. Beim BF handelt es sich um einen mobilen, jungen, gesunden, arbeitsfähigen Menschen. Einerseits stammt der BF aus einem Staat, auf dessen Territorium die Grundversorgung der Bevölkerung gewährleistet ist und andererseits gehört er keinem Personenkreis an, von welchem anzunehmen ist, dass er sich in Bezug auf die individuelle Versorgungslage qualifiziert schutzbedürftiger darstellt als die übrige Bevölkerung, welche ebenfalls für ihre Existenzsicherung aufkommen kann. So war es dem BF auch vor dem Verlassen des Herkunftsstaates möglich, dort sein Leben zu meistern und verfügt der BF jedenfalls über eine Unterkunftmöglichkeit bei seiner Mutter.
Auch steht es dem BF frei, eine Beschäftigung bzw. zumindest Gelegenheitsarbeiten anzunehmen oder das -wenn auch nicht sonderlich leistungsfähige- Sozialsystem des Herkunftsstaates in Anspruch zu nehmen.
Ebenso kam hervor, dass der BF im Herkunftsstaat nach wie vor über familiäre Anknüpfungspunkte verfügt. Er stammt aus einem Kulturkreis, in dem auf den familiären Zusammenhalt und die gegenseitige Unterstützung im Familienkreis großer Wert gelegt wird und kann der BF daher Unterstützung durch die Familie erwarten bzw. können ihm seine Verwandten in Österreich auch Geld in die Türkei überweisen.
Darüber hinaus ist es dem BF unbenommen, sich im Falle der Bedürftigkeit an eine im Herkunftsstaat karitativ tätige Organisation zu wenden.
Aufgrund der oa. Ausführungen ist letztlich im Rahmen einer Gesamtschau davon auszugehen, dass der BF im Falle einer Rückkehr in den Herkunftsstaat seine dringendsten Bedürfnisse befriedigen kann und nicht in eine, allfällige Anfangsschwierigkeiten überschreitende, dauerhaft aussichtslose Lage gerät.
Die Zumutbarkeit der Annahme einer -ggf. auch unattraktiven- Erwerbsmöglichkeit wurde bereits in einer Vielzahl ho. Erkenntnisse bejaht.
II.3.3.3. Die Behörde hat auch Umstände im Herkunftsstaat eines BF zu berücksichtigen, auch wenn diese nicht in die unmittelbare Verantwortlichkeit Österreichs fallen. Als Ausgleich für diesen weiten Prüfungsansatz und der absoluten Geltung dieses Grundrechts reduziert der EGMR jedoch die Verantwortlichkeit des Staates (hier: Österreich) dahingehend, dass er für ein "ausreichend reales Risiko" für eine Verletzung des Art. 3 EMRK eingedenk des hohen Eingriffschwellenwertes ("high threshold") dieser Fundamentalnorm strenge Kriterien heranzieht, wenn dem Beschwerdefall nicht die unmittelbare Verantwortung des Vertragstaates für einen möglichen Schaden des Betroffenen zu Grunde liegt (vgl. Karl Premissl in Migralex "Schutz vor Abschiebung von Traumatisierten in "Dublin-Verfahren"", derselbe in Migralex: "Abschiebeschutz von Traumatisieren"; EGMR: Ovidenko vs. Finnland; Hukic vs. Scheden, Karim, vs. Schweden, 4.7.2006, Appilic 24171/05, Goncharova &Alekseytev vs. Schweden, 3.5.2007, Appilic 31246/06.
Im vorliegenden Fall wurden vom BF keine akut existenzbedrohenden Krankheitszustände oder Hinweise einer unzumutbaren Verschlechterung der Krankheitszustände im Falle einer Überstellung in die Türkei belegt, respektive die Notwendigkeit weiterer Erhebungen seitens des Bundesverwaltungsgerichts. Aus der Aktenlage sind keine Hinweise auf das Vorliegen (schwerer) Erkrankungen ersichtlich.
Im gegenständlichen Fall besteht im Lichte der Berichtslage kein Hinweis, dass der BF vom Zugang zu medizinsicher Versorgung in der Türkei ausgeschlossen wäre. Auch faktisch Hindernisse, welche das Fehlen eines Zugangs zur medizinischen Versorgung aus in der Person des BF gelegenen Umständen belegen würden, kamen nicht hervor.
Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze ist die Abschiebung des BF in seinen Herkunftsstaat zulässig. Es sind keine konkreten Umstände dahingehend hervorgekommen, dass - auch unter dem Gesichtspunkt des Privat- und Familienlebens des BF - unter Berücksichtigung der konkreten Situation in die Abschiebung in den Herkunftsstaat unzulässig wäre (vgl VwGH 16.12.2015, Ra 2015/21/0119).
II.3.4. Da alle gesetzlichen Voraussetzungen für die Anordnung der Rückkehrentscheidung vorliegen, keine Umstände gegen die Zulässigkeit der Abschiebung sprechen und keine Frist für eine freiwillige Ausreise besteht, war die Beschwerde gegen diese Spruchpunkte der angefochtenen Bescheide als unbegründet abzuweisen.
II.3.5. Gem. § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG kann die belangte Behörde einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkennen. Im gegenständlichen Fall wurde diese zu Recht aberkannt, da die sofortige Ausreise des BF aufgrund der Übertretung mehrerer Verwaltungsvorschriften und seiner Mittellosigkeit im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erforderlich war.
II.3.6. Einreiseverbot
II.3.6.1. § 53 FPG lautet:
"Einreiseverbot
§ 53. (1) Mit einer Rückkehrentscheidung kann vom Bundesamt mit Bescheid ein Einreiseverbot erlassen werden. Das Einreiseverbot ist die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten.
(1a) (Anm.: aufgehoben durch BGBl. I Nr. 68/2013)
(2) Ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 ist, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens fünf Jahren zu erlassen. Bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbots hat das Bundesamt das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen mit einzubeziehen und zu berücksichtigen, inwieweit der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen z