Entscheidungsdatum
18.07.2019Norm
AsylG 2005 §10Spruch
L527 2161642-2/6E
L527 2162329-2/6E
L527 2162326-2/6E
L527 2221162-1/6E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter MMag. Christian AUFREITER, LL.B. als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit Bangladesch, vertreten durch Diakonie Flüchtlingsdienst gemeinnützige GmbH und Volkshilfe Flüchtlings- und MigrantInnenbetreuung GmbH - ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.05.2019, Zl XXXX :
A)
I. zu Recht erkannt: Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid wird ersatzlos behoben.
II. den Beschluss gefasst: Der Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung wird als unzulässig zurückgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig.
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter MMag. Christian AUFREITER, LL.B. als Einzelrichter über die Beschwerde der XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit Bangladesch, vertreten durch Diakonie Flüchtlingsdienst gemeinnützige GmbH und Volkshilfe Flüchtlings- und MigrantInnenbetreuung GmbH - ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.05.2019, Zl XXXX :
A)
I. zu Recht erkannt: Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid wird ersatzlos behoben.
II. den Beschluss gefasst: Der Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung wird als unzulässig zurückgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig.
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter MMag. Christian AUFREITER, LL.B. als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit Bangladesch, vertreten durch Diakonie Flüchtlingsdienst gemeinnützige GmbH und Volkshilfe Flüchtlings- und MigrantInnenbetreuung GmbH - ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.05.2019, Zl. XXXX :
A)
I. zu Recht erkannt: Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid wird ersatzlos behoben.
II. den Beschluss gefasst: Der Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung wird als unzulässig zurückgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig.
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter MMag. Christian AUFREITER, LL.B. als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit Bangladesch, vertreten durch Diakonie Flüchtlingsdienst gemeinnützige GmbH und Volkshilfe Flüchtlings- und MigrantInnenbetreuung GmbH - ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.05.2019, Zl. XXXX :
A)
I. zu Recht erkannt: Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid wird ersatzlos behoben.
II. den Beschluss gefasst: Der Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung wird als unzulässig zurückgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
XXXX (in der Folge: Erstbeschwerdeführer) und seine Ehefrau XXXX (in der Folge: Zweitbeschwerdeführerin), beide bangladeschische Staatsangehörige, stellten am 11.04.2016 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz. Für den am XXXX in Österreich geborenen Sohn XXXX (in der Folge: Drittbeschwerdeführer) stellte die Mutter als gesetzliche Vertreterin im September 2016 einen Antrag auf Gewährung desselben Schutzes. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: [belangte] Behörde) wies die Anträge auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten ab. Sie erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ eine Rückkehrentscheidung, sprach die Zulässigkeit der Abschiebung nach Bangladesch aus und setzte für die freiwillige Ausreise eine Frist von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest. Die dagegen erhobenen Beschwerden wies das Bundesverwaltungsgericht mit am 18.12.2017 mündlich verkündeten Erkenntnissen als unbegründet ab (schriftliche Ausfertigungen vom 19.02.2018, L519 2161642-1/20E, L519 2162329-1/16E, L519 2162326-1/7E). Die dagegen erhobenen Revisionen wies der Verwaltungsgerichtshof als unzulässig zurück (VwGH 27.04.2018, Ra 2018/20/0195 bis 0197).
Am 22.06.2018 stellten der Erst- und der Drittbeschwerdeführer sowie die Zweitbeschwerdeführerin jeweils einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz. Am 04.07.2018 vernahm die belangte Behörde den Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin ein. Mit E-Mail vom 03.01.2019 wurde der Behörde mit Hinweis auf § 17a AsylG 2005 die Geburt des Sohnes XXXX (in der Folge: Viertbeschwerdeführer) angezeigt. Die Verfahren aller vier Beschwerdeführer wurden zugelassen. Am 22.03.2019 vernahm die belangte Behörde den Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin erneut ein. Mit den angefochtenen Bescheiden vom 29.05.2019 wies die belangte Behörde die Anträge auf internationalen Schutz des Erst- und Drittbeschwerdeführers sowie der Zweitbeschwerdeführerin gemäß § 68 Abs 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück (jeweils Spruchpunkt I). Sie erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (jeweils Spruchpunkt II), erließ eine Rückkehrentscheidung (jeweils Spruchpunkt III), sprach die Zulässigkeit der Abschiebung nach Bangladesch aus (jeweils Spruchpunkt IV) und verhängte ein auf die Dauer von vier Jahren befristetes Einreiseverbot (jeweils Spruchpunkt VI). Es bestehe keine Frist für die freiwillige Ausreise (jeweils Spruchpunkt V). Den Antrag auf internationalen Schutz des Viertbeschwerdeführers wies die belangte Behörde mit dem ebenfalls angefochtenen Bescheid vom 29.05.2019 sowohl hinsichtlich des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten ab (Spruchpunkte I und II). Sie erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III), erließ eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV) und sprach die Zulässigkeit der Abschiebung nach Bangladesch aus (Spruchpunkt V). Die Behörde erkannte der Beschwerde gegen die Entscheidung - gestützt auf § 18 Abs 1 Z 4 BFA-VG - die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt VI) und sprach aus, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe (Spruchpunkt VII).
Mit den gegenständlichen Beschwerden fochten die Beschwerdeführer die Bescheide zur Gänze an und beantragten die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung. Die Beschwerden langten samt Akten am 11.07.2019 beim Bundesverwaltungsgericht in Wien und am 12.07.2019 in der Außenstelle Linz ein. Die Beschwerden wurden zunächst der Gerichtsabteilung L527 zugewiesen. In der Einvernahme vor der belangten Behörde am 04.07.2018 hatte die Zweitbeschwerdeführerin u. a. gesagt: "Wenn ich jetzt nach Bangladesch zurückkehre, würden sie mir meinen Mann wegnehmen, mein Kind wegnehmen und mich sexuell misshandeln." In Anbetracht dieser Aussage und mit Blick auf § 20 AsylG 2005 erstattete der Leiter der Gerichtsabteilung L527 eine Unzuständigkeitseinrede in Bezug auf das Verfahren der Zweibeschwerdeführerin. Er erstattete weiters wegen Annexität (§ 24 der Geschäftsverteilung 2019 des Bundesverwaltungsgerichts [GV BVwG 2019]) Unzuständigkeitseinreden in Bezug auf die Verfahren des Erst-, Dritt- und Viertbeschwerdeführers. Daraufhin wurden sämtliche Verfahren der Gerichtsabteilung L508 zugeteilt, deren Leiterin ihrerseits Unzuständigkeitsreden erstattete. Der Leiter der Außenstelle Linz (§ 27 Geschäftsordnung des Bundesverwaltungsgerichts [GO BVwG]) entschied mit Erledigung vom 15.07.2019, dass die Verfahren der Gerichtsabteilung L527 zuzuteilen seien.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin sind miteinander verheiratet; die Ehe bestand bereits vor der Einreise in das Bundesgebiet. Der Dritt- und der Viertbeschwerdeführer sind ihre gemeinsamen in Österreich geborenen minderjährigen Kinder. Der Drittbeschwerdeführer wurde am XXXX , der Viertbeschwerdeführer am XXXX geboren. Die Beschwerdeführer sind bangladeschische Staatsangehörige.
1.2. Die ersten Anträge auf internationalen Schutz des Erst- und Drittbeschwerdeführers sowie der Zweitbeschwerdeführerin wies die belangte Behörde sowohl hinsichtlich des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten ab. Sie erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ eine Rückkehrentscheidung, sprach die Zulässigkeit der Abschiebung nach Bangladesch aus und setzte für die freiwillige Ausreise eine Frist von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest. Die dagegen erhobenen Beschwerden wies das Bundesverwaltungsgericht mit am 18.12.2017 mündlich verkündeten Erkenntnissen als unbegründet ab (schriftliche Ausfertigungen vom 19.02.2018, L519 2161642-1/20E, L519 2162329-1/16E, L519 2162326-1/7E). Die dagegen erhobenen Revisionen wies der Verwaltungsgerichtshof als unzulässig zurück (VwGH 27.04.2018, Ra 2018/20/0195 bis 0197).
1.3. Am 22.06.2018 stellten der Erst- und der Drittbeschwerdeführer sowie die Zweitbeschwerdeführerin jeweils einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz. Mit E-Mail vom 03.01.2019 wurde der Behörde mit Hinweis auf § 17a AsylG 2005 die Geburt des Viertbeschwerdeführers angezeigt (AS 109 Verwaltungsverfahrensakt zum zweiten Antrag auf internationalen Schutz der Zweitbeschwerdeführerin [VA 2 BF 2]. Die Verfahren aller vier Beschwerdeführer wurden zugelassen und von der Behörde als Familienverfahren geführt (vgl. z. B. AS 205 Verwaltungsverfahrensakt zum zweiten Antrag auf internationalen Schutz des Erstbeschwerdeführers [VA 2 BF 1]).
Mit den angefochtenen Bescheiden vom 29.05.2019 wies die belangte Behörde die Anträge auf internationalen Schutz des Erst- und Drittbeschwerdeführers sowie der Zweitbeschwerdeführerin gemäß § 68 Abs 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück (jeweils Spruchpunkt I). Sie erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (jeweils Spruchpunkt II), erließ eine Rückkehrentscheidung (jeweils Spruchpunkt III), sprach die Zulässigkeit der Abschiebung nach Bangladesch aus (jeweils Spruchpunkt IV) und verhängte ein auf die Dauer von vier Jahren befristetes Einreiseverbot (jeweils Spruchpunkt VI). Es bestehe keine Frist für die freiwillige Ausreise (jeweils Spruchpunkt V).
Den Antrag auf internationalen Schutz des Viertbeschwerdeführers wies die belangte Behörde mit dem ebenfalls angefochtenen Bescheid vom 29.05.2019 sowohl hinsichtlich des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten ab (Spruchpunkte I und II). Sie erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III), erließ eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV) und sprach die Zulässigkeit der Abschiebung nach Bangladesch aus (Spruchpunkt V). Die Behörde erkannte der Beschwerde gegen die Entscheidung - gestützt auf § 18 Abs 1 Z 4 BFA-VG - die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt VI) und sprach aus, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe (Spruchpunkt VII).
1.4. Die gegenständlichen Beschwerden wurden zunächst der Gerichtsabteilung L527 zugewiesen. In der Einvernahme vor der belangten Behörde am 04.07.2018 hatte die Zweitbeschwerdeführerin u. a. gesagt: "Wenn ich jetzt nach Bangladesch zurückkehre, würden sie mir meinen Mann wegnehmen, mein Kind wegnehmen und mich sexuell misshandeln." (AS 76 VA 2 BF 2) In Anbetracht dieser Aussage und mit Blick auf § 20 AsylG 2005 erstattete der Leiter männlichen Geschlechts der Gerichtsabteilung L527 eine Unzuständigkeitseinrede in Bezug auf das Verfahren der Zweibeschwerdeführerin. Er erstattete weiters wegen Annexität (§ 24 der Geschäftsverteilung 2019 des Bundesverwaltungsgerichts [GV BVwG 2019]) Unzuständigkeitseinreden in Bezug auf die Verfahren des Erst-, Dritt- und Viertbeschwerdeführers (L527 2161642-2, L527 2162329-2, L527 2162326-2 und L527 2221162-1, jeweils OZ 2). Daraufhin wurden sämtliche Verfahren der Gerichtsabteilung L508 zugeteilt, deren Leiterin ihrerseits Unzuständigkeitsreden erstattete (L527 2161642-2, L527 2162329-2, L527 2162326-2 und L527 2221162-1, jeweils OZ 4). Der Leiter der Außenstelle Linz des Bundesverwaltungsgerichts (§ 27 Geschäftsordnung des Bundesverwaltungsgerichts [GO BVwG]) entschied mit Erledigung vom 15.07.2019, dass die Verfahren der Gerichtsabteilung L527 zuzuteilen seien. Es sei lediglich die Möglichkeit aufgezeigt worden, dass die Zweitbeschwerdeführerin von den Gegnern ihres Ehegatten u. a. auch sexuell misshandelt werden könnte, ohne im übrigen Vorbringen Anhaltspunkte oder Hinweise zu erwähnen, die darauf schließen ließen, dass bereits ein sexueller Eingriff oder Übergriff gegen die Zweitbeschwerdeführerin stattgefunden hätte, auf den sie ihre Furcht vor Verfolgung stütze. Sie habe ihre Furcht vor Verfolgung ausschließlich auf das Vorbringen ihres Ehegatten gestützt. (L527 2161642-2, L527 2162329-2, L527 2162326-2 und L527 2221162-1, jeweils OZ 5)
2. Beweiswürdigung:
Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich unzweifelhaft aus den vorliegenden Akten. Dabei handelt es sich um die von der belangten Behörde mit der gegenständlichen Beschwerde vorgelegten Verwaltungsakte, die Akte des Bundesverwaltungsgerichts zu den Zahlen L519 2161642-1, L519 2162329-1 und L519 2162326-1 sowie zu den Zahlen L527 2161642-2, L527 2162329-2, L527 2162326-2 und L527 2221162-1. Die entsprechenden Aktenbestandteile wurden bei den Feststellungen nach Möglichkeit anhand der Aktenseiten (AS) oder Ordnungszahlen (OZ) zitiert. Hervorzuheben ist, dass die Feststellungen unter 1.1. insbesondere auf die stringenten und insoweit glaubhaften Angaben des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin in den bisherigen Verfahren (z. B. AS 1 ff Verwaltungsverfahrensakt zum ersten Antrag auf internationalen Schutz des Erstbeschwerdeführers [VA 1 BF 1] und AS 1 ff Verwaltungsverfahrensakt zum ersten Antrag auf internationalen Schutz der Zweitbeschwerdeführerin [VA 1 BF2]) sowie auf Geburtsurkunden (AS 9 Verwaltungsverfahrensakt zum ersten Antrag auf internationalen Schutz des Drittbeschwerdeführers [VA 1 BF 3] und AS 1 Verwaltungsverfahrensakt zum ersten Antrag auf internationalen Schutz des Viertbeschwerdeführers [VA 1 BF 4]) zu stützen waren. Der Sachverhalt ist damit aktenkundig, unstrittig und deshalb erwiesen.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu jeweils A) I) Stattgabe der Beschwerde:
3.1. Subsumiert man die unter 1.1. festgestellten Beziehungen dem § 2 Z 22 AsylG 2005, ergibt sich, dass es sich bei den vier Beschwerdeführern um Familienangehörige im Sinne dieser Bestimmung handelt.
3.2. § 34 Abs 4 AsylG 2005 verpflichtet die Behörde, Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen; unter den Voraussetzungen der Abs 2 und 3 leg cit erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid. U. a. die Bestimmungen des § 34 Abs 4 AsylG 2005 gelten sinngemäß für das Verfahren beim Bundesverwaltungsgericht (§ 34 Abs 5 AsylG 2005); vgl. auch VwGH 15.11.2018, Ro 2018/19/0004.
Die Verfahren der Beschwerdeführer waren daher, wovon, wie unter 1.3. festgestellt, auch die belangte Behörde zutreffenderweise ausging, "unter einem" im Sinne des § 34 Abs 4 AsylG 2005 zu führen. Vgl. auch VwGH 15.11.2018, Ro 2018/19/0004, wonach der Gesetzgeber bei der Normierung, dass die Verfahren von Familienangehörigen unter einem zu führen sind, in § 34 Abs 4 AsylG 2005 jene Fälle vor Augen hatte, bei denen die Anträge aller Familienangehörigen zur selben Zeit oder zumindest zeitnahe gestellt und damit auch weitgehend zeitgleich von derselben Behörde bearbeitet werden können. Der Erst- und der Drittbeschwerdeführer sowie die Zweitbeschwerdeführerin haben ihre Anträge auf internationalen Schutz zeitgleich gestellt. Mit Einlangen der Anzeige über die Geburt des Viertbeschwerdeführers bei der belangten Behörde galt der Antrag auf internationalen Schutz für den Viertbeschwerdeführer als gestellt und eingebracht; dies erfolgte zeitnahe und die Anträge aller vier Beschwerdeführer konnten (weitgehend) zeitgleich bearbeitet, was auch tatsächlich geschah.
3.3. Das Vorgehen der belangten Behörde, die Anträge des Erst- und Drittbeschwerdeführers sowie der Zweitbeschwerdeführerin gemäß § 68 Abs 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, den Antrag des Viertbeschwerdeführers jedoch inhaltlich zu entscheiden und abzuweisen, steht mit § 34 Abs 4 AsylG 2005 jedoch nicht in Einklang:
Der Verwaltungsgerichtshof hat in Bezug auf ähnlich gelagerte Verfahren (einerseits Zurückweisung nach § 68 AVG, andererseits Sachentscheidung in Bezug auf Familienangehörige) im Erkenntnis vom 25.11.2009, 2007/01/1153, ausgeführt, dass § 34 Abs 4 AsylG 2005 dahingehend zu verstehen sei, dass im Familienverfahren gegenüber allen Familienangehörigen dieselbe Art der Erledigung zu treffen ist. Ist daher der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuzuerkennen, so sind entweder alle Anträge zurückzuweisen oder alle Anträge abzuweisen. Diese Auslegung ist seither ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs; vgl. etwa VwGH 13.12.2018, Ra 2017/18/0110.
Dem Bundesverwaltungsgericht ist es verwehrt, über die Anträge des Erst- und Drittbeschwerdeführers sowie der Zweitbeschwerdeführerin selbst meritorisch zu entscheiden, da Sache des Beschwerdeverfahrens nur die Zurückweisung der Anträge durch die belangte Behörde ist. Daher hat das Bundesverwaltungsgericht die Bescheide betreffend Erst- und Drittbeschwerdeführer sowie Zweitbeschwerdeführerin ersatzlos zu beheben.
Da die ersatzlose Behebung der Bescheide im Familienverfahren auf die übrigen Familienangehörigen durchschlägt, erweist sich der gegenüber dem Viertbeschwerdeführer erlassene Bescheid ebenfalls als rechtswidrig und ist gleichermaßen aufzuheben; vgl. VwGH 22.02.2018, Ra 2017/18/0357.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden (§ 28 Abs 2 VwGVG iVm § 34 Abs 4 AsylG 2005; jeweils Spruchpunkt A) I)).
Zu jeweils A) II) Zurückweisung des Antrags, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen:
3.4. Die Beschwerdeführer beantragten im Rechtsmittelschriftsatz jeweils, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
Die Beschwerden des Erst- und des Drittbeschwerdeführers sowie der Zweitbeschwerdeführerin hatten gemäß § 16 Abs 2 BFA-VG ex lege keine aufschiebende Wirkung. Nach § 17 Abs 1 Z 1 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde von Amts wegen durch Beschluss die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in den Staat, in den die aufenthaltsbeendende Maßnahme lautet, eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. In der Beschwerde gegen den in der Hauptsache ergangenen Bescheid sind die Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit gemäß Satz 1 stützt, genau zu bezeichnen. § 38 VwGG gilt.
Der Beschwerde gegen den Bescheid betreffend den Viertbeschwerdeführer hat die belangte Behörde gestützt auf § 18 Abs 1 Z 4 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt. Das Bundesverwaltungsgericht hat der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung vom Bundesamt aberkannt wurde, nach § 18 Abs 5 BFA-VG binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde von Amts wegen die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. In der Beschwerde gegen den in der Hauptsache ergangenen Bescheid sind die Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit gemäß Satz 1 stützt, genau zu bezeichnen. § 38 VwGG gilt.
Kommt einer Beschwerde gegen eine Entscheidung, mit der ein Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen oder abgewiesen wurde, oder mit der eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 Abs. 1 Z 2 FPG erlassen wurde, die aufschiebende Wirkung nicht zu, ist diese gemäß § 16 Abs 4 BFA-VG durchsetzbar. Mit der Durchführung der mit einer solchen Entscheidung verbundenen aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder der die bereits bestehende Rückkehrentscheidung umsetzenden Abschiebung ist bis zum Ende der Rechtsmittelfrist, wird ein Rechtsmittel ergriffen bis zum Ablauf des siebenten Tages ab Einlangen der Beschwerdevorlage, zuzuwarten. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Bundesamt unverzüglich vom Einlangen der Beschwerdevorlage und von der Gewährung der aufschiebenden Wirkung in Kenntnis zu setzen.
3.5. Weder nach § 17 Abs 1 Z 1 BFA-VG (arg. "von Amts wegen"; vgl. auch VwGH 24.10.2018, Ra 2018/14/0133) noch nach § 18 Abs 5 BFA-VG (arg. "von Amts wegen"; vgl. auch VwGH 20.09.2017, Ra 2017/19/0284) besteht ein Antragsrecht hinsichtlich der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung. Die entsprechenden Anträge waren daher als unzulässig zurückzuweisen (jeweils Spruchpunkt A) II); vgl. auch § 31 Abs 1 VwGVG). Auf eine allfällige Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung war inhaltlich nicht einzugehen, da das Bundesverwaltungsgericht die angefochtenen Bescheide innerhalb der einwöchigen Frist aufgehoben hat.
3.6. Entfall der mündlichen Verhandlung:
Die Frage, ob eine mündliche Verhandlung abzuhalten war, war nach § 22 Abs 7 BFA-VG und § 24 VwGVG zu beurteilen. Demnach konnte gegenständlich - im Einklang mit Art 6 EMRK und Art 47 GRC - die mündliche Verhandlung trotz Beantragung in der Beschwerde entfallen, weil bereits aufgrund der Aktenlage feststand, dass die angefochtenen Bescheide aufzuheben sind (§ 24 Abs 2 Z 1 VwGVG).
Zu B) Zulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig, weil die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.
Gründet ein Asylwerber seine Furcht vor Verfolgung (Art 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) auf Eingriffe in seine sexuelle Selbstbestimmung, ist er gemäß § 20 Abs 1 AsylG 2005 von einem Organwalter desselben Geschlechts einzuvernehmen, es sei denn, dass er anderes verlangt. Von dem Bestehen dieser Möglichkeit ist der Asylwerber nachweislich in Kenntnis zu setzen. Für Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gilt Abs 1 leg cit nur, wenn der Asylwerber den Eingriff in seine sexuelle Selbstbestimmung bereits vor dem Bundesamt oder in der Beschwerde behauptet hat. Diesfalls ist eine Verhandlung von einem Einzelrichter desselben Geschlechts oder einem aus Richtern desselben Geschlechts bestehenden Senat durchzuführen. Ein Verlangen nach Abs 1 leg cit ist spätestens gleichzeitig mit der Beschwerde zu stellen (Abs 2 leg cit).
Die Missachtung des § 20 AsylG 2005 hat zur Folge, dass ein unzuständiges Organ entscheidet und ein Beschwerdeführer bzw. eine Beschwerdeführerin im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt wird; vgl. etwa VfGH 26.02.2019, E2425/2018. Die vorliegenden Entscheidungen hängen von der Rechtsfrage ab, ob der Leiter männlichen Geschlechts der Gerichtsabteilung L527, dem die gegenständlichen Beschwerden durch die Entscheidung des Leiters der Außenstelle Linz endgültig zugewiesen worden sind (§ 17 Abs 5 GO BVwG), tatsächlich zuständig war. Es bedarf in diesem Zusammenhang klärender Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zur Frage, deren Bedeutung über den Einzelfall hinausgeht, ob die Behauptung einer Antragstellerin, die sich einerseits im Wesentlichen auf die Fluchtgründe ihres Ehemanns stützt, im Verfahren auf internationalen Schutz gegenüber der belangten Behörde andererseits aber vorbringt, sie würde im Falle der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat sexuell misshandelt werden, ein Vorbringen im Sinne des § 20 Abs 1 AsylG 2005 ist.
Schlagworte
Asylverfahren Familienverfahren Folgeantrag Geschäftsverteilung meritorische Entscheidung nachgeborenes Kind Revision zulässig subjektive Rechte ZurückverweisungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:L527.2162326.2.00Im RIS seit
19.08.2020Zuletzt aktualisiert am
19.08.2020