TE Bvwg Erkenntnis 2019/7/18 L516 2145018-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 18.07.2019
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

18.07.2019

Norm

AsylG 2005 §2 Abs1 Z22
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs5
AsylG 2005 §34 Abs2
B-VG Art133 Abs4

Spruch

L516 2145018-1/14E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Paul NIEDERSCHICK als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Iran, vertreten durch Mag. Michael-Thomas REICHENVATER, Rechtsanwalt, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, vom 29.12.2016, 1044569303-140142293/BMI-BFA_STM_RD, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 16.07.2019 zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer ist iranischer Staatsangehöriger und stellte am 07.11.2014 einen Antrag auf internationalen Schutz, nachdem er davor zusammen mit seiner Ehefrau sowie den beiden gemeinsamen minderjährigen Kindern im November 2014 in Österreich eingereist war.

Die Erstbefragung nach dem Asylgesetz (AsylG) fand dazu am 07.11.2014 statt, eine Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) am 04.10.2016.

Das BFA wies mit gegenständlich angefochtenem Bescheid diesen Antrag jeweils (I.) gemäß § 3 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten und (II.) gemäß § 8 Abs 1 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status von subsidiär Schutzberechtigten ab. Das BFA erteilte unter einem (III.) keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG, erließ gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 2 Z 2 FPG, stellte gemäß § 52 Abs 9 FPG fest, dass die Abschiebung in den Iran gemäß § 46 FPG zulässig sei und sprach (IV.) aus, dass gemäß § 55 Abs 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage.

Gleichzeitig wurde vom BFA mit Verfahrensanordnung gemäß § 52 Abs 1 BFA-VG für das Beschwerdeverfahren amtswegig eine juristische Person als Rechtsberater zur Seite gestellt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde vom 12.01.2017.

Der Beschwerdeführer und seine Familienangehörigen legten mit Schriftsätzen vom 02.02.2017, 19.07.2017 und 11.07.2019 weitere Dokumente vor.

Das Bundesverwaltungsgericht führte in der Sache des Beschwerdeführers am 16.07.2019 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an welcher der Beschwerdeführer im Beisein seines rechtsfreundlichen Vertretung teilnahm; die belangte Behörde erschien nicht.

Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Sachverhaltsfeststellungen

1.1 Der Beschwerdeführer führt in Österreich den im Spruch angeführten Namen und sowie das ebenso dort angeführte Geburtsdatum. Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger des Iran. Seine Identität steht fest. Der Beschwerdeführer lebt in Österreich im aufrechten Familienverband mit seiner Ehefrau XXXX , geb XXXX , sowie den beiden gemeinsamen Kindern XXXX , geb XXXX und XXXX , geb XXXX (hg GZ L516 2145018-1, 2145014-1 und 2145015-1).

1.2 Der Beschwerdeführer ist Derwisch und gehört dem sufistischen Gonabadi-Orden an. Bereits sein Vater war Angehöriger der Derwische jenes Ordens. Der Beschwerdeführer war vor seiner Ausreise aus dem Iran in einer Derwisch-Gemeinde aktiv. Er hat auch zuletzt im Iran im September 2014 bei einer öffentlichen Gebetsveranstaltung für die Freilassung und Unterstützung inhaftierter Derwische demonstriert.

In seiner aktuellen Wohnsitzgemeinde in Österreich lebt er nach seinen Glaubensregeln, er kennt jedoch keine Derwisch-Gemeinde und aktuell auch keine weiteren Angehörige der Derwische in seiner Umgebung. Dem Beschwerdeführer ist es wichtig, sein Leben als Derwisch führen zu können und würde sich auch bei einer Rückkehr in den Iran wieder einer Derwisch-Gemeinde anschließen und in dieser aktiv mitwirken. Im Falle seiner Rückkehr in den Iran drohen ihm mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Festnahmen, Anhaltungen Misshandlungen und Folterungen aufgrund seines Glaubens. Der Beschwerdeführer kann sich einer solchen Bedrohung nicht durch Ausweichen in einen anderen Teil seines Herkunftsstaates entziehen.

1.3 Der Beschwerdeführer ist strafrechtlich unbescholten.

1.4 Zur Lage im Iran:

Derwisch-Orden/Sufi

Schwere Repressionen erleben Mitglieder der Derwisch-Gemeinschaft. Ihre Gemeinden sehen sich verschiedenen Arten von Diskriminierung und Angriffen (auch auf ihr Eigentum), willkürlichen Festnahmen und Dämonisierung (u.a. im staatlichen Fernsehen) ausgesetzt. Verschiedene Quellen berichten von Gewalt und Verhaftungen von Derwischen im Zusammenhang mit Auseinandersetzungen zwischen Derwisch-Gemeinden und Basij-Einheiten. Infolgedessen wird unter anderem von langen Wartezeiten auf Prozesse, Verurteilungen, Gefängnisstrafen sowie auch von mangelnder Strafverfolgung im Zusammenhang mit Tötungen von Derwischen berichtet. Unter anderem kommt es auch zu Verhaftungen von Strafverteidigern, die Derwische vertreten. Als

Gründe für Inhaftierungen werden unter anderem Störung der öffentlichen Ordnung, Verbreitung von systemfeindlicher Propaganda, Handlungen gegen die Nationale Sicherheit, Mitgliedschaft in Gruppierungen und Beleidigung des Obersten Führers genannt.

Nach Protesten von Gonabadi-Derwischen im Februar 2018, bei denen vier Sicherheitskräfte ums Leben kamen, wurden allein im ersten Halbjahr 2018 über 200 Derwische zu Haft und teilweise körperlicher Züchtigung verurteilt, ein Derwisch wurde nach einem unfairen Prozess und einem Zwangsgeständnis zum Tode verurteilt und hingerichtet.

(ÖB Teheran, Asylländerbericht - Islamische Republik Iran, Dezember 2018)

Bestimmte Teile der iranischen Bevölkerung sind starken Repressionen ausgesetzt, die aufgrund ethnischer oder religiöser Zugehörigkeit, politischer, künstlerischer oder intellektueller Betätigung oder aufgrund der sexuellen Orientierung erfolgen können. So sind Journalisten in ihrer freien Betätigung stark eingeschränkt und laufen Gefahr, bei Abweichungen von den Vorgaben scharfen Sanktionen ausgeliefert zu sein. Auch Angehörige der Bahá'í oder - wie im Frühjahr in einer beispiellosen Verhaftungswelle unter Beweis gestellt - die Derwische des Gonabadi-Ordens sind umfassender Diskriminierung ausgesetzt und stark in ihren Rechten eingeschränkt. Jeder, der öffentlich Kritik an Missständen übt oder sich für Menschenrechtsthemen engagiert, setzt sich der Gefahr einer strafrechtlichen Verfolgung aus. Frauen erfahren im Gegensatz zu Männern erhebliche rechtliche und gesellschaftliche Einschränkungen bei deren Verstoß sie mit Sanktionen zu rechnen haben. Die Strafverfolgungs- und Strafzumessungspraxis ist geprägt von Korruption und Willkür, besonders bei politischen Fällen, sodass einheitliche Aussagen kaum möglich sind. Menschenrechtskritik von außen wird von regimetreuen Akteuren instrumentalisiert und öffentlich als Einmischung in innere Angelegenheiten zurückgewiesen.

Die Sufis (sog. "Derwische") werden immer wieder Opfer gewaltsamer Übergriffe, zuletzt im Frühjahr 2018 als eine friedliche Demonstration eskalierte und es zum Tod von Angehörigen der Sicherheitskräfte kam. Zahlreiche Derwische sind seitdem festgenommen worden, es gibt bis auf eine Hinrichtung nach einem öffentlichen Prozess praktisch keine Informationen über die Inhaftierten. In iranischen Medien werden Sufis gelegentlich als Teufelsanbeter und Satanisten stigmatisiert. Sunniten werden mitunter sowohl aufgrund ihrer religiösen wie auch ethnischen Zugehörigkeit diskriminiert, da viele kurdischer oder arabischer Volkszugehörigkeit sind. In den sunnitischen Siedlungsgebieten im Westen und Südosten Irans ist die Religionsausübung jedoch ohne Einschränkungen möglich.

(Quelle: Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Iran, 20.01.2019)

Repressionen erleben auch Mitglieder der Derwisch-Gemeinschaft. Ihre Gemeinden sehen sich verschiedenen Arten von Diskriminierung und Angriffen (auch auf ihr Eigentum), willkürlichen Festnahmen und Dämonisierung (u.a. im staatlichen Fernsehen) ausgesetzt (ÖB Teheran 8.2017; vgl. AA 2.3.2018). Verschiedene Quellen berichten von Gewalt und Verhaftungen von Derwischen im Zusammenhang mit Auseinandersetzungen zwischen Derwisch-Gemeinden und Basij-Einheiten. Infolgedessen wird unter anderem von langen Wartezeiten auf Prozesse, Verurteilungen, Gefängnisstrafen sowie auch von mangelnder Strafverfolgung im Zusammenhang mit Tötungen von Derwischen berichtet. Unter anderem kommt es auch zu Verhaftungen von Strafverteidigern, die Derwische vertreten. Als Gründe für Inhaftierungen werden unter anderem Störung der öffentlichen Ordnung, Verbreitung von systemfeindlicher Propaganda, Handlungen gegen die Nationale Sicherheit, Mitgliedschaft in Gruppierungen und Beleidigung des Obersten Führers genannt. Im Jahr 2015 wurden Dutzende Derwische festgehalten, viele zu Gefängnis- und/oder körperlichen Strafen verurteilt. Im Juni 2015 wurde ein Derwisch für eine "haram"-Straftat zu 74 Peitschenhieben verurteilt, weil er den Glauben des Gonabadi Derwischordens verbreitet haben soll (ÖB Teheran 9.2017). Seit 2008 sind 238 Gonabadi Derwische inhaftiert worden (ÖB Teheran 9.2017, vgl. AI 22.2.2018, FH 1.2018). Im Februar 2018 wurden über 300 Derwische bei einer Protestveranstaltung verhaftet, darunter 60 Frauen. Die meisten von ihnen wurden kurze Zeit später wieder entlassen. Bei den Zusammenstößen wurden Dutzende verletzt und zumindest drei Polizisten und ein Basij-Mitglied starben. Ein inhaftierter Demonstrant starb in Haft unter ungeklärten Umständen (HRW 15.3.2018).

Es gibt auch Angriffe auf Gebetshäuser der Gonabadi-Derwische. Einige verloren ihren Arbeitsplatz aufgrund willkürlicher Kündigungen, andere durften sich nicht an Universitäten einschreiben (AI 22.2.2018, vgl. FH 1.2018).

(Quelle: BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Juli 2018)

Sicherheitsbehörden

Diverse Behörden teilen sich die Verantwortung für die innere Sicherheit; etwa das Informationsministerium, die Ordnungskräfte des Innenministeriums und die Revolutionsgarden welche direkt dem Obersten Führer Khamenei berichten. Die Basij-Kräfte, eine freiwillige paramilitärische Gruppierung mit lokalen Niederlassungen in Städten und Dörfern, sind zum Teil als Hilfseinheiten zum Gesetzesvollzug innerhalb der Revolutionsgarden tätig. Basij Einheiten sind oft bei der Unterdrückung von politischen Oppositionellen oder bei der Einschüchterung von Zivilisten, die den strikten Moralkodex nicht befolgen, involviert (US DOS 20.4.2018). Die Polizei unterteilt sich in Kriminalpolizei, Polizei für Sicherheit und öffentliche Ordnung (Sittenpolizei), Internetpolizei, Drogenpolizei, Grenzschutzpolizei, Küstenwache, Militärpolizei, Luftfahrtpolizei, eine Polizeispezialtruppe zur Terrorbekämpfung und Verkehrspolizei. Die Polizei hat auch einen eigenen Geheimdienst. Eine Sonderrolle nehmen die Revolutionsgarden (Sepah-e Pasdaran-e Enghelab-e Islami - IRGC) ein, deren Auftrag formell der Schutz der Islamischen Revolution ist. Als Parallelarmee zu den regulären Streitkräften durch den Staatsgründer Khomeini aufgebaut, haben sie neben ihrer herausragenden Bedeutung im Sicherheitsapparat im Laufe der Zeit Wirtschaft, Politik und Verwaltung durchsetzt und sich zu einem Staat im Staate entwickelt. Militärisch kommt ihnen eine höhere Bedeutung als dem regulären Militär zu. Sie verfügen über eigene Gefängnisse und eigene Geheimdienste sowie engste Verbindungen zum Revolutionsführer.

Das Ministerium für Information ist als Geheimdienst (Vezarat-e Etela'at) mit dem Schutz der nationalen Sicherheit, Gegenspionage und der Beobachtung religiöser und illegaler politischer Gruppen beauftragt. Aufgeteilt ist dieser in den Inlandsgeheimdienst, Auslandsgeheimdienst, Technischen Aufklärungsdienst und eine eigene Universität. Dabei kommt dem Inlandsgeheimdienst die bedeutendste Rolle bei der Bekämpfung der politischen Opposition zu. Der Geheimdienst tritt bei seinen Maßnahmen zur Bekämpfung der politischen Opposition nicht als solcher auf, sondern bedient sich überwiegend der Sicherheitskräfte und der Justiz. Das reguläre Militär (Artesh) erfüllt im Wesentlichen Aufgaben der Landesverteidigung und Gebäudesicherung. Neben dem "Hohen Rat für den Cyberspace" beschäftigt sich die iranische Cyberpolice mit Internetkriminalität mit Fokus auf Wirtschaftskriminalität, Betrugsfällen und Verletzungen der Privatsphäre im Internet sowie der Beobachtung von Aktivitäten in sozialen Netzwerken und sonstigen politisch relevanten Äußerungen im Internet. Sie steht auf der EU-Menschenrechtssanktionsliste (AA 2.3.2018).

Mit willkürlichen Verhaftungen kann und muss jederzeit gerechnet werden, da vor allem die Basijis nicht nach iranisch-rechtsstaatlichen Standards handeln. Auch Verhaltensweisen, die an sich (noch) legal sind, können das Misstrauen der Basijis hervorrufen. Basijis sind ausschließlich gegenüber dem Obersten Führer loyal und haben oft keinerlei reguläre polizeiliche Ausbildung, die sie mit rechtlichen Grundprinzipien polizeilichen Handelns vertraut gemacht hätten. Basijis haben Stützpunkte u.a. in Schulen, wodurch die permanente Kontrolle der iranischen Jugend gewährleistet ist. Schätzungen über die Zahl der Basijis gehen weit auseinander. Viele Schätzungen nehmen an, dass heute mehrere Millionen Basijis in Iran tätig sind. Bereits auffälliges Hören von (insb. westlicher) Musik, die Äußerung der eigenen Meinung zum Islam oder gemeinsame Autofahrten junger nicht miteinander verheirateter Männer und Frauen kann den Unwillen zufällig anwesender Basijis bzw. mit diesen sympathisierenden Personen hervorrufen. Willkürliche Verhaftungen oder Verprügeln durch Basijis können in diesem Zusammenhang nicht ausgeschlossen werden. Zu Verhaftungen kommt es immer wieder auch, wenn (junge) Menschen gemischtgeschlechtliche Partys feiern oder sie sich nicht an die Bekleidungsvorschriften halten. Manchmal kann bei Frauen schon ein zu kurzer/enger Mantel oder das Hervortreten von Haarsträhnen unter dem Kopftuch, bei Männern zu eng anliegende Jeans, das Tragen von Goldschmuck oder ein außergewöhnlicher Haarschnitt für eine Verhaftung reichen (ÖB Teheran 9.2017).

Die Revolutionsgarden sind eng mit der iranischen Wirtschaft verbunden (FH 1.2018). Die Elitetruppe der Islamischen Republik betreibt den Imam Khomeini International Airport in der iranischen Hauptstadt und verfügt damit allein durch Start- und Landegebühren über ein äußerst lukratives Geschäft. Auch an den anderen Flug- und Seehäfen im Land kontrollieren die Truppen der 'Sepah Pasdaran' Irans Grenzen. Sie entscheiden, welche Waren ins Land gelassen werden und welche nicht. Sie zahlen weder Zoll noch Steuern. Sie verfügen über Land-, See- und Luftstreitkräfte, kontrollieren Irans strategisches Waffenarsenal und werden auf eine Truppenstärke von mehr als 120.000 geschätzt. Außerdem sind die Revolutionswächter ein gigantisches Wirtschaftsunternehmen, das Augenkliniken betreibt, Kraftfahrzeuge, Autobahnen, Eisenbahnstrecken und sogar U-Bahnen baut. Sie sind eng mit der Öl- und Gaswirtschaft des Landes verflochten, bauen Staudämme und sind im Bergbau aktiv (DW 18.2.2016). Heute gehören Khamenei und den Revolutionsgarden rund 80% der iranischen Wirtschaft. Sie besitzen außer den größten Baufirmen auch Fluggesellschaften, Minen, Versicherungen, Banken, Elektrizitätswerke, Telekommunikationsfirmen, Fußballklubs und Hotels. Für die gesammelten Auslandsaktivitäten gibt das Regime Milliarden aus (Menawatch 10.1.2018).

Längst ist aus den Revolutionsgarden ein bedeutender Machtfaktor geworden - gesellschaftlich, wirtschaftlich, militärisch und politisch. Sehr zum Leidwesen von Hassan Rohani. Der wiedergewählte Präsident versucht zwar, die Garden und ihre Chefebene in die Schranken zu weisen. Es gelingt ihm nur kaum. Die paramilitärischen Einheiten schalten und walten nach wie vor je nach Belieben. Nicht nur in Iran, sondern in der Region. Es gibt nur wenige Konflikte, an denen sie nicht beteiligt sind. Libanon, Irak, Syrien, Jemen - überall mischen die Revolutionsgarden mit und versuchen, die islamische Revolution zu exportieren. Ihre Al-Quds-Brigaden sind als Kommandoeinheit speziell für Einsätze im Ausland trainiert (Tagesspiegel 8.6.2017, vgl. BTI 2018).

Berichten zufolge, versucht die Regierung die wirtschaftliche Dominanz der Revolutionsgarden (IRGC), die zu Korruption führte, einzudämmen. Es sollen zumindest ein Dutzend Mitglieder der IRGC und den IRGC nahestehende Geschäftsleute inhaftiert worden sein, und andere sollen gezwungen worden sein, Einkünfte aus verdächtigen Geschäftsvereinbarungen zurückzuzahlen (FH 1.2018).

In Bezug auf die Überwachung der Bevölkerung ist zu sagen, dass nicht bekannt ist, wie groß die Kapazität der iranischen Behörden ist, jeden zu überwachen. Die Behörden können nicht jeden zu jeder Zeit überwachen, haben aber eine Atmosphäre geschaffen, in der die Bürger von einer ständigen Beobachtung ausgehen (DIS/DRC 23.2.2018).

Folter und unmenschliche Behandlung

Folter ist nach Art. 38 der iranischen Verfassung verboten. Verschiedenen Berichten zufolge schließen Verhörmethoden und Haftbedingungen in Iran in einzelnen Fällen seelische und körperliche Folter sowie unmenschliche Behandlung nicht aus. Dazu kommt es vorrangig in nichtregistrierten Gefängnissen, aber auch aus "offiziellen" Gefängnissen wird von derartigen Praktiken berichtet, insbesondere dem berüchtigten Trakt 209 im Teheraner Evin-Gefängnis, welcher unmittelbar dem Geheimdienstministerium untersteht (AA 2.3.2018).

Die Justizbehörden verhängten und vollstreckten auch 2017 weiterhin grausame und unmenschliche Strafen, die Folter gleichkamen. In einigen Fällen wurden die Strafen öffentlich vollstreckt. Zahlreiche Personen, unter ihnen auch Minderjährige, erhielten Strafen von bis zu 100 Peitschenhieben. Sie wurden wegen Diebstahls oder tätlichen Angriffen verurteilt, aber auch wegen Taten, die laut Völkerrecht nicht strafbar sind, wie z. B. außereheliche Beziehungen, Anwesenheit bei Feiern, an denen sowohl Männer als auch Frauen teilnehmen, Essen in der Öffentlichkeit während des Fastenmonats Ramadan oder Teilnahme an friedlichen Protestkundgebungen. Gerichte verhängten in zahlreichen Fällen Amputationsstrafen, die vom Obersten Gerichtshof bestätigt wurden. Die Behörden vollstreckten auch erniedrigende Strafen (AI 22.2.2018).

Bei Delikten, die im krassen Widerspruch zu islamischen Grundsätzen stehen, können jederzeit Körperstrafen ausgesprochen und auch exekutiert werden. Bereits der Besitz geringer Mengen von Alkohol kann zur Verurteilung zu Peitschenhieben führen (eine zweistellige Zahl an Peitschenhieben ist dabei durchaus realistisch). Es kann auch nicht ausgeschlossen werden, dass Personen zu Peitschenhieben verurteilt werden, die selbst Alkohol weder besessen noch konsumiert haben, u.U. ist bereits die bloße Anwesenheit bei einer Veranstaltung, bei der Alkohol konsumiert wird, für die Betroffenen gefährlich. So wurden etwa im Mai 2016 mehr als 30 Studenten wegen Teilnahme an einer Party mit Alkohol und Tanz zu je 99 Peitschenhieben verurteilt. Die häufigsten Fälle, für welche die Strafe der Auspeitschung durchgeführt wird, sind illegitime Beziehungen, außerehelicher Geschlechtsverkehr, Teilnahme an gemischtgeschlechtlichen Veranstaltungen, Drogendelikte und Vergehen gegen die öffentliche Sicherheit. Auspeitschungen werden zum Teil auch öffentlich vollstreckt. Berichten zufolge werden auch die Strafen der Amputation (z.B. von Fingern bei Diebstahl) und der Blendung noch angewandt - auf die Anwendung letzterer kann die/der ursprünglich Verletzte jedoch gegen Erhalt eines "Abstandsgeldes" verzichten (ÖB Teheran 9.2017).

Darüber hinaus gibt es Berichte, wonach politische Gefangene mit Elektroschocks gefoltert werden. Weitere berichtete Foltermethoden sind Verprügeln, Schlagen auf Fußsohlen und andere Körperteile, manchmal während die Häftlinge mit dem Kopf nach unten an der Decke aufgehängt waren, Verbrennungen mit Zigaretten und heißen Metallgegenständen, Scheinhinrichtungen (davon wissen praktisch alle politischen Gefangene aus eigener Erfahrung zu berichten), Vergewaltigungen - teilweise durch Mitgefangene - die Androhung von Vergewaltigung, Einzelhaft, Entzug von Licht, Nahrung und Wasser, und die Verweigerung medizinischer Behandlung (ÖB Teheran 9.2017, vgl. HRC 5.3.2018).

(Quelle: BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Juli 2018)

2. Die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen

2.1 Die Feststellungen zur Person, zur Staatsangehörigkeit und Identität des Beschwerdeführers sowie zu seinen Familienangehörigen (oben 1.1) ergeben sich im Einklang mit seinen Angaben im Verfahren, welche insofern stringent waren und an denen auf Grund der Sprachkenntnisse auch nicht zu zweifeln war. Bereits das BFA erachtete die Identität des Beschwerdeführers und seiner Familienangehörigen aufgrund der vorgelegten Identitätsdokumente als erwiesen.

2.2 Die Feststellungen zum Beschwerdeführer und seiner Zugehörigkeit als Derwisch zum Gonabadi-Orden sowie zur Rückkehrerwartung (oben 1.2) beruhen auf den folgenden Erwägungen:

2.2.1 Bereits das BFA erachtete die religiöse Zugehörigkeit des Beschwerdeführers als Derwisch zum Gonabadi-Orden als glaubhaft (Bescheid, S 9). Bereits das BFA hielt es auch für nicht unglaubhaft, dass der Beschwerdeführer im Iran im September 2014 an einer öffentlichen Gebetsveranstaltung für die Freilassung und Unterstützung inhaftierter Derwische demonstriert hat (vgl Bescheid, S 56: "Nicht auszuschließen ist, ...") und auch in der mündlichen Verhandlung kamen diesbezüglich keine Zweifel auf, sodass auch dieses Vorbringen als glaubhaft zu erachten ist.

In der mündlichen Verhandlung war der Beschwerdeführer dazu in der Lage, sein Kernvorbringen hinsichtlich seiner Glaubenszugehörigkeit und der Bedeutung jenes Glaubens für ihn persönlich widerspruchsfrei und kohärent erneut wiederzugeben, ohne sein Vorbringen vor dem BFA wörtlich zu wiederholen (Einvernahme 04.10.2016, vgl Bescheid S 5 f; Verhandlungsschrift (VHS) S 8-10). Er konnte mit diesen Ausführungen in der Verhandlung überzeugend darlegen, dass ihm sein Glaube wichtig ist, er selbst in Österreich nach seinen Glaubensvorstellungen lebt, auch wenn ihm in seiner aktuellen Wohnsitzgemeinde die Existenz einer Derwisch-Gemeinde nicht bekannt ist; bei einer Rückkehr würde er sich jedoch wieder seiner Glaubensgemeinde anschließen (VHS S 10). Diese Ausführungen des Beschwerdeführers erweisen sich auch als widerspruchsfrei, kohärent und konsistent. Die Ausführungen des Beschwerdeführers hinsichtlich des Vorgehens der iranischen Behörden decken sich schließlich mit der festgestellten Ländersituation hinsichtlich des Vorgehens der iranischen Behörden gegen Derwische des Gonabadi-Ordens (oben 1.4). Sein Vorbringen wird daher im hier festgestellten Umfang als glaubhaft erachtet.

2.3 Die strafrechtliche Unbescholtenheit ergibt sich aus dem aktuellen Strafregister der Republik Österreich.

2.4 Die Feststellungen zur Lage im Iran (oben 1.4) beruhen auf aktuellen Länderinformationen, konkret auf dem Asylländerbericht der ÖB Teheran zum Iran vom Dezember 2018, dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation des BFA zum Iran vom Juli 2018 und dem Bericht des deutschen Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Iran vom 20.01.2019, die im Zuge der mündlichen Verhandlung in das Verfahren eingeführt wurden (VHS, S 12).

Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3. Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten gemäß § 3 AsylG 2005

Gesetzliche Bestimmungen

3.1 Gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005 gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 AsylG 2005 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl Nr 55/1955, idF des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl Nr 78/1974 (Genfer Flüchtlingskonvention - GFK), droht.

Rechtsprechung

3.2 Nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist Flüchtling, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren. (VwGH 22.03.2017, Ra 2016/19/0350, Rz 11).

3.3 Zentraler Aspekt der in Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht davor. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (VwGH 12.11.2014, Ra 2014/20/0069, Punkt 5.3.). Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 05.09.2016, Ra 2016/19/0074).

3.4 Relevant kann darüber hinaus nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Erlassung der Entscheidung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen zu befürchten habe (VwGH 19.10.2000, 98/20/0233).

3.5 Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Benachteiligungen auf sozialem, wirtschaftlichem oder religiösem Gebiet sind, sofern sie aus asylrelevanten Motiven erfolgen, für die Bejahung der Flüchtlingseigenschaft dann ausreichend, wenn sie eine solche Intensität erreichen, die einen weiteren Verbleib des Asylwerbers in seinem Heimatland unerträglich machen, wobei bei der Beurteilung dieser Frage ein objektiver Maßstab anzulegen ist (vgl VwGH 22.06.1994, 93/01/0443). Ein völliger Entzug der Lebensgrundlage stellt nach ständiger Rechtsprechung des VwGH eine solche Intensität dar, dass diesem Asylrelevanz zukommen kann (VwGH 24.03.1999, 98/01/0380; 13.05.1998, 97/01/0099). Daraus ergibt sich, dass ein wirtschaftlicher oder gesellschaftlicher Nachteil grundsätzlich als Verfolgung zu qualifizieren sein wird, wenn durch das Vorliegen des Nachteils die Lebensgrundlage massiv bedroht ist.

3.6 Einer von Privatpersonen bzw privaten Gruppierungen ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung kommt Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintanzuhalten. Auch eine auf keinem Konventionsgrund beruhende Verfolgung durch Private hat aber asylrelevanten Charakter, wenn der Heimatstaat des Betroffenen aus den in Art 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen nicht bereit ist, Schutz zu gewähren (VwGH 08.09.2015, Ra 2015/18/0010).

3.7 Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Entscheidend für die Frage, ob eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht, ist vielmehr, ob für einen von dritter Seite Verfolgten trotz staatlichen Schutzes der Eintritt eines - asylrelevante Intensität erreichenden - Nachteiles aus dieser Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist (VwGH 30.08.2017, Ra 2017/18/0019)

3.8 Wenn Asylsuchende in bestimmten Landesteilen vor Verfolgung sicher sind und ihnen insoweit auch zumutbar ist, den Schutz ihres Herkunftsstaates in Anspruch zu nehmen, bedürfen sie nicht des Schutzes durch Asyl (vgl VwGH 24.3.1999, 98/01/0352 mwN).

3.9 Die Frage der Sicherheit des Asylwerbers in dem als innerstaatliche Fluchtalternative geprüften Gebiet des Herkunftsstaates hat selbstverständlich wesentliche Bedeutung. Es muss mit ausreichender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden können, dass der Asylwerber in diesem Gebiet Schutz vor asylrechtlich relevanter Verfolgung und vor Bedingungen, die nach § 8 Abs. 1 AsylG 2005 die Gewährung von subsidiärem Schutz rechtfertigen würden, findet. Sind diese Voraussetzungen zu bejahen, so wird dem Asylwerber unter dem Aspekt der Sicherheit regelmäßig auch die Inanspruchnahme der innerstaatlichen Fluchtalternative zuzumuten sein (VwGH 06.11.2018, Ra 2018/01/0106).

Zum gegenständlichen Verfahren

3.10 Der Beschwerdeführer ist Derwisch und gehört dem sufistischen Gonabadi-Orden an. Bereits sein Vater war Angehöriger der Derwische jenes Ordens. Der Beschwerdeführer war vor seiner Ausreise aus dem Iran in einer Derwisch-Gemeinde aktiv. Er hat im Iran im September 2014 öffentlich bei einer Gebetsveranstaltung für die Freilassung und Unterstützung inhaftierter Derwische demonstriert. Dem Beschwerdeführer ist es wichtig, sein Leben als Derwisch führen zu können und würde sich auch bei einer Rückkehr in den Iran wieder einer Derwisch-Gemeinde anschließen.

Vor diesem Hintergrund und angesichts der festgestellten Ländersituation im Iran über Verfolgungshandlungen gegenüber Derwische des sufistischen Gonabadi-Ordens durch staatliche Organe - beispielsweise erleben Mitglieder der Derwisch-Gemeinschaft schwere Repressionen; im Jahr 2015 wurden Dutzende Derwische festgehalten, viele zu Gefängnis- und/oder körperlichen Strafen verurteilt; im Juni 2015 wurde ein Derwisch für eine "haram"-Straftat zu 74 Peitschenhieben verurteilt, weil er den Glauben des Gonabadi Derwischordens verbreitet haben soll; sie werden immer wieder Opfer gewaltsamer Übergriffe, zuletzt im Frühjahr 2018 als eine friedliche Demonstration eskalierte und es zum Tod von Angehörigen der Sicherheitskräfte kam; zahlreiche Derwische sind seitdem festgenommen worden, es gibt bis auf eine Hinrichtung nach einem öffentlichen Prozess praktisch keine Informationen über die Inhaftierten und in iranischen Medien werden Sufis gelegentlich als Teufelsanbeter und Satanisten stigmatisiert - wäre der Beschwerdeführer bei offenem Bekenntnis zu seiner Glaubenszugehörigkeit im Fall einer Rückkehr in den Iran einer asylrelevanten Bedrohung ausgesetzt, zumal auch religiöse Gruppen vom iranischen Geheimdienst beobachtet werden.

3.11 Es ist dem Beschwerdeführer nach der Judikatur des EuGH nicht zuzumuten, bei einer Rückkehr in seine Heimat auf diese religiöse Betätigung zu verzichten (vgl EuGH 05.09.2012, C-71/11 und C-99/11).

3.12 Es ist daher objektiv nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer aus Furcht vor ungerechtfertigten Eingriffen von erheblicher Intensität aus den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen, nämlich aufgrund seiner religiösen Gesinnung nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes seines Herkunftsstaates zu bedienen. Da sich die iranische Staatsgewalt über das gesamte Territorium erstreckt, die von ihr ausgehenden Verfolgungsmaßnahmen landesweit unterschiedslos praktiziert werden, ist auch keine inländischen Fluchtalternative gegeben.

3.13 Im Verfahren haben sich schließlich keine Hinweise auf die in Artikel 1 Abschnitt C und F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Endigungs- und Ausschlussgründe ergeben.

3.14 Im vorliegenden Fall sind somit unter Berücksichtigung der zuvor zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten gegeben. Eine darüber hinaus gehende Beurteilung des übrigen Vorbringens des Beschwerdeführers ist angesichts des Spruchinhaltes nicht mehr erforderlich.

3.15 Gemäß § 3 Abs 5 AsylG 2005 war die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten mit der Feststellung zu verbinden, dass dem Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

3.16 Da der verfahrensgegenständliche Antrag auf internationalen Schutz vor dem 15.11.2015 gestellt wurde, kommt dem Beschwerdeführer das dauernde Einreise- und Aufenthaltsrecht gemäß § 2 Abs 1 Z 15 AsylG 2005 idF vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl I Nr 24/2016 zu (§ 75 Abs 24 AsylG 2005).

Zu B)

Revision

3.17 Die ordentliche Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG ist nicht zulässig, da die Rechtslage durch die bisherige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geklärt ist.

3.18 Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Asylgewährung Asylgewährung von Familienangehörigen asylrechtlich relevante Verfolgung Asylverfahren Familienverfahren Flüchtlingseigenschaft religiöse Bekenntnisgemeinschaft religiöse Gründe staatliche Verfolgung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:L516.2145018.1.00

Im RIS seit

19.08.2020

Zuletzt aktualisiert am

19.08.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten