TE Bvwg Erkenntnis 2020/2/6 W208 2218784-1

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Veröffentlicht am 06.02.2020
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Entscheidungsdatum

06.02.2020

Norm

B-VG Art133 Abs4
GebAG §14 Abs1
GebAG §19 Abs2
GebAG §22
GebAG §4 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W208 2218784-1/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Ewald SCHWARZINGER über die Beschwerde von XXXX , vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Andreas LANDSTÄTTER, 1010 WIEN, Jasomirgottstraße 6, gegen den Bescheid des Vorstehers des Bezirksgerichtes XXXX , Zl. XXXX vom 25.01.2019 wegen Zeugengebühren zu Recht erkannt:

A) Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs 2 VwGVG iVm § 4 Abs 1 GebAG stattgegeben, der angefochtene Bescheid aufgehoben und festgestellt, dass Mag. Ing. Johann S XXXX für die Teilnahme an der Tagsatzung des Bezirksgericht XXXX im Verfahren XXXX am 20.11.2017 keine Zeugengebühren zustehen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. In dem vor dem Bezirksgericht XXXX (im Folgenden: BG) geführten Verfahren zu XXXX ist im Protokoll der Tagsatzung vom 04.09.2017 festgehalten, dass der Klagevertreter erklärt habe, Mag. Ing. Johann S XXXX (im Folgenden: Zeuge) zur Einvernahme in der Verhandlung am 20.11.2017, 10:00 Uhr, voraussichtliche Dauer 2 Stunden (4/2) als Zeuge stellig zu machen. Die Parteienvertreter hätten unter Ladungsverzicht und Hinweis auf die Säumnisfolgen den Termin zur Kenntnis genommen.

An diesem Tag erfolgte jedoch aus Zeitgründen keine Einvernahme des Zeugen mehr. Diese Tagsatzung wurde sodann auf den 21.02.2018, 11:30 Uhr erstreckt und der Zeuge einvernommen.

Mit Schreiben vom 30.11.2017 (eingelangt am 01.12.2017) machte der Zeuge einen Verdienstentgang iHv ? 1.200,00 + 20 % MwSt geltend. Darin führte er aus, dass er für den 20.11.2017 um 11:30 Uhr als Zeuge am BG vorgeladen worden sei. Für diese Zeit hätte er auch eine Wohnungsbesichtigung betreffend ein Gutachten für eine Kundin vornehmen sollen. Die Kundin habe daraufhin einen anderen Sachverständigen mit diesem Gutachten beauftragt und es sei ihm ein Auftrag im Wert von ? 1.200,00 + 20 % MwSt. verloren gegangen. Ebenso sei die terminliche Festsetzung so gewählt worden, dass aufgrund der nicht absehbaren Länge der Verhandlung und des Anfahrtsweges von XXXX , weitere Terminvereinbarungen für diesen Tag schwer möglich gewesen seien. Er sei auch eine halbe Stunde früher am BG gewesen, damit es zu keinem Terminverzug durch unvorhersehbare Umstände kommen würde. Dazu legte er eine E-Mail Korrespondenz vom 17.11.2017 über eine Anfrage zu einer Wohnungsbesichtigung am 20.11.2017 und einen Kostenvoranschlag für die Erstellung eines Gutachtens von ? 1.200,00 + 20 % MwSt. sowie diverse exemplarische Honorarnoten vor.

Am 22.10.2018 legte der Zeuge ein von ihm als "Gebührennote" bezeichnetes Schreiben vor und wies darin den von ihm beschriebenen "Auftragsentgang" pauschal mit insgesamt ? 1.400,00 (? 1.200,00 + 20 % MwSt.) aus. Einzelne Posten, aus denen sich das Honorar zusammensetzen würde, wurden darin nicht aufgeschlüsselt.

2. Mit dem beschwerdegegenständlichen Bescheid des Vorstehers des BG vom 25.01.2019 wurden die Gebühren des Zeugen für die Teilnahme an der Verhandlung gemäß Gebührenanspruchsgesetz 1975 (GebAG) mit insgesamt ? 1.459,80, davon unter Punkt 1. "Reisekosten gem §§ 6 - 12 GebAG für die Fahrt mit der ÖBB von XXXX nach XXXX und retour iHv ? 19,80 und unter Punkt 2. "Entschädigung für Zeitversäumnis gem §§ 17 - 18 GebAG, ein tatsächlicher Verdienstentgang gem § 18 Abs 1 Z 2 lit b GebAG von ? 1.200,00 + 20 % MwSt. (? 1.440,00,) bestimmt.

Begründend wurde ausgeführt, dass beim selbstständige Erwerbstätigen, das tatsächlich entgangene Einkommen bescheinigt werden müsse. Der Zeuge habe mitgeteilt, dass er am 20.11.2017 aufgrund der Zeugenladung einen entgangenen Wohnungsbesichtigungstermin betreffend eines Schätzgutachtens gehabt hätte und die Kundin dann einen anderen Sachverständigen mit dem Gutachten beauftragt habe. Der Zeuge habe die E-Mail Korrespondenz mit dieser Kundin vorgelegt, aus welcher hervorgehe, dass der Termin nur am 20.11.2017 für alle Beteiligten möglich gewesen und daher für ihn nicht nachholbar oder verschiebbar gewesen sei. Ebenso seien diverse Honorarnoten zur Einsicht betreffend Höhe der Kosten des Gutachtens vorgelegt worden.

3. Gegen diesen Bescheid (zugestellt am 04.03.2019) richtet sich die am 08.03.2019 eingebrachte Beschwerde der im Grundverfahren beklagten Partei und nunmehrigen Beschwerdeführerin (im Folgenden: BF). In dieser wird der Bescheid über die Zuerkennung der Zeugengebühren iHv ? 1.459,00 zu Gänze angefochten, und begehrt, den Bescheid dahingehend abzuändern, dass der Antrag des Zeugen zurück- bzw abgewiesen, in eventu an die belangte Behörde zur neuerlichen Prüfung und Entscheidung zurückverwiesen werde.

Begründend wird darin im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:

1) Die Geltendmachung der Zeugengebühren sei verspätet erfolgt, da der Zeuge diese erst mit Fax am 28.10.2018 an das Gericht übermittelt habe. Auch die zur Bescheinigung übermittelte Honorarnote sei erst am 20.10.2018 erstellt worden. Der Anspruch sei damit verfristet.

2) Der Zeuge sei überdies zur Verhandlung am 20.11.2017 nicht geladen, sondern von der klagenden Partei stellig gemacht worden. Er sei auch nicht in dieser Verhandlung einvernommen worden. Daher würden die Anspruchsvoraussetzungen nach § 4 GebAG nicht vorliegen.

3) Zudem hätte der Zeuge bekanntgeben müssen, dass bei Wahrnehmung der Verhandlung am 20.11.2017 ein entsprechender Verdienstentgang drohe. Dieser habe das BG aber nicht davon informiert.

4) Schließlich wurde vorgebracht, dass der Zeuge die Höhe der geltend gemachten Gebühr nicht ausreichend bescheinigt habe. Der in der E-Mail vom 17.11.2017 angeführte Betrag von netto ? 1.200,00 umfasse die Erstellung eines gesamten Gutachtens, nicht nur die Durchführung eines Besichtigungstermines. Es könne als Bescheinigung nicht ausreichen, dass der Zeuge selbstständig eine Honorarnote über einen Pauschalbetrag ohne nähere Aufschlüsselung ausstelle und vorlege. Zudem werde die Höhe des geltend gemachten Gebührenanspruches bestritten. Die geltend gemachten Gebühren seien weit überhöht und nicht angemessen. Der Betrag sei aber auch nicht verhältnismäßig, da mit der Klage ? 229,00 eingeklagt worden seien.

Aus den vorgelegten Unterlagen gehe hervor, dass der Zeuge am 17.11.2017 per E-Mail lediglich eine Anfrage erhalten habe, wieviel ein Schätzgutachten kosten würde. Der Zeuge habe aber nicht bescheinigt, dass ihm ein Auftrag erteilt worden wäre. Das E-Mail des Zeugen stelle lediglich eine Kostenschätzung dar, bescheinige aber nicht, dass ihm der Auftrag erteilt und ihm ein Gewinn entgangen sein könnte. Außerdem habe sich der Zeuge durch die Nichterstellung des Gutachtens einen erheblichen Aufwand erspart, der gegenzurechnen gewesen wäre. Der vom Zeugen angegebene Betrag für die Gutachtenerstellung von netto ? 1.200,00 umfasse viel mehr als nur die Durchführung eines Besichtigungstermins. Am zeitaufwändigsten sei die Erstellung des schriftlichen Gutachtens; das habe sich der Zeuge jedoch erspart und habe diese Zeit für andere Erwerbstätigkeit nutzen können.

5) Außerdem hätte der Zeuge den Besichtigungstermin sowieso nicht wahrnehmen können, da er am 20.11.2017 um 09:30 Uhr (bis 13:30 Uhr) auch eine Ladung vor dem BG in dem Verfahren zu 18 Msch XXXX gehabt hätte. Die Anwesenheit des Zeugen in der gegenständlichen Verhandlung sei daher nicht kausal gewesen.

6) Zudem sei der Zeuge faktisch als Partei am Prozess beteiligt gewesen und kein Zeuge gemäß § 2 Abs 1 GebAG. Er sei der Vater der Hausverwalterin. Da diese nicht selbst am Prozess beteiligt gewesen sei, sei der Zeuge als informierter Vertreter der Hausverwaltung geführt worden.

4. Mit Schreiben vom 29.04.2019, eingelangt am 14.05.2019, legte die belangte Behörde die Beschwerde und den gegenständlichen Verwaltungsakt - ohne von der Möglichkeit einer Beschwerdevorentscheidung Gebrauch zu machen - dem BVwG zu Entscheidung vor.

5. Das BVwG veranlasste mit Schreiben vom 22.05.2019 eine Beschwerdemitteilung an das BG und räumte diesem die Möglichkeit zu einer Stellungnahme binnen zwei Wochen ein. Es wurde keine Stellungnahme abgegeben.

6. Mit Schreiben vom 08.11.2019 wurde sowohl der belangten Behörde als auch dem Zeugen das bis dahin vorliegende Ermittlungsergebnis mitgeteilt und ein Stellungnahmefrist von 2 Wochen ab Zustellung eingeräumt.

7. Am 20.11.2019 langte eine Stellungnahme der belangten Behörde ein, in der ausgeführt wurde, dass ein Mag. V. S XXXX im Verfahren 18 Msch XXXX für den Termin am 20.11.2017 um 09:30 Uhr eine Ladung als informierter Vertreter des Antragstellers erhalten habe. Erschienen sei ein Mag. S XXXX (der Vorname sei aus dem Protokoll nicht ersichtlich) und bis 11:30 Uhr anwesend gewesen. Den Termin für die nächste Verhandlung am 19.02.2018 habe Mag. S XXXX als Zeuge unter Ladungsverzicht zur Kenntnis genommen und sei an diesem Tag Mag. Johann S XXXX als informierter Vertreter einvernommen worden, habe aber keine Gebühren angesprochen.

8. Am 27.11.2019 langte eine Stellungnahme des Zeugen ein, in dem dieser zur Ladung zur Verhandlung 18 Msch XXXX anführte, er wisse nicht mehr, wann er die Ladung erhalten habe. Die Kundin habe sich aber erst knapp vor der Verhandlung gemeldet. Er habe versucht es der Richterin mitzuteilen, sie aber nicht erreicht. Die Verhandlung habe am 20.11.2017 um 11.30 Uhr begonnen und wäre daher am Nachmittag eine Besichtigung möglich gewesen. Im Verfahren 18 Msch XXXX sei er einvernommen worden, aber erst am 19.02.2018 und habe dafür keine Gebühren verrechnet. Er habe ein Zeugengebühr in der Tagsatzung angesprochen, diese seien aber abgewiesen worden.

Zur Höhe der Gebühr führte er an, dass er zahlreiche Gutachten für das Gericht (Immobilienbewertungen) mache, das Honorar betrage rund ? 2.000,-- plus 20 % Mehrwertsteuer. Im Haus der BF sei auf Grund einer Exekution eine 80 m² Wohnung zu bewerten gewesen. Der vom Gericht eingesetzte Sachverständige habe einen Kostenvoranschlag von ? 4.000,-- gelegt und diese Summe auch erhalten. Eine Besichtigung werde in der Regel durch ein Gutachten ergänzt. Bei einer Pauschale würden keine einzelnen Positionen angeführt. Er führte aus, ein übliches Honorar auf Basis des Stundensatzes für Ziviltechniker/Sachverständige von ? 83,-- würde 4 Stunden für die Besichtigung und die Befundung und weitere 4 Stunden für das Gutachten enthalten, daher ? 1.328,--; dazu kämen weitere Kosten für die Schreibarbeiten, die Fotodokumentation, die Fahrtkosten, was einen Nettobetrag von ? 1.995,80 ergäbe.

9. Das BVwG räumte der BF ein neuerliches Parteiengehör zu den bis dahin vorliegenden Ermittlungsergebnissen ein und brachte die BF dazu am 02.01.2020 fristgerecht eine Stellungnahme ein, in der sie im Wesentlichen ihre bereits in der Beschwerde angeführten Punkte aufrecht erhielt die Aufhebung des Bescheides und die Zurückweisung bzw. Abweisung in eventu die Zurückverweisung des Antrages des Zeugen begehrte.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der im Punkt I. angeführte Verfahrensgang und Sachverhalt wird festgestellt.

Der Klagevertreter hat in der Tagsatzung am 04.09.2017 erklärt, den Zeugen für die Verhandlung am 20.11.2017 stellig zu machen. Eine Ladung des Zeugen ist nicht erfolgt.

Der Zeuge hat die durch die geplante Einvernahme im Verfahren vor dem BG zu XXXX am 20.11.2017 bedingte Reise von XXXX nach XXXX und retour frühestens um 08:00 Uhr angetreten und ist spätestens um 16:00 Uhr zurückgekehrt. Er hat an der Tagsatzung vom 20.11.2017 von 11:30 Uhr bis 13:35 Uhr teilgenommen, wurde aber aus zeitlichen Gründen nicht mehr einvernommen. Seine Einvernahme fand von ihm unverschuldet erst in der darauffolgenden Tagsatzung am 21.02.2018 statt.

Der Zeuge ist als Architekt und Ziviltechniker selbstständig erwerbstätig. Er hat am 17.11.2017 einen Auftrag erhalten am 20.11.2017 um 11:00 Uhr ein Schätzgutachten für eine Wohnung in WIEN zu erstellen und diesen Auftrag verloren, weil er den Termin aufgrund des Gerichtstermins nicht wahrnehmen konnte. Er hätte für diesen Auftrag ? 1.200,-- (plus 20 % Umsatzsteuer verrechnet). Der Stundensatz für Ziviltechniker/Sachverständige beträgt zwischen ? 70,-- und ? 105,-- und werden für eine Bewertung einer Wohnung normalerweise rund 4 Stunden für die Besichtigung und die Befundung sowie weitere 4 Stunden für die Begutachtung kalkuliert.

Es wird daher festgestellt, dass der Zeuge am 20.11.2017 durch die Ausschlagung dieser Besichtigungsanfrage einen Verdienstentgang von ? 1.200,-- erlitten hat.

Der Zeuge hat mit seinem Schreiben vom 30.11.2017 keine Reisekosten beantragt, sondern nur einen Verdienstentgang von ? 1.200,-- + 20 % MwSt.

Im Verfahren 18 Msch XXXX , das ebenfalls am 20.11.2017 von 09:30 Uhr bis 11:30 Uhr am BG anberaumt war, war der Zeuge nicht geladen, hätte daher nicht anwesend sein müssen, sondern erschien er als informierter Vertreter des Antragstellers Mag. V. S XXXX . Ihm wurden deshalb keine Gebühren zugesprochen.

Wäre er im beschwerdegegenständlichen Verfahren XXXX , dass um 10:00 Uhr des 20.11.2017 begonnen hat, nicht vom Klagsvertreter als Zeuge stellig gemacht worden, hätte er die angebotene Wohnungsbesichtigung durchführen können.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zum Verfahrensgang ergeben sich aus dem von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakt - insbesondere den Tagsatzungsprotokollen vom 04.09.2017 (ON 11 im Akt des Grundverfahrens) sowie vom 20.11.2017 (ON 16 im Grundverfahren) und den eingelangten Stellungnahmen.

Wörtlich heißt es im Tagsatzungsprotokoll vom 04.09.2017: "Zur Einvernahme der Beantragten wird die Tagsatzung erstreckt auf den 20.11.2017, 10:00 Uhr, Verhandlungssaal 6, voraussichtliche Dauer: 4/2. Parteienvertreter nehmen den Termin unter Ladungsverzicht und Hinweis auf die Säumnisfolgen zur Kenntnis und erklärt der BV die Beklagte zur Verhandlung stellig zu machen und die KV, den Zeugen Mag. S XXXX zur Verhandlung stellig zu machen."

Wörtlich heißt es im Tagsatzungsprotokoll vom 20.11.2017: "Infolge fortgeschrittener Zeit wird die Tagsatzung zur Einvernahme des Zeugen S XXXX sowie des heute von der Beklagtenseite beantragten Zeugen [...] sowie zur PV der Beklagten erstreckt auf den 21.2.2018, 10:00 Uhr, Verhandlungssaal 6, voraussichtliche Dauer: 4/2 [...]"

Die festgestellten Reisezeiten beruhen insbesondere auf den durchgeführten Anfragen in Google Maps in Zusammenschau mit den von der Behörde zu Grunde gelegten Zugverbindungen des ÖBB Routenplaners und den eigenen Angaben des Zeugen.

Gemäß § 19 Abs 2 GebAG hat der Zeuge die Umstände die für die Gebührenbestimmung bedeutsam sind, zu bescheinigen. Nach der ständigen Rsp des VwGH bedeutet "bescheinigen", dass der über den Anspruch entscheidende Organwalter von der Richtigkeit des Anspruches nicht überzeugt zu sein braucht, sondern ihn lediglich für wahrscheinlich halten muss (VwGH 18.09.2000, 96/17/0360; 08.09.2009, 2008/17/0235; 20.06.2012, 2010/17/0099).

In einem Schreiben vom 30.11.2017 machte der Zeuge bereits den konkreten Auftragsentgang für die Wohnungsbesichtigung von ? 1.200,00 + 20 % MwSt geltend und legte den entsprechenden E-Mail-Verkehr bei. Weiters übermittelte der Zeuge dazu exemplarisch drei Honorarnoten (vom 02.07.2010, vom 09.02.2011 und vom 15.04.2011), über vergangene Tätigkeiten als Sachverständiger. Darin sind die Posten "Befundaufnahme" bzw "Besichtigung", sowie "Gutachtensausarbeitung" bzw "Gutachtenserstellung" jeweils einzeln dargestellt. Die unter "Befundaufnahme" oder "Besichtigung" bezeichneten Posten waren mit unterschiedlichen Stundensätzen ausgewiesen (? 70,--; 72,--; 105,--).

Nachdem es Zweifel an der Selbstständigkeit des Zeugen gab (er wurde im Protokoll vom 04.09.2017 als Mitarbeiter der antragstellenden Hausverwaltung bezeichnet) wurde vom zuständigen Revisor die Überprüfung dieses Umstandes beauftragt (ON 3). Diese Überprüfung ergab, dass der Zeuge "Vertreter der Geschäftsführung auf selbstständiger Basis" ist (ON 4). In der Folge legte der Zeuge ein als "Gebührennote" bezeichneten Schreiben vom 22.10.2018 in Ergänzung zu seinem Antrag vom 30.11.2017 an das BG vor und wies den von ihm beschriebenen "Auftragsentgang" pauschal mit insgesamt ? 1.440,00 (? 1.200,00 + 240,00 MwSt.) aus. Einzelne Posten, aus denen sich das Honorar zusammensetzen würde, wurden darin nicht aufgeschlüsselt.

Die vom Zeugen vorgelegte E-Mail Korrespondenz ist geeignet einen dem Grunde und der Höhe nach entstandenen Verdienstentgang, nämlich für die per E-Mail vom 17.11.2017 angefragte Wohnungsbesichtigung, zu bescheinigen. Die Kundin hat auf den Kostenvoranschlag des Zeugen vom 17.11.2017 (rund ? 1.200,00 + 20 % MwSt) mit der Übermittlung des Besichtigungstermins und der Uhrzeit ("20.11. um 11:00 Uhr") sowie der Adresse der zu besichtigenden Wohnung geantwortet, was bei objektiver Betrachtung nur als Angebotsannahme verstanden werden kann. Aus dem weiteren E-Mails von diesem Tag geht hervor, dass der Zeuge diesen Auftrag nur verloren hat, weil er den Termin nicht wahrnehmen konnte.

Der Zeuge hat durch die Vorlage der oa. Unterlagen bescheinigt, dass er als Architekt und Ziviltechniker sowie als allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger tätig ist und durch die Anwesenheit bei Gericht am 20.11.2017 einen Auftrag der im netto ? 1.200,-- Umsatz gebracht hätte, verloren hat.

Der Zeuge wurde allerdings nicht zu diesem Termin geladen, sondern wurde vom Klagsvertreter erklärt diesen stellig zu machen und er wurde - aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen - auch nicht einvernommen, sondern erst zu einem späteren Termin. Lediglich die Parteienvertreter haben einen Ladungsverzicht erklärt. Der Zeuge war nicht Partei im Grundverfahren. Das ist unstrittig.

Ob ihm dennoch eine Zeugengebühr und insbesondere Verdienstentgang für den 20.11.2017 gebührt ist eine Rechtsfrage.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zulässigkeit und Verfahren

Die Beschwerde wurde gemäß § 7 Abs 4 VwGVG (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz) innerhalb der Frist von vier Wochen bei der belangten Behörde eingebracht. Es liegen auch sonst keine Anhaltspunkte für eine Unzulässigkeit der Beschwerde vor.

Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Mangels materienspezifischer Sonderregelung liegt somit gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit vor.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht - soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet - den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs 1 Z 3 und 4) zu überprüfen. Der Verfahrensgegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens wird durch die Begründung und das darin enthaltene Begehren in der Beschwerde begrenzt, wobei kein Verbot einer "reformatio in peius" besteht und kein Neuerungsverbot (vgl Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte, 2. Auflage, 2017, § 27, K2; stRsp des VwGH, zB 29.06.2017, Ra 2017/16/0085 mwN). Von Amts wegen hat das Bundesverwaltungsgericht jedoch Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der den angefochtenen Bescheid erlassenden Behörde aufzugreifen; ebenso kann es eine relevante Verletzung der Verfahrensvorschriften als auch allfällige inhaltliche Rechtswidrigkeit (die nicht ausdrücklich in der Beschwerde geltend gemacht wurde) von Amts wegen aufgreifen; Grundsatz der Amtswegigkeit (siehe Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte, 2. Auflage, 2017 § 27, K3).

Gemäß § 28 Abs 2 VwGVG hat über Beschwerden gemäß Art 130 Abs 1 Z 1 B-VG das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht. Dass ist der Fall.

Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 VwGVG und der dazu ergangenen Rechtsprechung des VwGH (Erkenntnis vom 26.01.2012, 2009/09/0187 und in diesem Sinne wohl auch 28.05.2014, Ra 2014/20/0017) ist nicht erforderlich. Die vorgelegten Verfahrensakten lassen nicht erkennen, dass eine mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache erwarten lässt. Der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt ist allen Parteien bekannt.

Ein Entfall der Verhandlung widerspricht weder Art 6 Abs 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), BGBl 1958/210, noch Art 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC), ABl Nr C 83 vom 30.03.2010 S. 389.

Zu A)

3.2. Gesetzliche Grundlagen (Auszug, Hervorhebung durch BVwG)

Die maßgeblichen Bestimmungen des Gebührenanspruchsgesetzes (GebAG) lauten (Auszug, Hervorhebungen durch BVwG):

"Anspruch

§ 1. (1) Natürliche Personen, die als Zeuginnen, Zeugen, Sachverständige, Dolmetscherinnen, Dolmetscher, Geschworene, Schöffinnen und Schöffen in gerichtlichen Verfahren und in einem Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft (§ 103 Abs. 2 StPO) tätig sind, haben Anspruch auf Gebühren nach diesem Bundesgesetz. [...]

Begriff. Anspruchsberechtigung

§ 2. (1) Als Zeuge im Sinn dieses Bundesgesetzes ist jede Person anzusehen, die innerhalb oder außerhalb eines förmlichen gerichtlichen Beweisverfahrens zu Beweiszwecken, aber nicht als Sachverständiger, Partei oder Parteienvertreter gerichtlich vernommen oder durch einen gerichtlich bestellten Sachverständigen der Befundaufnahme beigezogen wird. [...]

Umfang der Gebühr

§ 3. (1) Die Gebühr des Zeugen umfasst

1. den Ersatz der notwendigen Kosten, die durch die Reise an den Ort der Vernehmung, durch den Aufenthalt an diesem Ort und durch die Rückreise verursacht werden;

2. die Entschädigung für Zeitversäumnis, soweit er durch die Befolgung der Zeugenpflicht einen Vermögensnachteil erleidet. [...]

Anspruchsvoraussetzungen

§ 4. (1) Der Anspruch auf die Gebühr steht dem Zeugen zu, der auf Grund einer Ladung vom Gericht vernommen worden ist. Er kommt aber auch dem Zeugen zu, der ohne Ladung gekommen und vernommen worden oder der auf Grund einer Ladung gekommen, dessen Vernehmung aber ohne sein Verschulden unterblieben ist; er hat jedoch im ersten Fall, wenn er sonst im Weg der Rechtshilfe hätte vernommen werden können, nur den Anspruch, der ihm bei einer Vernehmung vor dem Rechtshilfegericht zustände, sofern seine unmittelbare Vernehmung zur Aufklärung der Sache nicht erforderlich gewesen ist; andernfalls hat das Gericht (der Vorsitzende), vor dem die Beweisaufnahme stattgefunden hat, die Notwendigkeit der unmittelbaren Vernehmung zu bestätigen.

(2) [...]"

3.3. Beurteilung des konkreten Sachverhaltes

3.3.1. Die BF moniert im Wesentlichen den Zuspruch der Zeugengebühren im Gesamtausmaß von ? 1.459,80, und bringt dabei mehrere Argumente vor.

Ein Argument ist, dass der Zeuge zur Verhandlung am 20.11.2017 nicht geladen worden, sondern von der klagenden Partei stellig gemacht worden sei. Er sei auch in dieser Verhandlung nicht einvernommen worden. Daher würden die Anspruchsvoraussetzungen nicht vorliegen.

Zunächst ist dazu auszuführen, dass der Zeuge unstrittig nicht geladen war, aber zur Tagsatzung vom 20.11.2017 vom Klagvertreter stellig gemacht und zu dieser auch erschienen ist. Er ist auch unstrittig - ohne sein Verschulden - bei der Tagsatzung am 20.11.2017 nicht als Zeuge einvernommen worden.

Im vorliegenden Fall ist dies insofern von Bedeutung, da § 4 Abs 1 GebAG erster Satz den Anspruch des Zeugen an eine Ladung des Gerichtes knüpft. Der Fall der Stelligmachung ist im zweiten Satz leg cit geregelt, wo ausgeführt wird, dass auch ein Zeuge der ohne Ladung gekommen und vernommen worden ist einen Anspruch auf Zeugengebühr hat.

Dies trifft im Gegenstand aber gerade nicht zu, weil der Zeuge nicht vernommen wurde.

Im zweiten Satz leg cit ist weiters geregelt, dass, wenn ein Zeuge auf Grund einer Ladung gekommen ist, aber nicht vernommen wurde, ebenfalls einen Gebührenanspruch hat. Ein Umstand der hier ebenfalls nicht zutrifft, weil eben keine Ladung vorlag.

Der von den Parteien in der Tagsatzung am 04.09.2017 erklärte Ladungsverzicht betrifft nur diese selbst. Sie können nicht auch für einen nicht anwesenden Zeugen auf eine Ladung verzichten.

Im Ergebnis bedeutet dies, dass der nur von einer Partei stellig gemachte, aber vom Gericht nicht geladene und einvernommene Zeuge, keinen Anspruch auf eine Zeugengebühr nach § 14 Abs 1 GebAG hat; und zwar auch dann nicht, wenn er aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen nicht einvernommen wurde.

3.3.2. Da dem angefochtenen Bescheid vor diesem Hintergrund eine Rechtswidrigkeit im Sinne des Art 130 Abs 1 Z 1 B-VG anhaftet, ist der Beschwerde spruchgemäß stattzugeben.

3.3.3. Auf die weiteren Argumente der BF, hinsichtlich der im Bescheid zugesprochenen Entschädigung für Zeitversäumnis, braucht daher nicht mehr eingegangen werden. Dem Zeugen wurde für die Teilnahme an der Verhandlung am 20.11.2017 zu Unrecht eine Gebühr von in Summe ? 1.459,80 zuerkannt. Sollte die Gebühr bereits ausbezahlt sein, ist diese gemäß § 23 Abs 3 GebAG von diesem zurückzufordern.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Es liegt zwar soweit ersichtlich keine Rechtsprechung des VwGH vor, die Formulierung des § 4 Abs 1 GebAG ist aber unmissverständlich und klar.

Schlagworte

Architekt Behebung der Entscheidung Einvernahme Ladungen Zeugengebühr Zivilprozess

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W208.2218784.1.00

Im RIS seit

20.08.2020

Zuletzt aktualisiert am

20.08.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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