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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AufG 1992 idF 1995/351 §6 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Zens,
Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Winkler, über die Beschwerde des 1983 geborenen SS in Wien, vertreten durch seinen Vater ZS, dieser vertreten durch Dr. Herbert Pochieser, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Schottenfeldgasse 2-4/II/23, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 19. September 1995, Zl. 303.333/2-III/11/95, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesministerium für Inneres) Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, vertreten durch seinen Vater, beantragte am 11. November 1994 im Weg über das österreichische Generalkonsulat in Berlin die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung. Dem Antrag legte der Beschwerdeführer neben einer Schulbesuchsbestätigung einer Wiener Hauptschule auch die Fotokopie seines Passes bei, in der die Erteilung eines Wiedereinreisesichtvermerkes für den Zeitraum vom 1. August 1994 bis 9. Mai 1995 ersichtlich ist.
Der Landeshauptmann von Wien wies mit Bescheid vom 3. Juli 1995 den Antrag gemäß den §§ 4 Abs. 1 und 3 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) ab. Der Beschwerdeführer erhob, vertreten durch seinen Vater, Berufung; der Vater des Beschwerdeführers führte in der Berufung aus, der Beschwerdeführer fühle sich bei ihm sehr wohl, wie aus der beiliegenden Zeugniskopie mit gutem Notenerfolg ersichtlich sei. Die Mutter des Beschwerdeführers, die sich krankheitshalber in Mazedonien aufhalte, könne nicht besser für den Beschwerdeführer sorgen, als er (der Vater) dazu in der Lage sei.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 19. September 1995 wurde die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 6 Abs. 2 AufG abgewiesen. Die Behörde stellte fest, die Tatsachen, daß der Beschwerdeführer in Österreich eine Schule besuche, vor, während und nach der Antragstellung in Österreich polizeilich aufrecht gemeldet sei und in seiner Berufung angegeben habe, sich "in Österreich sehr wohl zu fühlen", stützten die Beurteilung, daß der Beschwerdeführer seinen Antrag offensichtlich nicht vor der Einreise nach Österreich, mit der sein derzeitiger Aufenthalt begonnen habe, vom Ausland aus gestellt habe. Ergänzend dazu werde festgestellt, daß zwar bestimmte Personengruppen durch Gesetz bzw. Verordnung und Judikatur ausnahmsweise zur Antragstellung im Inland berechtigt seien; im Fall des Beschwerdeführers treffe dies aber nicht zu. Bei Abwägung der persönlichen Interessen mit den öffentlichen im Sinne des Art. 8 MRK habe die Berufungsbehörde festgestellt, daß durch den Aufenthalt des Vaters des Beschwerdeführers im Bundesgebiet zwar unabsprechbare familiäre Bindungen zu Österreich bestünden, sich die Mutter des Beschwerdeführers aber in Mazedonien aufhalte und die öffentlichen Interessen, insbesondere an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens, überwögen.
Der Beschwerdeführer erhob gegen diesen Bescheid Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, welcher mit Beschluß vom 28. November 1995, B 3415/95-3, die Behandlung der Beschwerde ablehnte und die Beschwerde über nachträglichen Antrag gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG mit Beschluß vom 26. Februar 1996, B 3415/95-5, dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.
In seiner im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ergänzten Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes, Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.
Der Verwaltungsgerichtshof hat hierüber erwogen:
Im Hinblick auf die Zustellung des angefochtenen Bescheides am 27. September 1995 hatte die belangte Behörde die Rechtslage nach Inkrafttreten der Novelle zum AufG, BGBl. Nr. 351/1995, anzuwenden.
§ 6 Abs. 2 AufG lautet:
"§ 6. ...
(2) Der Antrag auf Erteilung einer Bewilligung ist vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus zu stellen. ... Eine Antragstellung im Inland ist ausnahmsweise zulässig: Im Fall des Verlustes der österreichischen Staatsbürgerschaft, des Asyls oder des Aufenthaltsrechts gemäß § 1 Abs. 3 Z. 1; ...; schließlich für jene im Bundesgebiet aufhältigen Personen, für die dies in einer Verordnung gemäß § 2 Abs. 3 Z. 4 festgelegt ist. ..."
§ 3 Z. 3 der am 27. Juni 1995 ausgegebenen Verordnung, BGBl. Nr. 408/1995, lautete:
"§ 3. Der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung kann ausnahmsweise im Inland gestellt werden von:
...
3. Personen, für die eine Beschäftigungsbewilligung, eine Arbeitserlaubnis oder ein Befreiungsschein ausgestellt ist, und deren Familienangehörige im Sinne des § 3 des Aufenthaltsgesetzes, die eine Aufenthaltsbewilligung hatten
..."
Die belangte Behörde ging davon aus, daß es sich beim vorliegenden Antrag vom 11. November 1994 um einen Erstantrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung handelte. Da der Beschwerdeführer nach seinen eigenen Angaben und nach der diesbezüglich unbedenklichen Aktenlage weder über eine zuvor erteilte Aufenthaltsbewilligung noch über eine am 1. Juli 1993 (Inkrafttreten des AufG) aufrechte Berechtigung zum Aufenthalt im Bundesgebiet verfügte, kann in der Qualifikation des verfahrensgegenständlichen Antrages als Erstantrag keine Rechtswidrigkeit erblickt werden.
Auf Erstanträge findet die Bestimmung des § 6 Abs. 2 erster Satz AufG Anwendung, bei der es sich grundsätzlich um eine Voraussetzung, deren Nichterfüllung zwingend die Abweisung des Antrages nach sich zieht, handelt (vgl. u.a. die hg. Erkenntnisse vom 25. April 1997, 95/19/1321, sowie vom 30. Mai 1997, 95/19/1327). Die belangte Behörde traf Feststellungen über die Anwesenheit des Beschwerdeführers im Zeitpunkt der Antragstellung im Inland und schloß aus den vorgelegten Unterlagen bei Antragstellung sowie den Angaben in der Berufung auf einen Aufenthalt des Beschwerdeführers im Inland. Ausgehend von der rechtlichen Beurteilung, wonach die Voraussetzung des § 6 Abs. 2 erster Satz AufG somit nicht erfüllt sei, gelangte die belangte Behörde zur Abweisung des vorliegenden Antrages.
Damit wäre die belangte Behörde aber nur im Recht, wenn der Beschwerdeführer nicht ausnahmsweise zur Antragstellung vom Inland aus befugt gewesen wäre. Die belangte Behörde führte in ihrer Begründung diesbezüglich aus, daß zwar bestimmte Personengruppen durch "Gesetz bzw. Verordnung und Judikatur" ausnahmsweise zur Antragstellung im Inland berechtigt seien, dies aber im Fall des Beschwerdeführers nicht zutreffe. Die belangte Behörde unterließ es jedoch, zu den Voraussetzungen dieser Ausnahmeregelungen entscheidungswesentliche Feststellungen zu treffen und diese Feststellungen einer rechtlichen Würdigung zu unterziehen.
Der Beschwerdeführer meint in diesem Zusammenhang, die Behörde habe das Zutreffen der in der gemäß § 2 Abs. 3 Z. 4 AufG ergangenen Verordnung (gemeint offenbar: Verordnung der Bundesregierung BGBl. Nr. 408/1995) vorgesehenen Möglichkeiten zur Inlandsantragstellung für Familienangehörige legal beschäftigter Personen "wie seinen Vater" nicht geprüft. Er sei daher zur Antragstellung vom Inland aus berechtigt. Im Gegensatz zu dieser in der Beschwerde vertretenen Ansicht liegen im Fall des Beschwerdeführers die Voraussetzungen des § 3 Z. 3 der Verordnung BGBl. Nr. 408/1995 nicht vor, da nach der Aktenlage und dem Beschwerdevorbringen weder dem Beschwerdeführer (als Familienangehörigen) noch dem über eine Arbeitserlaubnis verfügenden Vater des Beschwerdeführers jemals eine Aufenthaltsbewilligung erteilt wurde (vgl. dazu die hg. Erkenntnisse vom 22. Februar 1996, Zl. 95/19/1703, und vom 24. März 1997, Zl. 95/19/0902). Selbst wenn die belangte Behörde Feststellungen in die aufgezeigte Richtung getroffen hätte, wäre sie somit nicht zu einem anderen Verfahrensergebnis gelangt.
Eine weitere Ausnahme von der Verpflichtung, den Antrag vom Ausland aus zu stellen, besteht nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes für Personen, die im Zeitpunkt der Antragstellung über einen aufrechten Sichtvermerk verfügen. § 6 Abs. 2 erster Satz AufG ist aufgrund einer teleologischen Reduktion bei einer Antragstellung während der Dauer eines gewöhnlichen Sichtvermerkes nicht anwendbar (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. September 1996, Zl. 95/19/0525).
Die belangte Behörde verabsäumte es, Feststellungen dahin zu treffen, ob der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Antragstellung über einen gewöhnlichen Sichtvermerk verfügte. Diesfalls hätte sie auf Basis der dem Antrag beiliegenden, vom Beschwerdeführer selbst vorgelegten Unterlagen feststellen können, daß im Reisepaß des Beschwerdeführers ein Wiedereinreisesichtvermerk mit Gültigkeit vom 1. August 1994 bis 9. Mai 1995 eingetragen und die Antragstellung vom 11. November 1994 während der Gültigkeit dieses Sichtvermerkes erfolgt ist. Der Beschwerdeführer wäre dann aber berechtigt gewesen, den Antrag ausnahmsweise auch vom Inland aus zu stellen.
Allerdings wäre daraus für den Beschwerdeführer nichts gewonnen. Nach dem u.a. aus den Gesetzesmaterialen erschließbaren Normzweck des § 6 Abs. 2 AufG wird für die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung auch vorausgesetzt, daß die Entscheidung über den Antrag vom Ausland aus abgewartet wird (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 22. Februar 1996, Zl. 95/19/1703, mwN).
Selbst wenn der Beschwerdeführer zur Antragstellung vom Inland aus berechtigt gewesen sein sollte, hätte er nach Ablauf seines Wiedereinreisesichtvermerkes das Bundesgebiet verlassen und den Ausgang des Verfahrens vom Ausland aus abwarten müssen. Nach der diesbezüglich unbedenklichen Aktenlage sowie dem eigenen Vorbringen des Beschwerdeführers in der Berufung und in der Beschwerde hat er Österreich am 9. Mai 1995 (Ablauf des Sichtvermerkes) nicht verlassen, sondern den Ausgang des Verfahrens im Inland abgewartet. Damit hat er der Vorschrift des § 6 Abs. 2 AufG aber nicht entsprochen.
Nach der stängigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist § 6 Abs. 2 erster Satz AufG nicht als bloße Formvorschrift zu werten (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Jänner 1996, Zl. 96/19/1010), sondern als Voraussetzung, deren Nichterfüllung die Abweisung eines Antrages nach sich zieht (vgl. das Erkenntnis vom 24. Jänner 1997, Zl. 95/19/0895). Die belangte Behörde konnte daher im Ergebnis zu Recht den vorliegenden Antrag wegen Mißachtung der Vorschrift des § 6 Abs. 2 AufG abweisen.
An diesem Ergebnis vermögen auch die auf Grund des Aufenthaltes des Vaters des Beschwerdeführers im Bundesgebiet bestehenden familiären und privaten Interessen des Beschwerdeführers nichts zu ändern. Der Gesetzgeber der Novelle zum AufG BGBl. Nr. 351/1995 hat mit den §§ 2 Abs. 3 Z. 4 und 6 Abs. 2 dritter Satz AufG sowie mit der darin enthaltenen - von der Bundesregierung auch genützten - Verordnungsermächtigung jedenfalls in Ansehung von Angehörigen in Österreich lebender Fremder bereits auf die durch Art. 8 Abs. 1 MRK geschützten familiären Interessen Bedacht genommen. Verfassungsrechtliche Bedenken, daß die durch die genannten Bestimmungen vorgenommene Umschreibung des begünstigten Personenkreises zu eng wäre und ihrerseits Art. 8 MRK nicht entspreche, sind beim Verwaltungsgerichtshof im vorliegenden Fall nicht entstanden. Der Fall des Beschwerdeführers ist auch nicht vergleichbar mit den Fällen, in denen nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes auf Grund einer verfassungskonformen Interpretation des § 6 Abs. 2 AufG eine analoge Anwendung der Bestimmungen über die Verlängerung von Aufenthaltsbewilligungen geboten wäre (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 16. Juni 1995, Slg. Nr. 14.148).
Zu den Beschwerdeausführungen, wonach der Beschwerdeführer sichtvermerksfrei auf Grundlage des Sichtvermerksabkommens zwischen der Republik Österreich und der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien ins Bundesgebiet eingereist und den zulässigen dreimonatigen Aufenthalt im Inland verlängern lassen wollte, ist schließlich zu bemerken, daß sich diese Angaben in Widerspruch zur Aktenlage befinden. Der Beschwerdeführer reiste nach der Aktenlage mit einem Wiedereinreisesichtvermerk, und somit nicht sichtvermerksfrei, in das Bundesgebiet ein. Auf die an ein Vorliegen einer sichtvermerksfreien Einreise anknüpfenden Beschwerdeausführungen war somit nicht näher einzugehen.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung wurde aus dem Grund des § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 88/1997 Abstand genommen, zumal die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens erkennen ließen, daß die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten läßt, und Art. 6 MRK dem nicht entgegensteht.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf
die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung
Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1996190684.X00Im RIS seit
11.07.2001