Entscheidungsdatum
11.02.2020Norm
AusLBVO §1Spruch
W224 2226266-1/2Z
A N T R A G
gemäß
Art. 139 Abs. 1 Z 1 und Art. 140 Abs. 1 Z 1 lit. a iVm Art. 135 Abs. 4 iVm Art. 89 Abs. 2 B-VG
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Martina WEINHANDL als Einzelrichterin gemäß Art. 139 Abs. 1 Z 1 und Art. 140 Abs. 1 Z 1 lit. a iVm Art. 135 Abs. 4 iVm Art. 89 Abs. 2 B-VG beschlossen, in der Beschwerdesache des XXXX , gegen den Bescheid der Bildungsdirektion für Wien vom 17.10.2019, Zl. 600.922351/0029-RPS/2019, zu stellen nachfolgend den
ANTRAG
auf Aufhebung von § 5 Abs. 1 lit. d und Abs. 1 zweiter und dritter Satz des Bundesgesetzes über das Privatschulwesen (Privatschulgesetz), BGBl. Nr. 244/1962, in der Fassung BGBl. I Nr. 35/2019, wegen Verfassungswidrigkeit,
auf Aufhebung von § 1 Z 2 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit und Soziales über Ausnahmen vom Geltungsbereich des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (Ausländerbeschäftigungsverordnung – AuslBVO), BGBl. Nr. 609/1990, in der Fassung BGBl. II Nr. 263/2019, wegen Gesetzwidrigkeit.
Text
I. Sachverhalt:
1.1. Der beschwerdeführende Verein zeigte am 20.09.2019 die beabsichtigte Einstellung einer näher bezeichneten Person als Privatlehrerin an der „ XXXX “ an. Die „ XXXX “ (im Folgenden: Privatschule) ist eine Privatschule mit eigenem Organisationsstatut, an welcher die allgemeine Schulpflicht erfüllt werden kann und welche mit Öffentlichkeitsrecht ausgestattet ist. Denn der zuständige Bundesminister genehmigte das Organisationsstatut der Privatschule (es ist sohin als zur Erfüllung der Schulpflicht geeignet anerkannt) und verlieh der Privatschule das Öffentlichkeitsrecht (Bescheid der Bundesministerin für Wissenschaft, Bildung und Kultur vom 01.06.2006, BMBWK-24.252/0001-III/3/2005).
1.2. Mit Schreiben vom 20.09.2019 hielt die Bildungsdirektion für Wien (im Folgenden: belangte Behörde) dem beschwerdeführenden Verein im Rahmen des Parteiengehörs vor, der Anzeige sei kein Sprachennachweis auf dem Niveau C1 gemäß dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen in der deutschen Sprache angeschlossen gewesen. Zu diesem Vorhalt erstattete der beschwerdeführende Verein eine Stellungnahme.
1.3. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 17.10.2019, Zl. 600.922351/0029-RPS/2019, wurde die Verwendung der näher bezeichneten Person als Privatlehrerin an der Privatschule untersagt. Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, die angezeigte Privatlehrerin verfüge offenbar über keinen Sprachennachweis auf dem Niveau C1 GER in der deutschen Sprache und die Privatschule sei auch nicht in § 1 Z 2 AuslBVO genannt. Aus diesem Grund sei die Verwendung zu untersagen.
1.4. In der gegen diesen Bescheid fristgerecht erhobenen Beschwerde führte der beschwerdeführende Verein – für den gegenständlichen Antrag relevant –, auch verfassungsrechtliche Normbedenken ins Treffen.
1.5. Dem Bundesverwaltungsgericht wurde mit Schreiben der belangten Behörde vom 04.12.2019, eingelangt am 06.12.2019, die Beschwerde samt Verwaltungsakt vorgelegt.
II. Rechtliche Beurteilung:
2. Präjudizialität und Anfechtungsumfang:
2.1. Präjudizialität:
Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf ein Antrag im Sinne des Art. 139 B-VG und des Art. 140 B-VG nur dann wegen mangelnder Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die – angefochtene – Verordnungsbestimmung bzw. Gesetzesbestimmung eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichts im Anlassfall bildet (vgl. etwa VfSlg. 14.464/1996, 15.293/1998, 16.632/2002, 16.925/2003). Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes umfasst der Prüfungsmaßstab der „Gesetzwidrigkeit“ nach Art. 139 Abs. 1 B-VG auch die Verfassungsmäßigkeit einer Verordnung (siehe VfSlg. 16.242/2001; VfGH 10.12.2012, V 22/12 ua.).
Das Bundesverwaltungsgericht ist zur Entscheidung über die verfahrensgegenständliche Be-schwerde gegen einen Bescheid der Bildungsdirektion für Wien zuständig; da keine Senatszuständigkeit vorgesehen ist, obliegt das Verfahren der Einzelrichterin.
Die angefochtene Bestimmung des § 5 Abs. 1 lit. d und Abs. 1 zweiter und dritter Satz Privatschulgesetz wurde im Verfahren vor der Behörde als Grundlage für den erlassenen Bescheid herangezogen und das Bundesverwaltungsgericht hat die Rechtmäßigkeit des in Rede stehenden verwaltungsbehördlichen Handelns zu überprüfen. Die Sätze 2 und 3 des § 5 Abs. 1 Privatschulgesetz stehen aus der Sicht des Bundesverwaltungsgericht in einem untrennbaren Zusammenhang mit § 5 Abs. 1 lit. d leg. cit., weil sie ausschließlich an die dort geregelten Tatbestände anknüpfen und keinen von diesen Tatbeständen losgelösten Regelungsinhalt aufweisen. Aus diesem Grund hat auch das Bundesverwaltungsgericht die angefochtene Bestimmung des § 5 Abs. 1 lit. d sowie Abs. 1 zweiter und dritter Satz Privatschulgesetz anzuwenden und die angefochtenen Bestimmungen sind daher insgesamt präjudiziell im Sinne des Art. 89 Abs. 2 iVm Art. 135 Abs. 4 iVm Art. 140 Abs. 1 Z 1 lit. a B-VG.
Die angefochtene Bestimmung des § 1 Z 2 AuslBVO wurde im Verfahren vor der Behörde als Grundlage für den erlassenen Bescheid herangezogen und das Bundesverwaltungsgericht hat die Rechtmäßigkeit des in Rede stehenden verwaltungsbehördlichen Handelns zu überprüfen. Die belangte Behörde wandte § 1 Z 2 AuslBVO an, indem sie prüfte, ob die Lehrpersonen an der Privatschule unter § 1 Z 2 AuslBVO fallen und dies verneinte (vgl. Seite 3 des angefochtenen Bescheides). Im Übrigen ist das Bundesverwaltungsgericht der Ansicht, dass § 1 Z 2 AuslBVO in einem untrennbaren Zusammenhang steht, weil diese Bestimmung insgesamt keinen von einander losgelösten bzw. loslösbaren Regelungsinhalt aufweist. Eine teilweise Aufhebung von § 1 Z 2 AuslBVO würde aus der Sicht des Bundesverwaltungsgerichts auch dazu führen, dass der verbleibende Teil der Bestimmung einen völlig veränderten Inhalt bekäme. Aus diesem Grund hat auch das Bundesverwaltungsgericht die angefochtene Bestimmung des § 1 Z 2 AuslBVO anzuwenden und die angefochtene Bestimmung des § 1 Z 2 AuslBVO ist daher präjudiziell im Sinne des Art. 89 Abs. 2 iVm Art. 135 Abs. 4 iVm Art. 139 Abs. 1 Z 1 B-VG.
2.2. Anfechtungsumfang:
2.2.1. § 5 des Bundesgesetzes über das Privatschulwesen (Privatschulgesetz), BGBl. Nr. 244/1962, in der Fassung BGBl. I Nr. 35/2019, lautet (die als verfassungswidrig angefochtenen Teile der Bestimmung sind hervorgehoben):
„§ 5. Leiter und Lehrer.
(1) Für die pädagogische und schuladministrative Leitung der Privatschule ist ein Leiter zu bestellen,
a) der die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt,
b) der die Eignung zum Lehrer in sittlicher und gesundheitlicher Hinsicht aufweist,
c) der die Lehrbefähigung für die betreffende oder eine verwandte Schulart oder eine sonstige geeignete Befähigung nachweist,
d) der in der deutschen Sprache Sprachkenntnisse nach zumindest dem Referenzniveau C 1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen entsprechend der Empfehlung des Ministerkomitees des Europarates an die Mitgliedsstaaten Nr. R (98) 6 vom 17. März 1998 zum Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen – GER nachweisen kann und
e) in dessen Person keine Umstände vorliegen, die nachteilige Auswirkungen auf das österreichische Schulwesen erwarten lassen.
Das Erfordernis gemäß lit. d wird auch durch einen Nachweis von zumindest gleichwertigen Sprachkenntnissen erfüllt. Lit. d gilt nicht für Personen gemäß § 1 Z 2 der Ausländerbeschäftigungsverordnung, BGBl. II Nr. 609/1990 in der Fassung der Verordnung BGBl. II Nr. 257/2017 sowie für Schulen, die keine gesetzlich geregelte Schulartbezeichnung führen oder durch deren Besuch gemäß § 12 des Schulpflichtgesetzes 1985, BGBl. Nr. 76/1985, die allgemeine Schulpflicht nicht erfüllt werden kann oder die nach dem vom zuständigen Bundesminister erlassenen oder genehmigten Organisationsstatut nicht auf die Erlangung eines Zeugnisses über den erfolgreichen Besuch einer Schulstufe oder einer Schulart (Form bzw. Fachrichtung einer Schulart) oder nicht auf den Erwerb der mit der erfolgreichen Ablegung einer Reifeprüfung, Reife- und Diplomprüfung, Diplomprüfung oder Abschlussprüfung verbundenen Berechtigungen abzielen.
(2) Schulerhalter, welche die im Abs. 1 lit. a bis c genannten Bedingungen erfüllen, können die Leitung der Privatschule auch selbst ausüben.
(3) Der Leiter ist für die unmittelbare Leitung und Überwachung des Unterrichtes an der Privatschule verantwortlich. Er ist an die in Ausübung der Aufsicht (§ 22) erteilten Weisungen der zuständigen Schulbehörden gebunden.
(4) Die an der Schule verwendeten Lehrer haben ebenfalls die in Abs. 1 genannten Bedingungen zu erfüllen.
(5) Die zuständige Schulbehörde kann von dem Erfordernis der österreichischen Staatsbürgerschaft (Abs. 1 lit. a und Abs. 4) Nachsicht erteilen, wenn die Verwendung im Interesse der Schule gelegen ist und öffentliche Interessen der Nachsichterteilung nicht entgegenstehen.
(6) Die Bestellung des Leiters und der Lehrer sowie jede nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes maßgebende Veränderung in deren Person ist vom Schulerhalter der zuständigen Schulbehörde unverzüglich anzuzeigen, welche die Verwendung des Leiters oder Lehrers innerhalb eines Monats ab dem Einlangen der Anzeige zu untersagen hat, wenn die Bedingungen der vorstehenden Absätze nicht erfüllt sind. Darüber hinaus hat die zuständige Schulbehörde die Verwendung eines Leiters oder Lehrers zu untersagen, wenn die in den vorstehenden Absätzen genannten Bedingungen später wegfallen, sowie hinsichtlich des Leiters auch dann, wenn er die ihm nach Abs. 3 obliegenden Aufgaben nicht ausreichend erfüllt.
(7) Die Bestimmungen des Abs. 6 gelten sinngemäß auch für den Schulerhalter in seiner Eigenschaft als Leiter der Schule (Abs. 2).“
2.2.2. Die maßgeblichen Bestimmungen der Verordnung des Bundesministers für Arbeit und Soziales über Ausnahmen vom Geltungsbereich des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (Ausländerbeschäftigungsverordnung – AuslBVO), BGBl. Nr. 609/1990, in der Fassung BGBl. II Nr. 263/2019, lauten (die als gesetzwidrig angefochtene Bestimmung ist hervorgehoben):
„§ 1. Vom Geltungsbereich des Ausländerbeschäftigungsgesetzes sind ausgenommen:
1. das ausländische Personal des auf Grund eines Übereinkommens zwischen den Vereinten Nationen und der Österreichischen Bundesregierung errichteten Europäischen Zentrums für Ausbildung und Forschung auf dem Gebiet der sozialen Wohlfahrt (BGBl. Nr. 31/1982) hinsichtlich seiner wissenschaftlichen, pädagogischen, kulturellen und sozialen Tätigkeiten im Rahmen dieses Zentrums;
2. das ausländische Lehrpersonal hinsichtlich seiner pädagogischen Tätigkeiten einschließlich der Betreuung der Vorschulstufen ab dem dritten Lebensjahr an der Internationalen Schule in Wien, an der Amerikanischen Internationalen Schule in Wien, an der Danube International School, an der Graz International and Bilingual School, an der Linz International School Auhof, an der Anton-Bruckner-International-School, an der American International School Salzburg, an der Vienna Elementary School, an der Vienna European School, an der Amadeus International School Vienna, an der Japanischen Internationalen Schule in Wien und an der International School Carinthia;
3. […]“
2.2.3. Nach der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes zu den Verfahrensvoraussetzungen ist der Umfang der zu prüfenden und im Falle ihrer Rechtswidrigkeit aufzuhebenden Rechtsvorschrift derart abzugrenzen, dass einerseits nicht mehr aus dem Rechtsbestand ausgeschieden wird, als Voraussetzung für den Anlassfall bildet, dass aber andererseits der verbleibende Teil nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt (vgl. zB VfSlg. 8155/1977, 13.965/1994, 16.542/2002, 16.911/2003). Der Verfassungsgerichtshof hat in jedem Einzelfall abzuwägen, ob und welchem dieser Ziele der Vorrang gebührt (vgl. dazu zB VfSlg. 7376/1974, 7786/1976, 13.701/1994). Es ist dem Verfassungsgerichtshof verwehrt, der Rechtsvorschrift durch Aufhebung bloßer Teile einen völlig veränderten, dem Normsetzer überhaupt nicht mehr zusinnbaren Inhalt zu geben, weil dies im Ergebnis geradezu ein Akt positiver Normsetzung wäre (vgl. VfSlg. 12.465/1990, S 128; 13.915/1994, 15.090/1998).
Letztlich ist der Umfang einer auf ihre Verfassungsmäßigkeit hin zu prüfenden und allenfalls aufzuhebenden Gesetzesbestimmung derart abzugrenzen, dass die mit der aufzuhebenden Gesetzesstelle in untrennbarem Zusammenhang stehenden Bestimmungen auch erfasst werden (VfSlg. 13.965/1994 mwN, 16.542/2002, 16.911/2003). Ein untrennbarer Zusammenhang ist anzunehmen, wenn sich die Frage der Verfassungsmäßigkeit der vom Verfassungsgerichtshof anzuwendenden Bestimmungen nicht ohne Mitberücksichtigung weiterer Bestimmungen beantworten lässt, insbesondere deshalb, weil sich ihr (gegebenenfalls verfassungsrechtlich bedenklicher) Inhalt erst mit Blick auf diese weiteren Bestimmungen erschließt. Ein solcher Zusammenhang kann sich aber auch daraus ergeben, dass diese weiteren Bestimmungen durch die Aufhebung der verfassungsrechtlich bedenklichen Normen einen völlig veränderten Inhalt erhielten (vgl. VfSlg. 8155/1977, 8461/1978 uva.). Die Grenzen der Aufhebung sind nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes so zu ziehen, dass der verbleibende Teil einer Rechtsvorschrift nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt (VfSlg. 13.965 mwN, 16.542/2002, 16.911/2003).
Die jüngere Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes besagt, dass eine zu weite Fassung eines Antrags diesen nicht in jedem Fall unzulässig macht. Soweit alle vom Antrag erfassten Bestimmungen präjudiziell sind oder der Antrag mit solchen untrennbar zusammenhängende Bestimmungen erfasst, führt dies – ist der Antrag in der Sache begründet – im Fall der Aufhebung nur eines Teils der angefochtenen Bestimmungen im Übrigen zu seiner teilweisen Abweisung (vgl. VfGH 8.10.2014, G 83/2014 ua.; 9.12.2014, G 136/2014 ua.; 10.3.2015, G 203/2014 ua.). Umfasst der Antrag auch Bestimmungen, die im Verfahren vor dem antragstellenden Gericht nicht präjudiziell sind, führt dies – wenn die angefochtenen Bestimmungen insoweit trennbar sind – im Hinblick auf diese Bestimmungen zur partiellen Zurückweisung des Antrags und nicht mehr zur Zurückweisung des gesamten Antrags (VfGH 9.12.2014, G 136/2014 ua.; 10.3.2015, G 203/2014 ua.).
III. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen § 5 Abs. 1 lit. d und Abs. 1 zweiter und dritter Satz Privatschulgesetz:
Verstoß gegen Art. 7 Abs. 1 B-VG und Art. 2 StGG
3.1. Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 10.413/1985, 14.842/1997, 15.326/1998 und 16.488/2002) nur vorliegen, wenn der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei Erlassung des Bescheides Willkür geübt hat.
Der Gleichheitssatz bindet auch die Gesetzgebung (vgl VfSlg 13.327/1993, 16.407/2001). Er setzt ihr insofern inhaltliche Schranken, als er verbietet, unsachliche, durch tatsächliche Unterschiede nicht begründbare Differenzierungen und eine unsachliche Gleichbehandlung von Ungleichem (vgl VfSlg 17.315/2004, 17.500/2005) sowie sachlich nicht begründbare Regelungen zu schaffen (vgl VfSlg 14.039/1995, 16.407/2001). Innerhalb dieser Schranken ist es der Gesetzgebung jedoch von Verfassungs wegen nicht verwehrt, ihre (sozial-)politischen Zielvorstellungen auf die ihr geeignet erscheinende Art zu verfolgen (vgl VfSlg 13.576/1993, 13.743/1994, 15.737/2000, 16.167/2001, 16.504/2002). Sie kann im Rahmen ihres rechtspolitischen Gestaltungsspielraumes einfache und leicht handhabbare Regelungen treffen und darf bei der Normsetzung generalisierend von einer Durchschnittsbetrachtung ausgehen und auf den Regelfall abstellen (vgl VfSlg 13.497/1993, 15.850/2000, 16.048/2000, 17.315/2004 und 17.816/2006, 19.722/2012, jeweils mwN) sowie auch Härtefälle in Kauf nehmen (vgl VfSlg 16.771/2002 mwN).
3.2. Das Bundesverwaltungsgericht vermag unter dem Blickwinkel des Art. 7 Abs. 1 B-VG bzw. des Art. 2 StGG keine sachliche Rechtfertigung dafür finden, dass die an einer Privatschule verwendeten Lehrer in jedem Fall Sprachkenntnisse in der deutschen Sprache nach zumindest dem Referenzniveau C 1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens nachweisen müssen, und zwar auch, wenn die Unterrichtssprache der Privatschule nicht die deutsche Sprache ist. Denn die angefochtene Bestimmung des § 5 Abs. 1 lit. d Privatschulgesetz wurde mit BGBl. I Nr. 138/2017 in das Privatschulgesetz eingefügt. Diese Novelle zum Privatschulgesetz geht auf den Initiativantrag 2254/A 25. GP zurück (vgl. Seite 61 des Initiativantrags). Die Gesetzesmaterialien zu dieser Bestimmung des Initiativantrags besagen nämlich (AB 1707 BlgNR 25. GP, 59): „Im Sinne der Gewährleistung eines qualitätsvollen Unterrichts sollen die in § 5 genannten Anforderungen eine Erweiterung um den Nachweis der vorhandenen Sprachkompetenz auf Kompetenzniveau C1 im Sinne des Gemeinsamen Referenzrahmens für Sprachen erfahren. Damit verfügen alle Lehrkräfte über die gesicherte Sprachkompetenz auf Niveau C 1 in der Unterrichtssprache.“ Der Gesetzgeber, welcher die angefochtene Bestimmung des § 5 Abs. 1 lit. d Privatschulgesetz mit BGBl. I 138/2017 in den Rechtsbestand eingefügt hat, hatte offenbar die Intention vor Augen, das Referenzniveau C 1 in der Unterrichtssprache zu verankern. Es ist daher aus der Sicht des Bundesverwaltungsgerichts unsachlich, dass § 5 Abs. 1 lit. d Privatschulgesetz Sprachkenntnisse in der deutschen Sprache nach zumindest dem Referenzniveau C 1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens verlangt, auch wenn die Unterrichtssprache an einer Schule – wie auch im vorliegenden Fall der verfahrensgegenständlichen Privatschule – nicht die deutsche, sondern die englische Sprache ist. Im Übrigen ist für das Bundesverwaltungsgericht keine Bestimmung ersichtlich, wonach öffentliche Schulen ausschließlich Lehrer mit Sprachkenntnissen in der deutschen Sprache nach zumindest dem Referenzniveau C 1 einstellen dürften (vgl. dazu beispielsweise § 43b Abs. 4 VBG über den Nachweis von Kenntnissen in der Minderheitensprache nach zumindest dem Referenzniveau B 1). Insofern ist auch aus der Gegenüberstellung von öffentlichen Schulen und Privatschulen in diesem Punkt der Anforderung an die Qualifikation der Lehrkräfte kein sachlicher Grund erkennbar, der eine derartige Differenzierung rechtfertigen könnte. Denn letztlich gibt es doch auch öffentliche Schulen, die die englische Sprache als Unterrichtssprache verwenden (vgl. „Vienna Bilingual Schooling“ – VBS).
Nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts werden diese Bedenken auch nicht durch die Novellen BGBl. I Nr. 43/2018 und BGBl. I Nr. 35/2019 zum Privatschulgesetz zerstreut, auch wenn mit diesen Novellen der angefochtene zweite und dritte Satz des § 5 Abs. 1 leg. cit. angefügt wurde. Diese angefügten Sätze besagen zum einen, dass das Erfordernis der Sprachkenntnisse in der deutschen Sprache nach zumindest dem Referenzniveau C 1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens auch durch einen Nachweis von zumindest gleichwertigen Sprachkenntnissen erfüllt werden könne (§ 5 Abs. 1 zweiter Satz Privatschulgesetz). Darunter fallen – so die Gesetzesmaterialien (Initiativantrag 260/A 26. GP, 2) – insbesondere österreichische Reifeprüfungszeugnisse mit Unterrichtssprache Deutsch bzw. gleichwertige ausländische Zeugnisse oder Abschlusszeugnisse mindestens dreijähriger Studien mit Unterrichtssprache Deutsch an postsekundären Bildungseinrichtungen. Zum anderen wird in § 5 Abs. 1 dritter Satz Privatschulgesetz festgeschrieben, dass das Erfordernis des Nachweises der Sprachkenntnisse in der deutschen Sprache nach zumindest dem Referenzniveau C 1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens nicht für Personen gemäß § 1 Z 2 AuslBVO gelte sowie für Schulen, die keine gesetzlich geregelte Schulartbezeichnung führen oder durch deren Besuch die allgemeine Schulpflicht nicht erfüllt werden kann oder die nach dem vom zuständigen Bundesminister erlassenen oder genehmigten Organisationsstatut nicht auf die Erlangung eines Zeugnisses über den erfolgreichen Besuch einer Schulstufe oder einer Schulart (Form bzw. Fachrichtung einer Schulart) oder nicht auf den Erwerb der mit der erfolgreichen Ablegung einer Reifeprüfung, Reife- und Diplomprüfung, Diplomprüfung oder Abschlussprüfung verbundenen Berechtigungen abzielen. In den Erläuterungen dazu heißt es (AB 541 BlgNR 26. GP, 3): „Zur Gewährleistung eines qualitätsvollen Unterrichts haben die in § 5 genannten Anforderungen durch das Bildungsreformgesetz 2017, BGBl. I Nr. 138/2017, eine Erweiterung um den Nachweis der vorhandenen Sprachkompetenz auf Kompetenzniveau C1 im Sinne des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens (GER) für Sprachen erfahren (§ 5 Abs. 1 lit. d). Um die Ausrichtung der Bestimmung deutlich zu unterstreichen soll im Sinne dieses Zieles der dazu geschaffenen Ausnahmeregelung für Lehrpersonal an Internationalen Schulen nach § 1 Z 2 der Ausländerbeschäftigungsverordnung, BGBl. II Nr. 609/1990 in der Fassung der Verordnung BGBl. II Nr. 257/2017, eine weitere Ausnahme angefügt werden. Im Sinne des genannten Zieles sowie eines einfachen und effizienten Vollzuges soll das Spracherfordernisses auf Schulen beschränkt werden, die eine gesetzlich geregelte Schulartbezeichnung führen oder durch deren Besuch die allgemeine Schulpflicht erfüllt werden kann oder die ihrem Organisationsstatut zufolge auf die Erlangung eines Zeugnisses über den erfolgreichen Besuch einer Schulstufe oder einer Schulart oder auf den Erwerb der mit der erfolgreichen Ablegung einer Reifeprüfung, Reife- und Diplomprüfung, Diplomprüfung oder Abschlussprüfung verbundenen Berechtigungen abzielen.“
Durch das Anfügen von § 5 Abs. 1 zweiter und dritter Satz Privatschulgesetz wurde jedoch insgesamt das Erfordernis des Nachweises von Sprachkenntnisse in der deutschen Sprache nach zumindest dem Referenzniveau C 1 nicht beseitigt, sondern nach wie vor wurde die Unsachlichkeit beibehalten, dass Schulleiter und Lehrer an Privatschulen – im Unterschied zu Schulleitern und Lehrern an öffentlichen Schulen – ein derartigtes Sprachniveau in der deutschen Sprache – unabhängig von der tatsächlichen Unterrichtssprache – nachweisen müssen. Denn in Bezug auf Schulerhalter von – mit Öffentlichkeitsrecht ausgestatteten – internationalen Schulen, die entsprechend dem Organisationsstatut internationale Lehrkräfte verwenden möchten und an denen – wie im vorliegenden Anlassfall der verfahrensgegenständlichen Privatschule des beschwerdeführenden Vereins – etwa Englisch die Unterrichtssprache ist, ist es aus der Sicht des Bundesverwaltungsgerichts unsachlich, dass beispielsweise österreichische Reifeprüfungszeugnisse mit Unterrichtssprache Deutsch oder Abschlusszeugnisse mindestens dreijähriger Studien mit Unterrichtssprache Deutsch als „gleichwertiger Sprachnachweis“ vorgelegt werden müssen.
Nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts ist keine sachliche Rechtfertigung dafür ersichtlich, dass § 5 Abs. 1 lit. d Privatschulgesetz in seinem Anwendungsbereich auf Sprachkenntnisse in der deutschen Sprache nach zumindest dem Referenzniveau C 1 abstellt.
IV. Verfassungsrechtliche Bedenken in Bezug auf § 1 Z 2 AuslBVO:
Verstoß gegen Art. 7 Abs. 1 B-VG und Art. 2 StGG
4.1. Der (damalige) Bundesminister für Arbeit und Soziales als zuständiges Organ hat die Ausländerbeschäftigungsverordnung, BGBl. Nr. 609/1990, in der Fassung BGBl. II Nr. 263/2019, erlassen.
Die belangte Behörde bemängelte, dass der beschwerdeführende Verein keinen Nachweis von Sprachkenntnissen in der deutschen Sprache nach zumindest dem Referenzniveau C 1 in Bezug auf die angezeigte Privatlehrerin erbrachte. Weil § 1 Z 2 AuslBVO taxativ auflistet, welches ausländische Lehrpersonal konkret vom Geltungsbereich des Ausländerbeschäftigungsgesetzes ausgenommen ist und weil § 5 Abs. 1 dritter Satz Privatschulgesetz auf diese taxative Auflistung verweist und diese Ausnahme vom Nachweis von Sprachkenntnissen in der deutschen Sprache nach zumindest dem Referenzniveau C 1 sohin übernimmt, war es der belangten Behörde verwehrt, die vom beschwerdeführenden Verein betriebene Privatschule – obwohl sie eine internationale Schule und den in § 1 Z 2 AuslBVO taxativ genannten Schulen vergleichbar ist (vgl. dazu die Lehrpläne aus dem Organisationsstatut) – insofern zu priviligieren, als für die zur Verwendung angezeigte Lehrerin auch eine Freistellung vom Sprachnachweis in der deutschen Sprache auf dem Referenzniveau C 1 möglich gewesen wäre.
Nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts ist § 1 Z 2 AuslBVO so zu verstehen, dass nur solches ausländisches Lehrpersonal vom Sprachnachweis in der deutschen Sprache nach zumindest dem Referenzniveau C 1 ausgenommen sein soll, das an jenen Schulen unterrichtet, die in § 1 Z 2 AuslBVO abschließend genannt sind. Eine andere, unter Umständen nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts verfassungskonforme Auslegung, wonach eine individuelle Prüfung des Schultyps der jeweiligen (internationalen) Schule, an der der angezeigte Lehrer unterrichten soll, anzustellen wäre, welche in weiterer Folge zu einer Erstreckung des Anwendungsbereichs des § 1 Z 2 AuslBVO führen könnte, scheint aus der Sicht des Bundesverwaltungsgerichts auf Grund der taxativen Aufzählung in § 1 Z 2 AuslBVO nicht zulässig. Aus der Sicht des Bundesverwaltungsgerichts bedeutet dies, dass in einem individuellen Überprüfungsverfahren nicht geklärt werden könnte, ob auch die verfahrensgegenständliche internationale Privatschule des beschwerdeführenden Vereins insofern privilegiert werden könnte, dass für ausländisches Lehrpersonal von der Erbringung eines Nachweis von Sprachkenntnissen in der deutschen Sprache nach zumindest dem Referenzniveau C 1 abgesehen werden könnte.
Nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts kann nur die (nunmehr) zuständige Bundesministerin die entsprechenden Schulen in die Ausländerbeschäftigungsverordnung aufnehmen und erst danach wäre eine Ausnahme vom Erfordernis des Nachweises von Sprachkenntnissen auf Niveau C 1 dem Vollzug zugänglich. Die Aufgaben bzw. Bildungsziele der verfahrensgegenständlichen Privatschule sind jenen in § 1 Z 2 AuslBVO aufgelisteten Schulen zumindest insofern vergleichbar, als eine Aufnahme in § 1 Z 2 AuslBVO nicht aus Gründen einer unterschiedlichen Ausbildungsintention der jeweiligen Institution ausscheiden würde (vgl. dazu das Organisationsstatut der Privatschule und die bescheidmäßige Verleihung des Öffentlichkeitsrechts).
Aus diesen Gründen hegt das Bundesverwaltungsgericht die vorgebrachten Bedenken ob der Gesetzmäßigkeit des angefochtenen § 1 Z 2 AuslBVO, BGBl. Nr. 609/1990, in der Fassung BGBl. II Nr. 263/2019.
V. Antrag
Aus den genannten Gründen stellt das Bundesverwaltungsgericht durch die nach der Geschäftsverteilung zuständige Richterin gemäß Art. 139 Abs. 1 Z 1, Art. 140 Abs. 1 Z 1 lit. a iVm Art. 135 Abs. 4 iVm Art. 89 Abs. 2 B-VG den
ANTRAG
auf Aufhebung von § 5 Abs. 1 lit. d und Abs. 1 zweiter und dritter Satz des Bundesgesetzes über das Privatschulwesen (Privatschulgesetz), BGBl. Nr. 244/1962, in der Fassung BGBl. I Nr. 35/2019, wegen Verfassungswidrigkeit,
auf Aufhebung von § 1 Z 2 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit und Soziales über Ausnahmen vom Geltungsbereich des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (Ausländerbeschäftigungsverordnung – AuslBVO), BGBl. Nr. 609/1990, in der Fassung BGBl. II Nr. 263/2019, wegen Gesetzwidrigkeit.
VI. Aussetzung des Verfahrens
Gemäß § 34 Abs. 2 Z 2 VwGVG wird das gegenständliche Verfahren ausgesetzt. Gegen diesen Beschluss ist gemäß Art. 133 Abs. 9 B-VG iVm § 25a Abs. 3 VwGG die Revision nicht zulässig.
Schlagworte
Ausländerbeschäftigung Gesetzesprüfung Gesetzprüfungsantrag Gesetzwidrigkeit Präjudizialität Privatschule verfassungswidrig Verordnungsprüfung VfGHEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W224.2226266.1.01Im RIS seit
20.08.2020Zuletzt aktualisiert am
20.08.2020