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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AufG 1992 §6 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Winkler, über die Beschwerde der D G, geboren 1962, vertreten durch Dr. Werner Zach, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Spiegelgasse 19, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 29. August 1995, Zl. 109.732/4-III/11/94, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund (Bundesministerium für Inneres) Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin stellte durch ihren Rechtsvertreter mit Schreiben vom 12. Oktober 1994 einen als "Erstantrag" bezeichneten Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung, der am 17. Oktober 1994 beim Magistrat der Stadt Wien einlangte. Als Ort der Antragsausfüllung gab die Beschwerdeführerin "Wien" an, als Aufenthaltszweck Familiengemeinschaft mit ihrem Ehegatten. Das Feld "derzeitiger Wohnsitz" auf dem Antragsformular wurde nicht ausgefüllt.
Mit Bescheid vom 7. November 1994 wies der Landeshauptmann von Wien den Antrag gemäß § 6 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) ab, weil der Antrag vom Rechtsanwalt der Beschwerdeführerin von Wien aus an den Magistrat der Stadt Wien gesandt worden sei, womit keine korrekte Antragstellung aus dem Ausland vorgenommen worden sei. In der dagegen erhobenen Berufung wies die Beschwerdeführerin darauf hin, daß eine Antragseinbringung durch einen Vertreter durchaus zulässig sei und rügte, daß ihr die Behörde erster Instanz kein Parteiengehör eingeräumt habe.
Der Bundesminister für Inneres wies die Berufung mit Bescheid vom 29. August 1995, zugestellt am 31. August 1995, gemäß § 6 Abs. 2 AufG ab. Begründend führte der Bundesminister für Inneres aus, die Beschwerdeführerin habe nach der Aktenlage das Formular für einen Antrag auf Erteilung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz im Inland unterzeichnet und durch einen Vertreter von Österreich aus bei der Magistratsabteilung 62 eingereicht, wo dieses am 17. Oktober 1994 eingelangt sei. Sie habe sich zum Zeitpunkt der Antragstellung im Bundesgebiet aufgehalten. Auf ihrem Antragsformular habe sie als Datum den 12. Oktober 1994 und als Ort "1160 Wien" bei ihrer Antragstellung angegeben und dies auch durch ihre Unterschrift beurkundet. Dadurch habe sie das gesetzliche Erfordernis einer Antragstellung vom Ausland aus nicht erfüllt. Zu den persönlichen Verhältnissen der Beschwerdeführerin sei zu sagen, daß auf Grund der Aktenlage keine Beziehung zur Republik Österreich bestünden, weshalb eine Abwägung im Sinne des Art. 8 MRK entbehrlich sei.
Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin zunächst Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 1 B-VG vor dem Verfassungsgerichtshof. Nachdem die Behandlung der Beschwerde von diesem mit Beschluß vom 28. November 1995, B 3109/95-3, abgelehnt und die Beschwerde antragsgemäß an den Verwaltungsgerichtshof abgetreten worden war, wurde sie von der Beschwerdeführerin ergänzt. Sie erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid (erkennbar) im Recht auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung verletzt und macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend. Sie habe am 20. August 1994 mit einem im Bundesgebiet rechtmäßig aufhältigen und berufstätigen Fremden die Ehe geschlossen, die weiterhin aufrecht sei. Überdies sei ihr einen Monat nach der Eheschließung über die österreichische Botschaft in Belgrad ein vom 26. August 1994 bis zum 26. September 1994 gültiger Touristensichtvermerk erteilt worden. Es sei notorisch, daß es nicht den geringsten Unterschied ausmache, ob der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung im Bundesgebiet oder außerhalb desselben eingebracht werde, weil die belangte Behörde in beiden Fällen die Familienzusammenführung verweigere. Es sei der Beschwerdeführerin auch nicht zumutbar, jeweils nach Ende der Wirksamkeit des Touristensichtvermerkes das Bundesgebiet neuerlich zu verlassen und "den bisherigen Verfahrensablauf neuerlich in Angriff zu nehmen". Es stelle letztlich einen groben Eingriff in die Rechte der Beschwerdeführerin nach Art. 8 MRK dar, wenn ihr die tatsächliche Beziehung zum Ehemann, der Mittelpunkt für ihre Lebensführung sei, aberkannt und verweigert werde. Überdies rügt die Beschwerdeführerin, daß der angefochtene Bescheid nicht erkennen lasse, auf Grund welcher konkreter Tatsachen die belangte Behörde ihre Feststellung getroffen habe, daß sich die Beschwerdeführerin bei der Antragseinbringung "eindeutig im Bundesgebiet" aufgehalten habe.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte, die Beschwerde kostenpflichtig als unbegründet abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Dreiersenat erwogen:
Im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides ist für die Überprüfung seiner Rechtmäßigkeit durch den Verwaltungsgerichtshof das AufG in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 351/1995 maßgeblich.
§ 6 Abs. 2 AufG in der Fassung dieser Novelle lautet:
"§ 6. ...
(2) Der Antrag auf Erteilung einer Bewilligung ist vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus zu stellen. Begründet eine Einbringung auf dem Postweg oder durch Vertreter die Vermutung, daß diese Regelung umgangen werden soll, kann die persönliche Einbringung verlangt werden. Eine Antragstellung im Inland ist ausnahmsweise zulässig: Im Fall des Verlustes der österreichischen Staatsbürgerschaft, des Asyls oder des Aufenthaltsrechts gemäß § 1 Abs. 3 Z. 1; weiters in den Fällen des § 7 Abs. 2, des § 12 Abs. 4 und einer durch zwischenstaatliche Vereinbarung oder durch eine Verordnung gemäß § 14 FrG ermöglichten Antragstellung nach Einreise; schließlich für jene im Bundesgebiet aufhältigen Personen, für die dies in einer Verordnung gemäß § 2 Abs. 3 Z. 4 festgelegt ist. Der Antrag auf Verlängerung einer Bewilligung und auf Änderung des Aufenthaltszwecks kann bis zum Ablauf der Geltungsdauer der Bewilligung auch vom Inland aus gestellt werden."
Da die Beschwerdeführerin noch nie über eine Aufenthaltsbewilligung verfügte, wertete die belangte Behörde ihren Antrag zu Recht als Erstantrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung, für den die Bestimmungen des § 6 Abs. 2 AufG maßgeblich waren.
Gemäß § 6 Abs. 2 erster Satz AufG ist der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus zu stellen. Mit "der Einreise nach Österreich" im Sinne dieser Bestimmung ist die Einreise des Antragstellers gemeint (vgl. ua das hg. Erkenntnis vom 14. Mai 1996, Zl. 95/19/1168, mwN).
Gemäß § 6 Abs. 2 dritter Satz AufG ist eine Antragstellung vom Inland aus ausnahmsweise für jenen Personenkreis zulässig, der in § 6 Abs. 2 dritter Satz AufG selbst oder in einer auf Grund dieser Bestimmung erlassenen Verordnung der Bundesregierung umschrieben ist. Im Falle der Beschwerdeführerin ergeben sich jedoch weder aus dem vorgelegten Verwaltungsakt noch aus dem Beschwerdevorbringen Hinweise darauf, daß die Beschwerdeführerin zu diesem Personenkreis zählt. Die belangte Behörde hatte den Antrag der Beschwerdeführerin daher an § 6 Abs. 2 erster Satz AufG zu messen.
Nach dem ua. aus den Gesetzesmaterialien erschließbaren Normzweck des § 6 Abs. 2 AufG wird für die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung nicht nur vorausgesetzt, daß der Antrag vor der Einreise in das Bundesgebiet gestellt wird, sondern auch, daß die Entscheidung über den Antrag vom Ausland aus abgewartet wird (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Februar 1996, Zl. 95/19/1703, mwN). Da § 6 Abs. 1 AufG nicht zu entnehmen ist, ein Fremder habe von sich aus glaubhaft zu machen, daß sein Antrag auf Erteilung einer Bewilligung vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus gestellt wurde, ist das Vorliegen dieser Erfolgsvoraussetzung (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Jänner 1997, Zl. 96/19/1010) gemäß § 39 Abs. 2 erster Satz AVG von der Behörde von Amts wegen zu prüfen, wenn sie - wie im vorliegenden Fall - nicht auf Grund ihrer Vermutung, § 6 Abs. 2 erster Satz AufG solle umgangen werden, nach dem zweiten Satz dieser Bestimmung vorgeht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. März 1997, Zl. 95/19/0792). Dabei trifft die Partei die Pflicht, an der Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes mitzuwirken. Zu ihren Annahmen hat die Behörde der Partei auch Parteiengehör einzuräumen. Hingegen braucht die Behörde die Partei zu solchen Sachverhaltselementen nicht zu hören, die diese im Verwaltungsverfahren selbst liefert (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 27. Jänner 1997, Zl. 96/19/0009).
Die Beschwerdeführerin unterließ es in ihrem Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung, Angaben zu ihrem derzeitigen Wohnsitz zu machen. Derartige Angaben sind auch in der Berufung gegen den Bescheid der Behörde erster Instanz nicht enthalten. Allerdings enthält das von der Beschwerdeführerin unterschriebene Antragsformular die Angabe "Wien" sowie "12.10.1994". Auf Grund dieser Angaben, die die Beschwerdeführerin selbst machte, hatte die belangte Behörde hinreichende Gründe für ihre Annahme, die Beschwerdeführerin habe sich zum Zeitpunkt der Antragstellung im Inland aufgehalten. Es wäre Sache der Beschwerdeführerin gewesen, in ihrer Beschwerde durch entsprechend konkretes Vorbringen aufzuzeigen, ob und gegebenenfalls wann sie das Bundesgebiet nach dem Ablauf des ihr nach dem Beschwerdevorbringen ausgestellten Touristensichtvermerkes wieder verlassen hatte und wo sie sich zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides aufgehalten hatte. Ohne ein derartiges Beschwerdevorbringen kann jedoch die Relevanz des von der Beschwerdeführerin behaupteten Verfahrensmangels nicht aufgezeigt werden. Der Verwaltungsgerichtshof legt seiner rechtlichen Beurteilung daher die Feststellung der belangten Behörde, der die Beschwerdeführerin nicht ausdrücklich entgegentritt, zugrunde.
Hielt sich die Beschwerdeführerin aber im Zeitpunkt der Antragstellung im Bundesgebiet auf, so hat sie ihren Antrag nicht entsprechend § 6 Abs. 2 erster Satz AufG eingebracht. Da das in § 6 Abs. 2 erster Satz AufG normierte Erfordernis, einen Bewilligungsantrag vom Ausland aus zu stellen und die Entscheidung darüber auch abzuwarten, nicht als bloße Formvorschrift, sondern als Erfolgsvoraussetzung zu werten ist, kann die Abweisung des Antrages auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung durch die belangte Behörde nicht als rechtswidrig erkannt werden.
An diesem Ergebnis vermögen auch die auf Grund des Aufenthaltes des Ehegatten der Beschwerdeführerin bestehenden familiären und privaten Beziehungen zu Österreich nichts zu ändern. Der Gesetzgeber der Novelle zum AufG, BGBl. Nr. 351/1995, hat mit den §§ 2 Abs. 3 Z. 4 und 6 Abs. 2 dritter Satz AufG sowie mit der darin enthaltenen - von der Bundesregierung auch genützten - Verordnungsermächtigung jedenfalls in Ansehung von Angehörigen in Österreich lebender Fremder bereits auf die durch Art. 8 Abs. 1 MRK geschützten familiären Interessen Bedacht genommen. Verfassungsrechtliche Bedenken, daß die durch die genannten Bestimmungen vorgenommene Umschreibung des begünstigten Personenkreises zu eng wäre und ihrerseits Art. 8 MRK nicht entspreche, sind beim Verwaltungsgerichtshof auch im vorliegenden Fall nicht entstanden. Der Fall der Beschwerdeführerin ist auch nicht vergleichbar mit jenen Fällen, in denen nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes auf Grund einer verfassungskonformen Interpretation des § 6 Abs. 2 AufG eine analoge Anwendung der Bestimmungen über die Verlängerung von Aufenthaltsbewilligungen geboten wäre (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 16. Juni 1995, Slg. Nr. 14.148).
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1996190489.X00Im RIS seit
02.05.2001