TE Bvwg Erkenntnis 2020/3/2 W170 2228801-1

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Veröffentlicht am 02.03.2020
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Entscheidungsdatum

02.03.2020

Norm

B-VG Art133 Abs4
GOG §16 Abs3
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W170 2228801-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Thomas MARTH über die Beschwerde von XXXX , gegen den Bescheid des Präsidenten des Landesgerichts Innsbruck vom 29.01.2020, Zl. 1 Jv 5526-1/17h, zu Recht:

A) In Erledigung der Beschwerde wird der Spruch des Bescheides gemäß §§ 28 Abs. 1 und 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 in der Fassung BGBl. I Nr. 57/2018, und § 16 Abs. 3 Gerichtsorganisationsgesetz, RGBl. Nr. 217/1896 in der Fassung BGBl. I Nr. 44/2019, wie folgt geändert:

"Der Antrag des XXXX , vom 16.01.2020 auf Aufhebung des gegen ihn nach dem Antrag bestehenden Hausverbots für das gesamte Gerichtsgebäude Maximilianstraße 4, Schmerlingstraße 1, 6020 Innsbruck, wird gemäß § 16 Abs. 3 Gerichtsorganisationsgesetz, RGBl. Nr. 217/1896 in der Fassung BGBl. I Nr. 44/2019, als unzulässig zurückgewiesen."

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 in der Fassung BGBl. I Nr. 57/2019, zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Das Bundesverwaltungsgericht hat über die rechtzeitige und zulässige Beschwerde erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der Präsident des Oberlandesgerichtes Innsbruck ordnete betreffend XXXX , geboren am XXXX , gegenüber dem Sicherheitsdienst und dem Info-Point des Gerichtsgebäudes in den Gebäuden Maximilianstraße 4 und Schmerlingstraße 1, 6020 Innsbruck, am 15.05.2007 unter der Zl. Jv 3406-40/07, an, dass dieser im Falle einer Vorsprache genau zu befragen sei, welchen Termin er bei Gericht wahrnehmen wolle. Gegebenenfalls sei mit der Gerichtsperson Rücksprache zu halten, mit der XXXX angebe, einen Termin oder eine Verabredung zu haben. Sollte dieser über keine Vorladung oder keine Terminvereinbarung verfügen, sei das Einverständnis der Gerichtsperson zu einer Vorsprache des XXXX einzuholen. XXXX sei bei gerechtfertigten Gerichtsbesuchen nur in Begleitung des Sicherheitsdienstes, wenn dieser nicht genügend Personal zu Verfügung habe, der Polizei, in das Gerichtsgebäude vorzulassen. Der Anordnung war ein Foto des XXXX beigefügt.

Diese Anordnung wurde zwar der zuständigen Polizeiinspektion zur Kenntnis gebracht, aber XXXX nicht zugestellt.

1.2. Eine gleichlautende Anordnung erging seitens des Präsidenten des Landesgerichts Innsbruck am 18.10.2013, 1 Jv 3732-1/13g, lediglich nahm nunmehr dieser die Zuständigkeit für diese Anordnung in Anspruch. Nach der Aktenlage wurde auch diese XXXX nicht zugestellt.

1.3. Mit im Spruch bezeichneten Bescheid des Präsidenten des Landesgerichts Innsbruck vom 29.01.2020, Zl. 1 Jv 5526-1/17h, wurde der Antrag auf Aufhebung des Hausverbotes abgewiesen, der Bescheid wurde XXXX 04.02.2020 durch Hinterlegung am Postamt zugestellt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die am 06.02.2020 zur Post gegebene Beschwerde.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen ergeben sich auf Grund der unbedenklichen Aktenlage.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1. Rechtlich stellt sich die Frage, ob die Erlassung eines Hausverbots bei einem Gerichtsgebäude ein Akt des Eigentümers im Rahmen des allgemeinen Zivilrechts ist oder es sich hiebei um einen hoheitlichen Akt handelt, der im Rahmen des Rechtstypenzwangs des hoheitlichen Handelns nur mittels Verordnung, Bescheides oder polizeilichem Befehl und Zwang - eine Weisung kommt wegen der Außenwirkung eines Hausverbotes schon prima vista nicht in Betracht - umgesetzt werden könnte (zum Rechtstypenzwang: VfGH 25.2.2004, V 121/03).

3.2. In seiner bisherigen Rechtsprechung ist das Bundesverwaltungsgericht seit 2014 regelmäßig davon ausgegangen, dass ein Hausverbot gemäß § 16 Abs. 3 Gerichtsorganisationsgesetz, RGBl. Nr. 217/1896 in der Fassung BGBl. I Nr. 44/2019, (in Folge: GOG), durch einen Bescheid zu verhängen ist, auch der Verwaltungsgerichtshof hat dies bei seiner seit 2012 zu § 16 GOG ergangenen einzigen Entscheidung vorausgesetzt (VwGH 26.02.2016, Ro 2016/03/0001).

Für ein hoheitliches Handeln spricht auch, dass der Gesetzgeber es für notwendig erachtet hat, den mit der Sicherheitskontrolle bei Gericht beliehenen Organen ausdrücklich das Recht zur Ausübung von Zwangsgewalt (vgl. § 5 GOG) einzuräumen; würde auch bei den im Rahmen der Rechtsprechung verwendeten Räumlichkeiten das Hausrecht wie bei einer privaten Liegenschaft anwendbar sein, wäre dies nicht notwendig. So führen schon die Erläuterungen zum Bundesgesetz, mit dem das Gerichtsorganisationsgesetz, die Zivilprozeßordnung und die Strafprozeßordnung geändert werden, (GP XX RV 253) im Allgemeinen Teil aus, dass es "künftig öffentlich-rechtlich verboten sein [soll], in Gerichtsräumlichkeiten ... Waffen bei sich zu haben" bzw. zu § 5 GOG aus, dass es unter gewissen Voraussetzungen zulässig sein soll, Zwangsgewalt anzudrohen und anzuwenden. Hinsichtlich des mit dem 2. Stabilitätsgesetz 2012 (BGBl. I Nr. 35/2012) eingeführten § 16 GOG finden sich solche erhellenden Ausführungen in den Materialien nicht, es ist jedoch davon auszugehen, dass der Zutritt zu den der Durchführung von Verhandlungen dienenden Räumlichkeiten der Gerichte grundsätzlich öffentlich ist, zumal gemäß Art. 90 Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 in der Fassung BGBl. I Nr. 57/2019 (in Folge: B-VG), die Verhandlungen in Zivil- und Strafrechtssachen vor dem erkennenden ordentlichen Gericht mündlich und öffentlich sind und Ausnahmen das Gesetz bestimmt. Ebenso ergibt sich aus Art. 6 Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958 in der Fassung BGBl. III Nr. 139/2018 (in Folge: EMRK), ein Recht auf freien Zugang zu Gericht, was insbesondere die Bereiche eines Gerichts erfasst, deren Betreten notwendige Voraussetzung für die Ausübung von (Parteien)Rechten ist, etwa das Einbringen einer Klage.

Daher geht das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass ein Hausverbot, jedenfalls soweit es (auch) die der Durchführung von Verhandlungen dienenden Räumlichkeiten der Gerichte oder die Bereiche eines Gerichts, deren Betreten notwendige Voraussetzung für die Ausübung von (Parteien)Rechten ist, erfasst aus den dargelegten verfassungsrechtlichen Gründen hoheitlich zu erfolgen hat. Da das Gesetz aber nicht zwischen den der Durchführung von Verhandlungen dienenden Räumlichkeiten der Gerichte oder Bereichen eines Gerichts, deren Betreten notwendige Voraussetzung für die Ausübung von (Parteien)Rechten ist, unterscheidet, ist davon auszugehen, dass ein Hausverbot gemäß § 16 GOG jedenfalls hoheitlich, also in Bescheidform, zu ergehen hat.

Dies gilt jedenfalls seit 01.06.2012, nämlich seit § 16 Abs. 3 GOG, der durch BGBl. Nr. 35/2012 in die leg.cit. eingefügt wurde, in Geltung ist. Dies gilt aber jedenfalls ab dem Zeitpunkt - sollte vorher ein privatrechtliches Hausverbot in Bezug auf Gerichtsgebäude zulässig gewesen sein - mangels Übergangsbestimmungen im GOG auch für zuvor unter Berufung auf das Hausrecht ausgesprochene Hausverbote, jedenfalls soweit dieses (auch) die oben genannten Bereiche umfassen.

Nach der Aktenlage ist die Anordnung, gegen XXXX ein Hausverbot zu erlassen, jenem niemals zugegangen; die allfällige mündliche Mitteilung durch die Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes bleiben hier mangels Behördencharakter selbiger außer Betracht. Daher wurde diese Anordnung und somit ein ein Hausverbot normierender Bescheid gegenüber XXXX niemals erlassen.

Gibt es aber kein gegen XXXX hoheitlich erlassenes, also mit Bescheid angeordnetes, Hausverbot gemäß § 16 Abs. 3 GOG kommt dessen hoheitliche Aufhebung nicht in Betracht und ist ein entsprechender Antrag daher unzulässig. Daher ist der Spruch des Bescheides entsprechend zu ändern.

3.3. Außerhalb dieses Verfahrens ist aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts darauf hinzuweisen, dass - so man die unter 3.1. und 3.2. dargestellte Rechtsansicht des Bundesverwaltungsgerichtes teilt - die Verweigerung des Zutritts des Beschwerdeführers zum gegenständlichen Gerichtsgebäude daher mangels eines vollstreckbaren Bescheides eine Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt darstellt, die mit Maßnahmenbeschwerde bekämpft werden könnte.

Zu B) Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, BGBl. Nr. 10/1985 in der Fassung BGBl. I Nr. 104/2019, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 in der Fassung BGBl. I Nr. 57/2019 (in Folge: B-VG), zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, weil die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, weil es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes einerseits zur Frage, ob ein Hausverbot gemäß § 16 Abs. 3 GOG nur hoheitlich ausgesprochen werden kann und andererseits zur Frage, ob dies schon vor dem 01.06.2012 der Fall war und wenn nicht, ob die vorher in Ausübung des Hausrechtes ausgesprochenen Hausverbote weiter gelten, fehlt.

Schlagworte

Befehls- und Zwangsgewalt Eigentumssicherung Hausverbot hoheitliche Aufgaben Nichtbescheid Revision zulässig Zustellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W170.2228801.1.00

Im RIS seit

20.08.2020

Zuletzt aktualisiert am

20.08.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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