TE Bvwg Erkenntnis 2020/3/10 W136 2221877-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 10.03.2020
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Entscheidungsdatum

10.03.2020

Norm

B-VG Art133 Abs4
SDG §2
SDG §4 Abs2
SDG §4a Abs2
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W136 2221877-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. HABERMAYER-BINDER über die Beschwerde von XXXX gegen den Bescheid der Präsidentin des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 28.05.2019, Zl. 100 Jv 7105/18x-5b, betreffend Eintragung in die Sachverständigenliste zu Recht:

A) Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

1. Die Beschwerdeführerin (im Folgenden: BF) beantragte bei der belangten Behörde mit Schreiben vom 07.11.2018 die Eintragung in die Liste der allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen für die Fachgebiete "04.40 Arbeitspsychologie, Organisationspsychologie, 09.40 Technisches Unfallwesen, Arbeitsschutz und 91.85 Arbeitsplatzgestaltung, Ergonomie".

2. Die belangte Behörde beauftragte in weiterer Folge die Zertifizierungskommission um Abgabe einer begründeten Stellungnahme im Sinne des § 4 Abs. 2 iVm§ 4a SDG.

Bereits im Vorfeld der Prüfung für das Fachgebiet "04.40 Arbeitspsychologie, Organisationspsychologie" äußerte der bestellte Fachprüfer Bedenken hinsichtlich der Qualifikation der BF dahingehend, dass diese keine Ausbildung als Klinische Psychologin nach dem Psychologengesetz durchlaufen habe, die erfolgreiche Ausbildung zur Klinischen Psychologin jedoch notwendig sei, um psychische Erkrankungen diagnostizieren und behandeln zu dürfen. Da es in der gutachterlichen Praxis im Bereich des Arbeits- und Sozialgerichtes jedoch notwendig sei, psychische Erkrankungen zu diagnostizieren, um etwaige Einschränkungen der Arbeitsfähigkeit zu diagnostizieren und ein psychologisches Leistungskalkül zu erstellen, erfülle die BF aus Sicht des Fachprüfers nicht ein wesentliches Kriterium für eine spätere Arbeit für das Arbeits- und Sozialgereicht.

Der BF wurden seitens der Kommission noch vor der Prüfung die oa. Bedenken des Fachprüfers zur Kenntnis gebracht und um Stellungnahme ersucht. Die BF nahm dazu Stellung und führte aus, dass sie zwar nicht die postgraduelle Ausbildung zum Klinischen Psychologen habe, die notwendig sei, um psychische Erkrankungen diagnostizieren und behandeln zu dürfen, dies jedoch auch nicht die Aufgabe von Arbeits- und Organisationspsychologen (A&O Psychologinnen) sei. Klinische- und Gesundheitspsychologen seien zwar berechtigt, wenn auch nicht unbedingt qualifizierte, sich A&O Psychologen zu nennen, weil diese Bezeichnung gesetzlich nicht geschützt sei, umgekehrt, sei dies nicht zulässig. A&O Psychologen hätten weder den Anspruch noch die Notwendigkeit klinische Tätigkeiten auszuüben, da sie andere Arbeitstechniken anwenden würden. Im Sinne des Arbeitnehemerinnenschutzes seien Personen im Arbeitsprozess gesund, denn sonst wären sie im Krankenstand. Bei Personen im Krankenstand habe dies ein Arzt, allenfalls durch ein klinisches Gutachten untermauert, festgestellt. Hingewiesen wurde auf ein Rechtsgutachten von Univ. Prof. Dr. Karl STÖGER zur Anwendung des Psychologengesetzes 2013 auf den Beruf des Arbeitspsychologen, der zum Ergebnis kommen, dass die Tätigkeit des Arbeitspsychologen nicht unter den Tätigkeitsvorbehalt zugunsten der Gesundheitspsychologen und Klinischen Psychologen falle. Im Übrigen sei ein Fachprüfer, der nicht über das Tätigkeitsfeld der A&O Psychologen Bescheid wisse, nicht geeignet, diese abzuprüfen. Die BF sei der Meinung, dass klar sei, dass sie als A&O Psychologin sich mit Fragen arbeitsbedingter und gesundheitsrelevanter Themen bei gesunden Menschen, Belastungssituationen im Arbeitsfeld und Risikobeurteilung befasse, die gerichtliche Anfrage einer klinischen Beurteilung würde sie aus diesen Gründen ablehnen. Nach der Recherche der BF gäbe es selbstverständlich A&O Psychologen auf der SV-Liste, die keine Klinikerinnen seien, weshalb die Nomenklatura auch bei der Einteilung zwischen "04.31 Klinische Psychologen" und "04.40 A&O Psychologen" unterscheide. Einer Einschränkung für ihr Fachgebiet "Nicht für klinische Fragestellung" stehe sie auch positiv gegenüber.

3. Am XXXX unterzog sich die BF einer mündlichen Prüfung gemäß § 4a Abs. 2 SDG für die beatragten Fachgebiete, nach welcher die Kommission die Eintragung für das Fachgebiet 04.40. Arbeitspsychologie, Organisationspsychologie nicht befürwortete. Begründend wurde ausgeführt, dass die BF mehr als die Hälfte der Fragen zum Fachgebiet 04.40 nicht habe beantworten können, zudem sei sie mangels Eintragung in die Liste der klinischen- und Gesundheitspsychologen nicht berechtigt, psychologische Testverfahren anzuwenden.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde der Antrag auf Eintragung in die Sachverständigenliste für das Fachgebiet "04.40 Arbeitspsychologie, Organisationspsychologie" abgewiesen und begründend auf die negative Prüfung verwiesen, weshalb es der BF an der Sachkunde für das beantragte Gebiet mangle.

4. In der gegen diesen Bescheid fristgerecht erhobenen Beschwerde wird ausgeführt, dass die BF in ihren Rechten verletzt sei, da die bei der Zertifizierungsprüfung gestellten Fragen nicht geeignet seien, die erforderliche Sachkunde für das Fachgebiet 04.40 festzustellen, da ihr lediglich Fragen aus dem Fachgebiet 04.31 Klinische Psychologie gestellt worden seien. Arbeits- und Organisationspsychologie sei jedoch, wie der Nomenklatura zu entnehmen sei, fachlich inhaltlich ein eigenes Fachgebiet mit eigenen psychologischen Testverfahren. Deswegen sei auch die Behauptung des Prüfers, sie dürfe keine psychologischen Tests durchführen, unrichtig. Obwohl die BF das falsche Fachgebiet geprüft worden sei, sei es ihr möglich gewesen, die erste Frage aus arbeits- und organisationspsychologischer Sicht umfassend und korrekt zu beantworten. Die Fragen zwei bis fünf hätten sich auf Spezialwissen aus dem Fachbereich 04.31 Klinische Psychologie bezogen, und hätten daher von der BF, die als Arbeits- und Organisationspsychologin nach wissenschaftlicher Definition keinerlei klinische Aspekte benötige, nicht beantwortet werden können. Die BF sei jedoch berechtigt, psychologische Belastungen nach dem Arbeitnehmerinnenschutzgesetz zu evaluieren. Arbeits- und Organisationspsychologen befassten sich mit dem Erleben, Verhalten und Handeln gesunder Menschen bei der Arbeit und in der Organisation, wozu sich der Arbeitspsychologe verschiedener Analyseelemente bediene. Um abzuklären, ob vielleicht auch parallel zu den vielen Veränderungen am Arbeitsplatz eine psychische Erkrankung, zB eine Depression, dazu gekommen sei, wende er sich an einen klinischen Psychologen, der mit klinischer Diagnostik die Arbeitsfähigkeit aus klinischer Sicht abkläre. Es handle sich um einen Irrtum des Prüfers, klinisch psychologische Tätigkeiten, mit der Berufsbezeichnung des Arbeits- und Organisationspsychologen zu belegen, die zwar gesetzlich nicht geschützt sei, jedoch in der Literatur und Wissenschaft eine klare, nicht klinische Definition habe. Da dieser Irrtum des Prüfers entsprechend seiner geäußerten Bedenken schon vor der Prüfung bekannt gewesen sei, habe sie selbst Bedenken gegen diesen geäußert. Auf der Sachverständigenliste befände sich sogar ein Lebens- und Sozialberater, der für die Allgemeine Psychologie gerichtlich zertifiziert worden sei, obwohl kein Psychologiestudium vorliege, außerdem gäbe es zumindest eine namentlich genannte Arbeits- und Organisationspsychologin in der Gerichtssachverständigenliste, die keine Klinikerin sei.

5. Die belangte Behörde forderte den Fachprüfer der Zertifizierungskommission auf, schriftlich zu den Beschwerdeausführungen Stellung zu nehmen.

In seiner Stellungnahme vom 12.07.2019 verwies der Fachprüfer hinsichtlich des Beschwerdevorbringens, dass der BF keine Fragen zur Arbeits¬ und Organisationspsychologie gestellt worden seien, darauf, dass der Berufsverband Österreichischer Psychologinnen eine fachspezifische Fortbildung für gerichtliche Sachverständigen konzipiert habe, deren Curriculum wörtlich Folgendes vorsehe: ["Mit der fachspezifischen Fortbildung zur/zum gerichtlichen Sachverständigen in den Bereichen "Klinische Psychologie (inkl. Suchtmittel, Traumatisierung, Neuropsychologie)" und "Arbeitspsychologie, Organisationspsychologie" soll eine erweiterte und vertiefte wissenschaftliche und berufliche Qualifikation für die psychologische Tätigkeit im Rechtswesen erreicht werden. Neben Grundlagenkenntnissen betreffend wichtigen juristischen Konzepte sowie ethische und standesrechtliche Begriffe sollen Teilnehmerinnen insbesondere das notwendige Wissen erwerben, um gängige gerichtliche Fragestellungen fachlich kompetent beantworten zu können. Im Arbeits- und Sozialgerichtsverfahren sind die Fragestellungen der Landesgerichte (...) auf den Grad der Arbeitsfähigkeit bezogen. Es stellt sich die Frage inwieweit ein/e Kläger/in berufsunfähig, invalid oder erwerbsunfähig ist. Dabei ist ein genaues Leistungskalkül zu erstellen. (...)."] Für die Beurteilung der Fragestellung einer Arbeitsfähigkeit sei u.a. von Bedeutung, ob eine klinisch relevante psychische Störung (z.B.: Angst, Depression, etc.) vorliege und wenn ja, in welcher Ausprägung. Auch die Fragestellung, ob Belastungen am Arbeitsplatz zu Beeinträchtigungen führen, impliziere eine Beurteilung über etwaige psychische Störungen. Die Diagnose und Beurteilung der Schwere einer psychischen Störung sei jedoch klinischen Psychologen vorbehalten. Das bedeute, dass die postgraduelle Ausbildung zum Klinischen- und Gesundheitspsychologen eine notwendige, wenn auch nicht hinreichende Bedingung für das Fachgebiet 04.40 darstelle, nachdem zusätzlich arbeits- und organisationspsychologisches Wissen für die Beantwortung von Fragestellungen des Gerichts notwendig sei. Die BF habe offensichtlich ausschließlich ihre eigene Tätigkeit bei der XXXX im Blick, verkenn aber, dass das Tätigkeitsfeld des Fachgebietes 04.40 deutlich umfassender sei.

Die Frage 1 sei von der Klägerin ausreichend beantwortet worden. Die Frage 2 nach dem "psychologisches Leistungskalkül" sei von der Klägerin nicht einmal ansatzweise beantwortet worden, dabei stelle das psychologische Leistungskalkül das Herzstück jedes arbeitspsychologischen Gutachtens dar, bei dem es um die Beurteilung der Arbeitsfähigkeit geht. Das psychologische Leistungskalkül gäbe beispielsweise an, wie stark ein Zeitdruck bei der Arbeit zumutbar ist. Die Frage 3 zu den Methoden für die Erstellung eines psychologischen Leistungskalküls sei ebenfalls nicht beantwortet worden. Auch die Frage 4 betreffend Verzerrungstendenzen (Simulation, Aggravation/Dissimulation) in der Begutachtungssituation habe die BF nicht beantwortet, wobei diese im gutachterlichen Kontext eine große Rolle spielten. Ebensowenig habe die BF die Frage 5 beantworten können. Die Frage 6 habe darauf abgezielt, inwieweit die BF die Grenzen ihrer Kompetenzen und Befugnisse in Bezug auf das Psychologengesetz abschätzen könne, diese Frage habe die BF nur unzureichend beantwortet. Die fachliche Eignung sei als unzureichend eingestuft worden, nachdem mehr als 50% der Fragen nicht korrekt beantwortet werden konnten.

6. Mit Note vom 29.07.2019, beim BVwG am 31.07.2019 einlangend, wurde die gegenständliche Beschwerde samt Verfahrensakt vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen und Beweiswürdigung:

1.1. Festgestellt wird, dass sich die BF am XXXX einer kommissionellen mündlichen Prüfung gemäß § 4a Abs. 2 SDG für das Fachgebiet "04.40 Arbeitspsychologie, Organisationspsychologie" unterzogen hat, die von der Prüfungskommission einstimmig als negativ beurteilt wurde.

Die Feststellungen ergeben sich aus dem Akteninhalt, insbesondere aus der im vorgelegten Verwaltungsakt einliegenden Dokumentation der Prüfung und der begründeten Stellungnahme gemäß §§ 4 Abs. 2, 4a Abs. 2 SDG vom XXXX . Es wurde ein Protokoll der Prüfung angefertigt, welches die im Fachgebiet gestellten Fragen sowie das Prüfungsergebnis/die Prüfungsbeurteilung samt Begründung und Anmerkungen der Prüfer nachvollziehbar ausweist. In einer Stellungnahme über Aufforderung der belangten Behörde hat der Fachprüfer nochmals dargelegt, welche Prüfungsfragen der BF gestellt wurden und wie diese beantwortet würden. Der Inhalt der Prüfungsdokumentation und der begründeten Stellungnahme der Zertifizierungskommission ist nicht zweifelhaft.

Die unmittelbar nach Ende der mündlichen Prüfung handschriftlich erstellte Stellungnahme zur Begründung des negativen Prüfungsergebnisses wurde von der BF unterfertigt.

Mit ihrem Beschwerdevorbringen tritt die BF dem Ergebnis der Prüfung bzw. dem Umstand, dass sie einige Fragen nicht beantworten konnte, nicht entgegen, sondern vermeint, dass ihr Fragen gestellt wurden, die nicht zu dem von ihr beantragten Fachgebiet gehören würden. Diesem Vorbringen kommt jedoch keine Berechtigung zu. Siehe dazu unten unter Rechtliche Beurteilung Punkt 2.5.

1.2. Die BF ist weder Gesundheitspsychologin noch klinische Psychologin im Sinne des Psychologengesetzes 2013. Diese Feststellung ergibt sich aus der Aktenlage in Übereinstimmung mit dem Beschwerdevorbringen.

2. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

2.1. Aus § 11 des Bundesgesetzes über die allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen und Dolmetscher, BGBl. Nr. 137/1975 in der Fassung BGBl. I Nr. 190/2013 (in Folge: SDG), ergibt sich die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts für die Beschwerde gegen den verfahrensgegenständlichen Bescheid der Präsidentin des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien. Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes, BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Mangels materienspezifischer Sonderregelung im SDG besteht somit gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit.

2.2. Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen. Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht gemäß § 28 Abs. 2 Z 1 VwGVG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht.

2.3. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG Abstand genommen werden. Die BF hat die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht beantragt, zudem erscheint der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt, weshalb eine mündliche Erörterung die weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt. Es liegt nämlich hinsichtlich des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes des negativen Prüfungsergebnisses der Kommission, eine nachvollziehbare Prüfungsdokumentation vor und wird der Umstand, dass die BF die von der Kommission gestellten Fragen nicht vollumfänglich beantworten konnte, grundsätzlich auch in der Beschwerde nicht in Frage gestellt. Die EMRK und die GRC stehen der Abstandnahme von einer mündlichen Verhandlung hier nicht entgegen.

2.4. Die maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen des Sachverständigen- und Dolmetschergesetzes (SDG), BGBl. Nr. 137/1975, in der zuletzt durch BGBl. I Nr. 10/2017 geänderten Fassung lauten auszugsweise wie folgt:

"Voraussetzungen für die Eintragung in die Liste der allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen und Dolmetscher

§ 2. (1) Die allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen sind von den Präsidenten der Landesgerichte (§ 3) als Zertifizierungsstellen in die elektronische Liste der allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen und Dolmetscher (Gerichtssachverständigen- und Gerichtsdolmetscherliste) einzutragen.

(2) Für die Eintragung in die Gerichtssachverständigen- und Gerichtsdolmetscherliste für ein bestimmtes Fachgebiet müssen folgende Voraussetzungen gegeben sein:

1. in der Person des Bewerbers

a) Sachkunde und Kenntnisse über die wichtigsten Vorschriften des Verfahrensrechts, über das Sachverständigenwesen, über die Befundaufnahme sowie über den Aufbau eines schlüssigen und nachvollziehbaren Gutachtens,

b) zehnjährige, möglichst berufliche Tätigkeit in verantwortlicher Stellung auf dem bestimmten oder einem verwandten Fachgebiet unmittelbar vor der Eintragung; eine fünfjährige Tätigkeit solcher Art genügt, wenn der Bewerber als Berufsvorbildung ein entsprechendes Hochschulstudium oder Studium an einer berufsbildenden höheren Schule erfolgreich abgeschlossen hat,

c) volle Geschäftsfähigkeit,

d) körperliche und geistige Eignung,

e) Vertrauenswürdigkeit,

f) österreichische Staatsbürgerschaft oder die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats der Europäischen Union und der anderen Vertragsstaaten des Abkommens über den europäischen Wirtschaftsraum sowie der Schweizerischen Eidgenossenschaft,

g) gewöhnlicher Aufenthalt oder Ort der beruflichen Tätigkeit im Sprengel des Landesgerichts, bei dessen Präsidenten der Bewerber die Eintragung beantragt, und

h) geordnete wirtschaftliche Verhältnisse,

i) der Abschluß einer Haftpflichtversicherung nach § 2a;

1a. die ausreichende Ausstattung mit der für eine Gutachtenserstattung im betreffenden Fachgebiet erforderlichen Ausrüstung;

2. der Bedarf an allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen für das Fachgebiet des Bewerbers.

.......

§ 3a. (1) In der Gerichtssachverständigen- und Gerichtsdolmetscherliste sind die allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen nach Fachgruppen und innerhalb der Fachgruppen nach Fachgebieten unter Anführung eines allenfalls eingeschränkten sachlichen Wirkungsbereichs einzutragen.

[...]

Eintragungsverfahren

§ 4. (1) Die Eintragung des allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen darf nur auf Grund eines schriftlichen Antrags vorgenommen werden. Im Antrag sind die Angaben nach § 3a Abs. 2 zwingend anzuführen. Angaben nach § 3a Abs. 3 können gemacht werden. Eintragungen nach § 3a Abs. 5 kann der allgemein beeidete und gerichtlich zertifizierte Sachverständige erst nach seiner Eintragung in der Gerichtssachverständigen- und Gerichtsdolmetscherliste vornehmen.

(2) Der Bewerber hat die Voraussetzungen nach § 2 Abs. 2 Z 1 Buchstaben a, b, f, g und i sowie Z 1a nachzuweisen, wobei sämtliche vorhandenen schriftlichen Nachweise bereits dem Antrag anzuschließen sind. Der Antrag und die beizufügenden Unterlagen sind, soweit sie vom Antragsteller stammen, in deutscher Sprache einzureichen; sonstige, nicht in deutscher Sprache abgefasste Unterlagen sind mit einer beglaubigten Übersetzung vorzulegen. Hat der entscheidende Präsident Zweifel am Vorliegen der Voraussetzungen nach § 2 Abs. 2 Z 1 Buchstaben c, d, e oder h, so hat er dem Bewerber die Bescheinigung dieser Voraussetzungen aufzutragen. Über das Vorliegen der Voraussetzungen nach § 2 Abs. 2 Z 1 Buchstaben a und b sowie Z 1a hat der entscheidende Präsident eine begründete Stellungnahme einer Kommission (§ 4a) einzuholen. Im Rahmen der Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen nach § 2 Abs. 2 Z 1 lit. a und b haben der entscheidende Präsident und die Kommission (§ 4a) auch sämtliche in anderen Staaten erworbene Qualifikationen des Antragstellers angemessen zu berücksichtigen.

(3) Der entscheidende Präsident hat über die begründete Stellungnahme der Kommission hinaus alle ihm erforderlich scheinenden Ermittlungen anzustellen. Über den Antrag auf Eintragung ist mit Bescheid zu entscheiden.

§ 4a. (1) Den Vorsitz der in § 4 Abs. 2 genannten Kommission führt ein vom entscheidenden Präsidenten zu bestimmender - allenfalls auch im Ruhestand befindlicher - Richter, der auch einem anderen Gerichtssprengel angehören kann. Erforderlichenfalls hat der entscheidende Präsident mehrere Richter zu bestellen, welche in gleichmäßiger Reihenfolge heranzuziehen sind. Der Vorsitzende hat unter Beachtung allfälliger Befangenheitsgründe in ausgewogener Weise mindestens zwei weitere qualifizierte und unabhängige Fachleute in die Kommission zu berufen, die

1. nach Möglichkeit für das betreffende Fachgebiet in die Gerichtssachverständigen- und Gerichtsdolmetscherliste eingetragen sind und

2. von der Kammer (gesetzlichen Interessensvertretung), zu der das betreffende Fachgebiet gehört, sowie vom Hauptverband der allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen Österreichs (Hauptverband der Gerichtssachverständigen) oder von einer anderen Vereinigung, die sich die Wahrnehmung der Belange der allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen zahlreicher Fachgebiete zur Aufgabe macht und eine große Anzahl dieser Sachverständigen für das Fachgebiet des Bewerbers als Mitglieder in sich vereinigt, namhaft gemacht wurden.

(2) Die Kommissionsmitglieder haben ihre Tätigkeit unparteiisch auszuüben. Die Kommission hat den Bewerber grundsätzlich mündlich zu prüfen. Wenn dies zweckmäßig ist, ist der Bewerber auch schriftlich zu prüfen, wobei ihm insbesondere die Erstattung eines Probegutachtens aufgetragen werden kann. Die Kommission hat die Prüfungsschritte zu dokumentieren und eine begründete Stellungnahme zu erstatten. Sie entscheidet mit Stimmenmehrheit; bei Stimmengleichheit gibt die Stimme des Vorsitzenden den Ausschlag. Hat eine Bewerberin oder ein Bewerber eine Lehrbefugnis für das betreffende wissenschaftliche Fach an einer Hochschule eines EWR-Vertragsstaats oder der Schweizerischen Eidgenossenschaft oder die Befugnis, einen Beruf auszuüben, dessen Zugangs- und Ausübungsvoraussetzungen in einer österreichischen Berufsordnung umfassend gesetzlich festgelegt sind und zu dem auch die Erstattung von Gutachten gehört, so ist die Sachkunde nach § 2 Abs. 2 Z1 lit. a nicht zu prüfen.

(3) Beauftragt der entscheidende Präsident die Kommission mit der Erstattung eines Gutachtens, so hat der Bewerber oder der Verlängerungswerber (§ 6) vor Ablegung der Prüfung Prüfungsgebühren (Justizverwaltungsgebühren) zu entrichten. Die Mitglieder der Kommission erhalten für ihre Tätigkeit Vergütungen. Die Höhe der Prüfungsgebühren und der Vergütungen hat der Bundesminister für Justiz im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Finanzen durch Verordnung festzusetzen. Dabei ist auf die Art und den Umfang der Tätigkeit der Kommissionsmitglieder sowie auf den mit der Vorbereitung und Durchführung der Prüfungen verbundenen Aufwand Bedacht zu nehmen."

2.5. Vorauszuschicken ist, dass Gesundheitspsychologen und Klinische Psychologen nach dem Psychologengesetz 2013 zur Erstattung von Gutachten auf ihrem Fachgebiet gemäß den §§ 13 Abs. 2 und 22 Abs. 2 Psychologengesetz 2013 berechtigt sind, weshalb deren Sachkunde gemäß § 4a Abs. 2 letzter Satz SDG nicht zu prüfen ist. Nachdem die BF weder Gesundheitspsychologin noch Klinische Psychologin ist und auch über keine Lehrbefugnis für das betreffende Fach (A & O) Psychologie hat, war deren Sachkunde grundsätzlich zu überprüfen.

2.6. Dem Beschwerdevorbringen, wonach die Prüfung insofern fehlerhaft und daher darauf aufbauend der abschlägige Bescheid betreffend das beantragte Fachgebiet "04.40. Arbeits- und Organisationspsychologie" rechtswidrig sei, weil der BF ausschließlich Fragen aus einem anderen Fachgebiet, nämlich "04.31 Klinische Psychologie" gestellt worden seien, kommt keine Berechtigung zu.

Denn auch wenn die BF vermeint, dass sie als Arbeits- und Organisationspsychologin, deren Zugangs- und Ausübungsvoraussetzungen - im Gegensatz zu Gesundheitspsychologen und klinischen Psychologen - gesetzlich nicht geregelt sind, nach wissenschaftlicher Definition der A&O-Psychologie, [keinerlei klinische Aspekte benötigt], kommt es darauf nicht an. Denn wie sich aus dem Prüfungsprotokoll ergibt, wurden der BF Fragen gestellt, wie sie üblicherweise gerade an eine Sachverständige aus dem Fachgebiet der Arbeitspsychologie, die in arbeits- und sozialgerichtlichen Verfahren herangezogen wird, herangetragen werden (zB: psychologisches Leistungskalkül bei arbeitspsychologischen Fragestellungen, Beschwerdenvalidierung). Nachdem diese Fragen jedoch von der BF überwiegend nicht beantwortet werden konnten, erscheint die BF aus fachlicher Sicht für das beantragte Fachgebiet als Gerichtssachverständige nicht über ausreichende Sachkunde zu verfügen selbst wenn die Fragen überwiegend der "Klinischen Psychologie" zugehörig sein sollten.

Wenn die BF vermeint, gerade aus der geltenden Fachgebietseinteilung nach dem "Nomenklaturaerlass" des BMJ, der zwischen den Fachgebieten 04.31. Klinische Psychologie und 04.40. Arbeitspsychologie, Organisationspsychologie unterscheide, sei der unterschiedliche Tätigkeitsbereich von Arbeitspsychologen und klinischen Psychologen ersichtlich, ist darauf zu verweisen, dass mit der Eintragung in ein bestimmtes Fachgebiet weder eine Befugnis erteilt, noch eine Kompetenz bindend festgelegt wird, dass nur der eingetragene Sachverständige zu bestimmten Fachfragen Gutachten erstatten darf, sondern die Eintragung lediglich Indizwirkung hat, dass der Sachverständige gerade auf diesem Gebiet besondere Sachkunde hat (vgl .2 Ob 8/6z).

Hinsichtlich des Beschwerdevorbringens, dass der Fachprüfer der Zertifizierungskommission, irre, wenn er klinisch psychologische Tätigkeiten, die an einem im Berufsleben Stehenden durchgeführt werden, der Berufsbezeichnung des Arbeits- und Organisationspsychologen zuordne, ist darauf zu verweisen, dass diese Berufsbezeichnung, wie die BF selbst angibt, nicht gesetzlich geregelt ist. Im Übrigen ist darauf zu verweisen, dass der Fachprüfer der BF entsprechend der Regelung des § 4a Abs.1 Z SDG selbst für das Fachgebiet Arbeits- und Organisationspsychologie eingetragen ist, weshalb nicht davon auszugehen ist, dass er einem Irrtum unterliegt, sondern lediglich das Tätigkeitsfeld eines Gerichtssachverständigen im Bereich der Arbeits- und Organisationspsychologie weiter auslegt, als dies die BF tut.

In diesem Zusammenhang sei darauf verwiesen, dass für das in Rede stehende Fachgebiet noch kein Prüfungsstandard existiert. Die vom Hauptverband der Gerichtssachverständigen erstellten Prüfungsstandard sollen in den einzelnen Fachgebieten zur Gewährleistung einer fairen und transparenten Abwicklung der Zertifizierungsprüfung Überblick über die erwarteten Kenntnisse und Fähigkeiten und über die Prüfungsmodalitäten geben. Allerdings existiert seit März 2016 als einziger in der Fachgruppe "04.00 Psychologie" ein derartiger Prüfungsstandard für das Fachgebiet "04.35 Familienpsychologie, Kinderpsychologie, Jugendpsychologie (inkl. Obsorge, Besuchsrecht, Fremdunterbringung, Kindeswohl, Missbrauch, Entwicklung)". Wie ein Blick in diesen Prüfungsstandard, insbesondere in die dort angeführte fachbezogene Literatur, zeigt, werden auch für dieses Fachgebiet durchaus umfangreiche Kenntnisse auch aus dem Gebiet der klinischen Psychologie vorausgesetzt. Daraus ist ersichtlich, dass offenkundig Kenntnisse der klinischen Psychologie auch in einem anderen psychologischen Fachgebiet als jenem der "Klinischen Psychologie" erwartet werden. Auch aus diesem Grund kann dem Argument der BF, wonach Kenntnisse aus einem Fachgebiet einer Fachgruppe nicht auch in einem anderen Fachgebiet derselben Fachgruppe vorausgesetzt und somit auch geprüft werden dürfen, nicht gefolgt werden.

2.7. Mit dem Vorbringen, dass es zumindest eine namentlich genannte in die Gerichtssachverständigenliste eingetragene Arbeits- und Organisationspsychologin gäbe, die keine Klinikerin sei, ist für die BF nichts zu gewinnen, zumal dies angesichts deren Zertifizierung nicht bedeutet, dass die Genannte keine Expertise auf diesem Gebiet aufweisen würde.

2.8. Zusammengefasst kann keine Rechtswidrigkeit im Rahmen der Zertifizierungsprüfung für das Fachgebiet "Arbeits- und Organisationspsychologie" dadurch erkannt werden, wenn dabei Kenntnisse aus dem Gebiet der Klinischen Psychologie geprüft wurden, und aus diesem Grund der Antrag der BF wegen mangelnde Fachkunde auf diesem Gebiet abgewiesen wurde. Nach dem Gesagten war die Beschwerde abzuweisen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Eintragungsantrag Eintragungsvoraussetzungen negative Beurteilung Prüfungsgegenstand Sachkunde Sachverständigenliste Zertifizierungskommission Zertifizierungsprüfung Zertifizierungsverfahren

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W136.2221877.1.00

Im RIS seit

20.08.2020

Zuletzt aktualisiert am

20.08.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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