Entscheidungsdatum
24.03.2020Norm
B-VG Art133 Abs4Spruch
W136-2214844-1/3E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Brigitte HABERMAYER-BINDER über die Beschwerde von XXXX , vertreten durch SCHÖPPL&WAHA Rechtsanwälte, 5020 SALZBURG, Aspergasse 21, gegen das Disziplinarerkenntnis der Disziplinarkommission für Soldaten vom 15.1.2019, GZ 960-17-DKS/18, beschlossen:
A)
In Erledigung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs 3 2. Satz VwGVG behoben und die Angelegenheit zur allfälligen Erlassung eines neuen Bescheides an die Disziplinarbehörde zurückverwiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer (BF) ist Unteroffizier beim österreichischen Bundesheer, führt den Dienstgrad Offiziersstellvertreter und stand zum Zeitpunkt der angelasteten Pflichtverletzung von Jänner bis März 2017 als Kommandogruppenkommandant im sicherheitspolizeilichen Assistenzeinsatz.
2. Am 23.03.2018 nach Unterbrechung des Disziplinarverfahrens wegen eines Auslandseinsatzes des BF erstattete der Disziplinarvorgesetzten Disziplinaranzeige an die belangte Behörde. Aufgrund von Beschwerden anderer Soldaten und darauf folgenden Erhebungen wurde dem BF im Wesentlichen folgendes angelastet:
Heerestransport eines privaten Fitnessgerätes von der Wohnadresse des BF in den Einsatzraum und Reinigung dieses Gerätes durch Wehrpflichtige, ohne dass dieses den Soldaten im Einsatzraum zur Verfügung gestellt worden sei; Entfernen eines Gruppenzeltes, was als Kollektivstrafe empfunden wurde; Beleidigungen, Beschimpfungen, Demütigungen und Schikanen gegenüber Untergebenen
Hinsichtlich der Vorwürfe betreffend Verbringung und Reinigung eines privaten Fitnessgerätes in den Einsatzraum wurde Anzeige an die Staatsanwaltschaft Eisenstadt erstattet, die gemäß einem Aktenvermerk im Akt der belangten Behörde das Strafverfahren gegen den BF im März 2018 einstellte.
3. Mit Beschluss vom 18.06.2018 wurde gegen den BF von der belangten Behörde ein Disziplinarverfahren eingeleitet wegen des Verdachtes er habe (wörtlich, Anonymisierung durch das Bundesverwaltunsgericht),
"[...] im Zeitraum von Jänner bis 2. März 2017,
1) Im Rahmen der Einsatzvorbereitung zum SiPol AssE in D. den Transport seines privaten Fitnessgerätes (Daum Ergo Bike 8008 TRS) mittels Heereskraftfahrzeug UNIMOG-LKW durch einen Heereskraftfahrer von seiner privaten Wohnadresse in die W-Kaserne und darauffolgend die Verbringung mittels Eisenbahntransport in den Einsatzraum D. veranlasst, welches ausschließlich von ihm und OWm J. benutzt werden durfte, in D
2) Gfr P, Gfr K und Rekr F zumindest einmal zum Putzen seines privaten Fitnessgerätes herangezogen,
3) am 24. Februar 2017 befohlen, den Witterungsschutz (Zelte) beim Posten 49 abzubauen, so dass dieser 2.März 2017 an jenem Posten fehlte,
4) im Wachbereich des Zugsgefechtsstandes des Wachtisch für 48 Stunden und den dazugehörigen Sessel für weitere 48 Stunden entfernen lassen, sodass die eingeteilten Wachsoldaten die Wachprotokolle an der Wand bzw. am Boden kniend schreiben mussten,
5) unangebrachte Äußerungen, wie "Schimpanse du fuckst mich an", "Seid-s deppert", "Hast du den Arsch offen", "Das kann auch ein Schimpanse", "Ihr Milizler fuckts mich an" und Beschimpfungen, wie "Trottel", "Weicheier", "Depperter", "du Koffer" gegenüber Untergebenen geäußert, [....]"
und nach Rechtskraft dieses Bescheides eine mündliche Disziplinarverhandlung für den 21.09.2018, 14:00 Uhr, angeordnet.
4. Mit Note vom 07.09.2018, bei der belangten Behörde am 11.09.2018 einlangend, ersuchte der BF um Verlegung der mündlichen Verhandlung, da er am 22.09.2018 um 09:00 in XXXX zu einer Studienberechtigungsprüfung antreten wolle. Wenn er am Vortag um 14:00 Uhr in Wien zu einer Disziplinarverhandlung erscheine, sei nicht sichergestellt, dass er am nächsten Tag in XXXX erscheinen könne, außerdem müsse er ausgeschlafen antreten, zumal er sich auf diese Prüfung lange vorbereitet habe. Eine Bestätigung für den Prüfungstermin (E-Mail vom 03.07.2018) war der Vertagungsbitte angeschlossen.
Mit Mail vom 14.09.2018 wurde dem BF vom Vorsitzenden der belangten Behörde mitgeteilt, dass seiner Vertagungsbitte nicht stattgegeben werde, weil er die Möglichkeit hätte, mit dem Abend- oder Nachtzug nach XXXX zu reisen, wodurch eine Teilnahem an der Prüfung möglich wäre.
Mit Mail vom 17.09.2018 teilte der Dienstvorgesetzte dem Vorsitzenden der Disziplinarkommission mit, dass der BF mit selben Tag eine ärztliche bestätigte Erkrankung gemeldet habe und der Krankenstand lt. Bestätigung bis zum 23.09.2018 dauern werde. Die Bestätigung wurde der belangten Behörde ebenfalls übermittelt.
Am Tag der mündlichen Verhandlung wurde der belangten Behörde die weitere ärztliche Krankschreibung vom selben Tag, die dem BF die Arbeitsunfähigkeit bis zum 07.10.2018 bescheinigt, vorgelegt.
Am 21.09.2018 wurde von der belangten Behörde die mündliche Disziplinarverhandlung ohne Anwesenheit des BF oder seines Vertreters, der sich laut Protokoll aufgrund eines anderen Termins entschuldigt hätte, durchgeführt, wobei laut Protokoll der Spruch des Einleitungsbeschlusses und die Disziplinaranzeige verlesen wurden und sodann nach Beratung des Senates das Disziplinarerkenntnis mit Verhängung einer Disziplinarstrafe in der Höhe von ? 11.000,- mündlich verkündet wurde. Aus dem Akt der belangten Behörde ist nicht ersichtlich, dass dem BF oder seinem Vertreter das Protokoll der mündlichen Verhandlung übermittelt wurde.
5. Mit Note vom 25.09.2018 stellte der BF zur Vorbereitung auf die anzuberaumende mündliche Verhandlung zu den einzelnen Anlastungen Beweisanträge für die Vernehmung näher genannter Zeugen und bestritt die gegen ihn erhobenen Vorwürfe.
6. Mit dem am 15.01.2029 schriftlich ausgefertigten Disziplinarerkenntnis wurde der BF der im Einleitungsbeschluss angeführten Anlastungen schuldig erkannt und eine Disziplinarstrafe in der Höhe von ? 11.000,- verhängt, gleichzeitig wurde der Beweisantrag vom 25.09.2018 als verspätet zurückgewiesen. Begründend wurde zum Sachverhalt im Wesentlichen der Inhalt der Disziplinaranzeige insbesondere auch die Angaben des nunmehrigen BF als Auskunftsperson wiedergegeben und der bei der belangten Behörde am 27.09.2018 eingetroffene Beweisantrag des BF. Weiters wurde ausgeführt, dass der BF den vorgeworfenen Sachverhalt in seiner Einvernahme objektiv nicht bestritten habe und in seinem Beweisantrag nur versuche, die Schuld von sich zu schieben.
7. Gegen diesen Bescheid erhob der rechtsfreundliche vertretene BF fristgerecht Beschwerde und beantragte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung samt Aufhebung des bekämpften Bescheides und Einstellung des Disziplinarverfahrens, in eventu eine schuldangemessene Herabsetzung der Strafe, in eventu die Zurückverweisung der Sache an die belangte Behörde
Begründen wurde insbesondere ausgeführt, dass die belangte Behörde selbst zugestehe, dass sie eine mündliche Verhandlung in entschuldigter Abwesenheit des BF und seines Rechtsvertreters durchgeführt habe, was rechtswidrig sei. Außerdem liege kein Protokoll einer Disziplinarverhandlung vor und werde im bekämpften Bescheid auf den eingebrachten Beweisantrag eingegangen, der zum Zeitpunkt der Beschlussfassung des Senates noch gar nicht vorlag und somit auch nicht Gegenstand der Beratungen des Senates gewesen sein konnte. Im Übrigen sei die Einbringung des Schriftsatzes mit der Kommission koordiniert gewesen, was auf die Vorgangsweise, nämlich Durchführung einer Verhandlung trotz Entschuldigung, ein nicht weiter zu kommentierendes Licht werfe. Die erhobenen Vorwürfe wurden näher begründet bestritten, was sich aus der Einvernahme der angebotenen Zeugen ergeben werde.
8. Mit Schriftsatz vom 18.02.2019 legte die belangte Behörde die Beschwerde und den Verwaltungsakt - ohne dass die belangte Behörde von der Möglichkeit einer Beschwerdevorentscheidung Gebrauch gemacht hat - dem BVwG zur Entscheidung vor.
9. Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom Jänner 2020 wurde gegenständliches Verfahren der ursprünglich zuständigen Gerichtsabteilung W146 abgenommen und der Gerichtsabteilung W136 zur Erledigung zugewiesen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen und Beweiswürdigung:
Der oben dargestellte Verfahrensgang konnte unmittelbar aufgrund der Aktenlage (insbesondere auch der Verhandlungsschrift der belangten Behörde vom 21.09.2018) festgestellt werden.
Der angelastete Sachverhalt steht nicht fest, dies insbesondere deswegen, weil die belangte Behörde eine Disziplinarverhandlung durchgeführt hat, ohne den Disziplinarbeschuldigten oder etwaige Zeugen zu befragen. Zwar besteht aufgrund des Inhaltes der im Rahmen der disziplinären Erhebungen aufgenommenen Niederschriften mit Soldaten durchaus eine begründete Verdachtslage hinsichtlich der Begehung von Pflichtverletzungen, allerdings ist der belangte Behörde nicht zu folgen, wenn sie vermeint, dass der Sachverhalt deswegen geklärt wäre, weil der BF in seiner niederschriftlichen Befragung die angelasteten Sachverhalte zugestanden habe. Denn aus der genannten (undatierten) Niederschrift ergibt sich, dass der BF mit Ausnahme des Ausdrucks "Das kann auch ein Schimpanse" die Begehung von Pflichtverletzungen, insbesondere auch den Vorwurf der Kollektivstrafe mit näherer Begründung bestreitet.
2. Beweiswürdigung:
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zuständigkeit
Art 131 B-VG regelt die grundsätzliche Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts hinsichtlich der Angelegenheiten der Vollziehung des Bundes, die unmittelbar von Bundesbehörden besorgt werden. Das Dienstrecht und damit auch das Disziplinarrecht der Beamten ist gemäß Art 10 Abs 1 Z 16 B-VG ebenso wie das Heeresdisziplinargesetz - HDG (als militärische Angelegenheit gemäß Art 102 Abs 2 B-VG) unmittelbar von Bundesbehörden zu vollziehen.
Gemäß § 6 BVwGG (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Das nunmehr anzuwendende Heeresdisziplinargesetz 2014 (HDG 2014), BGBl I Nr. 2/2014 (WV) sieht gemäß § 75 Abs. 1 Senatsentscheidungen des BVwG nur für Beschwerden gegen Beschlüsse der Disziplinarkommission (DKS) nach § 72 Abs. 2 (Z 1), sowie gegen ein Erkenntnisse der DKS, mit dem die Disziplinarstrafe Entlassung oder Unfähigkeit der Beförderung oder Degradierung oder Verlust aller aus dem Dienstverhältnis fließenden Rechte verhängt wurde (Z 2), oder wenn gegen ein Erkenntnis der DKS der Disziplinaranwalt Beschwerde erhoben hat (Z 3), vor. Da keine dieser Voraussetzungen hier zutrifft, ist im vorliegenden Fall Einzelrichterzuständigkeit gegeben.
Gemäß § 28 Abs 1 VwGVG (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz) hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.
Gemäß § 28 Abs 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn
1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder
2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Gemäß § 28 Abs 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, liegen die Voraussetzungen des Abs 2 nicht vor, in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.
Gemäß § 31 Abs 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.
Gemäß § 24 Abs 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG kann eine Verhandlung entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist. Letzteres ist hier der Fall.
Zu A)
3.2. Für den Beschwerdefall sind folgende Bestimmungen des Heeresdisziplinargesetzes 2014 - HDG 2014, BGBl I. Nr. 2/2014, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. I. 102/2019, von Bedeutung:
"Mündliche Verhandlung
§ 73. (1) Erscheint der Beschuldigte zur mündlichen Verhandlung trotz ordnungsgemäß zugestellter Ladung nicht, so darf auch in seiner Abwesenheit verhandelt werden, wenn
1. er in der Ladung hierüber ausdrücklich in Kenntnis gesetzt wurde und
2. eine hinreichende Klärung des Sachverhaltes ohne seine Anwesenheit möglich erscheint.
(2) Auf Verlangen des Beschuldigten dürfen bei der mündlichen Verhandlung als Vertrauenspersonen anwesend sein insgesamt bis zu drei
1. Soldaten oder
2. Wehrpflichtige des Miliz- oder Reservestandes, die einen höheren Dienstgrad als Rekrut führen, oder
3. Mitglieder des für den Beschuldigten zuständigen Organs der Personalvertretung.
Der Senat darf zur mündlichen Verhandlung erforderliche Hilfskräfte beiziehen.
(3) Die mündliche Verhandlung hat mit der Verlesung des Einleitungsbeschlusses zu beginnen. Sodann ist der Beschuldigte zu vernehmen. Nach dieser Vernehmung sind die Beweise in der vom Senatsvorsitzenden bestimmten Reihenfolge aufzunehmen. Die Parteien haben das Recht, Beweisanträge zu stellen. Über die Berücksichtigung dieser Anträge hat der Senatsvorsitzende zu entscheiden. Die übrigen Senatsmitglieder haben jedoch das Recht, eine Beschlussfassung des Senates über die Berücksichtigung der Beweisanträge zu verlangen. Gegen die Entscheidung des Vorsitzenden oder des Senates über Beweisanträge ist kein abgesondertes Rechtsmittel zulässig.
(4) Der Vorsitzende ist berechtigt, die mündliche Verhandlung nach Notwendigkeit zu unterbrechen oder zu vertagen.
[...]
Disziplinarerkenntnis
§ 74. (1) Bei der Beschlussfassung des Senates über das Disziplinarerkenntnis ist nur Rücksicht zu nehmen auf
1. die Vorkommnisse in der mündlichen Verhandlung und
2. allfällige Stellungnahmen des Beschuldigten im Falle seiner Abwesenheit von der mündlichen Verhandlung.
[...]"
3.3. Beurteilung des konkreten Sachverhaltes (Zurückverweisung)
Gemäß § 28 Abs 3 2. Satz VwGVG kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen, sofern die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhaltes unterlassen hat.
Mit Erkenntnis vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063, hat der VwGH ausgesprochen, dass angesichts des in § 28 VwGVG insgesamt verankerten Systems die nach § 28 Abs 3 zweiter Satz VwGVG bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte darstellt. Von der Möglichkeit der Zurückverweisung sei nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch zu machen. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden.
Dies trifft hier zu: Die belangte Behörde hat zwar eine Verhandlung in Abwesenheit des BF durchgeführt und ein Disziplinarerkenntnis im Kommissionsverfahren erlassen, allerdings hätte sie im Hinblick auf die (begründet) leugnende Verantwortung des Beschwerdeführers im Rahmen der disziplinären Erhebungen, wenn sie schon die Ansicht vertritt, dass eine hinreichende Klärung des Sachverhaltes ohne seine Anwesenheit möglich erscheint, zumindest den rechtserheblichen Sachverhalt in der mündlichen Verhandlung, beispielsweise durch Befragung von Zeugen zu erheben gehabt.
Nachdem dies die belangte Behörde unterlassen hat und in weiterer Folge in der Begründung der schriftlichen Ausfertigung des mündlich verkündeten Disziplinarerkenntnisses einen verspäteten Beweisantrag des BF, der ihr zum Zeitpunkt der Erlassung des bekämpften Bescheides nicht vorlag, zu dessen Begründung herangezogen hat, belastet sie die schriftliche Ausfertigung des Bescheides auch dadurch mit Rechtswidrigkeit, weil sie Umstände beweiswürdigend heranzieht, die dem erkennenden Senat zum Zeitpunkt seiner Beschlussfassung nicht vorlagen und somit auch nicht berücksichtigt werden konnten.
Im gegenständlichen Fall ist der angefochtene Bescheid der belangten Behörde und das diesem zugrundeliegende Verfahren im Ergebnis so mangelhaft, dass die Zurückverweisung der Angelegenheit an die belangte Behörde zur Erlassung eines neuen Bescheides unvermeidlich ist. Weder erweist sich der Sachverhalt in Verbindung mit der Beschwerde als geklärt noch ergibt sich aus den bisherigen Ermittlungen sonst zweifelfrei, dass das Vorbringen des BF völlig unsubstantiiert wäre. Im vorliegenden Fall erscheint die belangte Behörde offenkundig an einer Klärung des Sachverhaltes nicht interessiert gewesen zu sein. Denn obwohl ihr vor der Verhandlung bekannt war, dass der BF sich im Krankenstand befindet und deswegen seine Teilnahme an der mündlichen Verhandlung durchaus fraglich ist, hat sie weder eine Vertagung der Verhandlung noch die Ladung von Zeugen zur Klärung des Sachverhaltes veranlasst.
Im fortgesetzten Verfahren wird die belangte Behörde die dargestellten Mängel (insbesondere auch die Einvernahme beantragter Zeugen in Anwesenheit des BF in einer mündlichen Verhandlung) zu verbessern und sodann ein neues Erkenntnis mit einer nachvollziehbaren Begründung zu erlassen haben.
Die Vornahme der notwendigen Erhebungen durch das BVwG selbst verbieten sich unter Berücksichtigung der oben dargestellten Ausführungen des VwGH und unter Effizienzgesichtspunkten. Die ausstehenden Ermittlungen bzw. Vernehmungen müssten aufgrund des Unmittelbarkeitsprinzips in einer oder mehreren Verhandlungen vor dem BVwG durchgeführt werden, was - jedenfalls kostenintensiver ist, als die Einvernahme durch die Disziplinarbehörde vor Ort.
Es ist daher spruchgemäß zu entscheiden.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Auf die dargestellte Rechtsprechung wird verwiesen.
Schlagworte
Begründungsmangel Begründungspflicht Beschuldigtenvernehmung Disziplinarerkenntnis Einvernahme Ermittlungsmangel Ermittlungspflicht Kassation mangelhaftes Ermittlungsverfahren mangelnde Feststellungen mangelnde Sachverhaltsfeststellung mündliche Verhandlung ZeugenbeweisEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W136.2214844.1.00Im RIS seit
20.08.2020Zuletzt aktualisiert am
20.08.2020