Entscheidungsdatum
25.03.2020Norm
B-VG Art133 Abs4Spruch
W136 2226901-1/2E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Brigitte HABERMAYER-BINDER über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen das Disziplinarerkenntnis des Bataillonskommandanten XXXX vom 21.11.2019, mit dem ein volles Ausgangsverbot an sieben Tagen verhängt wurde, beschlossen:
A)
In Erledigung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs 3 2. Satz VwGVG behoben und die Angelegenheit zur allfälligen Erlassung eines neuen Bescheides an die Disziplinarbehörde zurückverwiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer (BF) ist Rekrut beim XXXX des Österreichischen Bundesheeres.
2. Am 31.10.2019 wurde durch den Einheitskommandanten des BF im Zuge eines Rapports ein Disziplinarverfügung über sieben Tage volles Ausgangsverbot verhängt, weil der BF sich nicht wie befohlen am 23.10.2019 bei der TAs XXXX Kaserne gemeldet hätte. Gegen diese Disziplinarverfügung wurde vom BF am 05.11.19 Einspruch erhoben.
3. Am 12.11.20191 gab der Kdt AmbGrp & San UO zeugenschaftlich befragt Folgendes an: Nach Zuweisung und Vorstellung an der dermatologischen Abteilung des SanZO habe sich der BF am 22.10.2019 wie vorgesehen an der TAs seiner Dienststelle gemeldet und sei für den 23.10.2019, 06:30 Uhr, zur Arztvisite und Befundbesprechung in der Tas wiederbestellt worden. An diesen Termin sei er durch FOI XXXX am 22.20.2019 um 15:30 Uhr nochmals erinnert worden, als er wegen einer Verletzung neuerlich die Tas aufgesucht habe. Am 23.10.2019 sei der BF jedoch nicht erschienen, auch sei dem verantwortliche Zugskommandant um 07:30 Uhr mitgeteilt worden, dass der BF die TAs aufsuchen solle. Der BF sei letztlich jedoch erst am Nachmittag des 23.10.2019 erschienen, jedoch nur deswegen, weil er beim Sport gestürzt sei.
4. Am 19.11.2019 wurde ein Disziplinarerkenntnis mündlich verkündet und dieses am 21.11.2019 schriftlich ausgefertigt. Der Spruch lautet wie folgt (Anonymisierung durch BVwG):
"[....] Am 23 10 19 meldeten Sie sich jedoch nicht wie befohlen in der TAs XXXX -Kaserne. Beim befohlenen Rapport am 19.11.19 beim BKdt gaben sie zunächst an, vom Kdt AmbGrp & SanUO den Befehl erhalten zu haben, sich am 23 10 19 nicht wie befohlen in der TAs XXXX -Kaserne zu melden, gaben jedoch in weiterer Folge zu, darauf vergessen zu haben. Sie haben dadurch gegen § 7 Abs. 1 ADV verstoßen und eine Pflichtverletzung gemäß § 2 Abs. 1 des Heeresdisziplinargesetzes 2014 (HDG 2014), BGBl. I Nr. 2, begangen. Über Sie wird daher die Strafe volles Ausgangsverbot an 7 Tagen verhängt."
Begründend wird wie folgt ausgeführt:
"Im Zuge des Beweisverfahrens wurde der BKdt zu einer Stellungnahme den Sachverhalt betreffend angehalten, sowie eine Niederschrift mit dem Kdt AmbGrp durch diesen durchgeführt, welche die Pflichtverletzung bestätigten. Erschwerend kommt hinzu, dass gegen Sie bereits am 05.09.2019 ......"
5. Dagegen erhob der BF binnen der für das Kommandantenverfahren in diesem Fall vorgesehenen Frist von zwei Wochen am 02.12.2019 Beschwerde (Eingangsdatum), beantragte eine Verringerung der Strafe und begründete diese im Wesentlichen wie folgt:
Er sei nach Rückkehr vom Heeresspital zum Sani seiner Dienststelle gegangen, um dort die Befunde abzugeben. Die Frau Oberst sei jedoch nicht vor Ort gewesen, weshalb er die Befunde dem Vizeleutnant gegeben habe und gefragt habe, ob er am nächsten Tag kommen müsse und sonstiges zu erledigen habe. Der Vizeleutnant habe gesagt, dass alles erledigt sei. Am nächsten Tag habe er Sport gehabt, sich am Rücken verletzt und sei zum Sani gegangen, um sich untersuchen zu lassen. Dort habe ihn die Frau Oberst angeschrien, weil er nicht in der Früh um 06:30 Uhr beim Befundgespräch anwesend gewesen wäre. Er habe ihr versucht zu erklären, dass er nicht gewusst habe, dass er anwesend sein müsse und dass ihm vom Vizeleutnant gesagt worden sei, dass alles nach der Befundabgabe erledigt sei. Die Frau Oberst habe seine Entschuldigung nicht angenommen. Nach vier bis fünf Tagen sei er von Major XXXX mit sieben tagen Ausgangsverbot bestraft worden, was er nicht akzeptiert habe. Dann sei er zum Bataillonskommandanten geschickt worden, der die AV "akzeptiert" habe, weswegen er sich jetzt beschwere.
7. Mit Schriftsatz vom 19.12.2019 legte das Kdo Landstreitkräfte XXXX die Beschwerde und den Verwaltungsakt - ohne dass die belangte Behörde von der Möglichkeit einer Beschwerdevorentscheidung Gebrauch gemacht hat - dem BVwG zur Entscheidung vor.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen und Beweiswürdigung:
1.1. Zur Person des Beschuldigten (BF)
Beim BF handelt es sich um einen Soldaten (Dienstgrad: Rekrut) der seit Juli 2019 Grundwehrdienst beim XXXX leistet. Laut im Akt inliegender Stellungnahme seiner Einheit weist er seit Antritt des Grundwehrdienstes in disziplinärer Hinsicht mangelhaftes Verhalten auf, macht unwahre Angaben, befolgt Befehle nicht und schreckt auch nicht vor Fälschung von Unterlagen, wie der Ausgangsliste, zurück. Aus diesen Gründen sei er schon zweimal mit Ausgangsverbot (7 bzw. 3 Tage) bestraft worden.
1.2. Zum Sachverhalt
Der oben im Verfahrensgang dargestellte Sachverhalt konnte aufgrund der Aktenlage festgestellt werden.
Das Disziplinarerkenntnis erschöpft sich zum Sachverhalt in dem in Punkt I.4. angeführten Spruch und der dort angeführten Begründung, die allein schon hinsichtlich ihres Wortlautes entweder unverständlich (vgl. "...gaben sie zunächst an, vom Kdt AmbGrp & SanUO den Befehl erhalten zu haben, sich am 23 10 19 nicht wie befohlen in der TAs XXXX -Kaserne zu melden ") oder unrichtig sind (vgl. "wurde der BKdt zu einer Stellungnahme den Sachverhalt betreffend angehalten" - gemeint ist wohl, dass der BKdt eine Stellungnahme gefordert hat). Der angelastete Sachverhalt, nämlich ob dem BF ein Erscheinen in der TAs am 23.10.2019 morgens tatsächlich angeordnet war oder - wie der BF behauptet - nicht oder die Anordnung widerrufen wurde, steht nicht fest. Dies vor allem deswegen, weil in der Begründung des bekämpften Bescheides auf ein Beweisverfahren verwiesen wird, dessen Gang und Ergebnis mit keinem Wort dargestellt werden.
Warum den Angaben des einvernommenen Zeugen gefolgt wird und aufgrund welcher beweiswürdigender Überlegungen die belangte Behörde zur Ansicht kam, dass der gleichbleibenden Verantwortung des BF, er habe nicht gewusst, dass er am 23.10.2019 in der TAs zu erscheinen habe, nicht gefolgt wird, wird nicht dargelegt. Es wurde nämlich offenkundig von jenem Rapport, im Zuge dessen das vorliegende Disziplinarerkenntnis mündlich verkündet wurde, keine Niederschrift angefertigt.
2. Rechtliche Beurteilung:
2.1. Zuständigkeit
Art 131 B-VG regelt die grundsätzliche Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts hinsichtlich der Angelegenheiten der Vollziehung des Bundes, die unmittelbar von Bundesbehörden besorgt werden. Das Dienstrecht und damit auch das Disziplinarrecht der Beamten ist gemäß Art 10 Abs 1 Z 16 B-VG ebenso wie das Heeresdisziplinargesetz - HDG (als militärische Angelegenheit gemäß Art 102 Abs 2 B-VG) unmittelbar von Bundesbehörden zu vollziehen.
Gemäß § 6 BVwGG (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt mangels anderslautender gesetzlicher Anordnung in den anzuwendenden Gesetzen eine Einzelrichterzuständigkeit vor (vgl. § 75 HDG).
Gemäß § 28 Abs 1 VwGVG (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz) hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.
Gemäß § 28 Abs 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn
1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder
2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Gemäß § 28 Abs 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, liegen die Voraussetzungen des Abs 2 nicht vor, in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.
Gemäß § 31 Abs 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.
Gemäß § 24 Abs 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG kann eine Verhandlung entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist. Letzteres ist hier der Fall.
Zu A)
2.2. Gesetzliche Grundlagen und Judikatur
Für den Beschwerdefall sind folgende Bestimmungen des Heeresdisziplinargesetzes 2014 - HDG 2014, BGBl I. Nr. 2/2014, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. I. 102/2019 von Bedeutung (auszugsweise, Hervorhebungen durch BVwG):
"Kommandantenverfahren
Anwendungsbereich
§ 59. Im Kommandantenverfahren ist zu entscheiden über Pflichtverletzungen von
1. Soldaten, die Präsenzdienst leisten,
2. Soldaten, die dem Bundesheer auf Grund eines Dienstverhältnisses angehören, sofern keine strengere Strafe als die Geldbuße erforderlich ist, und
3. Wehrpflichtigen des Miliz- und Reservestandes.
Zuständigkeit
§ 60. (1) Zur Entscheidung über Pflichtverletzungen von Soldaten sind als Disziplinarkommandanten zuständig
1. der Einheitskommandant für die Erlassung von Disziplinarverfügungen und
2. der Disziplinarvorgesetzte für die Erlassung von Disziplinarerkenntnissen.
(2) Zur Entscheidung über Pflichtverletzungen von Wehrpflichtigen des Miliz- und Reservestandes ist jedenfalls der Disziplinarvorgesetzte zuständig.
Einleitung des Verfahrens
§ 61. (1) Gelangt dem für den Verdächtigen zuständigen Disziplinarkommandanten der Verdacht einer Pflichtverletzung zur Kenntnis, so hat diese Behörde zunächst den Sachverhalt zu prüfen. Liegen die Voraussetzungen für das Kommandantenverfahren vor, so hat der zuständige Disziplinarkommandant, der von diesem Sachverhalt zuerst Kenntnis erlangt hat, das Verfahren durch eine erste Verfolgungshandlung gegen den Verdächtigen einzuleiten. Die erfolgte Einleitung ist dem Beschuldigten, sofern das Verfahren nicht unmittelbar nach dieser Verfolgungshandlung eingestellt wird, unter Angabe der näheren Umstände der zugrunde liegenden Pflichtverletzung unverzüglich formlos mitzuteilen.
(2) Hinsichtlich Wehrpflichtiger des Miliz- und Reservestandes tritt an die Stelle des Einheitskommandanten der für den Verdächtigen zuständige Disziplinarvorgesetzte.
Durchführung des ordentlichen Verfahrens
§ 62. (1) Dem Beschuldigten sind die Erhebungsergebnisse vorzuhalten. Eine mündliche Verhandlung ist durchzuführen, wenn dies zur Aufklärung des Sachverhaltes notwendig oder zweckmäßig erscheint. Die Disziplinarbehörde darf aus ihrem Zuständigkeitsbereich erforderliche Hilfskräfte zu einer solchen Verhandlung beiziehen. Findet keine mündliche Verhandlung statt, so ist das Ermittlungsverfahren schriftlich durchzuführen.
(2) Liegen die Voraussetzungen für das abgekürzte Verfahren nicht vor, so hat der Einheitskommandant dem Disziplinarvorgesetzten Meldung zu erstatten. In diesem Falle hat der Disziplinarvorgesetzte
1. das Disziplinarverfahren als ordentliches Verfahren durchzuführen oder
2. die Disziplinaranzeige zu erstatten, wenn bei einem Soldaten, der dem Bundesheer auf Grund eines Dienstverhältnisses angehört, eine Geldstrafe oder die Entlassung oder die Unfähigkeit zur Beförderung oder die Degradierung erforderlich erscheint.
(3) Das Verfahren ist durch die Disziplinarkommandanten formlos einzustellen, wenn
1. der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Pflichtverletzung nicht begangen hat oder diese Pflichtverletzung nicht erwiesen werden kann oder Umstände vorliegen, die die Strafbarkeit ausschließen, oder
2. die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat keine Pflichtverletzung darstellt oder
3. Umstände vorliegen, die die Verfolgung ausschließen, oder
4. die Schuld des Beschuldigten gering ist, die Tat keine oder nur unbedeutende Folgen nach sich gezogen hat und überdies eine Bestrafung nicht geboten ist, um den Beschuldigten von weiteren Pflichtverletzungen abzuhalten oder um Pflichtverletzungen anderer Personen entgegenzuwirken.
Wurde einem Beschuldigten die Einleitung eines Disziplinarverfahrens bereits mitgeteilt, so ist ihm auch die formlose Einstellung des Verfahrens unter Hinweis auf den Einstellungsgrund nach Z 1 bis 4 mitzuteilen.
(4) Wird hinsichtlich der dem Verfahren zugrunde liegenden Pflichtverletzung eine Disziplinaranzeige erstattet, so gilt das Verfahren ab dem Zeitpunkt der Erstattung dieser Anzeige als eingestellt. Dies gilt auch, wenn der Beschuldigte hinsichtlich einer solchen Pflichtverletzung die Einleitung eines Kommissionsverfahrens gegen sich selbst beantragt, ab dem Zeitpunkt des Einlangens dieses Antrages beim Disziplinarvorgesetzten.
(5) Wird das Disziplinarverfahren nicht eingestellt, so ist ein Disziplinarerkenntnis zu fällen.
Disziplinarerkenntnis
§ 63. (1) Disziplinarerkenntnisse können mündlich oder schriftlich ergehen. Sie sind in jedem Fall schriftlich zu erlassen, sofern
1. eine Geldstrafe oder die Unfähigkeit zur Beförderung oder die Degradierung verhängt wird oder
2. der Beschuldigte im Zeitpunkt der Erlassung dem Miliz- oder Reservestand angehört.
(2) Ergeht ein Disziplinarerkenntnis nach einer mündlichen Verhandlung, so ist nur darauf Rücksicht zu nehmen, was in dieser Verhandlung vorgekommen ist.
(3) Der Spruch des Disziplinarerkenntnisses hat zu enthalten
1. die als erwiesen angenommenen Taten,
2. die durch die Taten verletzten Pflichten,
3. die verhängte Strafe oder einen Schuldspruch ohne Strafe,
4. den allfälligen Ausschluss der Veröffentlichung und
5. die angewendeten gesetzlichen Bestimmungen.
(4) Der Inhalt und die Verkündung eines mündlich ergangenen Disziplinarerkenntnisses ist, wenn die Verkündung bei einer mündlichen Verhandlung erfolgt, am Schluss der Verhandlungsschrift, in anderen Fällen in einer besonderen Niederschrift zu beurkunden.
Abgekürztes Verfahren und Disziplinarverfügung
§ 64. (1) Der für den Beschuldigten zuständige Einheitskommandant darf in einem bei ihm anhängigen Disziplinarverfahren ohne Ermittlungsverfahren eine Disziplinarverfügung erlassen (abgekürztes Verfahren), sofern
1. a) ein Beschuldigter vor einem Vorgesetzten, der zumindest Einheitskommandant ist, eine Pflichtverletzung gestanden hat oder
b) eine Pflichtverletzung auf Grund eines eindeutigen Sachverhalts als erwiesen anzunehmen ist oder
c) ein Beschuldigter wegen des der Pflichtverletzung zugrunde liegenden Tatbestandes rechtskräftig im Rahmen eines strafgerichtlichen Verfahrens verurteilt oder verwaltungsstrafbehördlichen Verfahrens bestraft wurde
und
2. keine strengere Disziplinarstrafe erforderlich ist als
a) ein Ausgangsverbot bei Soldaten, die den Grundwehrdienst leisten, oder
b) eine Geldbuße bei allen anderen Soldaten.
(2) Hinsichtlich der Einstellung gilt § 62 Abs. 3 und 4.
(3) Disziplinarverfügungen können mündlich oder schriftlich ergehen. Sie sind gegen einen Wehrpflichtigen, der im Zeitpunkt der Erlassung dem Miliz- oder Reservestand angehört, jedenfalls schriftlich zu erlassen.
(4) Der Spruch der Disziplinarverfügung hat zu enthalten
1. die als erwiesen angenommenen Taten,
2. die durch die Taten verletzten Pflichten,
3. die verhängte Strafe oder einen Schuldspruch ohne Strafe,
4. den allfälligen Ausschluss der Veröffentlichung und
5. die angewendeten gesetzlichen Bestimmungen.
Disziplinarverfügungen bedürfen keiner Begründung.
Beschwerden gegen Disziplinarerkenntnisse
§ 65. (1) Die Beschwerdefrist gegen Disziplinarerkenntnisse beträgt zwei Wochen. Gehört der Beschuldigte in jenem Zeitpunkt, in dem das Disziplinarerkenntnis gefällt wird, dem Miliz- oder Reservestand an, so beträgt die Beschwerdefrist vier Wochen.
.......
Einspruch gegen Disziplinarverfügungen
§ 66. (1) Der Beschuldigte kann gegen eine Disziplinarverfügung Einspruch erheben. Dieser bedarf keiner Begründung. Die Einspruchsfrist beträgt eine Woche. Gehört der Beschuldigte in jenem Zeitpunkt, in dem die Disziplinarverfügung gefällt wird, dem Miliz- oder Reservestand an, so beträgt die Einspruchsfrist zwei Wochen. Der rechtzeitige Einspruch setzt die Disziplinarverfügung außer Kraft, er bewirkt jedoch nicht die Einstellung des Verfahrens. Das Disziplinarverfahren ist vom Disziplinarvorgesetzten als ordentliches Verfahren fortzuführen und abzuschließen.
...."
Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) hat dazu ua. folgende einschlägigen Aussagen getroffen:
Angesichts des in § 28 VwGVG 2014 insgesamt verankerten Systems stellt die nach § 28 Abs 3 zweiter Satz VwGVG 2014 bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte dar. Nach dem damit gebotenen Verständnis steht diese Möglichkeit bezüglich ihrer Voraussetzungen nicht auf derselben Stufe wie die im ersten Satz des § 28 Abs 3 VwGVG 2014 verankerte grundsätzliche meritorische Entscheidungskompetenz der Verwaltungsgerichte. Vielmehr verlangt das im § 28 VwGVG 2014 insgesamt normierte System, in dem insbesondere die normative Zielsetzung der Verfahrensbeschleunigung bzw. der Berücksichtigung einer angemessenen Verfahrensdauer ihren Ausdruck findet, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht wird. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (VwGH 26.06.2014, Ro 2014/03/0063; 10.09.2014, Ra 2014/08/0005).
Für eine den §§ 58, 60 AVG entsprechende Begründung eines Bescheides ist es erforderlich, jenen Sachverhalt, den die Behörde als erwiesen annimmt, unzweideutig in eigenen Worten festzustellen. Eine Begründung, in der die belangte Behörde nicht preisgibt, von welchem konkreten Sachverhalt sie überhaupt ausgegangen ist, genügt diesen Anforderungen nicht (vgl. E 16. November 2012, 2012/02/0203, VwGH 09.10.2014, 2013/02/0269).
Dem Verstoß gegen die Begründungspflicht gem. §§ 58 Abs 2 und 60 iVm § 67 AVG 1950 liegt eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften dann vor, wenn die belangte Behörde bei Einhaltung derselben einem anderen Bescheid hätte kommen können (Hinweis E 14.11.1980, 753/78, VwGH 19.03.1991, 87/05/0196).
2.3. Beurteilung des konkreten Sachverhaltes (Zurückverweisung)
Gemäß § 28 Abs 3 2. Satz VwGVG kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen, sofern die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhaltes unterlassen hat.
Im vorliegenden Fall war, nachdem der BF gegen eine Disziplinarverfügung Einspruch erhoben hat, das Disziplinarverfahren als ordentliches Verfahren zu führen.
Gemäß § 61 Abs. 1 HDG sind in diesem Verfahren dem Beschuldigten die Erhebungsergebnisse vorzuhalten, eine mündliche Verhandlung durchzuführen, wenn dies zur Aufklärung des Sachverhaltes notwendig oder zweckmäßig erscheint, oder, wenn keine mündliche Verhandlung stattfindet, ein schriftliches Ermittlungsverfahren durchzuführen.
Diese Verfahrensvorschriften wurden nicht eingehalten. Ein schriftliches Ermittlungsverfahren hat insofern stattgefunden, als ein Zeuge niederschriftlich befragt wurde, das Ergebnis dieser Befragung ist nach der Aktenlage dem Beschuldigten aber weder schriftlich vorgehalten worden noch wurde eine mündliche Verhandlung durchgeführt. Zwar wurde ein mündliches Disziplinarerkenntnis im Zuge eines Rapports erlassen, ob dem Beschuldigten das Ermittlungsergebnis vor Erlassung dieses Disziplinarerkenntnisses mitgeteilt wurde und inwiefern ihm Gelegenheit gegeben wurde, sich dazu zu äußern, ist nicht ersichtlich, weil diesbezüglich keine Niederschrift aufgenommen wurde.
Gemäß § 63 Abs. 4 HDG 2014 sind der Inhalt und die Verkündung eines mündlich ergangenen Disziplinarerkenntnisses, wenn die Verkündung bei einer mündlichen Verhandlung erfolgt, am Schluss der Verhandlungsschrift, in anderen Fällen in einer besonderen Niederschrift zu beurkunden.
Auch diese Vorschrift der zwingenden Beurkundung eines mündlich erlassenen Disziplinarerkenntnisses in einer besonderen Niederschrift wurde im gegenständliche Fall missachtet, da keine Niederschrift aufgenommen wurde, sondern zwei Tage nach der mündlichen Verkündung ein schriftliches Erkenntnis erlassen wurde.
Mit Erkenntnis vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063, hat der VwGH ausgesprochen, dass angesichts des in § 28 VwGVG insgesamt verankerten Systems die nach § 28 Abs 3 zweiter Satz VwGVG bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte darstellt. Von der Möglichkeit der Zurückverweisung sei nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch zu machen. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden.
Dies trifft hier zu, die belangte Behörde hat keine mündliche Verhandlung durchgeführt obwohl nach dem Einspruch des BF gegen die Disziplinarverfügung der Sachverhalt offenkundig klärungsbedürftig gewesen ist. Das Ergebnis einer niederschriftlichen Zeugenbefragung wurde dem BF jedenfalls schriftlich nicht vorgehalten. Obwohl keine mündliche Verhandlung durchgeführt wurde, hat die belangte Behörde ein mündliches Disziplinarerkenntnis erlassen, ohne dies entsprechend in einer Niederschrift zu beurkunden.
Im gegenständlichen Fall ist der angefochtene Bescheid der belangten Behörde und das diesem zugrunde liegende Verfahren im Ergebnis so mangelhaft, dass die Zurückverweisung der Angelegenheit an die belangte Behörde zur Erlassung eines neuen Bescheides unvermeidlich ist. Weder erweist sich der Sachverhalt in Verbindung mit der Beschwerde als geklärt noch ergibt sich aus den bisherigen Ermittlungen sonst zweifelfrei, dass das Vorbringen des BF nicht den Tatsachen entspräche. Im Gegenteil ist das Verfahren der belangten Behörde mit den oben dargestellten Mängeln behaftet, weil schriftliche Ermittlungsergebnisse dem BF nicht vorgehalten wurden und zudem eine mündliche Verhandlung nicht stattgefunden hat.
Im fortgesetzten Verfahren wird die zuständige Disziplinarbehörde die dargestellten Mängel zu verbessern und sodann ein neues Erkenntnis mit einer nachvollziehbaren Begründung zu erlassen haben.
Die Vornahme der notwendigen Erhebungen durch das BVwG selbst verbietet sich unter Berücksichtigung der oben dargestellten Ausführungen des VwGH und unter Effizienzgesichtspunkten. Die ausstehenden Ermittlungen bzw. Vernehmungen müssten aufgrund des Unmittelbarkeitsprinzips in einer oder mehreren Verhandlungen vor dem BVwG durchgeführt werden, was jedenfalls kostenintensiver ist, als die Einvernahme durch die Disziplinarbehörde vor Ort.
Es ist daher spruchgemäß zu entscheiden.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Auf die dargestellte Rechtsprechung wird verwiesen.
Schlagworte
Disziplinarerkenntnis Disziplinarstrafe Disziplinarverfahren Ermittlungspflicht Ermittlungsschutz Kassation mangelhaftes Ermittlungsverfahren mangelnde Feststellungen mangelnde Sachverhaltsfeststellung Rekrut ZurückverweisungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W136.2226901.1.00Im RIS seit
20.08.2020Zuletzt aktualisiert am
20.08.2020