Entscheidungsdatum
26.03.2020Norm
BDG 1979 §125aSpruch
W116 2212101-1/8E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Mario DRAGONI als Vorsitzenden sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Martin PEYERL und Mag. Irene JANISCH über die Beschwerde des XXXX , vertreten durch die Rechtsanwälte BERCHTOLD und KOLLERICS, gegen das Disziplinarerkenntnis der Disziplinarkommission beim Bundesministerium (für Verfassung, Reformen, Deregulierung und) Justiz vom 06.11.2018, Zl 101 Ds 1/17v, betreffend die Verhängung der Disziplinarstrafe der Entlassung nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 25.02.2020 zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde des Disziplinarbeschuldigten wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs. 2 Z 1 VwGVG insofern abgeändert, als über den Beschwerdeführer an Stelle der Entlassung gemäß § 92 Abs. 1 Z 3 BDG 1979 die Disziplinarstrafe der Geldstrafe in der Höhe von vier Monatsbezügen verhängt wird.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der am XXXX geborene Beschwerdeführer (BF) wurde XXXX als Vertragsbediensteter l/d beim Bezirksgericht XXXX in den Justizdienst aufgenommen. Mit XXXX wurde er auf eine Planstelle des mittleren Dienstes in der Dienstklasse III beim Bezirksgericht XXXX ernannt. Ab dem Jahr 1990 wurde er als Gerichtsvollzieher eingesetzt. Mit Wirksamkeit vom XXXX wurde er zum Oberlandesgericht XXXX versetzt und wieder mit dem Arbeitsplatz eines Gerichtsvollziehers (Bewertung A3/2) betraut.
2. Mit Bescheid des OLG XXXX vom 11.05.2017 wurde der BF gemäß § 112 Abs. 1 BDG vorläufig vom Dienst suspendiert.
3. Mit Schreiben des OLG XXXX vom 30.05.2017 wurde gegen den BF wegen der gegenständlichen Vorwürfe eine Disziplinaranzeige an die Disziplinarkommission erstattet.
4. Mit Bescheid der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz (in der Folge DK) vom 13.06.2017 wurde gegen den BF wegen gegenständlicher Vorwürfe gemäß § 123 Abs. 1 BDG ein Disziplinarverfahren eingeleitet. Mit Spruchpunkt II. wurde die mit Bescheid des OLG XXXX vom 11.05.2017 ausgesprochene vorläufige Suspendierung des Beschwerdeführers gemäß § 112 Abs. 3 BDG aufgehoben und mit Spruchpunkt III das eingeleitete Disziplinarverfahren bis zur rechtskräftigen Beendigung des in der Sache anhängigen Strafverfahrens unterbrochen.
Hinsichtlich Spruchpunkt II. (Aufhebung der vorläufigen Suspendierung) führte die DK nach Zitat und Auslegung des § 112 BDG unter anderem Folgendes aus (auszugsweise, anonymisiert):
"Es besteht nun kein Zweifel, dass das Verhalten des Disziplinarbeschuldigten grundsätzlich eine Dienstpflichtverletzung darstellt. Im Hinblick darauf, dass der Disziplinarbeschuldigte offensichtlich mit der Erfüllung seiner Aufgaben überlastet war und sich aus dem Personalakt keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass er sich in der Vergangenheit bereits Dienstpflichtverletzungen zu Schulden kommen hat lassen, kann nicht davon ausgegangen werden, dass seine Einstellung zum Dienst als gestört zu erachten ist. Die Gefahr von Beispielsfolgen ist im Hinblick auf das behängende Strafverfahren und das einzuleitende Disziplinarverfahren nicht zu befürchten. Die Einstellung des Disziplinarbeschuldigten zu den rechtlich geschützten Werten erfordert ebenfalls nicht die Suspendierung, da er, wie sich aus seinem Vernehmungen vom 11., 18. Und 24. April 2017 ergibt, seinen Dienstpflichtverletzungen letztlich einsichtig gegenübersteht. Dazu kommt, dass der Disziplinarbeschuldigte mit Verfügung des Präsidenten des Oberlandesgerichts X vom 28. April 2017 vom Vollzugsdienst abgezogen und mit Wirksamkeit vom 2. Mai 2017 bis auf weiteres dem Bezirksgericht Y als Kanzleimitarbeiter dienstzugeteilt wurde. Im vorliegenden Fall kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass zum Verdacht einer Dienstpflichtverletzung besondere Umstände hinzutreten, die zu einer negativen Prognose für die weitere dienstliche Tätigkeit berechtigen und eine Prävention für notwendig erscheinen lassen. Ein Belassen des Disziplinarbeschuldigten im Dienst gefährdet somit nicht wesentliche Interessen des Dienstes. ...
Die im Raum stehende Vorgangsweise des Disziplinarbeschuldigten erreicht nach Ansicht der Disziplinarkommission nicht jene Schwelle, bei der ein Verhalten eines Beamten in der Bevölkerung für berechtigte Empörung sorgt oder besonderes Aufsehen erregt. Hier ist zu berücksichtigen, dass in den Augen der Bevölkerung an bestimmte Berufsgruppen der Beamtenschaft ein höherer und sensiblerer Maßstab angelegt wird als bei anderen, da diese ganz besonders im Rampenlicht der Öffentlichkeit stehen (wie etwa Exekutivbeamte, Richter, Lehrer oder im Beschaffungswesen tätige Beamte). Vergleicht man die Dienstpflichtverletzungen des Disziplinarbeschuldigten mit jenen Fällen, in denen vom VwGH eine Suspendierung bejaht wurde (s. Kucsko-Stadlmayer, Das Disziplinarrecht der Beamten, 518 -522), die im Wesentlichen Diebstähle, Körperverletzungen, schweren Betrug, Unterschlagungen, sexuelle Übergriffe uä zum Inhalt haben, so bleibt das ihm vorgeworfenen Verhalten hinter diesen Fällen deutlich zurück. Da der Gesetzgeber somit die Suspendierung nicht generell an jegliche Dienstpflichtverletzung knüpft, sondern eine Abstufung vornimmt, ist davon auszugehen, dass die dem Disziplinarbeschuldigten vorgeworfenen Dienstpflichtverletzungen unter der in § 112 BDG eingezogenen Schwelle für die Suspendierung bleiben. Die Suspendierung war daher aufzuheben."
5. In dem gegen den BF in der Sache durchgeführten gerichtlichen Strafverfahren wurde dieser mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen XXXX vom 17.01.2018 schuldig gesprochen, er hat (anonymisiert):
"im Zeitraum von 1. Jänner 2016 (jedenfalls ab 4.1.2016 ) bis 31. März 2017 in F und anderen Orten des Bundesgebietes als Gerichtsvollzieher, sohin als Beamter (§ 74 Abs. 1 Z 4 StGB), in einer Vielzahl von Angriffen mit dem Vorsatz, dadurch die betreibenden Gläubiger in ihrem Recht auf einen ordnungsgemäßen Exekutionsvollzug und Befriedigung ihrer Ansprüche zu schädigen, seine Befugnis, als Gerichtsvollzieher im Namen des Bundes als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, dadurch wissentlich (§ 5 Abs. 3 StGB) missbraucht, dass er entgegen seiner Verpflichtungen, Vollzugshandlungen an dem im Antrag auf Exekutionsbewilligung genannten Ort zu vollziehen, den Vollzugsort nicht aufsuchte, fälschlich beurkundete, keine pfändbaren Gegenstände vorgefunden zu haben, in zumindest 1016 Fällen überhöhte Gebühren verzeichnete und sich dadurch unrechtmäßig bereicherte, dass er fälschlich Fahrtkosten von jeweils EUR 2,30 (§ 19 Abs. 1 Z 3 VGebG) sowie die Vergütung für die unterbliebene Pfändung mangels pfändbarer Gegenstände von jeweils EUR 2,00 ( § 11 Abs. 3 VGebG) verzeichnete und dadurch einen Schaden in einem Betrag von insgesamt EUR 4.368,80 zum Nachteil der Republik Österreich und in nicht näher bekannter Höhe zum Nachteil der betroffenen Gläubiger, im Zweifel sohin insgesamt den Betrag von EUR 50.000,00 nicht übersteigender Höhe, herbeiführte.
(Der BF) hat hierdurch das Verbrechen des Missbrauchs der Amtsgewalt nach dem § 302 Abs. 1 StGB begangen und wird hierfür unter Bedachtnahme auf § 29 StGB nach § 302 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe im Ausmaß von 10 (zehn) Monaten, wobei diese Freiheitsstrafe unter Einschaltung der Bestimmung des § 43 Abs. 1 StGB unter Probezeitsetzung von drei Jahren bedingt nachgesehen wird, sowie gemäß § 389 StPO zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens verurteilt.
Darüber hinaus wird dem Angeklagten XXXX die gerichtliche Weisung gegeben, längstens binnen einer Frist von acht Wochen der Republik Österreich den Schaden in der Höhe von EUR 4.368,80 zu ersetzen und den Nachweis darüber dem gefertigten Gericht zu erbringen."
In der Begründung wurde Folgendes ausgeführt (auszugsweise; anonymisiert):
"... Die getroffenen Feststellungen ergeben sich hinsichtlich des objektiven Sachverhaltes aufgrund der umfassenden Berichterstattung und Mitteilung der Justizbehörde in Verbindung mit den polizeilichen Erhebungsergebnissen und der Verantwortung des Angeklagten selbst, der bereits im Zuge des Vorverfahrens - wie auch anlässlich der Hauptverhandlung - ein vollinhaltliches Geständnis abgab, wodurch letztlich auch die subjektive Tatseite abzuleiten und festzustellen war. Es erübrigt sich daher in diesem Zusammenhang eine weitere Beweiswürdigung, wobei das Schöffengericht allerdings anmerkt, dass Feststellungen dahingehend, dass der Angeklagte diese Handlungen setzte, um sich einen finanziellen Vorteil daraus zu verschaffen, nicht getroffen werden konnten. Die durchaus glaubwürdige Verantwortung des Angeklagten, der sich auch sonst äußerst kooperativ und umfassen inhaltlich sogar rückhaltlos - geständig zeigte, war zu folgen, anderslautende Verfahrensergebnisse lagen auch nicht vor. ...
... Unter Berücksichtigung der Strafzumessungsgründe und der Täterpersönlichkeit ist die über den Angeklagten verhängte Freiheitsstrafe im Ausmaße von zehn Monaten sowohl schuld- als auch tatadäquat. Angesichts der Milderungsgründe erachtet das Gericht aber auch unter Berücksichtigung der Täterpersönlichkeit, dass mit einer bedingten Strafnachsicht das Auslangen gefunden werden kann, um den Täter von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten, es sprechen sohin keine spezialpräventiven Umstände dagegen. Darüber hinaus vermeint das Schöffengericht, dass in Hinblick darauf, dass der Angeklagte offensichtlich mit der Erfüllung seiner Aufgaben letztlich überlastet war und es nur deshalb zu diesen unrichtigen und unterlassenen Vollzügen gekommen ist, der Angeklagte sonst über Jahre bzw. sogar Jahrzehnte hinaus äußerst zufriedenstellend arbeitete und sich auch sonst nichts zu Schulden kommen hat lassen, keine grundsätzlich negative Einstellung des Angeklagten zu seinem Dienst und zu seinem Dienstgeber abzuleiten ist. Auch die grundsätzliche Einstellung des Angeklagten zu den rechtlich geschützten Werten ist fallbezogen nicht als extrem negativ zu bewerten, auf das inhaltlich "rückhaltlose Geständnis" und die diesbezüglichen Motive der unterlassenen Exekutionen ist zu verweisen, diese wurden auch vom Angeklagten ganz offen dargelegt. Fallbezogen bedeutet dies aber auch, dass es keiner strengeren Bestrafung des Angeklagten bedarf, da nicht jene Schwelle, bei der ein Verhalten eines Beamten in der Bevölkerung für berechtigte Empörung sorgt oder sonstiges besonderes Aufsehen erregt, erreicht wurde bzw. gegeben ist. Zutreffend ist auch, dass der Beamte naturgemäß im Rampenlicht der Öffentlichkeit steht, das bewertende Verhalten des Angeklagten ist allerdings in Bezug auf sonstige vom Beamten zu vertretende Handlungen bezüglich des Unrechtsgehaltes und der Schuldseite, aber auch bezüglich der Außenwirkung wesentlich zurückgesetzter als in sonstigen Fällen, die bekannt wurden und zu Verurteilungen führten. ..."
6. Mit Urteil vom 09.05. 2018 gab das OLG XXXX der Berufung des Staatsanwalts dahin Folge, dass der Strafausspruch aufgehoben und über den BF gemäß § 302 Abs. 1 StGB in Anwendung des § 43a Abs. 2 StGB eine Geldstrafe von 240 Tagessätzen zu je 20.- Euro, im Uneinbringlichkeitsfall 120 Tage Ersatzfreiheitstrafe, und eine unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehenen achtmonatigen Freiheitsstrafe verhängt wurde.
In der Begründung wurde ausgeführt (auszugsweise, anonymisiert):
"... Bei der Strafzumessung wertete das Erstgericht, ausgehend von dem in § 302 Abs. 1 StGB normierten Strafrahmen von sechs Monaten bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe, das reumütige und der Wahrheitsfindung dienende Geständnis des Angeklagten, seinen ordentlichen Lebenswandel und eine teilweise Schadensgutmachung im Betrag von EUR 1.500,00 als mildernd. Als erschwerend berücksichtigte es den ein Jahr übersteigenden Deliktszeitraum und die Vielzahl der Angriffe. Davon ausgehend erachtete es die Verhängung einer zehnmonatigen Freiheitsstrafe als schuld- und tatadäquat, wobei es weder aus spezial- noch aus generalpräventiven Gründen des Vollzugs der Strafe bedürfe, weshalb diese zur Gänze bedingt nachgesehen werden könne.
Gegen das Urteil richtet sich die zum Nachteil des Angeklagten erhobene Berufung der Staatsanwaltschaft, in der die Anhebung der (bedingten) Freiheitsstrafe, in eventu die Anwendung des § 43a Abs 2 StGB beantragt wird (ON 15).
Die Berufung hat im spruchgemäßen Umfang Erfolg.
Die Strafzumessungsgründe wurden vom Erstgericht zutreffend erfasst. Zu Gunsten des Angeklagten ist nunmehr zusätzlich auch noch zu berücksichtigen, dass er in der Zwischenzeit in Entsprechung der erteilten Weisung den gesamten Schaden der Republik Österreich gutgemacht und dies durch Vorlage eines Einzahlungsbelegs nachgewiesen hat (ON 14). Aufgrund des dargelegten Strafzumessungssachverhalts bedarf es zwar nicht der von der Anklagebehörde primär begehrten Anhebung des Strafmaßes. Das Vorliegen der in § 43 Abs. 1 StGB normierten Voraussetzungen für die bedingte Nachsicht der ganzen Freiheitsstrafe ist allerdings - wie die Berufungswerberin zutreffend argumentiert - zu verneinen. ...
...Das Berufungsgericht übersieht bei der Beurteilung dieser Voraussetzungen nicht, dass der Angeklagte bisher einen tadellosen Lebenswandel geführt hat und ihm von seiner Vorgesetzten überdies ein hervorragender Einbringungserfolg attestiert wurde (Protokoll zum Mitarbeitergespräch ON 7 AS 67; ZV R ON 7 AS 585). Im Hinblick darauf, dass er außerdem seit der Aufhebung der Suspendierung im Aktenlager beschäftigt ist und eine weitere Tätigkeit als Gerichtsvollzieher nicht mehr anstrebt, würde somit bloß aus spezialpräventiven Gründen ein auch nur teilweiser Vollzug der Strafe nicht geboten erscheinen.
Aufgrund der zahlreichen über einen mehr als einjährigen Deliktszeitraum gesetzten Angriffe, die dem Angeklagten nach dem rechtskräftigen Schuldspruch zur Last liegen, bedarf es allerdings aus generalpräventiven Aspekten neben einer bedingten Freiheitsstrafe auch noch einer fühlbaren Sanktion, weil die Verhängung einer gänzlich bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe für die falsche Beurkundung von Vollzügen in mehr als 1000 Fällen einer Bagatellisierung derartiger Verhaltensweisen gleichkäme und in der Öffentlichkeit auf völliges Unverständnis stoßen würde. Damit erweist sich im konkreten Fall die Verhängung einer Strafenkombination gemäß § 43a Abs. 2 StGB in Form einer unbedingten Geldstrafe von 240 Tagessätzen und einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von acht Monaten als angemessen.
Der Angeklagte bezieht unter Berücksichtigung der Sonderzahlungen ein monatliches Nettoeinkommen von EUR 2.100,00. Er ist sorgepflichtig für eine 20-jährige Tochter und unterstützt ein weiteres Kind im Alter von 26 Jahren finanziell, welches ein Studium absolviert, nebenbei arbeitet und noch nicht zur Gänze selbsterhaltungsfähig ist. Er ist alleiniger Eigentümer eines Einfamilienhauses, in dem die Familie wohnt, und hat keine Schulden. Davon ausgehend entspricht ein Tagessatz von EUR 20,00 seinen persönlichen Verhältnissen und seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. ..."
7. Mit Schreiben vom 08.11.2018 wurde dem BF mitgeteilt, dass im Hinblick auf das rechtskräftige Strafurteil in Aussicht genommen werde von einer mündlichen Verhandlung abzusehen. Unter einem wurde ihm die Möglichkeit eingeräumt dazu eine schriftliche Stellungnahme zu erstatten.
8. Mit Schreiben vom 25.10.2018 brachte der BF über seinen rechtlichen Vertreter eine Stellungnahme bei der DK ein. Darin wird im Wesentlichen ausgeführt, dass der BF im strafgerichtlichen Verfahren ein vorbehaltloses Geständnis abgelegt habe, obwohl sich aus den einzelnen Handlungen ergebe, dass es bei den der Anklage zu Grunde gelegten Fakten zu Überschneidungen gekommen sei und es in manchen Fällen daher zu keinen Malversationen des Angeklagten gekommen sein könne. Es sei aber nicht die Absicht und das Ziel des BF, hier die von ihm begangenen Taten zu bagatellisieren. Das Erstgericht habe zu Recht festgehalten, dass der BF bisher einen tadellosen privaten und beruflichen Lebenswandel gepflogen habe. So hätten ihm selbst die den Sachverhalt anzeigenden Kollegen und Vorgesetzten einen überdurchschnittlich guten Einbringungserfolg attestiert und hätten sich auch nicht vorstellen können, wie es zu den Rechtsübertretungen gekommen sei. Aufgrund der vom Gericht festgestellten persönlichen Belastung und des sehr großen Arbeitsanfalls im Gericht sei es zu Rückständen bei den Exekutionsvollzügen gekommen, die sich in der Folge gesteigert hätten, was letztendlich zu den amtsmissbräuchlichen Handlungen geführt habe. Das Gericht habe auch festgestellt, dass der BF sich in keiner Weise unrechtmäßig bereichern wollte und der Schaden der Republik Österreich hier letztendlich nur eine Folge aus den unrechtmäßigen Handlungen gewesen und nicht bewusst zugefügt worden sei. Es werde ersucht all diese Feststellungen des Strafgerichts auch bei der Strafbemessung zu berücksichtigen. Hinzu komme, dass der BF nach seiner zunächst ausgesprochenen Suspendierung Dienst im Aktenlager des Bezirksgerichts versehe und daher auch Gehaltseinbußen von rund 1.500,- Euro monatliche erleide. In der Aufhebung der Suspendierung habe die DK festgehalten, dass die zunächst ausgesprochene Suspendierung deshalb aufgehoben werde, weil die Anschuldigungen gegen den BF zwar ein Verbrechen darstellen würden, allerdings nicht so gravierend seien, dass eine Suspendierung notwendig wäre. Hieraus sei abzulesen, dass die DK nicht von einem Amtsverlust ausgegangen sei. Es sei auch das Erstgericht zum Ergebnis gelangt, dass jene Schwelle, bei der ein Verhalten eines Beamten besonderes Aufsehen errege, nicht überschritten worden sei. Die Handlungen des BF seien sowohl bezüglich des Unrechtsgehalts als auch hinsichtlich der Schuldseite wesentlich zurückgesetzter als in sonstigen Fällen, die bekannt wurden und zu Verurteilungen führten. Im Strafverfahren seien sämtliche Aspekte der Rechtsübertretungen des BF beleuchtet worden. Der BF habe im Rahmen des Strafverfahrens auch eine Strafe erhalten, welche knapp an der Grenze des Amtsverlustes liege, weshalb im Rahmen des Disziplinarverfahrens zu prüfen sei, ob überhaupt ein disziplinärer Überhang im Sinne des § 65 Abs. 1 BDG vorliege. Jedenfalls sei der BF durch seine Handlungen und die daraus resultierenden Konsequenzen, insbesondere die zu zahlende Geldstrafe verbunden mit der erfolgten Einkommensreduktion massiv in seiner Existenz gefährdet, weshalb eine weitere hohe Geldstrafe diese Grenze möglicherweise sogar überschreiten würde. Die DK möge daher höflichst die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse und die Leistungsfähigkeit des Beamten in Bedacht nehmen. Schließlich wurde der Antrag gestellt, eine tat- und schuldangemessene Bestrafung im Sinne des § 93 BDG zu finden, allenfalls nach § 95 Abs. 1 BDG vorzugehen.
9. Mit beschwerdebezogenem Disziplinarerkenntnis vom 06.11.2018 sprach die Disziplinarkommission den Beschwerdeführer schuldig (auszugsweise, anonymisiert)
"er hat als Gerichtsvollzieher des X Gerichts im Zeitraum von 1. Jänner 2016 (jedenfalls ab 4. Jänner 2016) bis 31. März 2017 in F und anderen Orten des Bundesgebietes
a. / in von ihm zu führenden Exekutionsverfahren der Bezirksgerichte F und G (die in Einzelfällen nach den disziplinarrechtlich zu prüfenden Eintragungen über den jeweiligen Vollzugszeitpunkt bei den Bezirksgerichten Bruck/Mur [VJ- Dienststellencode 600], Leoben [603], Deutschlandsberg [610], Graz-Ost [631], Graz-West [641], Liezen [671], Weiz [682], Villach [752], Völkermarkt [761], Ried/Innkreis [461], Wels [512], Hallein [562], Güssing [310], Jennersdorf [311], Oberwart [340], Hernals [14], Donaustadt [27] und Meidling [81] fortgesetzt wurden) mehrere Vollzüge zum selben Zeitpunkt an verschiedenen Adressen bzw. Orten dokumentiert, obwohl er diese Vollzüge in Wahrheit nicht durchgeführt hat sondern entgegen seiner dienstlichen Verpflichtung, Vollzugshandlungen an dem im jeweiligen Antrag auf Exekutionsbewilligung genannten Ort zu vollziehen, den jeweiligen Vollzugsort nicht aufsuchte, fälschlich beurkundete, dass er keine pfändbaren Gegenstände vorgefunden habe, und zwar: ...
(Anmerkung: in der Folge wird eine Liste der davon betroffenen Exekutionsverfahren angeführt)
... b. / wahrheitswidrig vorgegeben, er habe im Außendienst 74 Vollzüge durchgeführt, wobei er sich zum jeweils angegebenen Zeitpunkt aber tatsächlich in seinem Büro befunden und VJ-Eintragungen vorgenommen hatte, ...
(Anmerkung: Liste der davon betroffenen Exekutionsverfahren)
wobei zu insgesamt 968 Zeitpunkten miteinander nicht vereinbare Vollzüge anfielen und zu 48 Zeitpunkten Vollzüge anfielen, die er wegen gleichzeitiger VJ- Eintragungen faktisch nicht durchgeführt haben konnte.
c. / und dadurch in über 1000 Fällen für sich selbst vorsätzlich eine unrechtmäßige Bereicherung erwirkt, indem er wahrheitswidrig Fahrtkosten von jeweils 2,30 Euro (§ 19 Abs 1 Z 3 VGebG) sowie wahrheitswidrig die Vergütung für die unterbliebene Pfändung mangels pfändbarer Gegenstände von jeweils 2 Euro (§ 11 Abs 3 VGebG) verzeichnete, wodurch er zum Nachteil des Bundes unrechtmäßig insgesamt 4.368,80 Euro lukrierte und die betreibenden Gläubiger der betroffenen Exutionsverfahren in nicht festgestellter, im Zweifel 50.000 Euro nicht übersteigender Flöhe, schädigte.
(Der BF) hat hiedurch gegen seine Dienstpflicht nach § 43 Abs. 1 BDG 1979, seine dienstlichen Aufgaben unter Beachtung der geltenden Rechtsordnung treu, gewissenhaft und unparteiisch mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln aus eigenem zu besorgen und gegen seine Dienstpflicht nach § 43 Abs. 2 BDG 1979, in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt, verstoßen und damit schuldhaft eine Dienstpflichtverletzung nach § 91 BDG 1979 begangen.
Gemäß § 92 Abs 1 Z 4 BDG 1979 wird die Disziplinarstrafe der Entlassung verhängt.
Gemäß § 117 Abs 2 BDG 1979 hat der Disziplinarbeschuldigte den mit EUR 100,00 (in Worten: Euro einhundert/00) bestimmten Teil der Verfahrenskosten zu ersetzen."
Mit Spruchpunkt II wurde das Disziplinarverfahren betreffen konkret angeführter Vollzüge als zu den angeführten Zeitpunkten und an den angeführten Vollzugsorten wahrheitswidrig als tatsächlich durchgeführt dokumentiert zu haben (Anmerkung: sieben konkret genannte Falle) gemäß § 118 Abs. 1 BDG eingestellt.
In der Begründung wurde nach Darstellung der gerichtlichen Strafurteile und des Verfahrensganges Folgendes ausgeführt (auszugsweise, anonymisiert):
"Über Einladung der Disziplinarkommission erstattete (der BF) durch seinen Verteidiger eine schriftliche Stellungnahme vom 25. Oktober 2018. Darin verweist er auf einzelne Ausführungen im strafgerichtlichen Urteil, sein umfassendes Geständnis, seine bisherige Unbescholtenheit sowie seine schwierigen familiären Lebensumstände seit Scheidung seiner Ehe im Jahr 2009. Das Strafgericht habe festgestellt, dass der Beschuldigte sich nicht habe unrechtmäßig bereichern wollen und er der Republik Österreich den Schaden nicht bewusst zugefügt habe. Er ersuche, diese Umstände bei der Strafzumessung zu berücksichtigen. Er versehe aktuell Dienst im Aktenlager des Bezirksgerichts X, was für ihn eine Einkommenseinbuße von rund 1.500 Euro monatlich bedeute. Die dienstbehördlich verfügte Suspendierung sei seinerzeit von der Disziplinarkommission nicht bestätigt worden. Auch das Strafgericht habe durch seine Strafbemessung zum Ausdruck gebracht, dass das Verhalten des Beschuldigten nicht jene Schwelle überschritten habe, die in der Bevölkerung berechtigte Empörung oder sonst besonderes Aufsehen erregt. Die gerichtliche Strafe liege knapp an der Grenze des Amtsverlustes. Es sei daher zweifelhaft, ob überhaupt ein disziplinärer Überhang im Sinne des § 95 Abs 1 BDG 1979 vorliege. Die Disziplinarkommission möge die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie die Leistungsfähigkeit des Beschuldigten berücksichtigen und eine tat- und schuldangemessene Strafe im Sinne des § 93 BDG 1979 finden, allenfalls aber nach § 95 Abs 1 BDG 1979 Vorgehen.
Mit der oben geschilderten Vorgangsweise verstieß der Disziplinarbeschuldigte bewusst auch gegen seine Verpflichtung, in seinem gesamten Verhalten als Beamter darauf Bedacht zu nehmen, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibe. Einen durch sein Verhalten bewirkten Vertrauensverlust gegen Beamte der Justiz nahm er dabei bewusst in Kauf und fand sich damit ab. ...
Rechtliche Beurteilung:
... Die vom Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen XXXX umfassten Dienstpflichtverletzungen des Disziplinarbeschuldigten sind geeignet, das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung der dienstlichen Aufgaben zu beeinträchtigen. ...
... Die von den Tatsachenfeststellungen des Landesgerichtes für Strafsachen XXXX in seinem Urteil vom 17. Jänner 2018, GZ 8 Hv 133/17y-13, umfassten zahlreichen Dienstpflichtverletzungen des Disziplinarbeschuldigten sind mit dem Erfordernis einer gewissenhaften Ausübung des Dienstes nicht vereinbar. Zudem ist eine solche Vorgangsweise grundsätzlich geeignet, das Vertrauen der Allgemeinheit in die korrekte und sachliche Wahrnehmung der dienstlichen Aufgaben des Beamten massiv zu erschüttern.
Der Beschuldigte hat in einem Verfahren gemäß § 43 Abs 1 BDG 1979 als Gerichtsvollzieher bei den verpflichteten Parteien Pfändungen vorzunehmen gehabt bzw pflichtgemäß vor Ort die Voraussetzungen für die Vornahme der einzelnen Vollzugshandlungen (Pfändbarkeit Vorgefundener Gegenstände) überprüfen müssen. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs ist bei einem Gerichtsvollzieher, der im Bewusstsein der Verletzung von Verfahrensvorschriften die gebotene Besichtigung der zu pfändenden Objekte unterlassen hat, nicht mehr von einer einmaligen Fehlleistung und somit von einem nicht geringen Verschulden auszugehen, weil von einem in Ausübung staatlicher Hoheitsgewalt einschreitenden Beamten erwartet werden muss, dass er auch unter Belastung nicht bewusst maßgebliche Vorschriften missachtet (vgl VwGH 24.06.2009, 2007/09/0116).
Fallaktuell handelt es sich um objektiv besonders schwere Dienstpflichtverletzungen, die geeignet sind, das Ansehen des Beamtentums in der Öffentlichkeit und deren Vertrauen in die Korrektheit und "Sauberkeit" der Justizbediensteten, aber auch des öffentlichen Dienstes insgesamt, schwerstens zu schädigen. Durch die festgestellten Pflichtverletzungen wurde gerade das Vertrauen einer Vielzahl betreibender Gläubiger (und ihrer Rechtsvertreter) in die Verlässlichkeit der Justiz, insbesondere in eine korrekte und möglichst effiziente gerichtliche Einbringung ihrer berechtigten Forderungen, grundlegend erschüttert. Ist eine Disziplinarstrafe in einem bestimmten Ausmaß geboten, um der Begehung von Dienstpflichtverletzungen durch andere Beamte entgegenzuwirken, dann haben gegebenenfalls spezialpräventive Überlegungen, die eine solche Disziplinarstrafe nicht als erforderlich erscheinen lassen würden, demgegenüber zurückzutreten (VwGH 10.09.2015, Ra 2015/09/0053).
Ausgehend von den Strafbemessungskriterien des § 93 Abs. 1 und 2 BDG 1979 ist die Disziplinarstrafe gemäß § 92 Abs. 1 Z 4 BDG 1979 in Form der Entlassung zu bemessen. Dabei waren als erschwerend zu werten der über ein Jahr dauernde Tatzeitraum in Kombination mit der Vielzahl der Angriffe. Mildernd waren der bisher ordentliche Lebenswandel, das Geständnis und die teilweise Schadensgutmachung gegenüber dem Bund zu werten. Bei Abwägung der Schwere der Tat im Sinne von objektiver Schwere und Schuld sowie mit Blick auf spezialpräventive und generalpräventive Erfordernisse kann mit einer weniger strengen Sanktion als der Entlassung nicht das Auslangen gefunden werden.
Da der Sachverhalt infolge Bindung an die dem Spruch eines rechtskräftigen Urteils eines Strafgerichtes zugrunde gelegte Tatsachenfeststellung hinreichend geklärt wurde, konnte von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Disziplinarsenat gemäß § 125a Abs 2 BDG 1979 abgesehen werden. ..."
10. Mit Schriftsatz vom 05.12.2018 brachte der BF über seinen rechtlichen Vertreter rechtzeitig eine Beschwerde ein. Darin wird nach Darstellung des Verfahrens folgendes ausgeführt (auszugsweise, anonymisert):
"a) Rechtswidrigkeit in Folge Verletzung von Verfahrensvorschriften
Wie bereits ausgeführt, wurde der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 8.10.2018 durch seine ausgewiesenen Rechtsvertreter zur Stellungnahme zum Disziplinarverfahren aufgefordert, welche auch mit Schriftsatz vom 25.10.2018 erfolgt ist.
Gemäß § 125 a Abs. 2 BDG kann von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Disziplinarsenat Abstand genommen werden, wenn der Sachverhalt, infolge Bindung an die dem Spruch eines rechtskräftigen Urteils eines Strafgerichtes oder eines Straferkenntnisses des Verwaltungsgerichts oder eines unabhängigen Verwaltungssenates zugrunde gelegte Tatsachenfeststellung, hinreichend geklärt ist.
Gerade bei einer derart weitreichenden Bestrafung des Disziplinarbeschuldigten mit der höchstmöglichen Strafe, der Entlassung, wäre nach Ansicht des Beschwerdeführers trotz dieser "Kannbestimmung" die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung notwendig gewesen.
Der Beschwerdeführer hätte im Rahmen einer mündlichen Verhandlung selbst seine Beweggründe nochmals schildern können und hätte die Disziplinarkommission so die Möglichkeit gehabt, sich unmittelbar einen persönlichen Eindruck vom Beschuldigten zu machen.
Gerade aufgrund der Argumentation der Disziplinarkommission bei Aufhebung der Suspendierung, musste und konnte der Beschwerdeführer nicht damit rechnen, dass der Disziplinarsenat tatsächlich die Disziplinarstrafe der Entlassung verhängen würde.
Es darf in diesem Zusammenhang nochmals auf die Begründung im Aufhebungsbescheid der Suspendierung verwiesen werden.
Im bekämpften Bescheid verweist die Disziplinarkommission nunmehr auf objektiv besonders schwere Dienstpflichtverletzungen, welche geeignet seien, das Ansehen des Beamten in der Öffentlichkeit und deren Vertrauen in die Korrektheit und Sauberkeit der Justizbediensteten, aber auch des öffentlichen Dienstes, insgesamt schwerstens zu schädigen. Diese nunmehr geäußerte Rechtsmeinung steht im Widerspruch mit der Rechtsmeinung des fast in derselben Zusammensetzung judizierenden Disziplinarsenates, weshalb dem Beschwerdeführer hier die Möglichkeit im Rahmen einer mündlichen Verhandlung hätte gegeben werden müssen, seine Argumente ausreichend vorzutragen.
Die Rechtsmeinung der Disziplinarkommission im bekämpften Bescheid ist daher als überraschend zu betrachten und wurde der Unmittelbarkeitsgrundsatz verletzt. Der bekämpfte Bescheid leidet daher an Rechtswidrigkeit in Folge Verletzung von Verfahrens Vorschriften und wird im Umfang der Anfechtung aufzuheben und neu zu fassen sein.
b) Rechtswidrigkeit des Inhaltes
In rechtlicher Hinsicht kommt die Disziplinarkommission beim Ministerium für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz zum Ergebnis, dass ausgehend von den Strafzumessungskriterien des § 93 Abs. 1 und 2 BDG 1979 gemäß § 92 Abs. (1) Z 4 BDG 1979 die Disziplinarstrafe der Entlassung auszusprechen wäre. Dabei wurde als erschwerend der über ein Jahr dauernde Zeitraum in Kombination mit der Vielzahl der Angriffe, mildernd der bisher ordentliche Lebenswandel, das Geständnis und die (teilweise) Schadens Wiedergutmachung gegenüber dem Bund berücksichtigt. Bei der Abwägung der Schwere der Tat im Sinne von objektiver Schwere und Schuld, sowie mit Blick auf spezialpräventive und generalpräventive Erfordernisse könne mit einer weniger strengen Sanktion als der Entlassung nicht das Auslangen gefunden werden.
Diese Rechtsmeinung ist unrichtig.
Unbestritten ist, dass der Sachverhalt in Folge Bindung an die dem Spruch des Urteils zugrunde gelegten Tatsachenfeststellungen hinreichend geklärt war. Unbestritten ist auch, dass der Beschwerdeführer rechtskräftig wegen seines Amtsmissbrauches gemäß § 302 Abs. 1 StGB zu einer Strafe verurteilt wurde, die sich an der Grenze zum Amtsverlust orientiert.
Entgegen den Ausführungen im bekämpften Bescheid, wonach aus spezial- und generalpräventiven Gründen mit der Entlassung vorzugehen sei, ist dieser Meinung entgegen zu halten, dass die Strafzumessungsgründe nicht richtig angeführt sind, da der Beschwerdeführer nicht eine teilweise Schadenswiedergutmachung, sondern eine gänzliche Schadenswiedergutmachung durchgeführt hat und die Gewichtung auch nicht ausreichend erfolgt ist.
Erschwerend wurde festgehalten, dass der Tatzeitraum über ein Jahr betragen und eine Vielzahl von Angriffen beinhaltet hat. Dem ist aber nach Ansicht des Beschwerdeführers gegenüberzustellen, dass der Beschwerdeführer in den nunmehr fast 35 Jahren seiner Tätigkeit für die Justiz der Republik Österreich ordnungsgemäß seinen Dienst verrichtet hat und sich nicht nur in dieser Zeit nichts zu Schulden kommen ließ, sondern ihm, wie auch im Strafverfahren festgestellt wurde, von sämtlichen Kollegen und Mitarbeitern ausgezeichnete Arbeitsergebnisse bescheinigt wurden. Er war einer der erfolgreichsten Gerichtsvollzieher in der Steiermark.
Wie im bekämpften Disziplinarbescheid festgestellt, wurde der Disziplinarbeschuldigte im Jahr 2009 geschieden und hat sich ab diesem Zeitpunkt nicht nur um den Haushalt, sondern auch um seine drei Kinder alleine gekümmert. Gleichzeitig hat er seine verantwortungsvolle und zeitintensive Tätigkeit als Gerichtsvollzieher beim BG F bestmöglich ausgeführt.
Festgestellt wurde auch, dies ist auch unbestritten, dass der Beschwerdeführer letztendlich unter immer größerem Stress und Überarbeitung gelitten hat und es letztendlich zu den verfahrensgegenständlichen Handlungen kam. Die Überarbeitung und der Arbeitsaufwand und die Arbeitsbelastung sollen und werden hier an dieser Stelle nicht als Entschuldigung für die Handlungen des Beschwerdeführers vorgebracht, müssen aber, wie im Strafverfahren, auch im Rahmen der Strafbemessung im Disziplinarverfahren Eingang finden.
Eine kriminelle Energie wurde vom Strafgericht niemals festgestellt.
Letztendlich hat auch die Vorsteherin des BG X, HR Dr. K, dem Beschwerdeführer ab der Aufhebung der Suspendierung eine ausgezeichnete Dienstbeschreibung attestiert. Entgegen der Auffassung des Disziplinarsenates ist daher die derart drastische Disziplinarstrafe der Entlassung weder aus general- noch aus spezialpräventiven Gründen gerechtfertigt.
Aus spezialpräventiven Gründen erscheint die Versetzung von einem wichtigen Posten als Gerichtsvollzieher in das Aktenlager, verbunden mit einer nach Ansicht des Beschwerdeführers zu verhängenden Geldstrafe im Disziplinarverfahren ausreichend, um ihn in Hinkunft von derartigen Verfehlungen abzuhalten. Es muss auch eine Interessenabwägung vorgenommen werden. Der Beschwerdeführer verliert durch die Entlassung nicht nur seinen Pensionsanspruch als Beamter, sondern erhält auch kein Arbeitslosengeld und wird aufgrund seines Alters vermutlich, insbesondere auch aufgrund der strafgerichtlichen Verurteilung, große Schwierigkeiten haben, eine neue Arbeitsstelle zu finden. Der Beschuldigte hat bei Abwägung sämtlicher Umstände eine letzte Chance verdient
Generalpräventiv ist festzuhalten, dass bereits mehrfach ähnliche Dienstpflichtverletzungen durch die Disziplinarkommission österreichweit mit Geldstrafen sanktioniert wurden, weshalb auch aus generalpräventiven Gründen die Entlassung nicht notwendig erscheint, um in Hinkunft Mitarbeiter der Justiz von derartigen Verfehlungen abzuhalten. Aus all diesen Gründen erscheint die Disziplinarstrafe der Entlassung als zu hoch bemessen und leidet der bekämpfte Bescheid somit an inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Zur Darlegung der Beschwerdegründe wird die Bestätigung der Vorsteherin des BG X, HR Dr. K, vom 29.11.2018, unter einem vorgelegt."
Der vom BF beigelegten Bestätigung der Gerichtsvorsteherin des BG X vom 29.11.2018 ist zu entnehmen, dass der BF mit Wirksamkeit 02.05.2017 dem BG X zur Mitarbeit im Kanzleidienst zugeteilt wurde. Nach Urlaub und Krankenstand habe er am 10.07.2017 seinen Dienst dort angetreten. Seitdem werde der BF im Aktenlager, insbesondere mit dem Ausheben benötigter Akten sowie dem Skartieren eingesetzt. Er erledige seine Arbeiten mit Eifer und es habe kein einziges Mal einen Grund zur Beanstandung gegeben. Vielmehr erweise er sich stets als sehr zuvorkommend, arbeitsbereit und sei immer geneigt, auch Zusatzaufgaben zu übernehmen. Sein höfliches Auftreten und seine Bescheidenheit hätten ihn in Kürze im gesamten Gericht beliebt gemacht. Daher sei er auch für eine Tätigkeit in der Einlaufstelle, bei der personelle Probleme aufgetreten seien, vorgesehen. Aus ihrer Sicht wäre jedenfalls ein weiterer Verbleib des BF beim BG X sehr zu begrüßen.
11. Mit Schriftsatz vom 28.12.2018 legte die DK die Beschwerde samt Verwaltungsakten dem Bundesverwaltungsgericht vor und nahm schriftlich zur Beschwerde Stellung. Darin wird ausgeführt, dass dem BF vor der Entscheidung ausdrücklich Gelegenheit gegeben worden sei, sich zur Straffrage zu äußern. Davon habe er über seinen Verteidiger auch Gebrauch gemacht. Somit sei rechtliches Gehör gewährt worden. Davon abgesehen habe der BF die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht beantragt. Aufgrund der gesetzlichen Bindung der DK an die Feststellungen im rechtskräftigen Gerichtsurteil (§ 125a Abs. 2 BDG 1979) hätte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung keinen substanziellen Beitrag zur Wahrheitsfindung liefern können. Die Suspendierung sei lediglich eine sichernde Maßnahme zur Wahrung der dienstlichen Interessen, die von der Einleitung eines Disziplinarverfahrens sowie von der schuldhaften Begehung der Dienstpflichtverletzungen unabhängig sei, sie stelle keine Disziplinarstrafe dar. Die seinerzeitige Entscheidung der DK, den BF nicht zu suspendieren, präjudiziere das Disziplinarerkenntnis in keiner Weise. Damals habe es sich um eine Entscheidung in der Anfangsphase des Disziplinarverfahrens gehandelt, es habe zunächst nur ein einfacher Verdacht einer Pflichtverletzung bei noch nicht abgeschlossenen Ermittlungen zu Aufklärung des Sachverhalts bestanden. Mittlerweile sei der BF aber nach einem ausführlichen gerichtlichen Strafverfahren über zwei Instanzen rechtskräftig verurteilt worden und es stehe fest, dass der BF gravierende Dienstpflichtverletzungen sonderzahl begangen habe. Unstrittig sei, dass der BF den Vermögensschaden zum Nachteil des Bundes vollständig ersetzt habe. Den durch seine Pflichtverletzungen bewirkten immateriellen Vertrauens- und Ansehensverlust der Justiz - insbesondere gegenüber einer Vielzahl betreibender Gläubiger und ihrer Rechtsvertreter - könne nicht wieder gut gemacht werden. Dieser sei derart gravierend, dass die Aufrechterhaltung des Dienstverhältnisses dem Bund als Dienstgeber nicht zugemutet werden könne. Aber auch generalpräventiv gegenüber allen anderen Beamten sowie gegenüber der Öffentlichkeit wäre es nicht vermittelbar, warum ein Beamter trotz der im gerichtlichen Strafurteil festgestellten Vielzahl gravierender Pflichtverletzungen im Dienst belassen und womöglich künftig wieder als Gerichtsvollzieher eingesetzt würde. Vor diesem Hintergrund komme der Bestätigung der Vorsteherin des BG X vom 29.11.2018 keine die begangene Pflichtverletzung mildernde Bedeutung zu.
12. Mit Verfahrensanordnung beraumte das Bundesverwaltungsgericht in der Angelegenheit eine öffentliche mündliche Verhandlung an, zu der die Parteien des Verfahrens entsprechend geladen wurden.
13. Am 25.02.2020 führte das Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit des BF, seines rechtlichen Vertreters und des Disziplinaranwalts eine mündliche Verhandlung durch.
Zunächst bestätigten der BF und dessen rechtlicher Vertreter ausdrücklich, dass sich die Beschwerde ausschließlich gegen die Strafbemessung und damit die Strafhöhe richtet, der Schuldspruch und die Einstellung bleibt unangefochten.
Zu seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen befragt, gab der BF an, dass er drei Kinder im Alter von 21, 26 und 28 Jahren habe. Es bestünden keine Unterhaltspflichten mehr. Er besitze ein Haus, das grundbücherlich nicht belastet sei. Seiner Exfrau habe er 70.000,- Euro zu leisten gehabt, wovon er den größten Teil bereits abbezahlt habe. Zurzeit verdiene er netto etwa 1.800,- bis 1.900,- Euro. Seine besoldungsrechtliche Einstufung richte sich noch immer nach seinem alten Arbeitsplatz, glaublich sei das A3/2. Die von ihm ins Treffen geführten Gehaltseinbußen würden damit zusammenhängen, dass er damals die Tätigkeit eines Gerichtsvollziehers ausgeübt habe, womit Provisionen verbunden gewesen seien. Es handle sich dabei um Nebengebühren. Er habe eine Lebensgefährtin und zwei seiner Kinder würden noch bei ihm leben.
Der BF legte dem Gericht den schriftlichen Nachweis für eine ihm am 12.11.2019 vom Dienstgeber zugesprochene Belohnung in der Höhe von 150,- Euro sowie eine weitere Bestätigung der Gerichtsvorsteherin über die Zufriedenheit mit seinem Arbeitseinsatz vor.
In der Folge wurde die dem BF vorgesetzte Gerichtsvorsteherin als Zeugin befragt. Sie gab an, dass der BF am 02.05.2017 ihrem Bezirksgericht zugeteilt worden sei. Wenige Tage später sei er vorläufig vom Dienst suspendiert worden. Nach Aufhebung der Suspendierung durch die Disziplinarkommission sei er dann noch einige Tage krank gewesen und schließlich am 10.07.2017 zum Dienst erschienen. Sie habe gefragt, wo sie ihn einsetzen dürfe, die Antwort sei "überall" gewesen. Weil sie gerade im Aktenlager Personalprobleme gehabt hätte, habe sie ihn dort eingeteilt. Der BF habe das zur Zufriedenheit aller gemacht. Auf dieser Position habe er naturgemäß Kontakt mit vielen Mitarbeitern und sich sehr schnell in die Dienststelle eingefügt. Weil sie mit ihm so zufrieden gewesen sei, habe sie ihn ab Dezember 2018 in der Einlaufstelle eingesetzt. Sie würde niemanden in der Einlaufstelle verwenden, auf den sie sich nicht zu 100% verlassen könne, weil Mitarbeiter dort auch Grundbuchstempel setzen müssten, was viel Verantwortung erfordere. Die letzten fünf Jahre habe sie große Probleme mit den Mitarbeitern in der Einlaufstelle gehabt. Deshalb habe es auch eine Kündigung gegeben und so sei dort ein Arbeitsplatz frei geworden. Seit der BF gemeinsam mit einem anderen Mitarbeiter die Einlaufstelle führe (der zweite Mitarbeiter sei aktuell aber wieder weg), gebe es dort keine Probleme mehr. Aufgrund der guten Arbeit des BF in der Einlaufstelle, habe sie sich dazu entschlossen, eine Belohnung für ihn zu beantragen, was letztlich auch bewilligt worden sei.
Die gegen den BF im Disziplinarverfahren erhobenen Vorwürfe habe sie offiziell nicht gekannt, aber dem Grunde nach habe sie gewusst, um was dabei es gehe. Sie habe deshalb auch mit dem BF persönlich gesprochen. Auf Vorhalt, dass sie einen Mitarbeiter einsetzen musste, dem massive Pflichtverletzungen über einen langen Zeitraum vorgeworfen wurden, und die Frage, woher sie das Vertrauen geschöpft habe, dass so etwas an ihrer Dienststelle nicht wieder passieren könnte, antwortete sie, dass sie sich zu Beginn schon ihre Gedanken gemacht habe, man sei skeptisch und habe es in der Vergangenheit schon mit Problemfällen zu tun gehabt. Aber im Hinblick auf den BF habe sie relativ schnell Vertrauen gefasst. Nicht zuletzt auch deshalb, weil er von Beginn an zu der Sache gestanden sei und nicht versucht habe diese zu beschönigen. Darüber hinaus habe er von Beginn an sehr gute Arbeit geleistet und sei zuverlässig gewesen. Dienstrechtlich handle es sich um eine Dienstzuteilung. Sie würde den BF jederzeit an ihrer Dienststelle weiterverwenden wollen. Sie habe 105 Mitarbeiter, die alle Bescheid wüssten, weil es der BF auch immer offen kommuniziert habe. Die Situation habe zu keinen Problemen in der Belegschaft geführt. Der BF sei beliebt.
In der Folge wurde die Stellungnahme der Disziplinarkommission vom 28.12.2018 (im Zuge der Vorlage der Beschwerde) mit den Parteien erörtert. Zu Punkt 1 dieser Stellungnahme vertrat der Vorsitzende die Auffassung, dass im Hinblick auf spezialpräventive Erwägungen eine Beurteilung der dafür wichtigen Frage der Zukunftsprognose nach Ansicht des VwGH jedenfalls nur auf Grundlage des persönlichen Eindruckes möglich sei, weshalb jedenfalls eine mündliche Verhandlung durchzuführen gewesen wäre. Der Disziplinaranwalt meinte dazu, dass er dagegen nichts sagen könne.
Zu Punkt 2 führte der Vorsitzende aus, dass es richtig sei, dass eine Entscheidung betreffend die Suspendierung grundsätzlich getrennt von der Entscheidung über Schuld und Strafe zu sehen sei und diese daher nicht präjudiziere. Es falle aber dennoch auf, dass die Vorwürfe im Suspendierungsverfahren bereits die Gleichen gewesen seien, die schließlich zum Schuldspruch und zu dem gerichtlichen Urteil geführt hätten. Zudem würden die Ausführungen unter Punkt 3, dass es generalpräventiv gegenüber anderen Beamten sowie gegenüber der Öffentlichkeit nicht vermittelbar wäre, warum ein Beamter trotz der im gerichtlichen Strafurteil festgestellten Vielzahl gravierender Pflichtverletzungen im Dienst belassen und womöglich künftig wieder als Gerichtsvollzieher eingesetzt würde, im auffälligen Widerspruch zur Begründung im Vorbescheid betreffend die Nichtnotwendigkeit einer Suspendierung stehen. Der rechtliche Vertreter brachte dazu ergänzend vor, dass bei der Aufhebung der Suspendierung davon gesprochen worden sei, dass die Vorgangsweise des BF noch nicht jene Schwelle erreicht hätte, die zum Schutz des Ansehens des Amtes eine Suspendierung notwendig machen würde. Auch als das rechtskräftige Strafurteil vorgelegen sei, habe die DK eine Suspendierung für nicht notwendig erachtet. Darüber hinaus sei anzumerken, dass die DK, die nun offenbar ihre Rechtsmeinung grundlegend geändert habe, auch noch im Zuge des Disziplinarerkenntnisses die Möglichkeit gehabt hätte, eine Suspendierung auszusprechen, was sie jedoch ebenfalls nicht gemacht habe. Der Dienstgeber sei nicht verpflichtet den BF wieder als Gerichtsvollzieher einzusetzen, das werde vom BF auch nicht angestrebt. Es könne sich derzeit nicht mehr um eine Dienstzuteilung handeln, weil eine solche ohne Zustimmung des Beamten nur drei Monate pro Kalenderjahr möglich sei; der BF selbst sei nie gefragt worden. Nach Ansicht des BF handle es sich daher um eine Versetzung, dies sei deshalb wichtig, weil dann könne der BF nicht einfach wieder zurück in seine alte Position, wie es von der DK dargestellt werde.
Auf die Feststellung, dass sich der BF von Beginn an geständig gezeigt und so an der Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes mitgewirkt habe und die Frage, wie er sich dabei gefühlt habe, als die Sache aufgeflogen sei, antwortete der BF, dass ihn eigentlich nie jemand gefragt habe, warum er das eigentlich gemacht habe. Er habe jedenfalls nicht in Bereicherungsabsicht gehandelt. Für Gerichtsvollzieher werde es praktisch unmöglich, ihre Arbeit richtig zu machen. Als Gerichtsvollzieher soll man eigentlich Geld hereinbringen. Dazu sei es notwendig viele Wege zu gehen und immer wieder den Versuch zu unternehmen, den Verpflichteten anzutreffen und diesen zu motivieren, damit Geld hereinkomme. Aber eigentlich bekomme man immer mehr den Eindruck, dass es der Justiz eher darum gehe, so viele Akten wie möglich zu erledigen, als Geld herein zu bringen. Ein Kollege erledige monatlich im Schnitt 600 Akten. Er selbst habe 300 bis 350 geschafft, sei dabei aber sehr effektiv gewesen und habe um die 25% hereingebracht. Manchmal auch mehr. Die Kollegen hätten dagegen nur 10% hereingebracht. Es sei ihm auch bescheinigt worden, dass er ein guter Gerichtsvollzieher sei. Man wolle dann natürlich auch weiterhin gut und effektiv sein. Das werde aber immer schwieriger. Man soll Exekutionsversuche auch dort machen, wo man bereits wisse, dass nichts hereinkommen werde. Das führe wiederrum dazu, dass man zu wenig Zeit für jene Fälle habe, wo Geld hereinkommen könne. Er habe seine Arbeit gemacht, bis die Sache aufgeflogen sei, und der Einbringungserfolg sei noch immer gegeben gewesen. In jenen Fällen, wo er einen Einbringungserfolg gesehen habe, habe er bis zuletzt gearbeitet. Er habe niemanden geschädigt. Der rechtliche Vertreter ergänzte, dass der BF bei den Tathandlungen niemals an die 2? gedacht habe, die er in den einzelnen Fällen zu Unrecht bekommen habe.
Der BF führte weiter aus, dass es immer mehr und mehr geworden sei und dann habe er schließlich keinen anderen Ausweg mehr gehabt. Er habe 30 Jahre in diesem Beruf gearbeitet, aber nun könnte er ihn nicht mehr ausüben. Die immer größer werdende Belastung habe nicht nur ihn getroffen, sondern auch seine Kollegen. Das hänge auch mit dem Umgang mit den Verpflichteten zusammen, wobei man immer wieder sehr schlecht behandelt werde. Es werde grundsätzlich erwartet, dass man um die 300 Akten im Monat bearbeite. Aber dann gebe es Ausfälle bei den Gerichtsvollziehern und deren Akten würden weiterverteilt werden. So sei man schließlich für immer mehr Akten verantwortlich.
Auf die Frage, ob er über dieses Problem auch einmal mit einem Vorgesetzten gesprochen habe, führte er als Beispiel an, dass er nach seiner Scheidung im Jahr 2009 zu seiner Vorgesetzten gegangen sei und ihr gesagt habe, dass er so nicht mehr könne und Unterstützung brauche. Als Folge habe er dann sogar noch die Akten eines anderen Kollegen, der ausgefallen war, dazu bekommen. In den ganzen 30 Jahren habe es nie Beschwerden gegen ihn gegeben.
Auf die Frage, was er rückblickend in einer solchen Situation anders machen würde, gab er an, dass er sich wohl in psychiatrischen Behandlung begeben würde, weil man es anders nicht schaffen könnte. Im Endeffekt würde er in so einer Situation wohl die Akten liegen lassen. Dann wäre der Vorgesetzte gezwungen eine Lösung zu finden. Gesundheitlich gehe es ihm nun besser, aber mittlerweile habe er ein Drehschwindelsyndrom und sei einen Monat lang im Krankenhaus gewesen. Es gehe ihm derzeit grundsätzlich gut und er mache auch gerne jede Arbeit. Er schlafe besser, aber als Gerichtsvollzieher könnte er nicht mehr arbeiten.
Der Disziplinaranwalt führte abschließend aus, dass die Faktenlage klar sei. Es bestehe eine Bindungswirkung an die Feststellungen des Gerichts, weshalb nur die Frage der Strafbemessung zu beurteilen sei. Das Erkenntnis der DK sei in diesem Punkt zugegebenermaßen sehr knapp gehalten, vor allem im Hinblick darauf, dass die Höchststrafe verhängt worden sei. In spezialpräventiver Hinsicht wolle er auf die getroffenen Feststellungen und auf das Ergebnis des Beweisverfahrens verweisen. In generalpräventiver Hinsicht gebe es sehr wichtige Fakten zu beachten, vor allem vor dem Hintergrund der aktuellen Diskussion über die Justiz in der Öffentlichkeit, insbesondere betreffend Personalprobleme, lange Bearbeitungsdauer, Parteilichkeit und so weiter. Es bestehe daher ein großes Interesse, das Ansehen der Justiz in der Öffentlichkeit nicht zu beschädigen. Der vom BF vorgebrachte große Druck bei der Tätigkeit von Gerichtsvollziehern sei für ihn durchaus nachvollziehbar. Diese Berufsgruppe sei tatsächlich sehr belastet und stehe unter einem großen Arbeitsdruck. Das rechtfertige jedoch nicht, dass man sich deshalb bei der Dienstausübung nicht an die Bestimmungen halte. Es sei sehr wichtig, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die Rechtstaatlichkeit der Justiz erhalten bleibe, weshalb er trotz der Kürze der Entscheidung ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung das Ergebnis grundsätzlich für richtig erachte. Die Begründung der Aufhebung der Suspendierung sei durchaus widersprüchlich zur Begründung des Disziplinarerkenntnisses, aber das sei für die Entscheidung nicht präjudiziell. Aus diesen Gründen stelle er daher den Antrag auf Abweisung der Beschwerde und Bestätigung der Entlassung.
Der rechtliche Vertreter des BF führte abschließend aus, dass hier eine Einzelfallbetrachtung durchzuführen sei. In der mündlichen Verhandlung habe man nun ein Bild vom BF und insbesondere von seinem Charakter und seiner Person bekommen. Er sei 56 Jahre alt, 35 Jahre habe er in der Justiz gearbeitet, davon 30 Jahre als Gerichtsvollzieher. Dabei habe er immer alles richtiggemacht, sei fast immer einer der besten Gerichtsvollzieher gewesen, was den Einbringungserfolg anbelangt, und auch seine Vorgesetzten hätten das so gesehen. In der Situation des BF, in die er schließlich gekommen sei, hätten es viele andere Gerichtsvollzieher anders gemacht, sie wären einfach in den Krankenstand gegangen und hätten die Akten liegen gelassen. Der BF habe das nicht gemacht. Wie bereits das Gericht festgestellt habe, sei beim BF keine kriminelle Energie vorhanden gewesen. Dieser Umstand sei nicht nur hinsichtlich der Spezialprävention, sondern auch im Zusammenhang mit der Generalprävention relevant. Als Rechtsanwalt habe er es oft auch selbst mit Einbringungsverfahren zu tun. Diesbezüglich sei ihm aber jedenfalls der Einbringungserfolg am Wichtigsten. Seine Erfahrung zeige, dass der Einbringungserfolg immer mehr abnehme. Wenn nun hinsichtlich der Generalprävention vorgebracht werde, dass man das Vertrauen der Allgemeinheit wiederherstellen müsse, stelle sich für ihn aber insbesondere die Frage, wie man es der Öffentlichkeit erklären wolle, dass man den BF nach der Tat drei Jahre lang weiterarbeiten lasse, er diese Arbeit auch zu vollsten Zufriedenheit erledige und dafür sogar eine Belohnung erhalte, um dann schließlich dennoch die Entlassung auszusprechen. Für den BF wäre das eine dritte Bestrafung, wenn er jetzt auch noch seine Arbeit verlieren würde. Es sei klar, dass es mit 56 Jahren sehr schwer sein werde, eine neue Arbeit zu finden. Hier gehe es faktisch um eine Doppelbestrafung. Es sei klar, dass man im Disziplinarverfahren immer von einem disziplinären Übergang spreche. Ein solcher sei hier auch gegeben, würde aber keine Entlassung rechtfertigen. Zu den bereits festgestellten Minderungsgründen würden nun noch die Milderungsgründe der langen Verfahrensdauer und des Wohlverhaltens seit der Tat hinzutreten. Er stelle daher den Antrag der Beschwerde Folge zu geben.
Der BF gab abschließend an, dass ihm ein Fehler passiert sei, nachdem er jahrzehntelang gute Arbeit geleistet habe. Er würde sehr gerne bei der Justiz weiterarbeiten. Sollte er dennoch jetzt entlassen werden, liege das nicht mehr in meiner Hand. Es tue ihm jedenfalls sehr leid, was passiert sei.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen (Sachverhalt):
Zur Person des BF:
Der BF wurde 1984 als Vertragsbediensteter in den Justizdienst aufgenommen und ab 1990 als Gerichtsvollzieher eingesetzt. Er ist seit 2009 geschieden. Dieser Ehe entstammen drei Kinder, für die er nach der Scheidung die alleinige Obsorge hatte. Mittlerweile sind diese im Alter von 21, 26 und 28 Jahren und der BF ist nicht mehr unterhaltspflichtig. Er besitzt ein Haus, das grundbücherlich unbelastet ist und er gemeinsam mit seiner nunmehrigen Lebensgefährtin und zwei seiner volljährigen Kinder bewohnt. Seiner Exfrau schuldete er nach der Scheidung 70.000,- Euro, wovon er den größten Teil bereits abbezahlt hat. Zurzeit verdient er zwischen 1.800,- und 1.900,- Euro netto.
Seit dem 10.07.2017 (nach Aufhebung der Suspendierung) versieht BF seinen Dienst beim Bezirksgericht X. Dort wurde er zunächst im Aktenlager und ab Dezember 2018 in der Einlaufstelle eingesetzt. Er hat sich an dieser Dienststelle schnell eingearbeitet und erfüllte von Beginn an die ihm übertragenen Aufgaben zur vollsten Zufriedenheit seiner Vorgesetzten. Die gegenständlichen Vorwürfe sind an seiner Dienststelle allgemein bekannt, nicht zuletzt deshalb, weil der BF von Beginn an offen dazu gestanden ist und auch nicht versucht hat etwas zu beschönigen. Dennoch ist er bei seinen Kollegen beliebt und genießt aufgrund seiner guten und verlässlichen Arbeitsleistung das volle Vertrauen der Gerichtsvorsteherin, die ihm sogar eine Belohnung in der Höhe von 150,- Euro zukommen ließ und ihn gerne an der Dienststelle weiterverwenden würde.
Zu den verfahrensgegenständlichen Tathandlungen hat das Landesgericht für Strafsachen XXXX in seinem Urteil vom 17.01.2018 folgende, für das Disziplinarverfahren bindende Tatsachenfeststellungen getroffen (auszugsweise, anonymisiert):
"... Der Angeklagte, der zuvor Vertragsbediensteter war, wurde mit 01. September 1990 als öffentlich Bediensteter beim Bund aufgenommen und versah in weiterer Folge seinen Dienst als Gerichtsvollzieher, wobei er sich immer mit den einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen der Exekutionsordnung auseinandersetzte und somit immer ausreichend in Kenntnis war, er entwickelte sich innerhalb kurzer Zeit zu einem äußerst zuverlässigen und fleißigen Mitarbeiter, der laufend, jedenfalls innerhalb der letzten Jahre auch immer hohe Beträge bei den Exekutionen hereinbrachte. Der Angeklagte, der im Jahr 2009 geschieden wurde, kümmerte sich in weiterer Folge um seine drei Kinder, die bei ihm wohnten, zur Schule gingen bzw. dann auch studierten. Zu nicht näher bekannten Zeitpunkten im Jahr 2015 kam es in weiterer Folge aufgrund des Arbeitsanfalles, aber auch aufgrund der persönlichen Belastung des Angeklagten, der sich zu Hause um alles zu kümmern hatte, immer wieder zu Rückständen bei Exekutionsvollzügen, die zunächst nicht massiv waren, dann sich aber steigerten. Ab dem Jahr 2015 fühlte sich (der BF) auch immer wieder subjektiv stark arbeitsmäßig überlastet und gab es bezüglich der offenen Rückstände auch eine Information durch die unmittelbare Vorgesetzte Dienststelle. Hiebei war auch Thema die Abarbeitung des Arbeitsrückstandes, wobei der Angeklagte immer wieder viel Zeit aufbrachte, bei Vollzugsorten Nachschau zu halten, um Forderungen erbringlich zu machen.
(Dem BF), der sich in der Exekutionsordnung aufgrund seiner langjährigen Tätigkeit bestens auskannte, war auch bekannt und vollkommen bewusst, dass er als Gerichtsvollzieher gemäß § 25a Abs 1 EO verpflichtet war, am Vollzugsort, unmittelbar vor dem Vollzug, den jeweiligen Verpflichteten zur Leistung der hereinzubringenden Forderung aufzufordern, wobei er auch wusste, dass - falls beim Vollzugsversuch der Vollzugsort nicht betreten werden kann und nicht auszuschließen ist, dass sich dort der Verpflichtete aufhält oder Vermögensteile vorhanden sind, auf die Exekution geführt werden soll, - dass weitere Versuche vorzunehmen sind, dies aufgrund der gesetzlichen Bestimmung nach § 252b EO. Da der Angeklagte zahlreiche Akten rückstandsmäßig zu bearbeiten hatte und sich dadurch auch subjektiv stark überlastet fühlte, beschloss er zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt, vor dem 01. Jänner 2016, entgegen der ihm bekannten gesetzlichen Bestimmungen und im Wissen um sein diesbezüglich amtsmissbräuchliches Handeln und inhaltliches Unterlassen in bestimmten Vollzugsangelegenheiten, um sich dadurch eine Arbeitserleichterung zu verschaffen und auch Akten sohin schneller zu erledigen, dazu nicht alle vorgeschriebenen Vollzugshandlungen zu setzen, diese dennoch inhaltlich, sohin wahrheitswidrig, zu dokumentieren und in diesem Zusammenhang auch fälschlicherweise Gebühren zu verzeichnen, wobei ihm dieser zuletzt genannte Umstand zunächst nicht sofort klar war, dies erst einige Zeit später bemerkte, dennoch in dieser Hinsicht weiter falsche Eintragungen machte und auch die damit verbundenen Gebühren kassierte. Durch die Eintragung in das jeweilige Register bzw. die entsprechende Bemerkung eines Vollzugsversuches erhielt der Angeklagte Fahrtkosten sowie eine vorgesehene Vergütung nach dem VGebG. Der Angeklagte missbrauchte daher in weiterer Folge wissentlich seine Befugnis, als Gerichtsvollzieher Amtsgeschäfte vorzunehmen, indem er es unterließ, zu den jeweiligen Vollzugsorten tatsächlich zu fahren und Forderungen der jeweils betreibenden Gläubiger einzutreiben. In Kenntnis der konkreten gesetzlichen Bestimmungen und sohin in Kenntnis seiner Handlungspflicht und in dem Wissen, dadurch gesetzwidrig zu handeln und als Beamter seine Befugnis in Vollziehung der Gesetze im Namen der Republik Österreich zu missbrauchen, unterließ es der Angeklagte, unter völliger Missachtung der relevanten Verfahrensvorschriften, in einer Vielzahl von nicht näher feststellbaren Fällen, zumindest im Zeitraum von 01. jedenfalls ab 04. Jänner 2016 bis 31. März 2017 weitere, über den ersten Vollzugsversuch hinausgehende Vollzugsversuche am Vollzugsort durchzuführen, wobei er jedoch wahrheitswidrig berichtete, am Vollzugsort in Gegenwart der verpflichteten Partei oder eines ihrer Mitbewohner aufhältig gewesen zu sein und hiebei keine pfändbaren Gegenstände vorgefunden zu haben. Dabei blieb der Angeklagte, der an der gesetzeskonformen Vollziehung der Amtsgeschäfte weder durch äußere Bedingungen des Amtsbetriebes, noch aufgrund fehlender individueller Leistungsfähigkeit gehindert war, zumindest teilweise untätig, um dadurch jedenfalls den offenen Aktenbestand als erledigt abhaken zu können. Bei der jeweiligen Eintragung eines in Wirklichkeit nicht stattgefundenen Exekutionsvollzugsversuches kam es in zumindest 1.016 Fällen zu einer Verrechnung von überhöhten Gebühren, wobei sich der Angeklagte dadurch unrechtmäßig bereicherte, zumal fälschlicherweise Fahrtkosten von jemals EUR 2,30 (nach § 19 Abs 1 Z 3 VGebG) sowie Vergütungen für die unterbliebene Pfändung mangels pfändbarer Gegenstände von jeweils EUR 2,00 (im Sinne § 11 Abs 3 VGebG) von ihm verzeichnet wurden, wodurch zum Nachteil