Entscheidungsdatum
01.04.2020Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
W231 2197958-1/17E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Birgit HAVRANEK als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , afghanischer Staatsangehöriger, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.05.2018, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:
A)
I. Die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I., II., und III. wird als unbegründet abgewiesen.
II. Der Beschwerde gegen Spruchpunk IV. wird stattgegeben. Der Beschwerde gegen Spruchpunk IV. wird stattgegeben. Es wird gemäß § 52 FPG iVm § 9 Abs. 2 BFA-VG festgestellt, dass eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist.
III. XXXX wird gemäß §§ 54 und 55 Abs. 1 AsylG 2005 eine "Aufenthaltsberechtigung" für die Dauer von 01.04.2021 erteilt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
I.1. Vor seiner Einreise nach Österreich hat der Beschwerdeführer (in Folge: BF) bereits in anderen Ländern (mehrfach in Deutschland, weiters in Norwegen) Anträge auf internationalen Schutz gestellt. Diesen Anträgen wurde letztlich allen nicht stattgegeben.
I.2. Der BF reiste schließlich nach Österreich ein und stellte hier am 07.03.2017 einen Antrag auf internationalen Schutz.
I.3. Bei seiner Erstbefragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 07.03.2017 gab er an, er sei seit 02.03.2017 mit der in Österreich asylberechtigten XXXX verheiratet, Paschtune und dem sunnitischen Islam zugehörig. Seine Frau sei schwanger und werde in diesem Monat ihr gemeinsames Kind zur Welt bringen. Er sei in Kabul in Afghanistan geboren und habe dort drei Jahre die Grundschule besucht, eine Ausbildung zum KFZ-Mechaniker absolviert und diesen Beruf auch ausgeübt. Zu seinem Fluchtgrund gab er an, in Afghanistan herrsche Krieg und Unsicherheit, die Lage sei sehr schlecht. Es würden jeden Tag Bombenanschläge ausgeübt und unschuldige Menschen getötet. Außerdem würden Menschen von der Mafia entführt. Auch als er letztes Jahr seine Familie besucht habe, habe er bemerkt, dass die Lage immer noch schlecht sei. In seiner Heimat sei es viel zu gefährlich.
I.4. Am 28.06.2017 wurde der BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Erstaufnahmestelle Ost, kurz im Rahmen des Zulassungsverfahrens einvernommen.
I.5. Bei seiner zweiten Einvernahme am 29.03.2018 gab der BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Wien (in Folge: BFA) an, dass er Paschtune und sunnitischer Moslem sei. Er stamme aus der Stadt Kabul und habe auch immer dort gelebt. Er habe drei Jahre lang die Grundschule in Kabul besucht und als Automechaniker gearbeitet. Sein Vater sei Landwirt, die Familie habe eigene Grundstücke. In Kabul würden noch seine Eltern, sein Bruder und seine zwei Schwestern sowie Onkel und Tanten väterlicher- und mütterlicherseits leben. Seinen Verwandten gehe es gut und er habe Kontakt zu ihnen.
Zu den Fluchtgründen gab er auf das Wesentlichste zusammengefasst an, dass er irgendwann im Jahr 2010 an seinem Arbeitsplatz in der Stadt Kabul gewesen sei, als vier oder fünf unbekannte Personen mit bedeckten Gesichtern und schwarzen Autos zu ihm gekommen seien. Sie hätten gewollt, dass er Waffen für sie über den Iran nach Europa transportiere. Der BF habe das aber nicht gewollt und abgelehnt. Diese Personen seien zweimal zu ihm gekommen und hätten mit ihm gesprochen. Persönlich sei er aber nicht konkret bedroht worden. Der BF habe dies seinem Vater erzählt, der gesagt habe, es sei hier gefährlich für den BF. Der Vater habe den BF dann nach Europa geschickt. Als der BF nach Österreich gekommen sei, hätten ihn die unbekannten Personen gesucht. Im Jahr 2016 sei der BF für einen Monat nach Afghanistan geflogen. Als er wieder zurück nach Deutschland gekommen sei, seien die Diebe in das Haus der Familie in Kabul gekommen, als sein Vater geschlafen habe. Sie hätten das Haus durchsucht und nichts gefunden. Sei Vater sei aufgestanden und habe mit den Dieben gestritten, die dann weggegangen seien. Der BF könne nicht wieder nach Afghanistan, da es dort gefährlich sei.
I.6. Mit angefochtenem Bescheid der belangten Behörde vom 24.05.2018 wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.), als auch bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan abgewiesen (Spruchpunkt II.). Eine Aufenthaltsberechtigung "besonderer Schutz" wurde dem BF gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV). Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig ist (Spruchpunkt V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit 14 Tagen festgelegt (Spruchpunkt VI).
Die belangte Behörde begründete ihre Entscheidung im Wesentlichen damit, dass der BF keine asylrelevanten Gründe für seine Ausreise aus Afghanistan glaubhaft machen habe können. Das Ermittlungsverfahren habe auch keine Gründe ergeben, die zur Zuerkennung von subsidiärem Schutz oder eines Aufenthaltstitels in Österreich führen könnten.
I.7. Die Behörde gab dem BF mit Verfahrensanordnung gemäß § 63 Abs. 2 AVG einen Rechtsberater für das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht bei.
I.8. Gegen den oben genannten Bescheid richtet sich die vorliegende, rechtzeitig eingebrachte und zulässige Beschwerde. Dem BF drohe asylrelevante Verfolgung. In eventu sei der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen. Außerdem sei der BF mit einer Asylberechtigten in Österreich verheiratet und habe mit ihr eine Tochter, weshalb in eventu ein Aufenthaltstitel nach § 55 AsylG 2005 zu erteilen sei. Es wurden auch Länderberichte zur Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan zitiert.
I.9. Am 09.08.2018 langte die Verständigung von einer rechtskräftigen Verurteilung des BF beim Bundesverwaltungsgericht ein, wonach er mit Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 11.07.2018 (AZ: 13 U 147/18d) gemäß § 223 Abs. 2 StGB (Urkundenfälschung) zu einer Geldstrafe von 70 Tagessätzen zu je 4,00 EUR, im Nichteinbringungsfall 35 Tage Ersatzfreiheitsstrafe, verurteilt wurde.
I.10. Aufgrund der Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 13.05.2019 wurde die gegenständliche Rechtssache der Gerichtsabteilung W202 abgenommen und der Gerichtsabteilung W231 neu zugewiesen.
I.11. Am 04.07.2019 fand am Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Beschwerdeverhandlung im Beisein des BF und seiner Rechtsvertretung statt. An der Verhandlung nahm ein Vertreter der belangten Behörde teil. Die Ehefrau des BF wurde als Zeugin einvernommen. Auf die Verlesung des gesamten Akteninhalts wurde verzichtet. Der BF legte eine Integrationsunterlage vor. Die erkennende Richterin brachte das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 29.06.2018, letzte Kurzinformation eingefügt am 04.06.2019, und die UNHCR-Richtlinien vom 30.08.2018 in das Verfahren ein.
I.12. Am 19.11.2019 wurde den Parteien das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Afghanistan, Gesamtaktualisierung am 13.11.2019, zur Stellungnahme ins Parteiengehör übermittelt. Eine Stellungnahme dazu langte beim Bundesverwaltungsgericht von keiner der Parteien ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
II.1.1. Der BF ist volljährig, führt den im Spruch genannten Namen, ist afghanischer Staatsangehöriger, gehört der Volksgruppe der Paschtunen an und ist sunnitischer Moslem. Die Muttersprache des BF ist Paschtu, er spricht auch Dari, Farsi und etwas Deutsch. Seine Identität steht fest.
II.1.2. Der BF stammt aus einem Dorf in der Provinz Kabul, Distrikt Shakardara, etwa 20-25 Autominuten von der Kabuler Innenstadt entfernt, und hat auch mit seiner Familie immer dort gelebt. Er hat drei Jahre lang die Grundschule in Kabul besucht und in der Stadt Kabul als Automechaniker gearbeitet. Der BF hat weiters einen Bruder und zwei Schwestern. Der BF ist verheiratet und hat eine Tochter, Ehefrau und Tochter leben asylberechtigt in Österreich.
II.1.3. Die Eltern, der Bruder und eine Schwester des BF leben nach wie vor im Heimatdorf in Kabul. Die zweite Schwester ist verheiratet und lebt in der Stadt Kabul. Zudem leben in Kabul Onkel und Tanten des BF väterlicher- und mütterlicherseits. Der Vater des BF ist Landwirt und die Familie besitzt ein Haus und eigene landwirtschaftliche Grundstücke im Ausmaß von ungefähr 1,5 Jirib. Auf diesen Grundstücken befindet sich ein Weingarten, den die Familienmitglieder selbst bewirtschaften und von dessen Erträgen die Familie lebt. Auch der Bruder des BF arbeitet in diesem Weingarten. Die Familie der Ehefrau des BF besitzt Grundstücke in der Provinz Kunduz. Der BF hat zu seiner Familie regelmäßig Kontakt über das Internet.
II.1.4. Der BF wurde mit Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 11.07.2018 (AZ: 13 U 147/18d) wegen des Vergehens der Urkundenfälschung gemäß § 223 Abs. 2 StGB zu einer Geldstrafe von 70 Tagessätzen zu je 4,00 EUR, im Nichteinbringungsfall 35 Tage Ersatzfreiheitsstrafe, verurteilt.
II.1.5. Der BF ist - abgesehen von selten auftretenden Schmerzen, wegen derer er sich nicht in ärztlicher Behandlung befindet und die er selbst mit einem Schmerzmittel behandelt - gesund und arbeits- und erwerbsfähig.
II.1.6. Der BF hat Afghanistan im Jahr 2010 verlassen. Vor seiner Einreise nach Österreich hat der BF bereits in anderen Ländern (mehrfach in Deutschland, weiters in Norwegen) Anträge auf internationalen Schutz gestellt. Diesen Anträgen wurde letztlich allen nicht stattgegeben. Der BF hielt sich im Mai 2016 aus freien Stücken für einen Monat bei seiner Familie in Afghanistan auf. Der BF stellte nach seiner illegalen Einreise in Österreich am 07.03.2017 einen Antrag auf internationalen Schutz.
II.1.7. Der BF ist in Afghanistan nicht vorbestraft. Er hatte keine Probleme mit den Behörden im Herkunftsstaat und hat sich nicht religiös oder politisch betätigt.
II.1.8. Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF seinen Herkunftsstaat aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung durch unbekannte Personen, die ihn aufgefordert haben, Waffen zu transportieren, bzw. ihn mit Waffen bedroht haben, verlassen hat oder nach einer allfälligen Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit asylrelevante Übergriffe in diesem Zusammenhang zu befürchten hätte. Die vom BF vorgebrachten Gründe für seine Ausreise werden mangels Glaubwürdigkeit des Vorbringens nicht festgestellt.
Der BF konnte insgesamt nicht glaubhaft machen, dass er seinen Herkunftsstaat aus wohlbegründeter Furcht vor asylrelevanter Verfolgung verlassen hat oder nach einer allfälligen Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit asylrelevante Übergriffe wegen seiner Volksgruppenzugehörigkeit, Religion, oder Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe und eine mit dieser zusammenhängende (zumindest unterstellten) politischen Gesinnung zu befürchten hätte.
II.1.9. Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF im Fall der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Afghanistan in seinem Recht auf das Leben gefährdet, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen oder von der Todesstrafe bedroht wäre.
Der BF kann in seine Herkunftsprovinz Kabul zurückkehren, wo der BF familiäre Anknüpfungspunkte vorfindet, und auch in die Stadt Kabul, wo sich sein Arbeitsplatz befunden hat und seine Schwester lebt. Er kann sich auch in den Städten Mazar-e Sharif und Herat niederlassen.
Bei einer Rückkehr bzw. Neuansiedlung in den Städten Kabul, Mazar-e Sharif und Herat kann er trotz der angespannten Wohnraum- und Versorgungslage auch grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse, wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft, befriedigen, ohne in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten. Er hat in Kabul drei Jahre lang die Grundschule besucht und als Automechaniker gearbeitet. Er könnte wieder an diese frühere Tätigkeit anknüpfen. Der BF spricht zwei Landessprachen des Herkunftsstaates und hat bis zu seiner Ausreise in Afghanistan gelebt, er ist somit mit den kulturellen Gepflogenheiten seines Herkunftslandes vertraut.
Der BF ist anpassungsfähig und verfügt in Afghanistan über ein ausreichend großes familiäres Netz. Die Kernfamilie des BF lebt im Heimatort in der Provinz Kabul und besitzt ein Haus. Sie finanzieren ihren Lebensunterhalt aus den Erträgen der familieneigenen Grundstücke im Ausmaß von ungefähr 1,5 Jirib, auf welchen sich ein Weingarten befindet. Die wirtschaftliche Situation der Familie stellt sich als "mittelmäßig" dar. Eine Schwester des BF ist verheiratet und lebt mit ihrer Familie in der Stadt Kabul. Zudem leben in Kabul Onkel und Tanten des BF, sowohl mütterlicherseits als auch väterlicherseits. Die Familie der Ehefrau des BF besitzt Grundstücke in der Provinz Kunduz.
Mit Unterstützung seiner Angehörigen ist dem BF der Aufbau einer Existenzgrundlage in den Städten Kabul, Mazar-e-Sharif oder Herat möglich. Seine Existenz könnte er - zumindest anfänglich - in Kabul mit Hilfs- und Gelegenheitsarbeiten sichern. Seine Frau und seine Tochter leben asylberechtigt in Österreich und sind durch das österreichische Sozialsystem versorgt. Die Städte Kabul, Mazar-e Sharif und Herat sind mittels Flugzeug über die dort befindlichen Flughäfen problemlos und sicher erreichbar. Er kann auch Unterstützungsleistungen für Rückkehrer in Anspruch nehmen.
II.1.10. Der BF war seit seiner Asylantragstellung in Österreich für die Dauer seines Asylverfahrens bisher bloß vorläufig aufenthaltsberechtigt. Der BF hält sich seit seiner Einreise nach Österreich im Februar 2017 seit etwa drei Jahren im Bundesgebiet auf und konnte spätestens ab Erhalt der seinen Asylantrag abweisenden Entscheidung vom 24.05.2018 nicht mit einem weiteren Bleiberecht in Österreich rechnen.
Der BF lebt von der Grundversorgung. Er war in Österreich vorübergehend von Jänner bis Ende März 2019 bei einem Essenslieferdienst beschäftigt, bis diese Firma den Betrieb einstellte. Derzeit geht der BF keiner Beschäftigung bzw. Erwerbstätigkeit nach und ist somit nicht selbsterhaltungsfähig.
Der BF hat in Österreich seine jetzige Ehefrau, die in Österreich asylberechtigte afghanische Staatsangehörige XXXX , geb. XXXX in Kunduz, zunächst am 14.06.2016 in Österreich traditionell geheiratet und schließlich mit ihr am 02.03.2017 vor dem Standesamt Wien-Floridsdorf die Ehe geschlossen. Die Ehe wurde durch die Eltern des BF und die Eltern seiner jetzigen Frau arrangiert, die sich bereits vorher kannten. Während sich der BF im Jahr 2016 einen Monat in Afghanistan aufgehalten hat, hielt sein Vater bei der Familie der Frau des BF um deren Hand an. Der BF, der damals noch in Deutschland aufhältig war, reist zum Zwecke der traditionellen Eheschließung von Deutschland nach Österreich und stellte in der Folge einen Asylantrag in Österreich. Der Frau des BF wurde mit Bescheid des BFA vom 25.09.2015, Zl. XXXX , der Status der Asylberechtigten zuerkannt. Ihre gemeinsame Tochter XXXX wurde am 14.03.2017 in Österreich geboren. Mit Bescheid des BFA vom 13.06.2017, Zl. XXXX , wurde der Tochter ebenfalls der Status der Asylberechtigten zuerkannt. Die Eltern sowie Brüder und Schwestern der Ehefrau des BF leben in Österreich.
Der BF lebt seit 2017 mit seiner Frau und seiner Tochter in einem gemeinsamen Haushalt. Der BF unterstützt seine Frau bei der Erziehung der Tochter. Seine Frau hat früher einen Deutschkurs besucht, jetzt kümmert sie sich um den Haushalt und die Tochter und lernt nebenbei Deutsch und Paschtu bei einem afghanischen Kulturverein. Weiters besucht sie einen Werte- und Orientierungskurs. Sie ist auf der Suche nach einem Kindergartenplatz für ihre Tochter und möchte zunächst Deutsch lernen und künftig arbeiten. Sie interessiert sich für den Friseurberuf. Die Frau des BF bezieht Sozialhilfe.
Der BF hat einen Alphabetisierungskurs Deutsch abgeschlossen, weitere Deutschkurse hat er nicht besucht. Er ist auf einer Warteliste für weitere Deutschkurse vorgemerkt. Er hat auch einen Integrationskurs besucht. Der BF betreibt Sport, er geht etwa Laufen und Fahrrad fahren. Er ist nicht Mitglied in einem Verein. Der BF hat mehrere Freunde in Österreich. Der BF macht mit seiner Familie Ausflüge und besucht Festveranstaltungen, sie gehen auch gemeinsam spazieren. Der BF möchte Deutsch lernen und künftig in Österreich einer Arbeit nachgehen.
II.1.11. Zur aktuellen Situation in Afghanistan werden folgende Feststellungen getroffen (Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Afghanistan, Gesamtaktualisierung vom 13.11.2019):
Afghanistan ist ein Zentralstaat mit 34 Provinzen, die in Distrikte gegliedert sind. Auf einer Fläche von ca. 632.000 Quadratkilometern leben ca. 32 Millionen Menschen (Länderinformationsblatt für Afghanistan vom 13.11.2019 - LIB 13.11.2019, S. 12).
Sicherheitslage
Die Sicherheitslage in Afghanistan ist nach wie vor volatil (LIB 13.11.2019, S. 18). Diese ist jedoch regional und sogar innerhalb der Provinzen von Distrikt zu Distrikt sehr unterschiedlich (EASO Country Guidance Afghanistan, Juni 2019, S. 89ff; LIB 13.11.2019, S. 18 ff).
Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, die wichtigsten Bevölkerungszentren und Transitrouten sowie Provinzhauptstädte und die meisten Distriktzentren. Die afghanischen Kräfte sichern die Städte und andere Stützpunkte der Regierung. Die Taliban verstärken groß angelegte Angriffe, wodurch eine Vielzahl afghanischer Kräfte in Verteidigungsmissionen eingebunden ist, sodass Engpässe entstehen. Dadurch können manchmal auch Kräfte fehlen um Territorium zu halten. Die Kämpfe waren auch weiterhin auf konstant hohem Niveau (LIB 13.11.2019, S. 19).
Für das gesamte Jahr 2018 gab es gegenüber 2017 einen Anstieg in der Gesamtzahl ziviler Opfer und ziviler Todesfälle. Für das erste Halbjahr 2019 wurde eine niedrigere Anzahl ziviler Opfer registrierten, im Juli, August und September lag ein hohes Gewaltniveau vor. Zivilisten, die in den Provinzen Kabul, Nangarhar, Helmand, Ghazni, und Faryab wohnten, waren 2018 am stärksten vom Konflikt betroffen (LIB 13.11.2019, S. 24).
Sowohl im gesamten Jahr 2018, als auch in den ersten fünf Monaten 2019 führten Aufständische, Taliban und andere militante Gruppierungen, insbesondere in der Hauptstadtregion, weiterhin Anschläge auf hochrangige Ziele (High Profile Angiffe - HPA) aus, um die Aufmerksamkeit der Medien auf sich zu ziehen, die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben und die Wahrnehmung einer weit verbreiteten Unsicherheit zu schaffen. Diese Angriffe sind jedoch stetig zurückgegangen. Zwischen 1.6.2018 und 30.11.2018 fanden 59 HPAs in Kabul statt, zwischen 1.12.2018 und 15.5.2019 waren es 6 HPAs (LIB 13.11.2019, S. 25).
Regierungsfeindliche Gruppierungen
In Afghanistan sind unterschiedliche regierungsfeindliche Gruppierungen aktiv - insbesondere die Grenzregion zu Pakistan bleibt eine Zufluchtsstätte für unterschiedliche Gruppierungen, wie Taliban, Islamischer Staat, al-Qaida, Haqqani-Netzwerk, Lashkar-e Tayyiba, Tehrik-e Taliban Pakistan, sowie Islamic Movement of Uzbekistan (LIB 13.11.2019, S. 26).
Taliban: Zwischen 1.12.2018 und 31.5.2019 haben die Talibanaufständischen mehr Angriffe ausgeführt, als in der Vergangenheit üblich, trotzdem war die Gesamtzahl effektiver feindlicher Angriffe stark rückläufig. Diese Angriffe hatten hauptsächlich militärische Außenposten und Kontrollpunkte sowie andere schlecht verteidigte ANDSF-Posten zum Ziel - die Taliban beschränken ihre Angriffe weitgehend auf Regierungsziele und afghanische und internationale Sicherheitskräfte (LIB 13.11.2019, S. 26; S. 29).
Die Gesamtstärke der Taliban betrug im Jahr 2017 über 200.000 Personen, darunter ca. 150.000 Kämpfer (rund 60.000 Vollzeitkämpfer mobiler Einheiten, der Rest sein Teil der lokalen Milizen). Die Taliban betreiben Trainingslager in Afghanistan (LIB 13.11.2019, S. 27).
Die Mehrheit der Taliban sind immer noch Paschtunen, obwohl es eine wachsende Minderheit an Tadschiken, Usbeken, Belutschen und sogar mehreren hundert Hazara (einschließlich Schiiten) gibt. In einigen nördlichen Gebieten bestehen die Taliban bereits überwiegend aus Nicht-Paschtunen, da sie innerhalb der lokalen Bevölkerung rekrutieren (LIB 13.11.2019, S. 27).
Haqani-Netzwerk: Das seit 2012 bestehende Haqqani-Netzwerk ist eine teilautonome Organisation, Bestandteil der afghanischen Taliban und Verbündeter von al-Qaida. Als gefährlichster Arm der Taliban, hat das Haqqani-Netzwerk seit Jahren Angriffe in den städtischen Bereichen ausgeführt und ist für einige der tödlichsten Angriffe in Afghanistan verantwortlich (LIB 13.11.2019, S. 27).
Islamischer Staat (IS/DaesH) - Islamischer Staat Khorasan Provinz: Die Stärke des ISKP variiert zwischen 1.500 und 3.000, bzw. 2.500 und 4.000 Kämpfern bzw. ist ihre Zahl auf 5.000 gestiegen. Der IS ist seit Sommer 2014 in Afghanistan aktiv. Durch Partnerschaften mit militanten Gruppen konnte der IS seine organisatorischen Kapazitäten sowohl in Afghanistan als auch in Pakistan stärken. Er ist vor allem im Osten des Landes in der Provinz Nangarhar präsent (LIB 13.11.2019, S. 27f).
Neben komplexen Angriffen auf Regierungsziele, verübte der ISKP zahlreiche groß angelegte Anschläge gegen Zivilisten, insbesondere auf die schiitische-Minderheit. Die Zahl der zivilen Opfer durch ISKP-Handlungen hat sich dabei 2018 gegenüber 2017 mehr als verdoppelt, nahm im ersten Halbjahr 2019 allerdings wieder ab. Die Taliban und der IS sind verfeindet. Während die Taliban ihre Angriffe überwiegend auf Regierungszeile bzw. Sicherheitskräfte beschränken, zielt der IS darauf ab konfessionelle Gewalt zu fördern und Schiiten anzugreifen (LIB 13.11.2019, S. 29).
Al-Qaida: Al-Qaida sieht Afghanistan auch weiterhin als sichere Zufluchtsstätte für ihre Führung, basierend auf langjährigen und engen Beziehungen zu den Taliban. Al-Qaida will die Präsenz in der Provinz Badakhshan stärken, insbesondere im Distrikt Shighnan, der an der Grenze zu Tadschikistan liegt, aber auch in der Provinz Paktika, Distrikt Barmal, wird versucht die Präsenz auszubauen (LIB 13.11.2019, S. 29).
Sicherheitsbehörden:
Die afghanischen nationalen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte (ANDSF - Afghan National Defense and Security Forces) umfassen militärische, polizeiliche und andere Sicherheitskräfte. Das Innenministerium ist primär für die interne Ordnung zuständig, dazu zählt auch die ANP (Afghan National Police) und die ALP (Afghan Local Police) (LIB 13.11.2019, S. 249).
Die Afghanische Nationalarmee (ANA) ist für die externe Sicherheit verantwortlich, dennoch besteht ihre Hauptaufgabe darin, den Aufstand im Land zu bekämpfen. Das Verteidigungsministerium hat die Stärke der ANA mit 227.374 autorisiert (LIB 13.11.2019, S. 250). Die Afghan National Police (ANP) gewährleistet die zivile Ordnung und bekämpft Korruption sowie die Produktion und den Schmuggel von Drogen. Der Fokus der ANP liegt derzeit in der Bekämpfung von Aufständischen gemeinsam mit der ANA (LIB 13.11.2019, S. 250). Die Afghan Local Police (ALP) wird durch die USA finanziert und schützt die Bevölkerung in Dörfern und ländlichen Gebieten vor Angriffen durch Aufständische (LIB 13.11.2019, S. 251).
Kabul:
Die Provinz Kabul liegt im Zentrum Afghanistans und grenzt an Parwan und Kapisa im Norden, Laghman im Osten, Nangarhar im Südosten, Logar im Süden sowie Wardak im Westen. Provinzhauptstadt ist Kabul-Stadt. Kabul-Stadt ist die Hauptstadt Afghanistans und auch ein Distrikt in der Provinz Kabul. Es ist die bevölkerungsreichste Stadt Afghanistans, mit einer geschätzten Einwohnerzahl von 5.029.850 Personen für den Zeitraum 2019-20. Die Bevölkerungszahl ist jedoch umstritten. Einige Quellen behaupten, dass sie fast 6 Millionen beträgt. Die Bevölkerung der Provinz Kabul besteht aus Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Usbeken, Turkmenen, Belutschen, Sikhs und Hindus (LIB 13.11.2019, S. 36).
Hauptstraßen verbinden die afghanische Hauptstadt mit dem Rest des Landes. In Kabul-Stadt gibt es einen Flughafen, der mit internationalen und nationalen Passagierflügen bedient wird (LIB 13.11.2019, S. 37).
Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul. Nichtsdestotrotz, führten Aufständische, Taliban und andere militante Gruppierungen, im gesamten Jahr 2018, als auch in den ersten fünf Monaten 2019, insbesondere in der Hauptstadtregion weiterhin Anschläge auf hochrangige Ziele aus, um die Aufmerksamkeit der Medien auf sich zu ziehen, die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben und die Wahrnehmung einer weit verbreiteten Unsicherheit zu schaffen. Aufgrund eben dieser öffentlichkeitswirksamer Angriffe auf Kabul-Stadt kündigte die afghanische Regierung bereits im August 2017 die Entwicklung eines neuen Sicherheitsplans für Kabul an. So wurde unter anderem das Green Village errichtet, ein stark gesichertes Gelände im Osten der Stadt, in dem unter anderem Hilfsorganisationen und internationale Organisationen sowie ein Wohngelände für Ausländer untergebracht sind. Die Anlage wird stark von afghanischen Sicherheitskräften und privaten Sicherheitsmännern gesichert. Die Green Zone hingegen ist ein separater Teil, der nicht unweit des Green Villages liegt. Die Green Zone ist ein stark gesicherter Teil Kabuls, in dem sich mehrere Botschaften befinden - so z.B. auch die US-amerikanische Botschaft und andere britische Einrichtungen (LIB 13.11.2019, S. 38 f).
Im Jahr 2018 dokumentierte UNAMA 1.866 zivile Opfer (596 Tote und 1.270 Verletzte) in der Provinz Kabul. Dies entspricht einer Zunahme von 2% gegenüber 2017. Die Hauptursache für die Opfer waren Selbstmord- und komplexe Angriffe, gefolgt von improvisierten Sprengkörpern (improvised explosive devices, IEDs) und gezielten Tötungen. Die afghanischen Sicherheitskräfte führten insbesondere im Distrikt Surubi militärische Operationen aus der Luft und am Boden durch, bei denen Aufständische getötet wurden. Dabei kam es unter anderem zu zivilen Opfern. Außerdem führten NDS-Einheiten Operationen in und um Kabul-Stadt durch. Dabei wurden unter anderem Aufständische getötet und verhaftet, sowie Waffen und Sprengsätze konfisziert (LIB 13.11.2019, S. 40).
IDPs - Binnenvertriebene: Im Zeitraum 1.1.-30.6.2019 meldete UNOCHA keine durch gewaltsamen Konflikt aus der Provinz Kabul vertriebene Personen. Im Zeitraum 1.1.-31.12.2018 meldete UNOCHA 9.422 Vertriebene, welche in die Provinz Kabul kamen, die meisten davon in den Distrikt Kabul. Im Zeitraum 1.1.-30.6.2019 meldete UNOCHA 2.580 Vertriebene in die Provinz Kabul, alle in den Distrikt Kabul. Sie stammten aus Kapisa, Kunar, Nangarhar wie auch Logar, Ghazni, Baghlan und Wardak. Die Gesamtzahl der Binnenvertriebenen in Kabul ist nicht bekannt. Die Bewegung in und innerhalb der Stadt fluktuiert und viele kehren regelmäßig in friedlicheren Zeiten in ihr Herkunftsgebiet zurück (LIB 13.11.2019, S. 40 f).
Die Wirtschaft der Provinz Kabul hat einen weitgehend städtischen Charakter, wobei die wirtschaftlich aktive Bevölkerung in Beschäftigungsfeldern, wie dem Handel, Dienstleistungen oder einfachen Berufen tätig ist. Kabul-Stadt hat einen hohen Anteil an Lohnarbeitern, während Selbstständigkeit im Vergleich zu den ländlichen Gebieten Afghanistans weniger verbreitet ist. Zu den wichtigsten Arbeitgebern in Kabul gehört der Dienstleistungssektor, darunter auch die öffentliche Verwaltung. Die Gehälter sind in Kabul im Allgemeinen höher als in anderen Provinzen, insbesondere für diejenigen, welche für ausländische Organisationen arbeiten. Kabul ist das wichtigste Handels- und Beschäftigungszentrum Afghanistans und hat ein größeres Einzugsgebiet in den Provinzen Parwan, Logar und Wardak. Menschen aus kleinen Dörfern pendeln täglich oder wöchentlich nach Kabul, um landwirtschaftliche Produkte zu handeln oder als Wachen, Hausangestellte oder Lohnarbeiter zu arbeiten. Ergebnisse einer Studie ergaben, dass Kabul unter den untersuchten Provinzen den geringsten Anteil an Arbeitsplätzen im Agrarsektor hat, dafür eine dynamischere Wirtschaft mit einem geringeren Anteil an Arbeitssuchenden, Selbständigen und Familienarbeitern. Die besten (Arbeits)Möglichkeiten für Junge existieren in Kabul (LIB 13.11.2019, S. 335).
Mazar-e Sharif:
Die Provinzhauptstadt von Balkh ist Mazar-e Sharif. Die Provinz Balkh liegt im Norden Afghanistan und ist eine ethnisch vielfältige Provinz, welche von Paschtunen, Usbeken, Hazara, Tadschiken, Turkmenen, Aimaq, Belutschen, Arabern und sunnitischen Hazara (Kawshi) bewohnt wird. Es leben 1.475.649 Personen in der Provinz Balkh, davon geschätzte 469.247 in Mazar-e Sharif (LIB 13.11.2019, S. 61).
Balkh zählt zu den relativ stabilen und ruhigen Provinzen Nordafghanistans, in welcher die Taliban in der Vergangenheit keinen Fuß fassen konnten. In den letzten Monaten versuchten Aufständische der Taliban die Provinz Balkh aus benachbarten Regionen zu infiltrieren (LIB 13.11.2019, S. 62). Im Jahr 2018 227 zivile Opfer (85 Tote und 142 Verletzte) in Balkh dokumentiert. Dies entspricht einer Steigerung von 76% gegenüber 2017. Die Hauptursache für die Opfer waren Bodenkämpfe, gefolgt von improvisierten Bomben (IEDS; ohne Selbstmordattentate) und gezielten Tötungen (LIB 13.11.2019, S. 63).
Mazar-e Sharif ist ein Import-/Exportdrehkreuz, ein regionales Handelszentrum sowie ein Industriezentrum mit großen Fertigungsbetrieben und einer Vielzahl von kleinen und mittleren Unternehmen. Mazar-e Sharif ist über die Autobahn sowie über einen Flughafen (mit nationalen und internationalen Anbindungen) zu erreichen (LIB 13.11.2019, S. 61; S. 336).
In der Stadt Mazar-e Sharif gibt es 10 - 15 - teils öffentliche, teils private - Krankenhäuser. In Mazar-e Sharif existieren mehr private als öffentliche Krankenhäuser. Private Krankenhäuser sind sehr teuer, jede Nacht ist kostenpflichtig. Zusätzlich existieren etwa 30-50 medizinische Gesundheitskliniken die zu 80% öffentlich finanziert sind (LIB 13.11.2019, S. 347).
Herat:
Die Provinz Herat liegt im Westen Afghanistans und ist eine der größten Provinzen Afghanistans. Die Provinzhauptstadt von Herat ist Herat-Stadt (LIB 13.11.2019, S. 105). Die Provinz verfügt über 2.095.117 Einwohner, 556.205 davon in der Provinzhauptstadt. Die wichtigsten ethnischen Gruppen in der Provinz sind Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Turkmenen, Usbeken und Aimaqs, wobei Paschtunen in elf Grenzdistrikten die Mehrheit stellen. Umfangreiche Migrationsströme haben die ethnische Zusammensetzung der Stadt verändert, der Anteil an schiitischen Hazara ist seit 2001 durch Iran-Rückkehrer und Binnenvertriebene besonders gestiegen (LIB 13.11.2019, S. 106).
Herat ist durch die Ring-Road sowie durch einen Flughafen mit nationalen und internationalen Anbindungen erreichbar (LIB 13.11.2019, S. 106).
Herat gehört zu den relativ ruhigen Provinzen im Westen Afghanistans, jedoch sind Taliban-Kämpfer in einigen abgelegenen Distrikten aktiv und versuchen oft terroristische Aktivitäten. Je mehr man sich von Herat-Stadt (die als "sehr sicher" gilt) und den angrenzenden Distrikten Richtung Norden, Westen und Süden entfernt, desto größer wird der Einfluss der Taliban. In der Stadt Herat steigt die Kriminalität und Gesetzlosigkeit (LIB 13.11.2019, S. 106). Im Jahr 2018 gab es mit 259 zivile Opfer (95 Tote und 164 Verletzte) in Herat einen Rückgang von 48% gegenüber 2017. Die Hauptursache für die Opfer waren improvisierten Sprengkörper (improvised explosive devices, IEDs; ohne Selbstmordanschläge), gefolgt von Kämpfen am Boden und gezielten Tötungen. Der volatilste Distrikt von Herat ist Shindand. Dort kommt es zu gewalttätigen Zusammenstößen zwischen rivalisierenden Taliban-Fraktionen, wie auch zwischen den Taliban und regierungsfreundlichen Kräften. Außerdem kommt es in unterschiedlichen Distrikten immer wieder zu bewaffneten Zusammenstößen zwischen Taliban und Sicherheitskräften (LIB 13.11.2019, S. 108 f).
Im Vergleich mit anderen Teilen des Landes weist Herat wirtschaftlich und sicherheitstechnisch relativ gute Bedingungen auf. Es gibt Arbeitsmöglichkeiten im Handel, darunter den Import und Export von Waren mit dem benachbarten Iran, wie auch im Bergbau und Produktion. Die Industrie der kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMUs) ist insbesondere im Handwerksbereich und in der Seiden- und Teppichproduktion gut entwickelt und beschäftigt Tagelöhner sowie kleine Unternehmer (LIB 13.11.2019, S. 336).
Bewegungsfreiheit
Das Gesetz garantiert interne Bewegungsfreiheit, Auslandsreisen, Emigration und Rückkehr. Die Regierung schränkt die Bewegung der Bürger gelegentlich aus Sicherheitsgründen ein. Afghanen dürfen sich formell im Land frei bewegen und niederlassen (LIB 13.11.2019, S. 327).
Meldewesen
Afghanistan hat kein zentrales Bevölkerungsregister, keine Datenbanken mit Adress- oder Telefonnummerneinträgen und auch keine Melde- oder Registrierungspflicht. Die Gemeinschafts- bzw. Bezirksältesten führen kein Personenstandsregister, die Regierung registriert jedoch Rückkehrer. Durch die hohe soziale Kontrolle ist gerade im ländlichen Raum keine, aber auch in den Städten kaum Anonymität zu erwarten (LIB 13.11.2019, S. 328).
Internet und Mobiltelefonie
Der Zugang zum Internet wird von staatlicher Seite nicht eingeschränkt und es gibt keine Berichte zu Überwachung privater Online-Kommunikation ohne rechtliche Genehmigung. 2017 hatten 11,4% der Bevölkerung Zugang zu Internetverbindungen, hauptsächlich in städtischen Gebieten. Mit Stand 2016 war GSM-Netz in Kabul und allen 34 Provinzen verfügbar. Förderungen für den ländlichen Raum haben die Netzabdeckung in abgelegenen Gebieten verbessert und 85% der Bevölkerung leben in Gebieten, die vom GSM-Netz abgedeckt sind.
In Gebieten unter Talibankontrolle werden den Mobilfunkanbietern Vorgaben gemacht, wann das Netzwerk zur Verfügung gestellt werden darf; häufig müssen die Netze nach Einbruch der Dunkelheit abgeschaltet werden. Die Mobilfunkbetreiber kommen den Anweisungen in der Regel nach, da in den vergangenen Jahren teure Infrastruktur zerstört und Ingenieure und Angestellte angegriffen und getötet wurden, wenn Anweisungen der Aufständischen nicht befolgt worden sind. Der regierungsnahe Mobiltelefonanbieter Salam ist in den von Taliban kontrollierten Gebieten gesperrt. Die Taliban kontrollieren Handys nach Salam-SIM-Karten. Sollte man mit einer solchen SIM-Karte erwischt werden, wird die Karte wahrscheinlich zerstört und deren Besitzer geschlagen (LIB 13.11.2019, S. 269).
Allgemeine Menschenrechtslage
Im Bereich der Menschenrechte hat Afghanistan unter schwierigen Umständen Fortschritte gemacht. Inzwischen ist eine selbstbewusste neue Generation von Afghaninnen und Afghanen herangewachsen, die sich politisch, kulturell und sozial engagiert und der Zivilgesellschaft eine stärkere Stimme verleiht. Diese Fortschritte erreichen aber nach wie vor nicht alle Landesteile und sind außerhalb der Städte auch gegen willkürliche Entscheidungen von Amtsträgern und Richtern sowie Einflussnahme örtlicher Machteliten nur schwer durchzusetzen. Die afghanische Regierung ist nicht in der Lage, die durch die afghanische Verfassung und einschlägige völkerrechtliche Verträge garantierten Menschenrechte vollumfänglich umzusetzen und zu gewährleisten (LIB 13.11.2019, S. 264).
Korruption:
Die Korruption ist in Afghanistan sehr hoch. Es bestehen zwar strafrechtliche Sanktionen gegen Korruption, diese werden jedoch nicht effektiv umgesetzt. Korruption findet in vielen Bereichen des öffentlichen Lebens statt, unter anderem in der Justiz, bei der Beschaffung von Gütern, bei Staatseinnahmen und bei der Bereitstellung von Leistungen des Staates (LIB 13.11.2019, S. 254 f).
Medizinische Versorgung:
Der afghanischen Verfassung zufolge hat der Staat kostenlos medizinische Vorsorge, ärztliche Behandlung und medizinische Einrichtungen für alle Bürger zur Verfügung zu stellen. Außerdem fördert der Staat die Errichtung und Ausweitung medizinischer Leistungen und Gesundheitszentren. Eine begrenzte Anzahl staatlicher Krankenhäuser in Afghanistan bietet kostenfreie medizinische Versorgung an. Alle Staatsbürger haben dort Zugang zu medizinischer Versorgung und Medikamenten. Die Verfügbarkeit und Qualität der Grundbehandlung ist durch Mangel an gut ausgebildeten Ärzten, Ärztinnen und Assistenzpersonal (v.a. Hebammen), mangelnde Verfügbarkeit von Medikamenten, schlechtes Management sowie schlechte Infrastruktur begrenzt (LIB 13.11.2019, S. 344).
Die Kosten für Medikamente in staatlichen Krankenhäusern weichen vom lokalen Marktpreis ab. Privatkrankenhäuser gibt es zumeist in größeren Städten wie Kabul, Jalalabad, Mazar-e Sharif, Herat und Kandahar. Die Behandlungskosten in diesen Einrichtungen variieren. 90% der medizinischen Versorgung in Afghanistan werden nicht direkt vom Staat zur Verfügung gestellt, sondern von nationalen und internationalen NGOs, die über ein Vertragssystem beauftragt werden (LIB 13.11.2019, S. 345).
Wirtschaft
Afghanistan ist nach wie vor eines der ärmsten Länder der Welt und stark von internationalen Hilfsgeldern abhängig (LIB 13.11.2019, S. 333).
Am Arbeitsmarkt müssten jährlich 400.000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden, um Neueinsteiger in den Arbeitsmarkt integrieren zu können. Der Zugang zum Arbeitsmarkt ist angespannt und die Arbeitslosigkeit ist hoch. Persönliche Kontakte, Empfehlungen sowie ein Netzwerk sind wichtig um einen Job zu finden. Arbeitgeber bewerten persönliche Beziehungen und Netzwerke höher als formelle Qualifikationen, wobei Fähigkeiten, die sich Rückkehrer im Ausland angeeignet haben, eine wichtige Rolle bei der Arbeitsplatzsuche spielen können. Der afghanische Arbeitsmarkt ist durch eine starke Dominanz des Agrarsektors, eine Unterrepräsentation von Frauen und relativ wenigen Möglichkeiten für junge Menschen gekennzeichnet. Ebenso korreliert ein Mangel an Bildung mit Armut, wobei ein niedriges Bildungsniveau und Analphabetismus immer noch weit verbreitet sind. In Afghanistan existiert keine finanzielle oder sonstige Unterstützung bei Arbeitslosigkeit (LIB 13.11.2019, S. 334 f).
In Kabul und im Umland sowie in Städten stehen Häuser und Wohnungen zur Verfügung. Die Kosten in Kabul-City sind jedoch höher als in den Vororten oder in den anderen Provinzen. Die Lebenshaltungskosten sind für den zentral gelegenen Teil der Stadt Kabul höher als In ländlichen Gebieten (LIB 13.11.2019, S. 359).
Rückkehrer:
In den ersten vier Monaten des Jahres 2019 sind insgesamt 63.449 Menschen nach Afghanistan zurückgekehrt. Im Jahr 2018 kamen 775.000 aus dem Iran und 46.000 aus Pakistan zurück (LIB 13.11.2019, S. 353).
Personen, die freiwillig oder zwangsweise nach Afghanistan zurückgekehrt sind, können verschiedene Unterstützungsformen in Anspruch nehmen. Für Rückkehrer leisten UNHCR und IOM in der ersten Zeit Unterstützung. Bei der Anschlussunterstützung ist die Transition von humanitärer Hilfe hin zu Entwicklungszusammenarbeit nicht immer lückenlos. Wegen der hohen Fluktuation im Land und der notwendigen Zeit der Hilfsorganisationen, sich darauf einzustellen, ist Hilfe nicht immer sofort dort verfügbar, wo Rückkehrer sich niederlassen. Es befinden sich viele Rückkehrer in Gebieten, die für Hilfsorganisationen aufgrund der Sicherheitslage nicht erreichbar sind (LIB 13.11.2019, S. 354).
Soziale, ethnische und familiäre Netzwerke sind für einen Rückkehrer unentbehrlich. Der Großteil der nach Afghanistan zurückkehrenden Personen verfügt über ein familiäres Netzwerk, auf das in der Regel zurückgegriffen wird. Wegen der schlechten wirtschaftlichen Lage, den ohnehin großen Familienverbänden und individuellen Faktoren ist diese Unterstützung jedoch meistens nur temporär und nicht immer gesichert. Neben der Familie als zentrale Stütze der afghanischen Gesellschaft, kommen noch weitere wichtige Netzwerke zum Tragen, wie z.B. der Stamm, der Clan und die lokale Gemeinschaft. Diese basieren auf Zugehörigkeit zu einer Ethnie, Religion oder anderen beruflichen Netzwerken (Kolleg/innen, Mitstudierende etc.) sowie politische Netzwerke usw. Ein Netzwerk ist für das Überleben in Afghanistan wichtig. So sind manche Rückkehrer auf soziale Netzwerke angewiesen, wenn es ihnen nicht möglich ist, auf das familiäre Netz zurückzugreifen. Ein Mangel an Netzwerken stellt eine der größten Herausforderungen für Rückkehrer dar. Die Rolle sozialer Netzwerke - der Familie, der Freunde und der Bekannten - ist für junge Rückkehrer besonders ausschlaggebend, um sich an das Leben in Afghanistan anzupassen. Sollten diese Netzwerke im Einzelfall schwach ausgeprägt sein, kann die Unterstützung verschiedener Organisationen und Institutionen in Afghanistan in Anspruch genommen werden (LIB 13.11.2019, S. 354).
Rückkehrer aus dem Iran und aus Pakistan, die oft über Jahrzehnte in den Nachbarländern gelebt haben und zum Teil dort geboren wurden, sind in der Regel als solche erkennbar. Offensichtlich sind sprachliche Barrieren, von denen vor allem Rückkehrer aus dem Iran betroffen sind, weil sie Farsi (die iranische Landessprache) oder Dari (die afghanische Landessprache) mit iranischem Akzent sprechen. Zudem können fehlende Vertrautheit mit kulturellen Besonderheiten und sozialen Normen die Integration und Existenzgründung erschweren. Das Bestehen sozialer und familiärer Netzwerke am Ankunftsort nimmt auch hierbei eine zentrale Rolle ein. Über diese können die genannten Integrationshemmnisse abgefedert werden, indem die erforderlichen Fähigkeiten etwa im Umgang mit lokalen Behörden sowie sozial erwünschtes Verhalten vermittelt werden und für die Vertrauenswürdigkeit der Rückkehrer gebürgt wird. Es gibt jedoch nicht viele Fälle von Diskriminierung afghanischer Rückkehrer aus dem Iran und Pakistan aufgrund ihres Status als Rückkehrer. Fast ein Viertel der afghanischen Bevölkerung besteht aus Rückkehrern. Diskriminierung beruht in Afghanistan großteils auf ethnischen und religiösen Faktoren sowie auf dem Konflikt (LIB 13.11.2019, S. 355).
Rückkehrer aus Europa oder dem westlichen Ausland werden von der afghanischen Gesellschaft häufig misstrauisch wahrgenommen. Es sind jedoch keine Fälle bekannt, in denen Rückkehrer nachweislich aufgrund ihres Aufenthalts in Europa Opfer von Gewalttaten wurden. Wenn ein Rückkehrer mit im Ausland erlangten Fähigkeiten und Kenntnissen zurückkommt, stehen ihm mehr Arbeitsmöglichkeiten zur Verfügung als den übrigen Afghanen, was bei der hohen Arbeitslosigkeit zu Spannungen innerhalb der Gemeinschaft führen kann (LIB 13.11.2019, S. 355).
Der Mangel an Arbeitsplätzen stellt für den Großteil der Rückkehrer die größte Schwierigkeit dar. Der Zugang zum Arbeitsmarkt hängt maßgeblich von lokalen Netzwerken ab. Die afghanische Regierung kooperiert mit UNHCR, IOM und anderen humanitären Organisationen, um IDPs, Flüchtlingen, rückkehrenden Flüchtlingen und anderen betroffenen Personen Schutz und Unterstützung zu bieten. Für Afghanen, die im Iran geboren oder aufgewachsen sind und keine Familie in Afghanistan haben, ist die Situation problematisch (LIB 13.11.2019, S. 355).
Viele Rückkehrer leben in informellen Siedlungen, selbstgebauten Unterkünften oder gemieteten Wohnungen. Die meisten Rückkehrer im Osten des Landes leben in überbelegten Unterkünften und sind von fehlenden Möglichkeiten zum Bestreiten des Lebensunterhaltes betroffen (LIB 13.11.2019, S. 356).
Eine Reihe unterschiedlicher Organisationen ist für Rückkehrer und Binnenvertriebene (IDP) in Afghanistan zuständig. Rückkehrer erhalten Unterstützung von der afghanischen Regierung, den Ländern, aus denen sie zurückkehren, und internationalen Organisationen (z.B. IOM) sowie lokalen Nichtregierungsorganisationen (NGOs). Es gibt keine dezidiert staatlichen Unterbringungen für Rückkehrer. Der Großteil der (freiwilligen bzw. zwangsweisen) Rückkehrer aus Europa kehrt direkt zu ihren Familien oder in ihre Gemeinschaften zurück (LIB 13.11.2019, S. 356).
Die "Reception Assistance" umfasst sofortige Unterstützung oder Hilfe bei der Ankunft am Flughafen: IOM trifft die freiwilligen Rückkehrer vor der Einwanderungslinie bzw. im internationalen Bereich des Flughafens, begleitet sie zum Einwanderungsschalter und unterstützt bei den Formalitäten, der Gepäckabholung, der Zollabfertigung, usw. Darüber hinaus arrangiert IOM den Weitertransport zum Endziel der Rückkehrer innerhalb des Herkunftslandes und bietet auch grundlegende medizinische Unterstützung am Flughafen an. 1.279 Rückkehrer erhielten Unterstützung bei der Weiterreise in ihre Heimatprovinz. Für die Provinzen, die über einen Flughafen und Flugverbindungen verfügen, werden Flüge zur Verfügung gestellt. Der Rückkehrer erhält ein Flugticket und Unterstützung bezüglich des Flughafen-Transfers. Der Transport nach Herat findet in der Regel auf dem Luftweg statt (LIB 13.11.2019, S. 358).
Familien in Afghanistan halten in der Regel Kontakt zu ihrem nach Europa ausgewanderten Familienmitglied und wissen genau Bescheid, wo sich dieses aufhält und wie es ihm in Europa ergeht. Dieser Faktor wird in Asylinterviews meist heruntergespielt und viele Migranten, vor allem Minderjährige, sind instruiert zu behaupten, sie hätten keine lebenden Verwandten mehr oder jeglichen Kontakt zu diesen verloren (LIB 13.11.2019, S. 362).
Ethnische Minderheiten:
In Afghanistan leben zwischen 32-35 Millionen Menschen. Es sind ca. 40-42% Pashtunen, rund 27-30% Tadschiken, ca. 9-10% Hazara und 9% Usbeken. Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnische Minderheiten. Neben den offiziellen Landessprachen Dari und Paschtu wird in der Verfassung sechs weiteren Sprachen ein offizieller Status in jenen Gebieten eingeräumt. Soziale Gruppen werden in Afghanistan nicht ausgeschlossen und kein Gesetz verhindert die Teilnahme von Minderheiten am politischen Leben. Es kommt jedoch im Alltag zu Diskriminierungen und Ausgrenzungen ethnischer Gruppen und Religionen sowie zu Spannungen, Konflikten und Tötungen zwischen unterschiedlichen Gruppen (LIB 13.11.2019, S. 287 f).
Ethnische Paschtunen sind mit ca. 40% der Gesamtbevölkerung die größte Ethnie Afghanistans. Sie sprechen Paschtu/Pashto; als Verkehrssprache sprechen viele auch Dari. Sie sind sunnitische Muslime. Grundlage des paschtunischen Selbstverständnisses sind ihre genealogischen Überlieferungen und die darauf beruhende Stammesstruktur. Eng mit der Stammesstruktur verbunden ist ein komplexes System von Wertvorstellungen und Verhaltensrichtlinien, die häufig unter dem Namen Pashtunwali zusammengefasst werden und die besagen, dass es für einen Paschtunen nicht ausreicht, Paschtu zu sprechen, sondern dass man auch die Regeln dieses Ehren- und Verhaltenskodex befolgen muss. Die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Stammlinienverband bedeutet viele Verpflichtungen, aber auch Rechte, weshalb sich solche Verbände als Solidaritätsgruppen verstehen lassen (LIB 13.11.2019, S. 288 f).
Religionen:
Etwa 99% der afghanischen Bevölkerung sind Muslime, davon 80-89,7% Sunniten. Laut Verfassung ist der Islam die Staatsreligion Afghanistans. Anhänger anderer Religionen sind frei, ihren Glauben im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften auszuüben (LIB 13.11.2019, S. 277).
2. Beweiswürdigung:
II.2.1. Die Identität des BF ergibt sich aus seinen im verwaltungsbehördlichen, wie auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren getätigten gleichbleibenden Angaben dazu; darüber hinaus hat der BF einen Reisepass vorgelegt, der in Österreich für echt befunden wurde (vgl. AS 315).
Die Feststellungen zur Staats-, Religions- und Volksgruppenzugehörigkeit des BF beruhen auf seinen diesbezüglich glaubwürdigen Angaben im Verfahren. Dass der BF neben seiner Muttersprache Paschtu auch Dari, Farsi und etwas Deutsch sprechen kann, folgt aus seinen Angaben in der Einvernahme vom 29.03.2018 (Niederschrift der Einvernahme vom 29.03.2018 [in Folge: "EVS"] S. 2).
Die Feststellungen zu den individuellen Verhältnissen des BF in seinem Herkunftsstaat, insbesondere auch zu seiner Herkunft, seinem Schulbesuch und seiner Berufserfahrung sowie zu seinen familiären Verhältnissen, beruhen auf seinen diesbezüglich ebenfalls glaubwürdigen Angaben im Asylverfahren.
II.2.2. Die Feststellungen zur Lebenssituation der Familienangehörigen in seinem Heimatdorf bzw. in Kabul und zum bestehenden Kontakt mit diesen sowie zu den Besitztümern seiner Familie gründen auf seinen Aussagen in der Einvernahme sowie in der mündlichen Verhandlung (EVS S. 4, 6; Verhandlungsschrift vom 04.07.2019 [in Folge: "VHS"] S. 5 ff).
II.2.3. Die strafrechtliche Verurteilung des BF ergibt sich aus dem aktuellen Auszug aus dem Strafregister sowie aus der übermittelten Strafkarte (OZ 5, 6, 15).
Die Feststellung zum Gesundheitszustand des BF folgt aus seinen Angaben in der Einvernahme vor dem BFA (EVS S. 2), wonach er ein- bis zweimal im Jahr Kopf-, Bauch- und Beinschmerzen habe, Schmerzmittel nehme und nicht in ärztlicher Behandlung sei.
Die Feststellung, dass der BF arbeitsfähig ist, beruht auf seinen eigenen Aussagen in der mündlichen Verhandlung. So hat er gesagt, dass er in Zukunft sehr gerne arbeiten wolle. Er gehe etwa zu Restaurants und versuche einen Job zu finden, man sage ihm jedoch, dass er keine Papiere habe und deswegen nicht arbeiten dürfe (VHS S. 13). Außerdem arbeitete der BF in Afghanistan als Automechaniker. Es sind auch sonst keine Umstände im Verfahren hervorgekommen, die auf eine Arbeitsunfähigkeit des BF hinweisen würden.
II.2.4. Die Feststellung, dass der BF Afghanistan im Jahr 2010 verlassen hat, beruht auf seiner diesbezüglichen glaubhaften Aussage (EVS S. 5). Dass der BF bereits in Deutschland und Norwegen Asylanträge gestellt hat, denen nicht stattgegeben wurde, ergibt sich aus dem Inhalt des Verwaltungsaktes (vgl. etwa AS 55, 137 ff, 222 ff, sowie angefochtener Bescheid S. 10). Dass sich der BF im Mai 2016 freiwillig einen Monat lang in Afghanistan aufgehalten hat, hat er im Verfahren selbst mehrfach angegeben (EVS S. 4, 6; VHS S. 21 f). Die Feststellung zu seiner illegalen Einreise und seinem Antragsstellungszeitpunkt beruht auf den Angaben des BF in der Erstbefragung.
Die Feststellungen zur Heirat des BF in Österreich sowie zu den Daten seiner Ehefrau und seiner Tochter ergeben sich zum einen aus den Angaben des BF, zum anderen aus den im Akt einliegenden Unterlagen (Heiratsurkunde AS 25, Geburtsurkunde der Tochter AS 121). Die Daten der Bescheide, mit denen der Ehefrau und der Tochter des BF der Status der Asylberechtigten zuerkannt wurde, ergeben sich aus den Angaben der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid (S. 10).
Die Feststellungen zum sonstigen Privat- und Familienleben des BF in Österreich ergeben sich aus seinen Angaben in der behördlichen Einvernahme und der Beschwerdeverhandlung sowie aus den im Akt einliegenden Integrationsunterlagen (u.a. AS 361, Beilage ./A zur mündlichen Verhandlung). Die gemeinsame Wohnsitzmeldung seit ergibt sich aus einem aktuellen Auszug aus dem Zentralen Melderegister (OZ 15).
II.2.5. Die Feststellung, dass der BF in Afghanistan nicht vorbestraft ist, keine Probleme mit den Behörden im Herkunftsstaat hatte und sich nicht religiös oder politisch betätigt hat, gründet auf seiner Aussage in der Einvernahme vor der belangten Behörde (EVS S. 4 f).
II.2.6. Die Feststellung, dass der BF nicht glaubhaft machen konnte, dass er seinen Herkunftsstaat aus wohlbegründeter Furcht vor asylrelevanter Verfolgung verlassen hat oder nach einer allfälligen Rückkehr in seinen Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit asylrelevante Übergriffe zu befürchten hätte, ergibt sich aus folgenden Erwägungen:
Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 liegt es am BF, entsprechend glaubhaft zu machen, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK droht. Mit der Glaubhaftmachung ist auch die Pflicht der Verfahrenspartei verbunden, initiativ alles darzulegen, was für das Zutreffen der behaupteten Voraussetzungen spricht und diesbezüglich konkrete Umstände anzuführen, die objektive Anhaltspunkte für das Vorliegen dieser Voraussetzung liefern. Insoweit trifft die Partei eine erhöhte Mitwirkungspflicht. Allgemein gehaltene Behauptungen reichen für eine Glaubhaftmachung nicht aus (vgl. VwGH 17.10.2007, 2006/07/0007).
Festzuhalten ist vorweg, dass der BF keine Belege für sein Vorbringen beibringen konnte. Besondere Bedeutung kommt daher dem Vorbringen eines Asylwerbers zu, das auf seine Glaubhaftigkeit hin zu prüfen ist. Dieses muss genügend substantiiert, plausibel und in sich schlüssig sein. Es obliegt dem Beschwerdeführer, die in seiner Sphäre gelegenen Umstände seiner Flucht einigermaßen nachvollziehbar und genau zu schildern. Schließlich muss der Beschwerdeführer auch persönlich glaubwürdig sein.
II.2.6.1. Die Angaben des BF zu dem Grund für das Verlassen seines Herkunftsstaates sind insgesamt vage, teils widersprüchlich sowie unplausibel:
Der BF gab in seiner Erstbefragung zu seinen Fluchtgründen an, in Afghanistan herrsche Krieg und Unsicherheit. Die Lage sei sehr schlecht. Es würden jeden Tag Bombenanschläge ausgeübt und unschuldige Menschen getötet. Außerdem würden Menschen von der Mafia entführt. Auch als er letztes Jahr seine Familie besucht habe, habe er bemerkt, dass die Lage immer noch schlecht sei. In seiner Heimat sei es viel zu gefährlich. Bei diesen Aussagen handelt es sich um sehr allgemein gehaltene Angaben, die sich lediglich auf die generelle Sicherheitslage in Afghanistan beziehen. Auffällig ist hier, dass der BF die später von ihm genannten Fluchtgründe, wonach ihn unbekannte Personen aufgefordert hätten, Waffen zu transportieren bzw. ihn mit Waffen bedroht hätten, in der Erstbefragung mit keinem Wort erwähnte. Die erkennende Richterin verkennt nicht, dass gemäß § 19 Abs. 1 AsylG 2005 die Erstbefragung zwar "insbesondere" der Ermittlung der Identität und der Reiseroute eines Fremden dient und sich nicht auf die "näheren" Fluchtgründe zu beziehen hat. Dennoch hat der BF dort Angaben zum Fluchtgrund getätigt; ein Beweisverwertungsverbot normiert § 19 Abs. 1 leg. cit. nicht.
In der behördlichen Einvernahme vor dem BFA führte der BF dann erstmals zu seinen Fluchtgründen aus, dass er irgendwann im Jahr 2010 an seinem Arbeitsplatz in der Stadt Kabul gewesen sei, als vier oder fünf unbekannte Personen mit bedeckten Gesichtern und schwarzen Autos zu ihm gekommen seien. Sie hätten gewollt, dass der BF Waffen für sie über den Iran nach Europa transportieren solle. Der BF habe das aber nicht gewollt und habe abgelehnt. Die Personen seien zweimal zu ihm gekommen und hätten mit ihm gesprochen. Persönlich sei er aber nicht konkret bedroht worden. Der BF habe dies seinem Vater erzählt, der gesagt habe, es sei hier gefährlich für den BF. Der Vater habe den BF dann nach Europa geschickt (EVS S. 5 f). Dieser Rahmengeschichte bediente sich der BF auch im weiteren Verfahrensverlauf. Allerdings waren die Ausführungen des BF zu der Verfolgung durch unbekannte Personen detailarm, nicht plausibel und widersprüchlich.
Zunächst ist auszuführen, dass die Angaben des BF zu seinem Fluchtgrund sämtliche Einzelheiten vermissen ließen, die sich für gewöhnlich in der Wahrheit entsprechenden, realen Fluchtgeschichten finden, wie etwa Angaben zum Datum der Vorfälle oder ein ungefährer Zeitpunkt wie etwa die Jahreszeit, weiters Angaben der Uhrzeit oder Tageszeit, konkrete Angaben zu den Aussagen der handelnden Personen, oder beiläufige Ausschmückungen mit lebensnahen Details.
Zudem haben sich im Vorbringen des BF einige Widersprüche ergeben, die seine Angaben als unglaubhaft erscheinen lassen. Der BF hat sich zum einen betreffend die Tatsache widersprochen, wie oft die unbekannten Personen zu ihm gekommen sein sollen. In der mündlichen Verhandlung gab der BF zunächst an, die Personen seien dreimal zu ihm gekommen. Die erste Aufforderung habe er nicht angenommen, beim zweiten Mal hätten sie ihn wieder aufgefordert und er habe wieder verneint, dann seien sie ein drittes Mal zu seiner Werkstatt gekommen und erst nach dem dritten Mal habe er die Flucht aus Afghanistan ergriffen (VHS S. 19). Nur kurze Zeit später widersprach sich der BF in diesem Punkt und gab an, als die Personen im Begriff gewesen seien, beim dritten Mal bei ihm zu erscheinen, habe er die Flucht ergriffen und es sei nicht zum dritten Mal gekommen bzw. gleich zwei Tage nach dem zweiten Vorfall habe er Afghanistan verlassen (VHS S. 20). Auch in der Einvernahme hat er angegeben, die Personen seien zweimal zu ihm gekommen (EVS S. 6).
Weiters hat sich der BF auch dahingehend widersprochen, was die unbekannten Personen von ihm gefordert haben sollen bzw. was diese genau getan haben sollen. In der Einvernahme gab der BF an, die unbekannten Personen hätten gewollt, dass der BF für sie Waffen über den Iran nach Europa transportieren solle (EVS S. 5). Kurz danach sprach der BF nochmals davon, sie hätten von ihm verlangt, Waffen zu transportieren (EVS S. 6). Am Beginn der mündlichen Verhandlung sagte der BF, er habe Fehler im Protokoll des BFA festgestellt und es stimme nicht, dass er gesagt hätte, er wäre zwangsweise aufgefordert worden, Waffen nach Europa zu schmuggeln. Vielmehr sei er damals von den bewaffneten Bedrohern an seinem Arbeitsort, in der Werkstatt, mit Waffen bedroht worden. Das habe er damals auch so gesagt. Hier ist anzumerken, dass sich am Ende des Einvernahmeprotokolls der Vermerk findet, dass die gesamte Niederschrift wortwörtlich rückübersetzt wurde, was der BF mit seiner Unterschrift bestätigte (EVS S. 8). In der Verhandlung darauf angesprochen, gab der BF an, er habe das bei der Rückübersetzung nicht gehört und nicht bemerkt. Auch während der Verfassung der Beschwerde sei ihm dieser Fehler noch nicht bekannt gewesen. Erst ein paar Tage vor der Verhandlung habe ihm sein Schwager, der Bruder seiner Frau, nochmals das Protokoll des BFA rückübersetzt und da sei ihm der Fehler aufgefallen (VHS S. 4). Später gab der BF nochmals an, er habe damals nicht gesagt, dass er Waffen über den Iran nach Europa transportieren hätte sollen und er bestreite, dass er das gesagt habe (VHS S. 21). Diesbezüglich ist darauf hinzuweisen, dass der BF zwischendurch während der Verhandlung durchaus wieder jenen Fluchtgrund angab, von dem er bestritt, dies in der Einvernahme so gesagt zu haben. Er gab in der Verhandlung wortwörtlich an: "Sie kamen zu mir, um mich zu missbrauchen bzw. auszunutzen. Sie wollten mich, wie bereits gesagt, ausnutzen, z.B. durch mich irgendwo anders Waffen und Drogen hin transportieren zB." (VHS S. 19). Angesichts dieser Aussage relativiert sich die Angabe des BF, er habe den Fluchtgrund in der Einvernahme damals nicht so angegeben. Insgesamt entsteht der Eindruck, dass es sich bei der Fluchtgeschichte des BF um ein vages Konstrukt handelt, wodurch sich auch die verschiedenen Ungereimtheiten und Widersprüche ergeben.
Ein weiterer Widerspruch hat sich betreffend den Aspekt ergeben, ob der BF von den unbekannten Personen bedroht wurde oder nicht. In der Einvernahme sagte der BF auf die Frage "Wurden Sie konkret persönlich bedroht?" "Nein, nicht persönlich, aber es [wäre?] möglich gewesen." (EVS S. 6). Im Widerspruch dazu gab der BF in der Verhandlung an: "Sie haben gesagt, komm mit uns und arbeite für uns. Sie sagten: ?Wenn Sie das nicht tun, müssen wir Ihnen weh tun oder Sie töten'." (VHS S. 19). Bei der zuletzt genannten Aussage spricht der BF unzweifelhaft eine konkret ihm gegenüber ausgesprochene Drohung an. Im Übrigen widerspricht die in der Verhandlung erstmals genannte, oben angesprochene, Version der Fluchtgeschichte des BF, er sei mit Waffen bedroht worden, ebenfalls der in der Einvernahme getätigten Angabe, er sei nicht persönlich bedroht worden.
In der Einvernahme sprach der BF davon, es seien "vier oder fünf Personen" gewesen (EVS S. 6), demgegenüber gab er in der Verhandlung an, "Es waren 5 bis 6 bewaffnete Personen" (VHS S. 19).
Gegen eine auch im Fall einer Rückkehr fortbestehende Verfolgungsgefahr für den BF spricht weiters insbesondere die Tatsache, dass der BF im Jahr 2016 freiwillig für einen Monat nach Afghanistan zurückgekehrt ist und dass in dieser Zeit noch dazu seine Eltern seine Heirat arrangierten und sein Vater bei der Schwiegerfamilie um die Hand der Frau des BF anhielt. Sollte der BF tatsächlich