TE Bvwg Erkenntnis 2020/4/2 W177 2197082-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 02.04.2020
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Entscheidungsdatum

02.04.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §52
FPG §55

Spruch

W177 2197082-1/17E

Schriftliche Ausfertigung des am 14.05.2019 mündlich verkündeten Erkenntnisses

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Volker NOWAK als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch den RA Dr. Benno WAGENEDER gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Oberösterreich, Außenstelle Linz, vom 23.04.2018, Zahl: XXXX , zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß den §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3, 57 AsylG2005, § 9 BFA-VG, und §§ 52, 55 FPG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (in der Folge kurz "BF"), ein afghanischer Staatsbürger, reiste illegal ins österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 05.10.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Im Rahmen der am 05.10.2015 erfolgten Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der BF an, dass er im Dorf XXXX , Distrikt XXXX , in der Provinz Laghman, geboren worden sei. Er gehöre der Volksgruppe der Paschtunen an, sei Moslem, sunnitischer Glaubensrichtung und traditionell verheiratet. Seine Muttersprache sei Paschtu. Er sei drei Jahre in eine Koranschule gegangen und habe Berufserfahrung als Mechaniker gesammelt. Im Herkunftsstaat würden noch seine Eltern, seine vier Schwestern und seine zwei Brüder sowie seine Gattin und sein Sohn aufhältig sein. Zu seinem Fluchtgrund befragt, führte der BF aus, dass er mit seinem Bruder eine Autowerkstätte geführt habe. Sie hätten sich auf die Reparatur von Pickups spezialisiert, die vorwiegend von Regierungsmitgliedern, Polizisten und ausländischen Soldaten gefahren werden würden. Die Taliban seien zu ihnen gekommen und hätten gewollt, dass sie bei der Reparatur Bomben unter das Fahrzeug montieren. Da sie sich geweigert hätten, wären sie mit dem Umbringen bedroht worden. Zwei Monate danach sei ihr Haus gestürmt worden, wobei sein Bruder erschossen worden sei. Der BF sei nicht getroffen worden und habe flüchten können. Er habe sich eine Zeit lang in Kabul aufgehalten, jedoch habe sein Vater in Telefonaten gemeint, dass die Lage aussichtslos sei, weshalb sich der BF zur Flucht nach Österreich entschieden habe. Im Falle einer Rückkehr habe er Angst, von den Taliban erschossen zu werden.

3. Bei der Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge kurz "BFA") am 31.11.2017 gab der BF an, das Paschtu spreche, er aber auch Dari und Farsi könne und Deutsch verstehen würde. Er sei Analphabet und gesund. Er habe vor acht Monaten Malaria gehabt, sei aber wieder völlig gesund. Aus diesem Grund habe er aber den Deutschkurs verpasst. Er sei in der Provinz Laghman, im Distrikt XXXX , im Dorf XXXX geboren worden. Er sei afghanischer Staatsbürgen und paschtunischer Volksgruppenzugehörigkeit. Sein Religionsbekenntnis sei der Islam, sunnitischer Glaubensrichtung. Er sei in Afghanistan nicht in die Schule gegangen und habe dort zusammen mit seinem Bruder als Automechaniker zusammengearbeitet. Er könne eine seine Tazkira, zwei Drohbriefe der Taliban und ein Beschwerdeschreiben vorlegen.

In Afghanistan würden noch seine Eltern, seine vier Schwestern und seine beiden Brüder aufhältig sein. Er sei traditionell verheiratet und habe einen Sohn. Seine Ehefrau würde sich auch in seinem Heimatdorf bei ihrem Vater aufhalten. Mit ihr habe er regelmäßigen Kontakt. Er habe sein Land legal per Flugzeug in den Iran verlassen und sei von dort illegal weitergereist, bis ihm Schlepper gesagt hätten, dass er in Österreich sei. Die Schleppung hätten seine Onkel organisiert. Das Geld sei aus dem Verkauf eines Autos und den Einkünften des Unternehmens aufgetrieben worden. Seiner Familie, mit der er auch regelmäßig in Kontakt sei, würde es wirtschaftlich sehr gut gehen. Er sei in seinem Heimatstaat weder vorbestraft noch inhaftiert gewesen noch habe er sonstige Probleme mit den Behörden gehabt. Er sei politisch in keiner Weise aktiv gewesen und habe weder aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit noch aufgrund seines Religionsbekenntnisses Probleme gehabt. In Probleme mit Privatpersonen sei er ebenfalls nicht verwickelt gewesen. An bewaffneten, gewalttätigen Auseinandersetzungen habe der BF in seinem Heimatland auch nicht teilgenommen.

Zu seinem Fluchtgrund befragt, führte der BF im Wesentlichen aus, dass sein Bruder eine Werkstatt in XXXX gehabt hätten, in welcher Mienenräumungsfahrzeuge repariert worden wären und der BF als Mechaniker mitgeholfen habe. Da dies weit von ihrem Heimatdorf entfernt gewesen sei, wären sie nur am Wochenende zur Familie heimgefahren. Die Taliban seien zweimal in die Werkstatt gekommen und sie zur Mitarbeit aufgefordert. Sie hätten Bomben an die Fahrzeuge anbringen sollen, jedoch wäre sein Bruder strikt dagegen gewesen, weil die Regierung sie dann verdächtigen würde. Sie hätten auch Aufträge von ausländischen NGOs bekommen, weil sein Bruder gut Englisch gesprochen habe und er Kontakte zu Dolmetschern gehabt hätte, die mit den Amerikanern gearbeitet hätten. Eines Tages seien die Taliban zu seinem Vater nach Hause gekommen, hätten einen Drohbrief übergeben und diesem gesagt, dass sie aufhören sollten, weiterhin mit ausländischen Firmen zusammen zu arbeiten. Sie seien damals in XXXX gewesen und hätten die Warnungen des Vaters, nach Hause zu kommen, nicht befolgt, sondern weiter für Mienenräumungsfirma gearbeitet. Dann seien die Taliban ein weiteres Mal mit einem Drohbrief nach Hause gekommen und hätten dem Vater gedroht, dass sie das Haus mit einer Bombe in Luft jagen würden. Ob die Bedroher Taliban, IS-Kämpfer oder Daesh gewesen wären, könne er nicht sagen. Sie seien aber immer in der Nacht zum Haus der Familie gekommen.

Eines Tages seien er und sein Bruder über das Wochenende zu Hause gewesen und er habe Lärm und Geschrei gehört. Da die Türen aufgrund des Vertrauens in der Umgebung immer offengestanden seien, hätten die Taliban seinen Vater und seinen Bruder nach draußen gebracht und seinen Bruder sofort erschossen. Er habe über den Hintereingang fliehen können und sei nach Kabul geflohen, von wo aus er in der fünften Nacht seine Flucht fortgesetzt habe. Als er in der Türkei gewesen sei, hätte er Kontakt zu seinem Vater gehabt, der ihm mitgeteilt hätte, dass die Taliban an einem Freitag wieder hier gewesen wären und nach dem BF gesucht hätten. Diese Leute seien für ihn ein Problem im Falle seiner Rückkehr. Er sei sehr fähig, habe aber sein Geschäft verloren, sodass er nutzlos geworden sei.

Von Angesicht zu Angesicht sei der BF in Afghanistan nie bedroht worden. Aber es habe dieses Ultimatum geben, dass sie aufhören sollten mit diesen Personen zusammenzuarbeiten. Es sei immer der gesamten Familie gedroht worden, aber im speziellen hätten diese Drohungen seinem ältesten Bruder gegolten. Seit seiner Ausreise sei ein- oder zweimal nach ihm gesucht worden. Auf mehrmalige Nachfrage gab der BF an, dass er eineinhalb Jahre vor seiner Ausreise das erste Mal bedroht worden sei. Insgesamt sei er sechsmal bedroht worden, davon dreimal nach seiner Ausreise aus Afghanistan. Sein Vater habe dabei immer geantwortet, dass er nicht wisse, wo sich der BF aufhalte, obgleich der BF in regelmäßigen Kontakt mit seiner Familie stehe. Nach dem Erhalt der Drohbriefe hätten sie gewusst, dass die Taliban sie bedroht hätten. Das vorgelegte Beschwerdeschreiben über die Bedrohung durch die Taliban habe er sich aus Afghanistan zukommen lassen, weil man ihm bei der Erstbefragung geraten habe, Beweismittel vorzulegen.

Seine Familie würde die Werkstatt nicht mehr betreiben. Diese hätte sein Onkel übernommen, wobei die Geschäfte nicht mehr so gut laufen würden, wie zuvor. Abgesehen von Kabul habe er sich in keinen anderen Provinzen aufgehalten. Da er niemanden in anderen Provinzen habe und er dort deren gesprochener Sprache nicht mächtig sei, wäre der BF dort auffällig gewesen. Da sein Bruder getötet worden sei, hätte man eventuell vorgehabt ihn zu töten. Er habe Glück gehabt, dass er habe fliehen können. An eine Rückkehr nach Afghanistan sei er nicht interessiert.

Während seines bisherigen Aufenthalts in Österreich habe er Deutschkurse absolviert und legte die diesbezüglichen Unterlagen vor. Er habe sich auch bemüht als Mechaniker eine Stelle zu finden, jedoch dürfe er ohne Asylbescheid nicht arbeiten. Er treffe sich mit Freunden, spiele Fußball und schaue sich deutsche Filme im Fernsehen an. Er lebe von der Grundversorgung, wolle aber arbeiten und seinen Vater unterstützen. Er habe in Österreich mit einer Frau eine Beziehung geführt, jedoch lebe er momentan alleine. Er sei kein Mitglied in Vereinen, sei aber ehrenamtlich tätig geworden. Auf die Länderfeststellungen verzichtete der BF, zumal er über die Medien informiert sei.

4. Am 22.11.2017 wurde der BF als Beschuldigter aufgrund eines Verstoßes gegen das Suchtmittelgesetz wegen des Konsums von Marihuana vernommen. Dieses Verfahren wurde am 08.01.2018 seitens der Staatsanwaltschaft vorläufig eingestellt.

5. Mit Bescheid vom 23.04.2018 wies das BFA den Antrag des BF auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt I.), erkannte ihm den Status eines Asylberechtigten ebenso wie gemäß § 8 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 den Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan nicht zu (Spruchpunkt II.) und erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 (Spruchpunkt III.). Weiters wurde gegen den BF gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 in Verbindung mit § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des BF nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise des BF 2 Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt VI.). Begründend wurde festgehalten, dass das Vorbringen des BF nicht glaubhaft gewesen sei. Es spreche schon gegen die Glaubwürdigkeit des BF, dass die Taliban einmal in der Werkstatt in der Provinz Nangarhar gewesen sein sollten, dort aber keine Vergeltungsmaßnahmen gesetzt haben, jedoch man der Familie in der Provinz Laghman Drohbriefe überbracht hätten. Ebenfalls sei es nicht nachvollziehbar gewesen, dass die Bedrohungen nicht ernst genommen worden seien, zumal eine persönliche Bedrohung stattgefunden habe. Die Inhalte der Drohbriefe würden sich auch zeitlich nicht in Einklang mit dem Vorbringen des BF bringen lassen und es auch nicht nachvollziehbar, dass sich die Familie nach wie vor am gleichen Ort in Afghanistan aufhalten würde, zumal in einem Drohbrief die Ermordung der gesamten Familie niedergeschrieben worden sei. Ebenso sei angeführt, dass der BF durch zahlreiche sichere Länder gereist sei, bevor er den gegenständlichen Asylantrag gestellt habe. Dieses Verhalten würde zeigen, dass der BF andere Motive als die Schutzsuche gehabt hätte.

Aufgrund des Vorliegens eines sozialen Netzes, der Zugehörigkeit sowohl zur ethnischen als auch religiösen Mehrheitsbevölkerung, seines Gesundheitszustandes und seiner Arbeitsfähigkeit sei es ihm zumutbar sich in einer sicheren Gegend des Landes niederzulassen, zumal seine Heimatprovinz als eine volatile Provinz eingestuft worden sei. Betreffend die Rückkehrentscheidung würden die öffentlichen Interessen überwiegen.

6. Mit Verfahrensanordnung vom 24.04.2018 wurde dem BF gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG die ARGE Rechtsberatung, Volkshilfe Flüchtlings- und MigrantInnenbetreuung für das Beschwerdeverfahren zur Seite gestellt. Ebenso wurde mit Verfahrensanordnung vom 24.04.2018 ein Rückkehrberatungsgespräch gemäß § 52a Abs. 2 BFA-VG angeordnet.

7. Gegen den Bescheid des BFA richtete sich die am 24.05.2018 beim BFA eingelangte und fristgerecht durch die damalige rechtsfreundliche Vertretung, ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, erhobene Beschwerde. In dieser wurde festgehalten, dass das Vorbringen des BF glaubwürdig sei. Er sei in Afghanistan wegen der ihm durch die Taliban unterstellten politischen Gesinnung einer asylrechtlich relevanten Verfolgung ausgesetzt. Die Familie des BF werde deswegen nicht bedroht, weil diese weder Automechaniker seien noch diese für ausländische Organisationen arbeiten würden. Der BF und sein Bruder hätten die Drohungen anfangs nicht ernst genommen, zumal sie nicht gewusst hätten, von welcher terroristischen Organisation sie bedroht worden wären. Aufgrund der vorherrschenden Sicherheitslage sei dem BF auch eine Rückkehr nach Kabul zumutbar. Dem BF wäre sohingehend zumindest der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen gewesen. Die belangte Behörde hätte aufgrund des vorliegenden Sachverhaltes auch erkennen müssen, dass die Rückkehrentscheidung gegen des auf für Dauer unzulässig zu erklären gewesen wäre, zumal der Ausspruch darüber nicht verhältnismäßig gewesen sei. Ebenfalls werde die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht beantragt.

8. Die gegenständliche Beschwerde und der bezugshabende Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht (in der Folge kurz "BVwG") am 28.05.2018 vom BFA vorgelegt.

9. Das BVwG führte in der gegenständlichen Rechtssache am 14.05.2019 im Beisein einer Dolmetscherin für die Sprache Paschtu eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der der BF, ebenso wie seine bevollmächtige Vertretung, persönlich teilnahmen. Zwei Vertreter der belangten Behörde nahmen ebenfalls persönlich an der mündlichen Verhandlung teil.

Zu Beginn legte der BF ein Dokumentenkonvolut zum Themenkreis der gelungenen Integration vor. Diese wurde als Sammelbeilage zum Akt genommen. Der BF gab an, dass er in seiner Muttersprache werde lesen noch schreiben könne. Auf Deutsch könne er dies ein wenig. Er habe noch regelmäßigen Kontakt zu seiner Ehefrau und seiner Familie, die sich noch in der Provinz Laghman aufhalten würden. Der BF könne sich dort nicht mehr aufhalten, weil die Taliban ihn und seinen Bruder bedroht hätten. Dadurch hätten sie erreichen wollen, für sie zu arbeiten. Die Autowerkstatt sei danach von einem Onkel väterlicherseits weitergeführt worden. Dieser habe den Betrieb vor zwei Monaten verkauft. Er sei dort Kassier gewesen, habe jedoch nicht die Fähigkeiten gehabt, Reparaturen durchzuführen. Die Werkstatt habe sich in XXXX befunden, seine Familie lebe im Dorf XXXX , im Distrikt XXXX in der Provinz Laghman. Seine Familie könne dort leben. Die Drohungen der Taliban seien zwar gegenüber der Familie ausgesprochen worden, jedoch hätten die Taliban wollen, dass der BF und sein Bruder mit ihnen kooperieren und sie Bomben an die zu reparierenden Fahrzeuge anbringen würden. Es sei richtig, dass die Drohbriefe nach einer einmaligen Drohung in der Werkstatt immer bei der Familie in Laghman hinterlassen worden wären. Der Grund dafür sei einerseits gewesen, dass die Familie eingeschüchtert werde und andererseits der Vater habe lesen können und so sagen hätte können, dass wir der Forderung der Taliban nachgehen sollen. Vor seiner Ausreise aus Afghanistan habe er sich einige Tage bei seinem Onkel mütterlicherseits in Kabul aufgehalten. Er sei nicht dort aus Angst nicht aus dem Haus gegangen und habe auch nicht am Begräbnis seines Bruders in Laghman teilnehmen können.

Im Zuge seiner beruflichen Tätigkeit habe er sich immer wieder in anderen Städten aufgehalten. Er habe den Führerschein als Analphabet haben können, weil es in Afghanistan keine Fahrschulen wie in Österreich geben würde. Drohungen seitens der Taliban habe es in den Städten damals nicht gegeben. Sein Onkel habe mit den Taliban keine Probleme, weil in der Werkstatt danach nur mehr Autoteile verkauft worden seien. Er selbst habe in der Werkstatt acht Jahre lang gearbeitet und dieselben Tätigkeiten wie sein Bruder ausgeführt.

Der Rechtsvertreter des BF hielt fest, dass eine Bedrohung der Familie in paschtunischen Kreisen durchaus plausibel erscheinen würde, denn so könne man sich die Autorität des Vaters zu nutzen machen, um die Söhne von der Kooperation mit ihnen zu überzeugen. Ebenso habe es im BVwG auch Asylgewährungen gegeben, wo Personen nur mittelbar für die Regierung tätig gewesen wären. Der BF sei kumulativ noch als Familienangehöriger bedroht. Es wurde noch eine unübersetzte afghanische Gewerbeurkunde vorgelegt.

Nach Feststellung der Dolmetscherin, dass auf einem Drohbrief das Jahr 1393 und auf dem anderen das Jahr 1394 vermerkt worden sei, wurde die politische und menschenrechtliche Situation i Herkunftsstaat erörtert. Zur Integration gefragt, führte der BF aus, dass er viele österreichische Freunde habe und er sich bereits um Anstellungen bemüht habe. Zusagen seitens der Firmen könne er jedoch nicht vorlegen. Die Behördenvertreter geben an, dass eine besondere Integrationsverfestigung beim BF nicht erkennbar sei.

Nach Rücksprache mit der Dolmetscherin stellte der erkennende Richter fest, dass der Name des BF sehr wahrscheinlich XXXX laute. Danach erfolgte der Schluss der mündlichen Verhandlung und zugleich die mündliche Verkündung des die Beschwerde vollabweisenden Erkenntnisses. Die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 14.05.2019 wurde beiden Parteien ausgefolgt.

10. Die rechtsfreundliche Vertretung des BF beantragte am 16.05.2019 beim Bundesverwaltungsgericht die schriftliche Ausfertigung des mündlich verkündeten Erkenntnisses. Einem an diesem Tag seitens des BVwG ergangenen Mängelbehebungsauftrags wurde mit Schreiben vom 17.05.2019 entsprochen, weshalb dem Antrag auf Ausfertigung fristgerecht entsprochen wurde.

11. Mit Scheiben vom 21.05.2019 gab der BF bekannt, dass er in gegenständlichem Verfahren nunmehr RA Dr. Benno Wageneder bevollmächtigt habe, ihn rechtsfreundlich zu vertreten. Er werde daher ersucht, ihm die Ausfertigung zuzustellen.

12. Der BF legte im Lauf des Verfahrens folgende Dokumente vor:

* Kopie einer Tazkira

* Zwei Drohbriefe der Taliban und ein Beschwerdeschreiben

* Eine afghanische Gewerbeurkunde

* Zahlreiche Teilnahmebestätigungen an Deutschkursen (Niveau A1, A2)

* ÖSD Zertifikat Deutsch A1

* Arztbrief über stationären Krankenhausaufenthalt

* Bfi-Portfoliomappe über den BF

* Zwei Empfehlungsschreiben

* Teilnamebestätigungen an eine Lehrgang "Basisbildung Oberösterreich"

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest.

1.1. Zum sozialen Hintergrund des BF:

Der BF führt den Namen XXXX , geboren am XXXX , ist Staatsangehöriger der Islamischen Republik Afghanistan, Angehöriger der Volksgruppe der Paschtunen und gehört der sunnitischen Glaubensrichtung des Islams an. Die Muttersprache des BF ist Paschtu. Er ist im erwerbsfähigen Alter und ist gesund.

Der BF wurde nach seinen Angaben in XXXX , im Distrikt XXXX in der Provinz Laghman geboren. Er hat in Afghanistan keine Schule besucht, ist Analphabet und hat acht Jahre Berufserfahrung als Automechaniker gesammelt. In seinem Heimatland würden sich jedenfalls noch seine Eltern, seine vier Schwestern und zwei Brüder sowie zahlreiche Onkel und Tanten in seiner Heimatregion aufhalten. Ein Onkel mütterlicherseits würde in Kabul leben. Der BF ist verheiratet. In seinem Heimatdorf würden noch seine Ehefrau und sein Sohn leben.

Der BF ist in Österreich bislang strafrechtlich unbescholten. Der BF ist auch in seinem Herkunftsstaat nicht vorbestraft, hatte dort keine Probleme mit Behörden und dort war politisch nicht aktiv.

Der BF ist nach seiner Ausreise aus Afghanistan über den Iran und die Türkei in Bulgarien auf das Gebiet der EU eingereist, wo er schlepperunterstützt und illegal in Österreich eingereist ist und einen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

Der BF ist nach den afghanischen Gepflogenheiten und der afghanischen Kultur sozialisiert, er ist mit den afghanischen Gepflogenheiten vertraut.

Der BF ist derzeit nicht in ärztlicher Behandlung und benötige zurzeit auch keine sonstigen therapeutischen Maßnahmen. Er ist sohingehend generell gesund und arbeitsfähig.

1.2. Zu den Fluchtgründen des BF:

Der BF stellte am 05.10.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Seinen Antrag auf internationalen Schutz begründet der BF im Wesentlichen damit, dass er mit seinem Bruder eine Autowerkstätte geführt habe. Sie hätten sich auf die Reparatur von Pickups spezialisiert, die vorwiegend von Regierungsmitgliedern, Polizisten und ausländischen Soldaten gefahren werden würden. Die Taliban seien zu ihnen gekommen und hätten gewollt, dass sie bei einer Reparatur Bomben unter das Fahrzeug montieren. Da sie sich geweigert hätten, wären sie mit dem Umbringen bedroht worden. Zwei Monate danach sei ihr Haus gestürmt worden, wobei sein Bruder erschossen worden sei. Der BF sei nicht getroffen worden und habe flüchten können. Er habe sich eine Zeit lang in Kabul aufgehalten, jedoch habe sein Vater in Telefonaten gemeint, dass die Lage aussichtslos sei, weshalb sich der BF zur Flucht nach Österreich entschieden habe. Im Falle einer Rückkehr habe er Angst, von den Taliban erschossen zu werden.

Der BF wurde von den Taliban nicht bedroht. Der BF wurde seitens der Taliban auch nicht aufgefordert mit diesen zusammen zu arbeiten oder diese zu unterstützen. Der BF wurde von den Taliban weder angesprochen noch angeworben. Er hatte in Afghanistan keinen Kontakt zu den Taliban, er wird von diesen auch nicht gesucht. Auch hat der Vorfall, bei dem die Taliban das Haus der Familie gestürmt hätten und dabei seinen Bruder getötet hätten, nicht stattgefunden.

Festgestellt wird, dass der BF in Afghanistan keiner landesweiten Verfolgung ausgesetzt ist.

1.2.2. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan drohen dem BF individuell und konkret weder Lebensgefahr noch ein Eingriff in seine körperliche Integrität durch Mitglieder der Taliban oder durch andere Personen.

Dem BF droht bei einer Rückkehr nach Afghanistan wegen seiner Zugehörigkeit zur Religionsgemeinschaft der Sunniten oder zur Volksgruppe der Paschtunen konkret und individuell weder physische noch psychische Gewalt.

Es kann daher festgestellt werden, dass der BF keiner konkreten Verfolgung oder Bedrohung in Afghanistan ausgesetzt ist oder eine solche, im Falle seiner Rückkehr, zu befürchten hätte.

1.3. Zur Situation im Fall einer Rückkehr des BF:

Im Falle einer Verbringung des BF in seinen Herkunftsstaat droht diesem kein reales Risiko einer Verletzung der Art. 2 oder 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (in der Folge EMRK), oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention.

Dem BF könnte bei einer Rückkehr in die Herkunftsprovinz Laghman aufgrund der dort herrschenden allgemeinen schlechten Sicherheitslage ein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit drohen.

Da seine Herkunftsprovinz Laghman zu den volatilen Provinzen Afghanistans zählt, ist eine Rückkehr in diese nicht möglich.

Der BF ist anpassungsfähig und kann einer regelmäßigen Arbeit nachgehen.

Bei einer Rückkehr nach Afghanistan und einer Ansiedelung in der Stadt Herat oder der Stadt Mazar-e Sharif kann der BF grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse, wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft, befriedigen, ohne in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten. Er kann selbst für sein Auskommen und Fortkommen sorgen und in Herat oder Mazar-e Sharif einer Arbeit nachgehen und sich selber erhalten.

Es ist dem BF möglich, nach anfänglichen Schwierigkeiten nach einer Ansiedlung in der Stadt Herat oder Mazar-e Sharif Fuß zu fassen und dort ein Leben ohne unbillige Härten zu führen, wie es auch andere Landsleute führen können.

Außergewöhnliche Gründe, die eine Rückkehr des BF nach Mazar-e Sharif oder Herat ausschließen, konnten nicht festgestellt werden. Der BF leidet an keiner ernsthaften Krankheit, welche ein Rückkehrhindernis darstellen würde; er ist gesund. Es bestehen keine Zweifel an der Arbeits- und Erwerbsfähigkeit des BF.

Die Eltern, zwei Brüder und vier Schwestern des BF sowie seine Ehefrau, sein Sohn und zahlreiche Onkeln und Tanten wohnen derzeit in der Provinz Laghman. Der BF hat regelmäßig Kontakt zu diesen. Der Familie des BF gehört in der Heimatregion ein Haus. Ein Onkel des BF lebt in Kabul. Die Familie des BF kann ihn bei einer Rückkehr nach Afghanistan zumindest vorübergehend finanziell unterstützen.

Der BF hat die Möglichkeit, finanzielle Unterstützung in Form einer Rückkehrhilfe in Anspruch zu nehmen. Der BF wurde in der Beschwerdeverhandlung über die Rückkehrunterstützungen und Reintegrationsmaßnahmen in Kenntnis gesetzt.

Der BF verfügt über ein überdurchschnittliches Maß an Anpassungs- und Selbsterhaltungsfähigkeit.

Der BF ist mit den kulturellen Gepflogenheiten und der Sprache seines Herkunftsstaates vertraut, weil er in seinem Heimatland in einem afghanisch geprägten Umfeld aufgewachsen ist.

1.4. Zum Leben in Österreich:

Der BF reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen nach Österreich ein und hält sich zumindest seit 05.10.2015 durchgehend in Österreich auf. Er ist nach seinem Antrag auf internationalen Schutz vom 05.10.2015 in Österreich aufgrund einer vorübergehenden Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG durchgehend rechtmäßig aufhältig.

Der BF hat keine weiteren Familienangehörigen in Österreich.

Der BF pflegte in Österreich freundschaftliche Beziehungen zu Österreichern und Afghanen. Darüber hinaus konnten keine weiteren substanziellen Anknüpfungspunkte im Bereich des Privatlebens (wie z.B. Beziehungen, Lebensgemeinschaften) festgestellt werden. Der BF war kein Mitglied von politischen Parteien und war auch sonst nicht politisch aktiv. Neben den erwähnten Freundschaften, ist der BF kein Mitglied von Vereinen. Schließlich wird das soziale Verhalten des BF in der Gesellschaft durch Referenzschreiben belegt, wo der BF als hilfsbereit, freundlich und fleißig wahrgenommen wird. Jedoch gilt es auch hier anzumerken, dass diese Schreiben ausschließlich aus dem sozialen Umfeld des BF stammen, das ein besonderes Interesse am Verbleib des BF im Bundesgebiet hat.

Der BF besuchte zahlreiche Deutschkurse und konnte dies auch durch Teilnahmebestätigungen und Sprachzertifikate bestätigen. Er ist daher in der Lage, auf elementarer Ebene in einfachen, routinemäßigen Situationen des Alltags- und Berufslebens auf Deutsch zu kommunizieren.

Der BF lebt von der Grundversorgung und ist nicht selbsterhaltungsfähig. Ferner verfügt er über keine Einstellzusage. Der BF hat vereinzelt gemeinnützige bzw. ehrenamtliche Aufgaben übernommen und an einigen Bildungskursen teilgenommen.

1.5. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:

1.5.1 KI vom 26.3.2019, Anschläge in Kabul, Überflutungen und Dürre, Friedensgespräche, Präsidentschaftswahl

Bei einem Selbstmordanschlag während des persischen Neujahres-Fests Nowruz in Kabul-Stadt kamen am 21.3.2019 sechs Menschen ums Leben und weitere 23 wurden verletzt (AJ 21.3.2019, Reuters 21.3.2019). Die Detonation erfolgte in der Nähe der Universität Kabul und des Karte Sakhi Schreins, in einer mehrheitlich von Schiiten bewohnten Gegend.

Überflutungen und Dürre

Nach schweren Regenfällen in 14 afghanischen Provinzen kamen mindestens 63 Menschen ums Leben. In den Provinzen Farah, Kandahar, Helmand, Herat, Kapisa, Parwan, Zabul und Kabul, wurden ca. 5.000 Häuser zerstört und 7.500 beschädigt (UN OCHA 19.3.2019). Dem Amt für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten der Vereinten Nationen (UN OCHA) zufolge waren mit Stand 19.3.2019 in der Provinz Herat die Distrikte Ghorvan, Zendejan, Pashtoon Zarghoon, Shindand, Guzarah und Baland Shahi betroffen (UN OCHA 19.3.2019). Die Überflutungen folgten einer im April 2018 begonnen Dürre, von der die Provinzen Badghis und Herat am meisten betroffen waren und von deren Folgen (z.B. Landflucht in die naheliegenden urbanen Zentren, Anm.) sie es weiterhin sind. Gemäß einer Quelle wurden in den beiden Provinzen am 13.9.2018 ca. 266.000 IDPs vertrieben: Davon zogen 84.000 Personen nach Herat-Stadt und 94.945 nach Qala-e-Naw, wo sie sich in den Randgebieten oder in Notunterkünften innerhalb der Städte ansiedelten und auf humanitäre Hilfe angewiesen sind (IFRCRCS 17.3.2019).

Friedensgespräche

Kurz nach der Friedensgesprächsrunde zwischen Taliban und Vertretern der USA in Katar Ende Jänner 2019 fand Anfang Februar in Moskau ein Treffen zwischen Taliban und bekannten afghanischen Politikern der Opposition, darunter der ehemalige Staatspräsident Hamid Karzai und mehrere "Warlords", statt (Qantara 12.2.201). Quellen zufolge wurde das Treffen von der afghanischen Diaspora in Russland organisiert. Taliban-Verhandlungsführer Sher Muhammad Abbas Stanaksai wiederholte während des Treffens schon bekannte Positionen wie die Verteidigung des "Dschihad" gegen die "US-Besatzer" und die gleichzeitige Weiterführung der Gespräche mit den USA. Des Weiteren verkündete er, dass die Taliban die Schaffung eines "islamischen Regierungssystems mit allen Afghanen" wollten, obwohl sie dennoch keine "exklusive Herrschaft" anstrebten. Auch bezeichnete er die bestehende afghanische Verfassung als "Haupthindernis für den Frieden", da sie "vom Westen aufgezwungen wurde"; Weiters forderten die Taliban die Aufhebung der Sanktionen gegen ihre Führer und die Freilassung ihrer gefangenen Kämpfer und bekannten sich zur Nichteinmischung in Angelegenheiten anderer Länder, zur Bekämpfung des Drogenhandels, zur Vermeidung ziviler Kriegsopfer und zu Frauenrechten. Diesbezüglich aber nur zu jenen, "die im Islam vorgesehen seien" (z.B. lernen, studieren und sich den Ehemann selbst auswählen). In dieser Hinsicht kritisierten sie dennoch, dass "im Namen der Frauenrechte Unmoral verbreitet und afghanische Werte untergraben würden" (Taz 6.2.2019).

Ende Februar 2019 fand eine weitere Friedensgesprächsrunde zwischen Taliban und US-Vertretern in Katar statt, bei denen die Taliban erneut den Abzug der US-Truppen aus Afghanistan forderten und betonten, die Planung von internationalen Angriffen auf afghanischem Territorium verhindern zu wollen. Letzterer Punkt führte jedoch zu Meinungsverschiedenheiten: Während die USA betonten, die Nutzung des afghanischen Territoriums durch "terroristische Gruppen" vermeiden zu wollen und in dieser Hinsicht eine Garantie der Taliban forderten, behaupteten die Taliban, es gebe keine universelle Definition von Terrorismus und weigerten sich gegen solch eine Spezifizierung. Sowohl die Taliban- als auch die US-Vertreter hielten sich gegenüber den Medien relativ bedeckt und betonten ausschließlich, dass die Friedensverhandlungen weiterhin stattfänden. Während es zu Beginn der Friedensgesprächsrunde noch Hoffnungen gab, wurde mit Voranschreiten der Verhandlungen immer klarer, dass sich eine Lösung des Konflikts als "frustrierend langsam" erweisen würde (NYT 7.3.2019).

Die afghanische Regierung war weder an den beiden Friedensgesprächen in Doha noch an dem Treffen in Moskau beteiligt (Qantara 12.2.2019; vgl. NYT 7.3.2019), was Unbehagen unter einigen Regierungsvertretern auslöste und die diplomatischen Beziehungen zwischen den beiden Regierungen beeinträchtigte (Reuters 18.3.2019; vgl. WP 18.3.2019). Beispielsweise erklärte USUnterstaatssekretär David Hale am 18.3.2019 die Beendigung der Kontakte zwischen USVertretern und dem afghanischen nationalen Sicherheitsberater Hamdullah Mohib, nachdem dieser US-Chefunterhändler Zalmay Khalilzad und den Ausschluss der afghanischen Regierung aus den Friedensgesprächen öffentlich kritisiert hatte (Reuters 18.3.2019).

Verschiebung der Präsidentschaftswahl

Die Präsidentschaftswahl, welche bereits von April auf Juni 2019 verschoben worden war, soll Quellen zufolge nun am 28.9.2019 stattfinden. Grund dafür seien "zahlreiche Probleme und Herausforderungen welche vor dem Wahltermin gelöst werden müssten, um eine sichere und transparente Wahl sowie eine vollständige Wählerregistrierung sicherzustellen - so die unabhängige Wahlkommission (IEC) (VoA 20.3.2019; vgl. BAMF 25.3.2019).

KI vom 22.1.2019, Anschlag auf Ausbildungszentrum des National Directorate of Security (NDS) in der Provinz Wardak und weitere

Bei einem Anschlag auf einen Stützpunk des afghanischen Sicherheitsdienstes (NDS, National Directorate of Security) in der zentralen Provinz Wardak (auch Maidan Wardak) kamen am 21.1.2019 zwischen zwölf und 126 NDS-Mitarbeiter ums Leben (TG 21.1.2019; vgl. IM 22.1.2019). Quellen zufolge begann der Angriff am Montagmorgen, als ein Humvee-Fahrzeug der U.S.- amerikanischen Streitkräfte in den Militärstützpunkt gefahren und in die Luft gesprengt wurde. Daraufhin eröffneten Angreifer das Feuer und wurden in der Folge von den Sicherheitskräften getötet (TG 21.1.2019; vgl. NYT 21.1.2019). Die Taliban bekannten sich zum Anschlag, der, Quellen zufolge, einer der tödlichsten Angriffe auf den afghanischen Geheimdienst der letzten 17 Jahre war (NYT 21.1.2019; IM 22.1.2019). Am selben Tag verkündeten die Taliban die Wiederaufnahme der Friedensgespräche mit den U.S.-amerikanischen Vertretern in Doha, Qatar (NYT 21.1.2019; vgl. IM 22.1.2019, Tolonews 21.1.2019).

Am Vortag, dem 20.1.2019, war der Konvoi des Provinzgouverneurs der Provinz Logar, Shahpoor Ahmadzai, auf dem Autobahnabschnitt zwischen Kabul und Logar durch eine Autobombe der Taliban angegriffen worden. Die Explosion verfehlte die hochrangigen Beamten, tötete jedoch acht afghanische Sicherheitskräfte und verletzte zehn weitere (AJ 20.1.2019; vgl. IM 22.1.2019).

Des Weiteren detonierte am 14.1.2019 vor dem gesicherten Green Village in Kabul, wo zahlreiche internationale Organisationen und NGOs angesiedelt sind, eine Autobombe (Reuters 15.1.2019). Quellen zufolge starben bei dem Anschlag fünf Menschen und über 100, darunter auch Zivilisten, wurden verletzt (TG 21.1.2019; vgl. Reuters 15.1.2019, RFE/RL 14.1.2019). Auch zu diesem Anschlag bekannten sich die Taliban (TN 15.1.2019; vgl. Reuters 15.1.2019).

KI vom 8.1.2019, Anschlag in Kabul und Verschiebung der Präsidentschaftswahl

Anschlag auf Regierungsgebäude in Kabul

Am 24.12.2018 detonierte vor dem Ministerium für öffentliches Bauwesen im Osten Kabuls (PD16) eine Autobombe; daraufhin stürmten Angreifer das nahe gelegene Gebäude des Ministeriums für Arbeit, Soziales, Märtyrer und Behinderte und beschossen weitere Regierungseinrichtungen in der Umgebung (ORF 24.12.2018; vgl. ZO 24.12.2018, Tolonews 25.12.2018). Nach einem mehrstündigen Gefecht zwischen den afghanischen Sicherheitskräften und den Angreifern konnten diese besiegt werden. Quellen zufolge kamen ca. 43 Menschen ums Leben (AJ 25.12.2018; vgl. Tolonews 25.12.2018, NYT 24.12.2018). Bisher bekannte sich keine Gruppierung zum Anschlag (Tolonews 25.12.2018; vgl. AJ 25.12.2018).

Problematische Stimmenauszählung nach Parlamentswahlen und Verschiebung der Präsidentschaftswahl

Am 6.12.2018 erklärte die afghanische Wahlbeschwerdekommission (IECC) alle in der Provinz Kabul abgegebenen Stimmen für ungültig (RFE/RL 6.12.2018). Somit wurden die Stimmen von ungefähr einer Million Kabulis annulliert (Telepolis 15.12.2018; vgl. TAZ 6.12.2018). Die Gründe für die Entscheidung der IECC seien mehrere, darunter Korruption, Wahlfälschung und die mangelhafte Durchführung der Wahl durch die Unabhängige Wahlkommission (IEC) (Telepolis 15.12.2018; vgl. RFE/RL 6.12.2018). Die Entscheidung wurde von der IEC als "politisch motiviert" und "illegal" bezeichnet (Tolonews 12.12.2018). Am 8.12.2018 erklärte die IECC dennoch, die Kommission würde ihre Entscheidung revidieren, wenn sich die IEC kooperationswillig zeige (Tolonews 8.12.2018). Einer Quelle zufolge einigten sich am 12.12.2018 die beiden Wahlkommissionen auf eine neue Methode zur Zählung der abgegebenen Stimmen, welche die Transparenz und Glaubhaftigkeit dieser wahren sollte; ca. 10% der Stimmen in Kabul sollen durch diese neue Methode nochmals gezählt werden (Tolonews 12.12.2018). Die Überprüfung der Wahlstimmen in der Provinz Kabul ist weiterhin im Gange (Tolonews 7.1.2019). Dem Gesetz zufolge müssen im Falle der Annullierung der Stimmen innerhalb von einer Woche Neuwahlen stattfinden, was jedoch unrealistisch zu sein scheint (Telepolis 15.12.2018). Bisher hat die IEC die vorläufigen Ergebnisse der Wahl für 32 Provinzen veröffentlicht (IEC o.D.).

Am 30.12.2018 wurde die Verschiebung der Präsidentschaftswahl vom 20.4.2019 auf den 20.7.2019 verkündet. Als Gründe dafür werden u.a. die zahlreichen Probleme während und nach den Parlamentswahlen im Oktober genannt (WP 30.12.2018; vgl. AJ 30.12.2018, Reuters 30.12.2018).

KI vom 23.11.2018, Anschläge in Kabul

Bei einem Selbstmordanschlag in Kabul-Stadt kamen am 20.11.2018 ca. 55 Menschen ums Leben und ca. 94 weitere wurden verletzt (AJ 21.11.2018; vgl. NYT 20.11.2018, TS 21.11.2018, LE 21.11.2018). Der Anschlag fand in der Hochzeitshalle "Uranus" statt, wo sich Islamgelehrte aus ganz Afghanistan anlässlich des Nationalfeiertages zu Maulid an-Nabi, dem Geburtstag des Propheten Mohammed, versammelt hatten (AJ 21.11.2018; vgl. TS 21.11.2018, TNAE 21.11.2018, IFQ 20.11.2018, Tolonews 20.11.2018). Quellen zufolge befanden sich zum Zeitpunkt der Explosion zwischen 1.000 und 2.000 Personen, darunter hauptsächlich Islamgelehrte und Mitglieder des Ulemarates, aber auch Mitglieder der afghanischen Sufi-Gemeinschaft und andere Zivilisten, in der Hochzeitshalle (AJ 21.11.2018; vgl. LE 21.11.2018, NYT 20.11.2018, DZ 20.11.2018, IFQ 20.11.2018). Gemäß einer Quelle fand die Detonation im ersten Stock der Hochzeitshalle statt, wo sich zahlreiche Geistliche der afghanischen Sufi-Gemeinschaft versammelt hatten. Es ist nicht klar, ob das Ziel des Anschlags das Treffen der sufistischen Gemeinschaft oder das im Erdgeschoss stattfindende Treffen der Ulema und anderer Islamgelehrten war (LE 21.11.2018; vgl. TNAE 21.11.2018). Weder die Taliban noch der Islamische Staat (IS) bekannten sich zum Angriff, der dennoch von den Taliban offiziell verurteilt wurde (LE 21.11.2018; vgl. AJ 21.11.2018, IFQ 20.11.2018).

Am 12.11.2018 kamen bei einem Selbstmordanschlag in Kabul-Stadt ca. sechs Personen ums Leben und 20 weitere wurden verletzt (Tolonews 12.11.2018; vgl. DZ 12.11.2018, ANSA 12.11.2018). Anlass dafür war eine Demonstration in der Nähe des "Pashtunistan Square" im Stadtzentrum, an der hunderte von Besuchern, darunter hauptsächlich Mitglieder und Unterstützer der Hazara-Gemeinschaft, teilnahmen, um gegen die während des Berichtszeitraums anhaltenden Kämpfe in den Provinzen Ghazni und Uruzgan zu demonstrieren (Tolonews 12.11.2018; vgl. DZ 12.11.2018, KP 12.11.2018). Der IS bekannte sich zum Anschlag (DZ 12.11.2018; vgl. AJ 12.11.2018).

Bei einem Selbstmordanschlag in Kabul-Stadt kamen am 31.10.2018 ca. sieben Personen ums Leben und weitere acht wurden verletzt (Dawn 1.11.20181; vgl. 1TV 31.10.2018, Pajhwok 31.10.2018). Unter den Opfern befanden sich auch Zivilisten (Pajhwok 31.10.2018; vgl. 1TV 31.10.2018). Die Explosion fand in der Nähe des Kabuler Gefängnisses Pul-i-Charkhi statt und hatte dessen Mitarbeiter zum Ziel (Dawn 1.11.2018; vgl. 1TV 31.10.2018, Pajhwok 31.10.2018). Der IS bekannte sich zum Anschlag (Dawn 1.11.2018, vgl. 1TV 31.10.2018).

KI vom 29.10.2018, Parlamentswahlen und UNAMA-Update zu zivilen Opfern

Am 20. und am 21.10.2018 fand in Afghanistan die Wahl für das Unterhaus (Wolesi Jirga, Anm.) in 32 der 34 Provinzen statt (AAN 21.10.2018b; vgl. LS 21.10.2018). In der Provinz Ghazni wurde die Parlamentswahl verschoben, voraussichtlich auf den 20.4.2019, wenn u.a. auch die Präsidentschafts- und Distriktwahlen stattfinden sollen (siehe hierzu KI der Staatendokumentation vom 19.10.2018). In der Provinz Kandahar fand die Wahl am 27.10.2018 mit Ausnahme der Distrikte Nesh und Maruf statt (AAN 26.10.2018; vgl. CNN 27.10.2018). Grund für die Verzögerung war die Ermordung u.a. des lokalen Polizeichefs General Abdul Raziq am 18.10.2018 (AJ 19.10.2018; vgl. LS 21.10.2018). Während der Wahl in der Provinz Kandahar wurden keine sicherheitsrelevanten Vorfälle gemeldet (CNN 27.10.2018). Die Wahl, die für den 20.10.2018 geplant war, wurde um einen Tag verlängert, weil die Wähler aus sicherheits- und technischen Gründen in zahlreichen Provinzen nicht wählen konnten: Lange Wartezeiten vor den Wahllokalen sowie verspätete Öffnungszeiten, Mangel an Wahlunterlagen, Probleme bei der biometrischen Verifizierung der Wähler, sicherheitsrelevante Vorfälle usw. waren die Hauptprobleme während der beiden Wahltage (AAN 20.10.2018; vgl. AAN 21.10.2018a). Von den ca. neun Millionen Afghanen und Afghaninnen, die sich für die Wahl registriert hatten, wählten laut Schätzungen der Independent Election Commission (IEC) zwischen drei und vier Millionen (CNN 27.10.2018; vgl. RN 21.10.2018, AAN 21.10.2018b). In den Städten und Gebieten, die als sicherer gelten, war der Wahlandrang höher als in den ländlichen Gegenden, in denen die Taliban Einfluss ausüben (AAN 20.10.2018; vgl. RN 21.10.2018, AAN 21.10.2018a).

Während der beiden Wahltage fanden Quellen zufolge landesweit ca. 200 sicherheitsrelevante Vorfälle statt und ca. 170 Zivilisten kamen während des ersten Wahltages ums Leben bzw. wurden verwundet: In Kabul wurden 15 Tote, in Baghlan 12, in Nangarhar 11 und in Kunduz 3 Tote verzeichnet. Auch Mitglieder der afghanischen Sicherheitskräfte befanden sich unter den Opfern (vgl. AAN 21.10.2018a, RN 21.10.2018, AFP 20.10.2018).

Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) registrierte zwischen 1.1.2018 und 30.9.2018 im Zusammenhang mit den Parlamentswahlen insgesamt 366 zivile Opfer (126 Tote und 240 Verletzte) (UNAMA 10.10.2018).

KI vom 19.10.2018, Aktualisierung: Sicherheitslage in Afghanistan

Allgemeine Sicherheitslage und sicherheitsrelevante Vorfälle

Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt volatil (UNGASC 10.9.2018). Am 19.8.2018 kündigte der afghanische Präsident Ashraf Ghani einen dreimonatigen Waffenstillstand mit den Taliban vom 20.8.2018 bis 19.11.2018 an, der von diesen jedoch nicht angenommen wurde (UNGASC 10.9.2018; vgl. Tolonews 19.8.2018, TG 19.8.2018, AJ 19.8.2018). Die Vereinten Nationen (UN) registrierten im Berichtszeitraum (15.5.2018 - 15.8.2018) 5.800 sicherheitsrelevante Vorfälle, was einen Rückgang von 10% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres bedeutet. Bewaffnete Zusammenstöße gingen um 14% zurück, machten aber weiterhin den Großteil der sicherheitsrelevanten Vorfälle (61%) aus. Selbstmordanschläge nahmen um 38% zu, Luftangriffe durch die afghanische Luftwaffe (AAF) sowie internationale Kräfte stiegen um 46%. Die am stärksten betroffenen Regionen waren der Süden, der Osten und der Süd-Osten, wo insgesamt 67% der Vorfälle stattfanden. Es gibt weiterhin Bedenken bezüglich sich verschlechternder Sicherheitsbedingungen im Norden des Landes: Eine große Zahl von Kampfhandlungen am Boden wurde in den Provinzen Balkh, Faryab und Jawzjan registriert, und Vorfälle entlang der Ring Road beeinträchtigten die Bewegungsfreiheit zwischen den Hauptstädten der drei Provinzen (UNGASC 10.9.2018).

Zum ersten Mal seit 2016 wurden wieder Provinzhauptstädte von den Taliban angegriffen: Farah-Stadt im Mai, Ghazni-Stadt im August und Sar-e Pul im September (UNGASC 10.9.2018; vgl. Kapitel 1., KI 11.9.2018, SIGAR 30.7.2018, UNGASC 6.6.2018). Bei den Angriffen kam es zu heftigen Kämpfen, aber die afghanischen Sicherheitskräfte konnten u.a. durch Unterstützung der internationalen Kräfte die Oberhand gewinnen (UNGASC 10.9.2018; vgl. UNGASC 6.6.2018, GT 12.9.2018). Auch verübten die Taliban Angriffe in den Provinzen Baghlan, Logar und Zabul (UNGASC 10.9.2018). Im Laufe verschiedener Kampfoperationen wurden sowohl Taliban- als auch ISKP-Kämpfer (ISKP, Islamic State Khorasan Province, Anm.) getötet (SIGAR 30.7.2018).

Sowohl die Aufständischen als auch die afghanischen Sicherheitskräfte verzeichneten hohe Verluste, wobei die Zahl der Opfer auf Seite der ANDSF im August und September 2018 deutlich gestiegen ist (Tolonews 23.9.2018; vgl. NYT 21.9.2018, ANSA 13.8.2018, CBS 14.8.2018). Trotzdem gab es bei der Kontrolle des Territoriums durch Regierung oder Taliban keine signifikante Veränderung (UNGASC 10.9.2018; vgl. UNGASC 6.6.2018). Die Regierung kontrollierte - laut Angaben der Resolute Support (RS) Mission - mit Stand 15.5.2018 56,3% der Distrikte, was einen leichten Rückgang gegenüber dem Vergleichszeitraum 2017 (57%) bedeutet. 30% der Distrikte waren umkämpft und 14% befanden sich unter Einfluss oder Kontrolle von Aufständischen. Ca. 67% der Bevölkerung lebten in Gebieten, die sich unter Regierungskontrolle oder -einfluss befanden, 12% in Gegenden unter Einfluss bzw. Kontrolle der Aufständischen und 23% lebten in umkämpften Gebieten (SIGAR 30.7.2018).

Der Islamische Staat - Provinz Khorasan (ISKP) ist weiterhin in den Provinzen Nangarhar, Kunar und Jawzjan aktiv (USGASC 6.6.2018; vgl. UNGASC 10.9.2018). Auch war die terroristische Gruppierung im August und im September für öffentlichkeitswirksame Angriffe auf die schiitische Glaubensgemeinschaft in Kabul und Paktia verantwortlich (UNGASC 10.9.2018; vgl. KI vom 11.9.2018, KI vom 22.8.2018). Anfang August besiegten die Taliban den in den Distrikten Qush Tepa und Darzab (Provinz Jawzjan) aktiven "selbsternannten" ISKP (dessen Verbindung mit dem ISKP in Nangarhar nicht bewiesen sein soll) und wurden zur dominanten Macht in diesen beiden Distrikten (AAN 4.8.2018; vgl. UNGASC 10.9.2018).

KI vom 11.9.2018, Angriffe des Islamischen Staates (IS/ISKP) in Kabul, Anschläge in Nangarhar und Aktivitäten der Taliban in den Provinzen Sar-i Pul und Jawzjan

Anschläge in Nangarhar 11.9.2018

Am 11.9.2018 kamen nach einem Selbstmordanschlag während einer Demostration im Distrikt Mohamad Dara der Provinz Nangarhar mindestens acht Menschen ums Leben und weitere 35 wurden verletzt (Tolonews 11.9.2018; vgl. TWP 11.9.2018, RFE/RL 11.9.2018). Kurz zuvor wurde am Vormittag des 11.9.2018 ein Anschlag mit zwei Bomben vor der Mädchenschule "Malika Omaira" in Jalalabad verübt, bei dem ein Schüler einer nahegelegenen Jungenschule ums Leben kam und weitere vier Schüler verletzt wurden, statt (RFE/RL 11.9.2018; AFP 11.9.2018). Davor gab es vor der Mädchenschule "Biba Hawa" im naheligenden Distrikt Behsud eine weitere Explosion, die keine Opfer forderte, weil die Schülerinnen noch nicht zum Unterricht erschienen waren (AFP 11.9.2018).

Weder die Taliban noch der IS/ISKP bekannten sich zu den Anschlägen, obwohl beide Gruppierungen in der Provinz Nangarhar aktiv sind (AFP 11.9.2018; vgl. RFE/RL 11.9.2018, TWP 11.9.2018).

Kämpfe in den Provinzen Sar-e Pul und Jawzjan 11.9.2018

Am Montag, dem 10.9.2018, eroberten die Taliban die Hauptstadt des Kham Aab Distrikts in der Provinz Jawzjan nachdem es zu schweren Zusammenstößen zwischen den Taliban und den afghanischen Sicherheitskräften gekommen war (Tolonews 10.9.2018a; Tolonews 10.9.2018b). Sowohl die afghanischen Streitkräfte als auch die Taliban erlitten Verluste (Khaama Press 10.9.2018a).

Am Sonntag, dem 9.9.2018, starteten die Taliban eine Offensive zur Eroberung der Hauptstadt der Provinz Sar-i Pul, wo nach wie vor u.a. mit Einsatz der Luftwaffe gekämpft wird (Tolonews 10.9.2018b; vgl. FAZ 10.9.2018). Quellen zufolge haben die Taliban das Gebiet Balghali im Zentrum der Provinzhauptstadt eingenommen und unter ihre Kontrolle gebracht (FAZ 10.9.2018). Sar-i-Pul-Stadt gehört zu den zehn Provinzhauptstädten, die Quellen zufolge das höchste Risiko tragen, von den Taliban eingenommen zu werden. Dazu zählen auch Farah-Stadt, Faizabad in Badakhshan, Ghazni-Stadt, Tarinkot in Uruzgan, Kunduz-Stadt, Maimana in Faryab und Pul-i- Khumri in Baghlan (LWJ 10.9.2018; vgl. LWJ 30.8.2018). Weiteren Quellen zufolge sind auch die Städte Lashkar Gar in Helmand und Gardez in Paktia von einer Kontrollübernahme durch die Taliban bedroht (LWJ 10.9.2018).

IS-Angriff während Massoud-Festzug in Kabul 9.9.2018

Bei einem Selbstmordanschlag im Kabuler Stadtteil Taimani kamen am 9.9.2018 mindestens sieben Menschen ums Leben und ungefähr 24 weitere wurden verletzt. Der Anschlag, zu dem sich der Islamische Staat (IS/ISKP) bekannte, fand während eines Festzugs zu Ehren des verstorbenen Mudschahedin-Kämpfers Ahmad Shah Massoud statt (AJ 10.9.2018; vgl. Khaama Press 10.9.2018b).

IS-Angriff auf Sportverein in Kabul 5.9.2018

Am Mittwoch, dem 5.9.2018, kamen bei einem Doppelanschlag auf einen Wrestling-Klub im Kabuler Distrikt Dasht-e Barchi mindestens 20 Personen ums Leben und ungefähr 70 weitere wurden verletzt (AJ 6.9.2018; vgl. CNN 6.9.2018, TG 5.9.2018). Zuerst sprengte sich innerhalb des Sportvereins ein Attentäter in die Luft, kurz darauf explodierte eine Autobombe in der sich vor dem Klub versammelnden Menge (SO 5.9.2018) Der Islamische Staat (IS/ISKP) bekannte sich zum Anschlag (RFE/RL 5.9.2018).

KI vom 22.08.2018

Entführung auf der Takhar-Kunduz-Autobahn 20.8.2018

Am 20.8.2018 entführten die Taliban 170 Passagiere dreier Busse, die über die Takhar-Kunduz-Autobahn auf der Reise nach Kabul waren (Tolonews 20.8.2018; vgl. IFQ 20.8.2018). Quellen zufolge wurden die Entführten in das Dorf Nikpe der Provinz Kunduz gebracht, wo es zu Kämpfen zwischen den afghanischen Sicherheitskräften und den Aufständischen kam. Es wurden insgesamt 149 Personen freigelassen, während sich die restlichen 21 weiterhin in der Gewalt der Taliban befinden (IFQ 20.8.2018). Grund für die Entführung war die Suche nach Mitgliedern der afghanischen Sicherheitskräfte bzw. Beamten (IFQ 20.8.2018; vgl. BBC 20.8.2018). Die Entführung erfolgte nach dem von Präsident Ashraf Ghani angekündigten Waffenstillstand, der vom 20.8.2018 bis 19.11.2018 gehen sollte und jedoch von den Taliban zurückgewiesen wurde (Reuters 20.8.2018; vgl. Tolonews 19.8.2018).

IS-Angriff auf die Mawoud Akademie in Kabul 15.8.2018

Ein Selbstmordattentäter sprengte sich am Nachmittag des 15.8.2018 in einem privaten Bildungszentrum im Kabuler Distrikt Dasht-e Barchi, dessen Bewohner mehrheitlich Schiiten sind, in die Luft (NZZ 16.8.2018; vgl. BBC 15.8.2018, Repubblica 15.8.2018). Die Detonation hatte 34 Tote und 56 Verletzte zur Folge (Reuters 16.8.2018a; vgl. NZZ 16.8.2018, Repubblica 15.8.2018). Die Mehrheit der Opfer waren Studentinnen und Studenten, die sich an der Mawoud Akademie für die Universitätsaufnahmeprüfungen vorbereiteten (Reuters 16.8.2018b; vgl. RFE/RL 17.8.2018). Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zum Vorfall (RFE/RL 17.8.2018; vgl. Reuters 16.8.2018b).

Kämpfe in den Provinzen Ghazni, Baghlan und Faryab

Am Donnerstag, dem 9.8.2018, starteten die Taliban eine Offensive zur Eroberung der Hauptstadt Ghaznis, einer strategisch bedeutenden Provinz, die sich auf der Achse Kabul-Kandahar befindet (Repubblica 13.8.2018; vgl. ANSA 13.8.2018, CBS 14.8.2018). Nach fünftägigen Zusammenstößen zwischen den afghanischen Sicherheitskräften und den Aufständischen konnten letztere zurückgedrängt werden (AB 15.8.2018; vgl. Xinhua 15.8.2018). Während der Kämpfe kamen ca. 100 Mitglieder der Sicherheitskräfte ums Leben und eine unbekannte Anzahl Zivilisten und Taliban (DS 13.8.2018; vgl. ANSA 13.8.2018).

Am 15.8.2018 verübten die Taliban einen Angriff auf einen Militärposten in der nördlichen Provinz Baghlan, wobei ca. 40 Sicherheitskräfte getötet wurden (AJ 15.8.2018; vgl. Repubblica 15.8.2018, BZ 15.8.2018).

Auch im Distrikt Ghormach der Provinz Faryab wurde gekämpft: Die Taliban griffen zwischen 12.8.2018 und 13.8.2018 einen Stützpunkt des afghanischen Militärs, bekannt als Camp Chinaya, an und töteten ca. 17 Mitglieder der Sicherheitskräfte (ANSA 14.8.2018; vgl. CBS 14.8.2018, Tolonews 12.8.2018). Quellen zufolge kapitulierten die Sicherheitskräfte nach dreitägigen Kämpfen und ergaben sich den Aufständischen (CBS 14.8.2018; vgl. ANSA 14.8.2018).

IS-Angriff auf schiitische Moschee in Gardez-Stadt in Paktia 3.8.2018

Am Freitag, dem 3.8.2018, kamen bei einem Selbstmordanschlag innerhalb der schiitischen Moschee Khawaja Hassan in Gardez-Stadt in der Provinz Paktia, 39 Personen ums Leben und weitere 80 wurden verletzt (SI 4.8.2018; vgl. Reuters 3.8.2018, FAZ 3.8.2018). Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zum Anschlag (SI 4.8.2018).

IS-Angriff vor dem Flughafen in Kabul 22.7.2018

Am Sonntag, dem 22.7.2018, fand ein Selbstmordanschlag vor dem Haupteingangstor des Kabuler Flughafens statt. Der Attentäter sprengte sich in die Luft, kurz nachdem der afghanische Vizepräsident Rashid Dostum von einem einjährigen Aufenthalt in der Türkei nach Afghanistan zurückgekehrt und mit seinem Konvoi vom Flughafen abgefahren war (AJ 23.7.2018; vgl. Reuters 23.7.2018). Es kamen ca. 23 Personen ums Leben und 107 wurden verletzt (ZO 15.8.2018; vgl. France24). Der Islamische Staat (IS) reklamierte den Anschlag für sich (AJ 23.7.2018; vgl. Reuters 23.7.2018).

1.5.2 Allgemeine Sicherheitslage

Wegen einer Serie von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen in städtischen Zentren, die von regierungsfeindlichen Elementen ausgeführt wurden, erklärten die Vereinten Nationen (UN) im Februar 2018 die Sicherheitslage für sehr instabil (UNGASC 27.2.2018).

Für das Jahr 2017 registrierte die Nichtregierungsorganisation INSO (International NGO Safety Organisation) landesweit 29.824 sicherheitsrelevante Vorfälle. Im Jahresvergleich wurden von INSO 2016 landesweit 28.838 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert und für das Jahr 2015 25.288. Zu sicherheitsrelevanten Vorfällen zählt INSO Drohungen, Überfälle, direkter Beschuss, Entführungen, Vorfälle mit IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und andere Arten von Vorfällen (INSO o.D.).

Für das Jahr 2017 registrierte die UN insgesamt 23.744 sicherheitsrelevante Vorfälle in Afghanistan (UNGASC 27.2.2018); für das gesamte Jahr 2016 waren es 23.712 (UNGASC 9.3.2017). Landesweit wurden für das Jahr 2015 insgesamt 22.634 sicherheitsrelevanter Vorfälle registriert (UNGASC 15.3.2016).

Im Jahr 2017 waren auch weiterhin bewaffnete Zusammenstöße Hauptursache (63%) aller registrierten sicherheitsrelevanten Vorfälle, gefolgt von IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und Luftangriffen. Für das gesamte Jahr 2017 wurden 14.998 bewaffnete Zusammenstöße registriert (2016: 14.977 bewaffnete Zusammenstöße) (USDOD 12.2017). Im August 2017 stuften die Vereinten Nationen (UN) Afghanistan, das bisher als "Post-Konflikt-Land" galt, wieder als "Konfliktland" ein; dies bedeute nicht, dass kein Fortschritt stattgefunden habe, jedoch bedrohe der aktuelle Konflikt die Nachhaltigkeit der erreichten Leistungen (UNGASC 10.8.2017).

Die Zahl der Luftangriffe hat sich im Vergleich zum Jahr 2016 um 67% erhöht, die gezielten Tötungen um 6%. Ferner hat sich die Zahl der Selbstmordattentate um 50% erhöht. Östlichen Regionen hatten die höchste Anzahl an Vorfällen zu verzeichnen, gefolgt von südlichen Regionen. Diese beiden Regionen zusammen waren von 55% aller sicherheitsrelevanten Vorfälle betroffen (UNGASC 27.2.2018). Für den Berichtszeitraum 15.12.2017 - 15.2.2018 kann im Vergleich zum selben Berichtszeitraum des Jahres 2016, ein Rückgang (-6%) an sicherheitsrelevanten Vorfällen verzeichnet werden (UNGASC 27.2.2018).

Afghanistan ist nach wie vor mit einem aus dem Ausland unterstützten und widerstandsfähigen Aufstand konfrontiert. Nichtsdestotrotz haben die afghanischen Sicherheitskräfte ihre Entschlossenheit und wachsenden Fähigkeiten im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand gezeigt. So behält die afghanische Regierung auch weiterhin Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, die wichtigsten Verkehrsrouten und den Großteil der Distriktzentren (USDOD 12.2017). Zwar umkämpften die Taliban Distriktzentren, sie konnten aber keine Provinzhauptstädte (bis auf Farah-Stadt; vgl. AAN 6.6.2018) bedrohen - ein signifikanter Meilenstein für die ANDSF (USDOD 12.2017; vgl. UNGASC 27.2.2018); diesen Meilenstein schrieben afghanische und internationale Sicherheitsbeamte den intensiven Luftangriffen durch die afghanische Nationalarmee und der Luftwaffe sowie verstärkter Nachtrazzien durch afghanische Spezialeinheiten zu (UNGASC 27.2.2018).

Die von den Aufständischen ausgeübten öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffe in städtischen Zentren beeinträchtigten die öffentliche Moral und drohten das Vertrauen in die Regierung zu untergraben. Trotz dieser Gewaltserie in städtischen Regionen war im Winter landesweit ein Rückgang an Talibanangriffen zu verzeichnen (UNGASC 27.2.2018). Historisch gesehen gehen die Angriffe der Taliban im Winter jedoch immer zurück, wenngleich sie ihre Angriffe im Herbst und Winter nicht gänzlich einstellen. Mit Einzug des Frühlings beschleunigen die Aufständischen ihr Operationstempo wieder. Der Rückgang der Vorfälle im letzten Quartal 2017 war also im Einklang mit vorangegangenen Schemata (LIGM 15.2.2018).

Anschläge bzw. Angriffe und Anschläge auf hochrangige Ziele

Die Taliban und weitere aufständische Gruppierungen wie der Islamische Staat (IS) verübten auch weiterhin "high-profile"-Angriffe, speziell im Bereich der Hauptstadt, mit dem Ziel, eine Medienwirksamkeit zu erlangen und damit ein Gefühl der Unsicherheit hervorzurufen und so die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben (USDOD 12.2017; vgl. SBS 28.2.2018, NZZ 21.3.2018, UNGASC 27.2.2018). Möglicherweise sehen Aufständische Angriffe auf die Hauptstadt als einen effektiven Weg, um das Vertrauen der Bevölkerung in die Regierung zu untergraben, anstatt zu versuchen, Territorium in ländlichen Gebieten zu erobern und zu halten (BBC 21.3.2018).

Die Anzahl der öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffe hatte sich von 1.6. - 20.11.2017 im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des Vorjahres erhöht (USDOD 12.2017). In den ersten Monaten des Jahres 2018 wurden verstärkt Angriffe bzw. Anschläge durch die Taliban und den IS in verschiedenen Teilen Kabuls ausgeführt (AJ 24.2.2018; vgl. Slate 22.4.2018). Als Antwort auf die zunehmenden Angriffe wurden Luftangriffe und Sicherheitsoperationen verstärkt, wodurch Aufständische in einigen Gegenden zurückgedrängt wurden (BBC 21.3.2018); auch wurden in der Hauptstadt verstärkt Spezialoperationen durchgeführt, wie auch die Bemühungen der US-Amerikaner, Terroristen zu identifizieren und zu lokalisieren (WSJ 21.3.2018).

Landesweit haben Aufständische, inklusive der Taliban und des IS, in den Monaten vor Jänner 2018 ihre Angriffe auf afghanische Truppen und Polizisten intensiviert (TG 29.1.2018; vgl. BBC 29.1.2018); auch hat die Gewalt Aufständischer gegenüber Mitarbeiter/innen von Hilfsorganisationen in den letzten Jahren zugenommen (The Guardian 24.1.2018). Die Taliban verstärken ihre Operationen, um ausländische Kräfte zu vertreiben; der IS hingegen versucht, seinen relativ kleinen Einflussbereich zu erweitern. Die Hauptstadt Kabul ist in diesem Falle für beide Gruppierungen interessant (AP 30.1.2018).

Angriffe auf afghanische Sicherheitskräfte und Zusammenstöße zwischen diesen und den Taliban finden weiterhin statt (AJ 22.5.2018; AD 20.5.2018).

Registriert wurde auch eine Steigerung öffentlichkeitswirksamer gewalttätiger Vorfälle (UNGASC 27.2.2018), von denen zur Veranschaulichung hier auszugsweise einige Beispiele wiedergegeben werden sollen (Anmerkung der Staatendokumentation: Die folgende Liste enthält öffentlichkeitswirksame (high-profile) Vorfälle sowie Angriffe bzw. Anschläge auf hochrangige Ziele und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit).

* Selbstmordanschlag vor dem Ministerium für ländliche Rehabilitation und Entwicklung (MRRD) in Kabul: Am 11.6.2018 wurden bei einem Selbstmordanschlag vor dem Eingangstor des MRRD zwölf Menschen getötet und 30 weitere verletzt. Quellen zufolge waren Frauen, Kinder und Mitarbeiter des Ministeriums unter den Opfern (AJ 11.6.2018). Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zum Angriff (Reuters 11.6.2018; Gandhara 11.6.2018).

* Angriff auf das afghanische Innenministerium (MoI) in Kabul: Am 30.5.2018 griffen bewaffnete Männer den Sitz des MoI in Kabul an, nachdem vor dem Eingangstor des Gebäudes ein mit Sprengstoff geladenes Fahrzeug explodiert war. Bei dem Vorfall kam ein Poliz

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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