TE Bvwg Erkenntnis 2020/4/29 W148 2153307-2

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Veröffentlicht am 29.04.2020
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Entscheidungsdatum

29.04.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z5
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs4
AsylG 2005 §9 Abs1 Z1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §55
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W148 2153307-2/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. KEZNICKL als Einzelrichter über die Beschwerde von Herrn XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch den MigrantInnenverein St. Marx, vom 21.07.2019 gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 02.07.2019, Zl. XXXX :

A)

I. Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 und Abs. 2 VwGVG stattgegeben. Die Spruchpunkte I., III., IV., V. und VI. des angefochtenen Bescheides werden ersatzlos behoben.

II. Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wird dahingehend abgeändert, dass dem Antrag vom 28.01.2020 auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 stattgegeben und XXXX die befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter bis zum 10.03.2022 erteilt wird.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

I.1. Verfahrensgang

1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) hat nach schlepperunterstützter Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 02.07.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 2 Abs. 1 Z 13 des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005) gestellt.

2. Mit Bescheid vom 10.03.2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Niederösterreich (in Folge: BFA) den Antrag vom 02.07.2015 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005, ab (Spruchpunkt I.), erkannte dem BF jedoch gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkt II.) und erteilte ihm gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 10.03.2018 (Spruchpunkt III.).

Begründend wurde zu Spruchpunkt II. ausgeführt, dass der BF in seinem Heimatland keine Verwandten besitze, zu welchen er aufrechten Kontakt hätte. Er habe in den letzten rund zwölf Jahren im Iran gelebt und es stehe ihm dadurch kein, für die afghanische Gesellschaft sehr bedeutsames, familiäres Netzwerk zur Verfügung und sei sohin keine soziale Absicherung gegeben. Es sei ihm aufgrund dieser fehlenden familiären Anknüpfungspunkte der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen.

3. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des Bescheides vom 10.03.2017 wurde mit Erkenntnis des BVwG vom 07.09.2017, Zl. W159 2153307-1/4E, als unbegründet abgewiesen.

4. Am 19.01.2018 stellte der BF einen Antrag auf Verlängerung seiner befristeten Aufenthaltsberechtigung.

5. Mit Bescheid des BFA vom 06.03.2018 wurde die befristete Aufenthaltsberechtigung des BF gemäß § 8 Abs. 4 AsylG bis zum 10.03.2020 verlängert.

6. Am 23.05.2019 wurde dem BF mitgeteilt, dass gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG ein Aberkennungsverfahren hinsichtlich seines Status des subsidiär Schutzberechtigten eingeleitet wurde.

7. Das BFA hat - nach einer mündlichen Einvernahme am 01.07.2019 - dem BF mit Bescheid vom 02.07.2019, Zl. XXXX , den Status des subsidiär Schutzberechtigten von Amts wegen aberkannt (Spruchpunkt I.), seinen Antrag auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung abgewiesen (Spruchpunkt II.), einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt III.), eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.) und festgestellt, dass die Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise betrage zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt VI.).

Begründend wurde ausgeführt, die subjektive Lage des BF habe sich dahingehend geändert, dass er nun eine weitere Sprache könne und einer am Arbeitsmarkt gesuchten Gruppe an Menschen angehöre. Es sei ihm nun, wie dies auch unzähligen Erkenntnissen der obersten Gerichte zu entnehmen sei, eine Rückkehr nach Herat oder Mazar-e Sharif ohne familiäre Anknüpfungspunkte zumutbar. In den Großstädten seines Heimatlandes könnte seine Familie aus dem Iran ihn finanziell unterstützen. Zudem habe er in der Einvernahme vom 01.07.2018 geschildert, dass er doch über ein bestehendes familiäres Netzwerk in Afghanistan verfüge und diese nach wie vor in der Heimatprovinz leben sollten. Nachdem seine Eltern mit den Verwandten im Heimatland an Feiertagen Kontakt hätten, bestehe die Möglichkeit für ihn, dass er auf diese im Falle der Rückkehr zurückgreifen könne.

8. Am 21.07.2019 erhob der BF vollumfänglich Beschwerde. In Afghanistan sei im letzten Jahr in keiner Weise eine Verbesserung der allgemeinen Situation, der Sicherheitslage oder der wirtschaftlichen Situation eingetreten. Auch hinsichtlich des sozialen bzw. familiären Netzes des BF bzw. des Fehlens eines solchen habe sich nichts geändert. Im vorliegenden Fall könne nicht davon gesprochen werden, dass sich der Kenntnisstand der Behörde verändert habe, lediglich divergiere die Interpretation der vorliegenden behördlichen Kenntnisse zu jenem im vorherigen Verlängerungsbescheid.

9. Am 14.11.2019 erfolgte eine Urkundenvorlage des BF an das BVwG.

10. Am 28.01.2020 stellte der BF einen neuerlichen Antrag auf Verlängerung seiner befristeten Aufenthaltsberechtigung.

I.2. Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens (Sachverhalt)

Das Bundesverwaltungsgericht geht auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens von folgendem für die Entscheidung maßgebenden Sachverhalt aus:

a) Zur Person des BF und seiner Situation im Falle einer Rückkehr

1. Der Name des BF ist XXXX , er wurde am XXXX , in der Provinz Ghazni, Afghanistan, geboren. Er ist Staatsangehöriger der Islamischen Republik Afghanistan. Weiters ist er Angehöriger der Volksgruppe der Hazara und bekennt sich zur schiitischen Glaubensrichtung des Islam. Die Muttersprache des BF ist Dari. Er spricht auch Farsi, Englisch und Deutsch. Die Feststellungen zur Identität des BF gelten ausschließlich für die Identifizierung seiner Person im Asylverfahren.

2. Der BF ist in der Provinz Ghazni geboren und im Alter von ungefähr sechs Jahren mit seiner Familie in den Iran gezogen. Er ist im Iran aufgewachsen und hat dort sieben Jahren lang eine afghanische Schule besucht und zwei Jahre lang Englisch gelernt. Er hat als Montagetischler gearbeitet.

3. Die Eltern, die beiden Brüder und die beiden Schwestern des BF leben im Iran.

Die Onkel mütterlicherseits und väterlicherseits des BF leben in der Provinz Ghazni. Den Aufenthaltsort seiner Tanten mütterlicherseits und väterlicherseits kennt er nicht genau. Zu seinen Familienangehörigen in Afghanistan steht der BF nicht in Kontakt.

4. Mit Bescheid des BFA vom 10.03.2017 wurde dem BF der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt und ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt. Die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten stützte das BFA auf die fehlenden familiären Anknüpfungspunkte des BF.

Dem BF wurde auf Grundlage seines Verlängerungsantrags eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 10.03.2020 erteilt. Das Vorliegen der Voraussetzungen für die Verlängerung wurde als glaubhaft erachtet, dem Antrag wurde "vollinhaltlich" stattgegeben, eine nähere Begründung konnte entfallen. Daraufhin wurde dem BF am 23.05.2019 mitgeteilt, dass gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG ein Aberkennungsverfahren hinsichtlich seines Status des subsidiär Schutzberechtigten eingeleitet wurde.

Unter Berücksichtigung der individuellen Situation des BF und der Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan, insbesondere in seiner Herkunftsprovinz Ghazni, sowie in den Städten Herat und Mazar-e Sharif, kann nicht festgestellt werden, dass sich die Umstände, die zur Gewährung des subsidiären Schutzes geführt haben, seit der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten mit Bescheid des BFA vom 10.03.2017 und seit der Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung mit Bescheid des BFA vom 06.03.2018 wesentlich und nachhaltig verändert bzw. verbessert haben.

Der BF verfügt in Afghanistan, insbesondere in den Städten Herat und Mazar-e Sharif, auf die er von der belangten Behörde verwiesen wird, nach wie vor über kein tragfähiges soziales oder familiäres Netzwerk.

5. Der BF absolviert seit 18.09.2019 eine Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann bei Penny. Er hat eineinhalb Jahre lang eine Handelsschule besucht, die er allerdings nicht abgeschlossen hat. Der BF hat Deutsch gelernt und das ÖSD-Zertifikat B1 ausreichend bestanden und kann sich auf Deutsch artikulieren.

Der BF ist gesund und arbeitsfähig.

b) Zur Lage im Herkunftsstaat

In Afghanistan leben laut Schätzungen vom Juli 2017 mehr als 34,1 Millionen Menschen. Schätzungen zufolge sind 40 % Pashtunen, rund 30 % Tadschiken, ca. 10 % Hazara, 9 % Usbeken. Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnischen Minderheiten. Ethnische Spannungen zwischen unterschiedlichen Gruppen können allerdings weiterhin in Konflikten und Tötungen resultierten.

Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt insgesamt volatil und weist starke regionale Unterschiede auf. Provinzen und Distrikten mit aktiven Kampfhandlungen stehen andere gegenüber, in denen die Lage trotz punktueller Sicherheitsvorfälle vergleichsweise stabil ist. Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Herat und Mazar-e Sharif, größere Bevölkerungszentren, die wichtigsten Verkehrsrouten und den Großteil der Distriktzentren. Die Taliban umkämpften Distriktzentren. Ausländische Streitkräfte und Regierungsvertreter sowie die als ihre Verbündeten angesehenen Angehörigen der afghanischen Sicherheitskräfte und Vertreter der afghanischen Regierung sind prioritäre Ziele der Aufständischen. Eine Bedrohung für Zivilisten geht insbesondere von Kampfhandlungen zwischen den Konfliktparteien sowie improvisierten Sprengkörpern, Selbstmordanschlägen und komplexen Angriffen auf staatliche Einrichtungen aus.

Herat ist eine relativ entwickelte Provinz im Westen des Landes. Des Weiteren wurde Ende Oktober 2017 verlautbart, dass die Provinz Herat zu den relativ ruhigen Provinzen im Westen des Landes zählt, wenngleich sich in den abgelegenen Distrikten die Situation in den letzten Jahren aufgrund der Taliban verschlechtert hat. In einigen Distrikten der Provinz, wie Shindand, Kushk, Chisht-i-Sharif und Gulran, sind Aufständische aktiv.

Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurden in der Provinz 139 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert. Im gesamten Jahr 2017 wurden in der Provinz Herat 495 zivile Opfer (238 getötete Zivilisten und 257 Verletzte) registriert. Hauptursache waren IEDs, gefolgt von Selbstmordanschlägen/komplexen Attacken und gezielten Tötungen. Dies bedeutet eine Steigerung von 37% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016.

Regierungsfeindliche Aufständische griffen Mitte 2017 heilige Orte, wie schiitische Moscheen, in Hauptstädten wie Kabul und Herat, an. Dennoch erklärten Talibanaufständische ihre Bereitschaft, das TAPI-Projekt zu unterstützen und sich am Friedensprozess zu beteiligen. Es kam zu internen Konflikten zwischen verfeindeten Taliban-Gruppierungen. Anhänger des IS haben sich in Herat zum ersten Mal für Angriffe verantwortlich erklärt, die außerhalb der Provinzen Nangarhar und Kabul verübt wurden. ACLED registrierte für den Zeitraum 1.1.2017-15.7.2017 IS-bezogene Vorfälle (Gewalt gegen die Zivilbevölkerung) in der Provinz Herat.

Mazar-e Sharif ist gleichzeitig ein Wirtschafts- und Verkehrsknotenpunkt in Nordafghanistan. Die Provinz Balkh ist nach wie vor eine der stabilsten Provinzen Afghanistans, sie zählt zu den relativ ruhigen Provinzen in Nordafghanistan. Balkh hat im Vergleich zu anderen Regionen weniger Aktivitäten von Aufständischen zu verzeichnen.

Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurden in der Provinz 93 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert. Im gesamten Jahr 2017 wurden 129 zivile Opfer (52 getötete Zivilisten und 77 Verletzte) registriert. Hauptursache waren IEDs, gefolgt von Bodenoffensiven und Blindgänger/Landminen. Dies bedeutet einen Rückgang von 68% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016.

Die afghanischen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte führen regelmäßig militärische Operationen durch, um regierungsfeindliche Aufständische zu verdrängen und sie davon abzuhalten, Fuß im Norden des Landes zu fassen. Diese militärischen Operationen werden in gewissen Gegenden der Provinz geführt. Dabei werden Taliban getötet und manchmal auch ihre Anführer. Im Zeitraum 1.1.2017 - 15.7.2017 wurden keine IS-bezogenen Vorfälle in der Provinz registriert. Im Zeitraum 16.7.2017 - 31.1.2018 wurden dennoch vom IS verursachten Vorfälle entlang der Grenze von Balkh zu Sar-e Pul registriert.

Im Februar 2018 wurde verlautbart, dass die Provinz Ghazni zu den relativ volatilen Provinzen im südöstlichen Teil des Landes zählt. Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurden in der Provinz 163 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert. Die meisten im Jahr 2017 registrierten Anschläge fanden - in absteigender Reihenfolge - in den Provinzen Nangarhar, Faryab, Helmand, Kandahar, Farah, Ghazni, Uruzgan, Logar, Jawzjan, Paktika und Kabul statt (Pajhwok 14.1.2018). Im gesamten Jahr 2017 wurden 353 zivile Opfer in Ghazni (139 getötete Zivilisten und 214 Verletzte) registriert. Hauptursache waren Bodenoffensiven, gefolgt von IEDs und gezielten/willkürlichen Tötungen. Dies deutet einen Rückgang von 11% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016.

Sowohl Das Haqqani-Netzwerk, als auch die Taliban sind in manchen Regionen der Provinz aktiv. Sicherheitsbeamte sprechen von mehreren Gruppierungen, die in der Provinz aktiv sind, während die Taliban selbst behaupten, die einzige Gruppierung in der Provinz Ghazni zu sein. Basierend auf geheimdienstlichen Informationen, bestritt das afghanische Innenministerium im Jänner 2018, dass der IS in der Provinz Ghazni aktiv sei. Für den Zeitraum 1.1.- 15.7.2017 wurden IS-bezogene Vorfälle in der Provinz gemeldet - insbesondere an der Grenze zu Paktika. Zwischen 16.7.2017 - 31.1.2018 wurden hingegen keine Vorfälle registriert.

Zur Wirtschafts- und Versorgungslage ist festzuhalten, dass Afghanistan weiterhin ein Land mit hoher Armutsrate und Arbeitslosigkeit ist. Aufgrund der schwierigen wirtschaftlichen Bedingungen besteht auch für zurückkehrende Flüchtlinge das Risiko, in die Armut abzurutschen. In den Jahren 2016 bis 2017 stieg die Arbeitslosenrate, die im Zeitraum 2013 bis 2014 bei 22,6 % gelegen hatte, um 1 %. Die Arbeitslosigkeit betrifft hauptsächlich gering qualifizierte bildungsferne Personen; diese sind auch am meisten armutsgefährdet. Über 40 % der erwerbstätigen Bevölkerung gelten als arbeitslos oder unterbeschäftigt. Es müssten jährlich geschätzte 400.000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden, um Neueinsteiger in den Arbeitsmarkt integrieren zu können.

Die afghanische Regierung kooperierte mit UNHCR, IOM und anderen humanitären Organisationen, um IDPs, Flüchtlingen, rückkehrenden Flüchtlingen und anderen betroffenen Personen Schutz und Unterstützung zu bieten. Die Fähigkeit der afghanischen Regierung vulnerable Personen zu unterstützen, einschließlich Rückkehrer/innen aus Pakistan und dem Iran, bleibt begrenzt und ist weiterhin auf die Hilfe der internationalen Gemeinschaft angewiesen.

Auch wenn scheinbar kein koordinierter Mechanismus existiert, der garantiert, dass alle Rückkehrer/innen die Unterstützung erhalten, die sie benötigen, und dass eine umfassende Überprüfung stattfindet, können Personen, die freiwillig oder zwangsweise nach Afghanistan zurückgekehrt sind, dennoch verschiedene Unterstützungsformen in Anspruch nehmen. Eine Reihe unterschiedlicher Organisationen ist für Rückkehrer/innen und Binnenvertriebene (IDP) in Afghanistan zuständig. Außerdem erhalten Rückkehrer/innen Unterstützung von der afghanischen Regierung, den Ländern, aus denen sie zurückkehren, und internationalen Organisationen (z.B. IOM) sowie lokalen Nichtregierungsorganisationen (NGO) (z.B. IPSO und AMASO). Trotzdem scheint das Sozialkapital die wichtigste Ressource zu sein, die Rückkehrer/innen zur Verfügung steht, da keine dezidiert staatlichen Unterbringungen für Rückkehrer existieren und familiäre Unterbringungsmöglichkeiten für Rückkehrer/innen daher als die zuverlässigste und sicherste Möglichkeit erachtet werden. So kehrt der Großteil der (freiwilligen bzw. zwangsweisen) Rückkehrer/innen direkt zu ihren Familien oder in ihre Gemeinschaften zurück. Für jene, die diese Möglichkeit nicht haben sollten, stellen die Regierung und IOM eine temporäre Unterkunft zur Verfügung. Auch hier können Rückkehrer/innen für maximal zwei Wochen untergebracht werden.

II. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch:

* Einsichtnahme in den Verwaltungsakt zum Verfahren über den Antrag auf internationalen Schutz und Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten, insbesondere in den Bescheid vom 10.03.2017, den Verlängerungsbescheid vom 06.03.2018, das Protokoll der niederschriftlichen Einvernahmen vom 01.07.2019 sowie in die Beschwerde vom 21.07.2019;

* Einsichtnahme in das Länderinformationsblatt zu Afghanistan vom 13.11.2019;

* Einsichtnahme in die vom BF im gesamten Verfahren vorgelegten Urkunden;

* Einsicht in das Strafregister.

Der Beweiswürdigung liegen folgende maßgebende Erwägungen zugrunde:

II.1. Zum Verfahrensgang

Der oben angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des BFA und des vorliegenden Gerichtsakts des Bundesverwaltungsgerichts.

II.2. Zur Person und zum Vorbringen des Beschwerdeführers

1. Die Feststellungen zur Identität (Name, Geburtsdatum und Geburtsort), zur Staatsangehörigkeit, zur Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit und zum Herkunftsort beruhen auf den diesbezüglich glaubhaften Angaben des BF im verwaltungsbehördlichen Verfahren sowie auf der Kenntnis und Verwendung der Sprache Dari. Dass die Muttersprache des BF Dari ist und er außerdem noch Farsi, Englisch und Deutsch spricht ergibt sich aus seinen Aussagen in der Einvernahme vor der belangten Behörde vom 01.07.2019.

2. Die Feststellungen zu den Lebensumständen des BF in Afghanistan und im Iran, insbesondere zu seinen Berufserfahrungen, stützen sich auf die Angaben des BF vor dem BFA.

3. Die Feststellungen zu den Lebensumständen seiner Familienangehörigen in Afghanistan und im Iran beruhen auf seinen Angaben im Lauf des Verfahrens.

Der BF hat bereits in seiner ersten Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 22.01.2016 gesagt, dass seine Eltern und Geschwister im Iran leben. Zudem hat er erklärt, dass er nie seine Tanten oder Onkeln getroffen habe und auch nie Kontakt zu diesen gehabt habe. Er wisse nicht, ob sie leben oder gestorben seien, aber wenn dann würden sie sich vermutlich in Afghanistan aufhalten (AS. 135). In seiner neuerlichen Einvernahme vor dem BFA am 01.07.2019 antwortete er nach seinen Familienverhältnissen befragt, dass seine Eltern, seine Schwestern und seine Brüder noch immer im Iran aufhältig seien. Zu Angehörigen in Afghanistan befragt erwiderte er, dass zwei Onkel mütterlicherseits und drei Onkel väterlicherseits in der Gegend seiner Heimatprovinz lebten. Eine Tante väterlicherseits und zwei Tanten mütterlicherseits müssten auch noch dort leben, aber bei ihnen sei sich der BF nicht sicher. Einen Kontakt zu seinen Onkeln und Tanten verneinte der BF. Er denke jedoch, dass seine Eltern zu den Feiertagen mit ihnen telefonierten (VHS S. 28). Der BF konnte seine Angaben zum Aufenthaltsort seiner Onkel und Tanten in Afghanistan zwar präzisieren, allerdings blieben seine Ausführungen zum fehlenden Kontakt zu diesen während des gesamten Verfahrens im Wesentlichen konsistent.

Die belangte Behörde berief sich in ihrem Bescheid vom 10.03.2017, zur Feststellung, dass dem BF kein familiäres Netzwerk in Afghanistan zur Verfügung stehe, darauf, dass er in seinem Heimatland keine Verwandten besitze, zu denen er aufrechten Kontakt habe (AS. 246 f.). Da er, wie bereits erwähnt, einen Kontakt zu seinen Onkeln und Tanten in Afghanistan auch bei seiner neuerlichen Einvernahme vor dem BFA verneinte, ist keine Sachverhaltsveränderung erkennbar.

Entgegen den Erläuterungen der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid, geht das erkennende Gericht nicht davon aus, dass der BF im Fall seiner Rückkehr nach Afghanistan mit Unterstützung seitens seiner in der Provinz Ghazni wohnhaften Onkel und Tanten rechnen könnte. Aus der Beweiswürdigung des BFA ergibt sich, dass konkret von einer Unterstützung durch finanzielle Zuwendungen ausgegangen wird. Dies ist insofern nachvollziehbar, als der BF außerhalb seiner Heimatprovinz in Afghanistan über keine weiteren Angehörigen verfügt und die belangte Behörde davon ausgeht, dass es ihm zumutbar sei, sich in Herat oder Mazar-e Sharif niederzulassen, sodass eine andere Unterstützungsform von Vornherein ausgeschlossen wäre. Konkrete Anhaltspunkte, die eine finanzielle Unterstützung durch seine Onkel und Tanten wahrscheinlich erscheinen lassen, ergeben sich aus dem durchgeführten Ermittlungsverfahren jedoch nicht.

Demnach schließt das BFA vom vermuteten telefonischen Kontakt seiner Eltern, zu seinen Verwandten in Afghanistan anlässlich der Feiertage, auf die Fähigkeit und Bereitschaft dieser Verwandten, ihn auch tatsächlich zu unterstützen. Dies ergibt sich jedoch weder aus den Angaben in seiner Einvernahme am 01.07.2019 noch aus dem übrigen Akteninhalt und ist sohin von den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens nicht gedeckt.

Insgesamt ist daher davon auszugehen, dass die belangte Behörde - mangels entsprechender Ermittlungsergebnisse - lediglich von der abstrakten Möglichkeit einer allfälligen Unterstützung ausging. Sohin konnte hinsichtlich einer konkreten, tatsächlich bestehenden Unterstützungsmöglichkeit nur eine Negativfeststellung getroffen werden.

4. Die Feststellungen über den Zeitpunkt der Asylantragstellung, den Gegenstand des Bescheides vom 10.03.2017, die Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung mit Bescheid vom 06.03.2018 sowie den Gegenstand des angefochtenen Bescheides stützen sich auf den Inhalt des Verwaltungs- und Gerichtsaktes.

Die Feststellung, dass sich die Umstände, die zur Gewährung des subsidiären Schutzes geführt haben, seit der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten mit Bescheid des BFA vom 10.03.2017 sowie auch seit der Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung mit Bescheid des BFA vom 06.03.2018 nicht wesentlich und nachhaltig verändert bzw. verbessert haben, konnte im Lichte eines Vergleichs der individuellen Situation des BF sowie der Sicherheits- und Versorgungslage in (ganz) Afghanistan zum Zeitpunkt der rechtskräftigen Zuerkennung des subsidiären Schutzes und zum Zeitpunkt des angefochtenen Bescheides bzw. der vorliegenden Entscheidung getroffen werden (vgl. dazu näher auch die nachfolgenden rechtlichen Ausführungen). Dabei erfolgte insbesondere eine Gegenüberstellung des Inhalts der dem Bescheid vom 10.03.2017 zugrundeliegenden Begründung mit der, die die belangte Behörde bei Erlassung des angefochtenen Bescheides herangezogen hat, sowie auch mit der zum Zeitpunkt der vorliegenden Entscheidung bestehenden individuellen Situation des BF.

Dass der BF in Afghanistan, insbesondere in den Städten Herat und Mazar-e Sharif, nach wie vor über kein soziales Netzwerk verfügt, ergibt sich aus den unter Punkt II.2.3. dargestellten Aussagen des BF zu seinen Familienangehörigen.

5. Die strafrechtliche Unbescholtenheit des BF in Österreich ergibt sich aus dem eingeholten Auszug aus dem Strafregister.

Die Feststellung zum Gesundheitszustand des BF gründet auf seinen Aussagen in der Einvernahme vor dem BFA vom 01.07.2019.

Die Feststellungen, dass der BF arbeitsfähig ist und zu seinen Lebensumständen in Österreich stützen sich auf seine Angaben dazu in der Einvernahme vor dem BFA vom 01.07.2019 sowie den von ihm im verwaltungsbehördlichen und verwaltungsgerichtlichen Verfahren vorgelegten Integrationsunterlagen (Anlagen 1 des Einvernahmeprotokolls vom 01.07.2019, OZ 2).

II.3. Zur Lage im Herkunftsstaat

1. Die Feststellungen zum Herkunftsstaat des BF beruhen auf dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, das basierend auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger unbedenklicher Quellen ein Im Ergebnis ist auch nicht zu erkennen, dass sich seit der Erlassung des bekämpften Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und für den gegenständlichen Fall relevant eine entscheidende Lageveränderung ergeben hätte, wie sich das erkennende Gericht durch ständige Beachtung der aktuellen Quellenlage (u.a. durch Einschau in das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 13.11.2019, den EASO-Bericht vom Juni 2019 und den UNHCR-Richtlinien vom 30.08.2018 versichert hat.

2. Zur unveränderten Sicherheits- und Versorgungslage bzw. humanitären Lage im Herkunftsstaat ist auszuführen, dass sich den Feststellungen der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid zur Lage im Herkunftsstaat nicht entnehmen lässt, dass es zu einer wesentlichen und nachhaltigen Verbesserung der Lage im Herkunftsstaat gekommen ist. Im Wesentlichen wird von einem unverändert anhaltenden innerstaatlichen Konflikt berichtet, von unveränderten Aktivitäten von Aufständischen, von hohen Armuts- und Arbeitslosenraten etc. Die belangte Behörde hat die Zuerkennung des subsidiären Schutzes auf die fehlenden familiären Anknüpfungspunkte des BF gestützt. Eine zumutbare innerstaatliche Fluchtalternative, etwa in der Hauptstadt Kabul oder anderen Provinzen wurde vom BFA verneint, zumal er seit vielen Jahren im Iran gelebt habe und kein verwandtschaftlicher Kontakt aufrecht sei. Nunmehr geht das BFA davon aus, dass dem BF eine Fluchtalternative in den Städten Herat und Mazar-e Sharif zur Verfügung stehe, obwohl sie selbst darauf hinweist, dass die Situationen in diesen Städten nach wie vor angespannt ist. Hiezu ist weiters zu ergänzen, dass Herat und Mazar-e Sharif auch im Jahr 2017 bzw. 2018 in den Händen der Regierung lagen und sohin auch diesbezüglich keine Änderung der Lage eingetreten ist. Auch die Sicherheitssituation in Ghazni, der Herkunftsprovinz des BF, hat sich nicht wesentlich und nachhaltig verbessert. Gestützt auf das aktuellste Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 13.11.2019, die neuesten Berichte des EASO sowie unter Heranziehung der UNHCR-Richtlinien vom August 2018 kann jedenfalls nicht festgestellt werden, dass sich die Lage im Herkunftsstaat Afghanistan im Allgemeinen wesentlich und nachhaltig verändert und verbessert hat.

III. Rechtliche Beurteilung:

Zur Beschwerde:

Mit gegenständlichem Bescheid vom BFA wurde dem BF eine Beschwerdefrist von vier Wochen eingeräumt. Die am 21.07.2019 erhobene und bei der belangten Behörde am selben Tag eingelangte Beschwerde war rechtzeitig, zulässig und auch begründet.

Zu Spruchteil A)

III.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Gemäß § 17 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013, sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

III.2. Zu Stattgabe der Beschwerde und ersatzlosen Behebung der Spruchpunkte I. und III. - VI. des angefochtenen Bescheides:

1. Die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ist in § 9 Asylgesetz 2005 (AsylG), BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 145/2017, geregelt, der wie folgt lautet:

"§ 9. (1) Einem Fremden ist der Status eines subsidiär Schutzberechtigten von Amts wegen mit Bescheid abzuerkennen, wenn

1. die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1) nicht oder nicht mehr vorliegen;

2. er den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen in einem anderen Staat hat oder

3. er die Staatsangehörigkeit eines anderen Staates erlangt hat und eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen neuen Herkunftsstaat keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention oder für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

(2) Ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht schon aus den Gründen des Abs. 1 abzuerkennen, so hat eine Aberkennung auch dann zu erfolgen, wenn

1. einer der in Art. 1 Abschnitt F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe vorliegt;

2. der Fremde eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Republik Österreich darstellt oder

3. der Fremde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt worden ist. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB, BGBl. Nr. 60/1974, entspricht. (...)"

Vorauszuschicken ist, dass sich die belangte Behörde im Spruch des angefochtenen Bescheides auf den Aberkennungstatbestand nach § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 beruft. Die Frage, ob die Aberkennung des Schutzstatus auf den ersten Fall des § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005, dem zufolge die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten "nicht vorliegen", oder auf den zweiten Fall des § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005, dem zufolge die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten "nicht mehr vorliegen", gestützt wurde, ist anhand der konkretisierenden Ausführungen in der rechtlichen Beurteilung des angefochtenen Bescheides des BFA zu beantworten.

Gegenständlich ergibt sich aus der Begründung des angefochtenen Bescheides, dass die belangte Behörde die Aberkennung sowohl auf den ersten Fall als auch auf den zweiten Fall des § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 gestützt hat.

Zunächst hat sich das BFA auf das Urteil des EuGH vom 23.05.2019, Bilali, C-720/17 bezogen, wonach ein Mitgliedstaat den subsidiären Schutzstatus aberkennen müsse, wenn er diesen Status zuerkannt habe, ohne dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung erfüllt gewesen seien, indem er sich auf Tatsachen gestützt habe, die sich in der Folge als unzutreffend erwiesen hätten, und obgleich der betroffenen Person nicht vorgeworfen werden könne, sie habe den Mitgliedstaat bei dieser Gelegenheit irregeführt. Dem vorgelegten Vorabentscheidungsersuchen lag der Fall zugrunde, dass das Bundesasylamt irrtümlich davon ausgegangen war, dass der Revisionswerber Staatsangehöriger Algeriens sei und ihm rechtskräftig den Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt hatte. In weiterer Folge gelangte das Bundesasylamt nach neuen Ermittlungen zu dem Ergebnis, dass der Revisionswerber Staatsangehöriger Marokkos sei und in Bezug auf Marokko die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status nicht vorliegen würden.

Mit diesem Fall lässt sich der gegenständliche Fall aber nicht vergleichen. So wurde in der rechtlichen Beurteilung behauptet, die Erkenntnisse des VwGH brachten wiederholt seit Jahren klar zum Ausdruck, dass es keines sozialen oder familiären Netzwerkes bedarf, um von einer tauglichen IFA in den Städten Kabul, Mazar-e Sharif und Herat ausgehen zu können, sofern es sich bei der betreffenden Person, um einen arbeitsfähigen, erwachsenen und gesunden Mann handle. Wenn es in einem so gelagerten Fall, wie auch im Fall des BF, zur Gewährung subsidiären Schutzes gekommen sei, ohne dass individuelle, relevante Gründe hinzugekommen wären, so sei diese Gewährung aufgrund der ausbleibenden Berücksichtigung einer zwingenden Voraussetzung, nämlich der ordnungsgemäßen Prüfung des Vorliegens einer tauglichen IFA in Herat oder Mazar-e Sharif erfolgt.

Dabei prüfte die belangte Behörde in ihrem Bescheid vom 10.03.2017 ausdrücklich das Vorliegen einer tauglichen IFA und kam zu dem Schluss, dass eine zumutbare IFA, etwa in der Hauptstadt Kabul oder anderen Provinzen dem BF nicht zur Verfügung stehe, zumal er seit vielen Jahren im Iran gelebt habe und kein verwandtschaftlicher Kontakt aufrecht sei.

Es liegen weder Hinweise dafür vor, dass eine falsche Darstellung oder das Verschweigen von Tatsachen seitens des BF für die Zuerkennung des subsidiären Schutzes ausschlaggebend war, noch bestehen Anhaltspunkte dafür, dass sich der Kenntnisstand der Behörde hinsichtlich eines für die Zuerkennung relevanten Tatsachenumstandes geändert hätte. Das BFA führte auch keine substantiierten Gründe für eine solche Annahme ins Treffen.

Die belangte Behörde berief sich in ihrem Bescheid vom 10.03.2017, zur Feststellung, dass dem BF kein familiäres Netzwerk in Afghanistan zur Verfügung stehe, darauf, dass er in seinem Heimatland keine Verwandten besitze, zu denen er aufrechten Kontakt habe. Da er, wie bereits erwähnt, einen Kontakt zu seinen Onkeln und Tanten in Afghanistan auch bei seiner neuerlichen Einvernahme vor dem BFA verneinte, ist keine Sachverhaltsveränderung erkennbar. Dass sich der diesbezügliche Kenntnisstand der Behörde geändert hätte, ist weder hervorgekommen noch sonst ersichtlich. Vielmehr gelangte das BFA im angefochtenen Bescheid unter Zugrundelegung desselben Sachverhalts - dem Vorhandensein von Familienangehörigen in Afghanistan, zu denen der BF keinen Kontakt hat - zu dem Schluss, dass der BF nunmehr über soziale Anknüpfungspunkte verfüge.

Es liegt somit kein Anwendungsfall des zitierten Urteils des EuGH (Irrtum der Behörde über das Vorliegen der Voraussetzungen für die Gewährung von subsidiärem Schutz) vor.

Daneben zog die belangte Behörde bei der Aberkennung des subsidiären Schutzes, offenbar mit Blick auf eine vermeintliche Änderung des Sachverhalts, insbesondere auch den Tatbestand des § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG 2005 heran.

Gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG 2005 ist einem Fremden der Status eines subsidiär Schutzberechtigten von Amts wegen mit Bescheid abzuerkennen, wenn die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 leg.cit. nicht mehr vorliegen. Dies entspricht auch Art. 16 der Statusrichtlinie (= Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.04.2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes, ABl. L 304), wonach ein Drittstaatsangehöriger oder ein Staatenloser nicht mehr subsidiär Schutzberechtigter ist, wenn die Umstände, die zur Zuerkennung des subsidiären Schutzes geführt haben, nicht mehr bestehen oder sich in einem Maße verändert haben, dass ein solcher Schutz nicht mehr erforderlich ist (Abs. 1). Bei Anwendung des Absatzes 1 berücksichtigen die Mitgliedstaaten, ob sich die Umstände so wesentlich und nicht nur vorübergehend verändert haben, dass die Person, die Anspruch auf subsidiären Schutz hat, tatsächlich nicht länger Gefahr läuft, einen ernsthaften Schaden zu erleiden (Abs. 2). Dieses Erforderlichkeitskalkül ist auch bei der Verlängerung der Aufenthaltsberechtigung und bei der Bestimmung ihrer Dauer anzulegen (vgl. VwGH vom 31.03.2010, Zl. 2007/01/1216).

Es ist Aufgabe der Behörde, näher darzulegen, worin sie im konkreten Fall Umstände erblickt, sodass davon auszugehen ist, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht mehr vorliegen. Ausgangspunkt dieser Betrachtungen haben daher jene Umstände zu sein, die ursprünglich zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten geführt haben (VwGH vom 27.05.2019, Ra 2019/14/0153).

Nach ständiger Rechtsprechung des VwGH ist eine Durchbrechung der Rechtskraftwirkung einer - subsidiären Schutz zuerkennenden - Entscheidung nur dann gerechtfertigt, wenn sich nach Erlassung der Entscheidung der Sachverhalt oder die Rechtsvorschriften wesentlich geändert haben, also eine neue Sache vorliegt, für die die Rechtskraftwirkung der ursprünglichen Entscheidung nicht mehr gilt. Von einer nachträglichen Änderung der Sache ist aber der Fall zu unterscheiden, in dem der Sachverhalt anders rechtlich beurteilt wird oder neue Tatsachen oder Beweismittel bekannt werden, die bereits im Zeitpunkt der Erlassung der Entscheidung vorlagen, aber erst später bekannt wurden ("nova reperta"). Die schon vor Erlassung der Entscheidung bestehende Sachlage ist von der Rechtskraft des Bescheides erfasst und bindet Gerichte und Behörden, solange diese Entscheidung dem Rechtsbestand angehört (vgl. VwGH 23.1.2018, Ra 2017/18/0274, mwN).

Der VwGH hat bereits erkannt, dass es unter Berücksichtigung der Rechtskraftwirkungen von Bescheiden nicht zulässig ist, die Aberkennung (im dort entschiedenen Fall: gemäß § 9 Abs. 2 Z 2 AsylG 2005) auszusprechen, obwohl sich der Sachverhalt seit der Zuerkennung des subsidiären Schutzes bzw. der erfolgten Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung nach § 8 Abs. 4 AsylG 2005 (die nur im Falle des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen für die Zuerkennung erteilt werden darf) nicht geändert hat (VwGH 30.8.2017, Ra 2017/18/0155, Rz 25). Diese Überlegungen hat der VwGH in seinem Erkenntnis vom 27. Mai 2019, Ra 2019/14/0153, auch auf Fälle übertragen, in denen die Aberkennung auf § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG 2005 gestützt wird. (VwGH 17.10.2019, Ra 2019/18/0353).

Auch der VfGH hat zu § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG bereits ausgesprochen, dass diese Bestimmung keine Neubewertung eines rechtskräftig entschiedenen Sachverhaltes erlaubt, sondern eine Aberkennung nach § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG lediglich in Frage kommt, wenn sich die Umstände nach der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten maßgeblich geändert haben (VfGH 24.09.2019, E 2330/2019).

Durch die Entscheidung, die befristete Aufenthaltsberechtigung zu verlängern, bringt die Behörde vor dem Hintergrund der dafür nach dem Gesetz vorgesehenen Voraussetzungen zum Ausdruck, dass sie davon ausgeht, es seien im Zeitpunkt ihrer Entscheidung, mit der sie die Verlängerung bewilligt, weiterhin jene Umstände gegeben, die für Zuerkennung von subsidiärem Schutz maßgeblich seien (VwGH vom 27.05.2019, Ra 2019/14/0153).

2. Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid entgegen richtlinienkonformer Interpretation der Bestimmung des § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG (vgl. Art. 16 Abs. 2 Status-richtlinie) eine grundlegende und dauerhafte Änderung jener Umstände, die zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten geführt haben, nicht dargetan:

Die ursprüngliche Gewährung des subsidiären Schutzes mit Bescheid vom 10.03.2017 begründete die belangte Behörde dahingehend, dass der BF in seinem Heimatland keine Verwandten besitze, zu welchen er aufrechten Kontakt habe. Er habe in den letzten rund zwölf Jahren im Iran gelebt und es stehe ihm dadurch kein, für die afghanische Gesellschaft sehr bedeutsames, familiäres Netzwerk zur Verfügung und sei sohin keine soziale Absicherung gegeben. Es sei ihm aufgrund dieser fehlenden familiären Anknüpfungspunkte der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen.

Bei der nunmehr angefochtenen Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten begründete das BFA seine Entscheidung damit, dass sich die subjektive Lage des BF dahingehend geändert habe, dass er nun eine weitere Sprache könne und einer am Arbeitsmarkt gesuchten Gruppe an Menschen angehöre. Es sei ihm nun, wie dies auch unzähligen Erkenntnissen der obersten Gerichte zu entnehmen sei, eine Rückkehr nach Herat oder Mazar-e Sharif ohne familiäre Anknüpfungspunkte zumutbar. In den Großstädten seines Heimatlandes könnte ihn seine Familie aus dem Iran mit finanziellen Mitteln unterstützen. Er könnte nun im Falle der Rückkehr auf seine Bildung, den Rückhalt der Familie im Iran, sowie auf das soziale Netzwerk der Familie im Iran zurückgreifen. Zudem habe er in der Einvernahme vom 01.07.2019 geschildert, dass er doch über ein bestehendes familiäres Netzwerk in Afghanistan verfügen würde und diese nach wie vor in der Heimatprovinz leben sollten. Nachdem seine Eltern mit den Verwandten im Heimatland an Feiertagen Kontakt haben würden, bestehe die Möglichkeit für ihn, dass er auf diese im Falle der Rückkehr zurückgreifen könne. Überdies sei er gesund. Er nutze in Österreich bestehende Ausbildungsmöglichkeiten und habe gezeigt, dass er in der Lage sei auf Netzwerke auch in einem fremden Land zuzugreifen.

Im vorliegenden Fall hat das Ermittlungsverfahren ergeben, dass keine in der Person des BF liegenden subjektiven Umstände im Sinne einer wesentlichen Verbesserung seiner persönlichen Lage seit der Verlängerung seiner befristeten Aufenthaltsberechtigung hervorgekommen sind. Wie sich aus dem rechtskräftigen Verlängerungsbescheid des BFA vom 06.03.2018 ergibt, hielt auch das BFA die Voraussetzungen für die Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung und damit für die Zuerkennung subsidiären Schutzes nach wie vor für gegeben. Da diese Verlängerung rechtskräftig geworden ist, kommt ihr Bindungswirkung zu, und nur nach dieser Entscheidung eintretende Entwicklungen können zu einer Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten führen.

Im Hinblick auf die Ausführung der belangten Behörde, wonach dem BF nun eine IFA in Herat und Mazar-e Sharif zur Verfügung stehe, sind den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen zur Lage in Afghanistan seit Gewährung des subsidiären Schutzes keine grundlegenden Veränderungen - insbesondere bezogen auf die Sicherheitslage - zu entnehmen. Wie bereits in der Beweiswürdigung dargelegt, kann nicht von einer wesentlichen und dauerhaften Verbesserung der allgemeinen Situation in Afghanistan ausgegangen werden, sondern hat sich die Situation sowohl hinsichtlich der Sicherheitslage, als auch hinsichtlich der Versorgungslage tendenziell verschlechtert. Dies gilt insbesondere für die Lage in Ghazni, der Herkunftsprovinz des BF und den Städten Herat und Mazar-e Sharif.

Vermeint das BFA, dass der BF nun auf eine Vielzahl an internationalen Einrichtungen zurückgreifen könne, die Unterstützungsleistungen für Rückkehrer anbieten würden, ist auch darin keine wesentliche Änderung im Vergleich zum Bescheid vom 10.03.2017 zu erkennen. Bereits im damaligen Bescheid wurde die Feststellung getroffen, dass die afghanische Regierung mit WFP und anderen UN-Organisationen eng zusammenarbeite, um die Kapazität humanitärer Hilfe zu verstärken, rasch Unterkünfte zur Verfügung zu stellen sowie Hygiene- und Nahrungsbedürfnisse zu stillen. Einige Länder arbeiten auch eng mit IOM in Afghanistam im Rahmen des Programms Assisted Voluntary Return zusammen - insbesondere, um die Reintegration zu erleichtern. IOM biete psychologische Betreuung, Unterstützung bei Reiseformalitäten, Ankunft in Kabul und Begleitung der Reintegration einschließlich Unterstützung bei der Arbeitsplatzsuche oder Gewährung eines Anstoßkredits an. IOM gibt auch abgeschobenen Asylwerbern Unterstützung nach der Ankunft im Land. Eine wesentliche Veränderung der Lage im Herkunftsstaat im Vergleich zum Bescheid vom 10.03.2017 ist im Hinblick auf - insbesondere - staatliche Unterstützungs- und Versorgungsleistungen somit nicht gegeben. Zudem geht aus der Begründung des Bescheides vom 10.03.2017 hervor, dass die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht auf unzureichende (staatliche) Unterstützungsleistungen, sondern maßgeblich auf den Umstand des langjährigen Aufenthaltes im Iran und des fehlenden aufrechten verwandtschaftlichen Kontakts gestützt wurde.

Soweit das BFA im angefochtene Bescheid ausführt, dass der BF nun familiäre Anknüpfungspunkte im Iran und in Afghanistan habe, welche ihn im Falle einer Rückkehr unterstützen könnten, so ist hier keine Änderung gegenüber der Sachverhaltslage bei Zuerkennung des subsidiären Schutzes erkennbar. Dass seine Eltern und seine Geschwister im Iran aufhältig sind und er zu ihnen in Kontakt steht wurde vom BF seit seiner ersten Einvernahme vor dem BFA am 22.01.2016, im Wesentlichen gleichbleibend vorgebracht (siehe dazu die Beweiswürdigung unter Punkt II.2.3.). Ebenso konstant war sein Vorbringen zum fehlenden Kontakt zu seinen Familienangehörigen in Afghanistan. Die belangte Behörde hielt in ihrem Bescheid vom 10.03.2017, betreffend die Feststellungen zu seiner Situation im Fall seiner Rückkehr, fest, dass der BF in seinem Heimatland keine Verwandten besitze, zu denen er aufrechten Kontakt habe, weshalb ihm - auch aufgrund seines zwölfjährigen Aufenthaltes im Iran - kein familiäres Netzwerk zur Verfügung stehe. Nach der rechtskräftigen Zuerkennung des subsidiären Schutzes bzw. der rechtskräftigen Verlängerung der Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter hat sich also keine wesentliche Sachverhaltsänderung ergeben. Vielmehr hat das BFA im angefochtenen Bescheid auf Basis eines im Wesentlichen unveränderten Sachverhalts - dem fehlenden Kontakt zu seinen Onkeln und Tanten in Afghanistan, von denen keine tatsächliche Unterstützung des BF im Falle seiner Rückkehr zu erwarten ist (siehe dazu die Beweiswürdigung unter Punkt II.2.3.) - eine andere Beweiswürdigung vorgenommen bzw. andere (rechtliche) Schlüsse gezogen als noch in den vorigen Bescheiden.

Die Erläuterungen der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid, wonach es in letzter Zeit vermehrt zu einer freiwilligen Rückkehr vor allem von Flüchtlingen aus Pakistan komme, sodass sich kein Grund feststellen ließe, der die Rückkehr des BF nach Afghanistan unmöglich erscheinen ließe, weichen nicht von den, bereits im Bescheid vom 10.03.2017, getroffenen Feststellungen bezüglich Rückkehrern aus Pakistan ab.

Wenn das BFA im angefochtenen Bescheid, bezüglich der Bestreitung des Lebensunterhalts in Herat und Mazar-e Sharif, auf seine Schulbildung und seine Kenntnisse der Sprachen Dari, Farsi und Deutsch in Wort und Schrift verweist, so verabsäumt es darzulegen, welche konkreten Änderungen sich zwischenzeitlich daraus ergeben haben. Bereits in seiner ersten Einvernahme vor dem BFA hat der BF angegeben, dass er Farsi spreche, sieben Jahre lang die Grundschule besucht habe und zwei Jahre lang Englischunterricht erhalten habe (AS. 127, 133). Er habe seinem Bruder auch bei Tischlereiarbeiten geholfen (AS. 133). Zu seinen Deutschkenntnissen führte er aus, dass er in den letzten Monaten so viel Deutsch gelernt habe, dass er in eine Schule aufgenommen worden sei, die er in der letzten Woche besucht habe (AS. 137). In seiner neuerlichen Einvernahme am 01.07.2019 wiederholte er seine Ausführungen zu seiner Schuldbildung und Berufserfahrung im Iran (AS. 26). Weiters erklärte er, dass er eineinhalb Jahre die Handelsschule besucht habe, diese jedoch nicht bestanden habe und legte ein ÖSD-Zertifikat Deutsch B1 vom 25.01.2019 vor, welches er ausreichend bestanden habe (AS. 26, Anlage 1). In diesem Zusammenhang wird zwar nicht verkannt, dass der BF im Vergleich, zum Zeitpunkt der Zuerkennung des subsidiären Schutzes, über neugewonnene Lebenserfahrung verfügt, allerdings ist nicht ersichtlich welche entscheidungswesentlichen Fähigkeiten und Kenntnisse er zwischenzeitlich erlangt hat, die ihm bei einer Rückkehr nach Afghanistan konkret von Vorteil wären. Dass er, wie vom BFA im angefochtenen Bescheid ausgeführt wurde, seinen Bildungsstand "massiv" gesteigert habe, ist durch den kurzweiligen Besuch einer Handelsschule und der Erlangung des ÖSD-Zertifikats Deutsch B1 nicht schlüssig. Auch seine im September 2019 begonnene Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann bietet, jedenfalls im Entscheidungszeitpunkt, noch keine Anhaltspunkte dafür, dass er in einem bestimmten Fachbereich seine Fähigkeiten entscheidungswesentlich erweitern konnte. Das BFA stellte in seinem angefochtenen Bescheid darauf ab, dass ihm, aufgrund der starken Präsenz Deutschlands in seinem Heimatland mit Truppen und Hilfsorganisationen, "unzählige" Beschäftigungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen würden. Dabei ist beachtlich, dass die Präsenz deutscher Truppen und Hilfsorganisationen in den letzten Jahren, wegen der instabilen Sicherheitslage und der politischen Entwicklungen, abgenommen hat und diese Jobs stark umkämpft sind, weshalb dieser Einschätzung zu "unzähligen" Beschäftigungsmöglichkeiten nicht gefolgt werden kann. Die Gewährung des subsidiären Schutzes erfolgte im zugrundeliegenden Fall nicht aufgrund der fehlenden Berufserfahrung des BF, sondern des fehlenden familiären Netzwerks. Eine Änderung der für die Zuerkennung des Schutzstatus maßgeblichen Umstände - im Sinne einer wesentlichen Verbesserung der subjektiven Lage des BF - liegt insoweit nicht vor.

Die Bemerkung im angefochtenen Bescheid, wonach die islamische Glaubensgemeinschaft in aller Welt grundsätzlich bestrebt sei, Schutz- und Unterkunftssuchende zu beherbergen, weshalb der BF bei der Neu- oder Wiederansiedlung in Herat oder Mazar-e Sharif in Moscheen und anderen islamischen Einrichtungen Unterstützung erfahren würde, ist ebenfalls nicht geeignet, eine nachhaltige Verbesserung seiner individuellen Situation aufzuzeigen. Der afghanische Staat hat sich schon im Zeitpunkt der Zuerkennung des subsidiären Schutzes an den BF "über islamische Traditionen definiert", dass sich daraus nun eine konkrete Unterstützungsleistung ergibt, wurde von der belangten Behörde nicht substantiiert dargelegt.

Auch bezüglich des im angefochtenen Bescheid enthaltenen Verweises auf das "Auffangbecken" der Volksgruppe der Hazara ist nicht ersichtlich, woraus die belangte Behörde diesbezüglich eine nunmehr geänderte subjektive Situation im Falle einer Rückkehr des BF ableitet, zumal auch insoweit seit Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten mit Bescheid vom 10.03.2017 und seit der Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung mit Bescheid vom 06.03.2018 keine Änderung des Sachverhalts eingetreten ist.

Keinerlei Begründungswert kommt der kryptischen Formulierung im angefochtenen Bescheid zu, wonach der BF mit seinem Aufenthalt in Österreich bereits unweigerlich von der Möglichkeit Gebrauch gemacht habe, auf bestehende Netzwerke zurückzugreifen, was ihm im Fall einer Rückkehr in Anbetracht des damit gewonnenen Erfahrungsschatzes zugutekommen werde.

Dass die vom BFA verfügte Aberkennung des Schutzstatus nach § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG 2005 tatsächlich nicht das Resultat einer maßgeblichen Änderung des Sachverhalts, vor dem Hintergrund der Lage im Herkunftsstaat oder der Person des BF, ist, erhellt nicht zuletzt der Umstand, dass die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid - unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes und des Verfassungsgerichtshofes aus den Jahren 2016/2017/2018 - ihre Rechtsauffassung zum Ausdruck gebracht hat, es sei - im Gegensatz zur Lage im letztmaligen Entscheidungszeitpunkt - nicht mehr davon auszugehen, dass er im Falle einer Rückkehr familiärer Anknüpfungspunkte und Unterstützungsmöglichkeiten bedürfe, weshalb nun keine derartige Gefährdungslage vorlege, welche gegen Art. 3 EMRK verstoßen würde.

Diesbezüglich ist festzuhalten, dass eine andere rechtliche Beurteilung oder Würdigung eines im Wesentlichen unveränderten Sachverhalts nicht mit dem Wegfall oder (zumindest) der maßgeblichen Änderung jener Umstände, die zur rechtskräftigen Zuerkennung subsidiären Schutzes geführt haben, gleichzusetzen ist. Im Ergebnis hat die belangte Behörde im vorliegenden Fall eine neue Begründung formuliert, mit der sie den Antrag auf subsidiären Schutz abgelehnt hätte, wenn sie aktuell darüber zu entscheiden hätte. Dabei hat die belangte Behörde aber übersehen, dass es über diese Frage schon eine rechtskräftige Entscheidung gibt, an die sie gebunden ist, soweit nicht ein Aufhebungsgrund nach § 9 AsylG 2005 vorliegt, was - wie oben dargelegt wurde - zu verneinen ist.

Die Änderung der Rechtsprechung zu einer Norm bietet keine rechtliche Grundlage, den Grundsatz der Rechtskraft zu durchbrechen und die Entscheidungen eines Gerichts oder einer Behörde ohne hinreichenden Grund zu beseitigen und neu zu entscheiden. Jedenfalls lässt sich weder aus § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 noch aus der Statusrichtlinie eine solche Berechtigung ableiten.

Im Übrigen wird seitens des erkennenden Gerichts zwar keineswegs verkannt, dass sich die Rechtsprechung des BVwG zur Frage der Gewährung von subsidiärem Schutz von gesunden, alleinstehenden, erwachsenen, männlichen afghanischen Staatsangehörigen auf Grund der höchstgerichtlichen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes und des Verfassungsgerichtshofes seit dem Jahr 2016 geändert hat. Dies kann jedoch nach Ansicht des erkennenden Richters nicht dazu führen, dass ohne tatsächlich veränderter (im Sinne einer verbesserten) Länderberichtslage bzw. ohne maßgebliche Änderung der persönlichen Umstände des BF von nicht mehr vorliegenden Vorrausetzungen für die Gewährung von subsidiärem Schutz iSd § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 gesprochen werden kann.

Die Ansicht der belangten Behörde, wonach mit Verweis auf das Urteil des EuGHs vom 18.12.2014, C-542/13, M'Bodj - dem zufolge der ernsthafte Schaden durch das Verhalten von Dritten (Akteuren) verursacht werden muss und dieser nicht bloß Folge allgemeiner Unzulänglichkeiten im Herkunftsland sei - der subsidiäre Schutz des BF an sich schon auszuschließen wäre, ist nicht mit der Rechtsprechung des VwGH vereinbar. In seinem Erkenntnis vom 21.05.2019 (Ro 2019/19/0006) hat der VwGH klargestellt, dass eine Interpretation, mit der die Voraussetzungen der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 8 Abs. 1 AsylG 2005 mit dem in der Judikatur des EuGH dargelegten Verständnis des subsidiären Schutzes nach der Statusrichtlinie in Übereinstimmung gebracht würde, die Grenzen der Auslegung nach den innerstaatlichen Auslegungsregeln überschreiten und zu einer - unionsrechtlich nicht geforderten - Auslegung contra legem führen würde. Damit würde der Statusrichtlinie zu Unrecht eine ihr im gegebenen Zusammenhang nicht zukommende unmittelbare Wirkung zugeschrieben. Infolge dessen sei an der bisherigen Rechtsprechung, wonach eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 und 3 MRK durch eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat - auch wenn diese Gefahr nicht durch das Verhalten eines Dritten (Akteurs) bzw. die Bedrohungen in einem bewaffneten Konflikt verursacht wird - die Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 8 Abs. 1 AsylG 2005 begründen kann, festzuhalten.

Im Übrigen wird angemerkt, dass auch im aktuellen Länderinformationsblatt der Staatendokumentation des BFA gleich an mehreren Stellen ausdrücklich festgehalten wird, dass soziale, ethnische und familiäre Netzwerke für einen Rückkehrer unentbehrlich sind und sich insofern keine Änderung ergeben hat.

Unter Zugrundelegung der obigen Ausführungen und der Bestimmung des § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG, wonach explizit der Wegfall entscheidungsrelevanter Sachverhaltselemente vorausgesetzt wird, erweist sich der angefochtene Bescheid im Hinblick auf die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Zusammenschau mit der Aktenlage und insbesondere der rechtskräftigen Verlängerungsentscheidung des BFA selbst als rechtswidrig.

Die Voraussetzungen für die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG 2005 liegen sohin mangels wesentlicher und nachhaltiger Änderung der maßgeblichen Umstände gegenständlich nicht vor.

Der Beschwerde war daher stattzugeben und Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides ersatzlos zu beheben.

Dem BF kommt aufgrund der Behebung dieses Spruchpunktes weiterhin der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug den Herkunftsstaat Afghanistan zu.

Die Behebung des Bescheides im unter Spruchpunkt A) I. genannten Umfang hatte aufgrund der Untrennbarkeit der Spruchpunkte I. sowie III. bis VI. zu erfolgen, zumal die von der belangten Behörde unter den Punkten III. bis VI. getroffenen Aussprüche schon in Folge der Behebung der amtswegigen Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ihre rechtliche Grundlage verlieren.

III.3. Zu Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter in Erledigung der Beschwerde gegen Spruchpunkt II.:

Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 ist einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wird, vom Bundesamt oder vom Bundesverwaltungsgericht gleichzeitig eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zu erteilen. Die Aufenthaltsberechtigung gilt ein Jahr und wird im Falle des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen über Antrag des Fremden vom Bundesamt für jeweils zwei weitere Jahre verlängert. Nach einem Antrag des Fremden besteht die Aufenthaltsberechtigung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Verlängerung des Aufenthaltsrechts, wenn der Antrag auf Verlängerung vor Ablauf der Aufenthaltsberechtigung gestellt worden ist.

Eine grundlegende Änderung der persönlichen Situation des BF im Falle einer Rückkehr in den Herkunftsstaat oder eine wesentliche Verbesserung der Lage im Herkunftsstaat hat sich im Vergleich mit der dem Bescheid vom 10.03.2017 zugrunde gelegten Situation, die zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten führte, nicht ergeben (vgl. Pkt. III.2.).

Die Voraussetzungen für die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 lagen mangels wesentlicher und nachhaltiger Änderung der maßgeblichen Umstände gegenständlich nicht vor.

Der Beschwerde gegen die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten war daher stattzugeben und kommt dem BF aufgrund der Behebung des Bescheides weiterhin der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug den Herkunftsstaat Afghanistan zu.

Der BF beantragte die verfahrensgegenständliche Verlängerung seiner Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter vor Ablauf der zuletzt mit Verlängerungsbescheid bis 10.03.2020 befristet erteilten Aufenthaltsberechtigung und sohin fristgerecht im Sinne des § 8 Abs. 4 letzter Satz AsylG. Ihm wurde aufgrund der Zuerkennung des Status des sub

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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