TE Bvwg Beschluss 2020/4/30 W186 2230502-1

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Veröffentlicht am 30.04.2020
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Entscheidungsdatum

30.04.2020

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §8
BFA-VG §18 Abs5
B-VG Art133 Abs4

Spruch

W186 2230504-1/2Z

W186 2230503-1/2Z

W186 2230502-1/2Z

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht fasst durch die Richterin Mag. Judith PUTZER als Einzelrichter über die Beschwerde von 1) XXXX alias XXXX , geboren am XXXX , 2) XXXX alias XXXX , geboren am XXXX , und 3) XXXX alias XXXX , geboren am XXXX , alle Staatsangehörige von Indien alias Afghanistan, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 31.03.2020, Zl. 1256993400 - 200022902 (ad 1), 1256994604 - 200022915 (ad 2) und 1256994201 - 200023089 (ad 3), folgenden Beschluss:

A) Der Beschwerde wird gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt

Der Erstbeschwerdeführer (in der Folge: BF1), die Zweitbeschwerdeführerin (in der Folge: BF2) und die Drittbeschwerdeführerin (in der Folge: BF3) stellten am 08.01.2020 einen Antrag auf internationalen Schutz. Der BF1 und die BF2 sind verheiratet, die BF3 ist die gemeinsame Tochter. Am selben Tag wurden sie vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt:

Zu seinen Fluchtgründen gab der BF1 an, in Afghanistan sei es für seine Familie als Hindu gefährlich, weil sie eine Minderheit seien. Er habe ein Jahr bei seinem Sohn in Deutschland gelebt, dies sei durch ein Visum möglich gewesen, das jedoch nicht verlängert worden ist. Eines Tages sei der BF1 von der Polizei nach Österreich zurückgeschickt worden.

Die BF2 gab zu ihren Fluchtgründen an, dass in Afghanistan lange Zeit Krieg geherrscht hätte, ihre beiden Söhne seien auch geflüchtet, weshalb sie sich dazu entschlossen hätte, zu ihren Kindern zu gehen.

Die BF3 gab zu ihren Fluchtgründen an, die Situation in Afghanistan sei sehr gefährlich gewesen. Ständig würden junge Mädchen entführt, vergewaltigt und misshandelt, weshalb sie sich dort nicht sicher gefühlt hätte. Außerdem seien ihre beiden Brüder auch geflüchtet und ihre Eltern hätten auch zu ihrem Bruder nach Deutschland gewollt.

Am 04.02.2020 wurde der BF1 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: Bundesamt) in der Sprache Dari niederschriftlich einvernommen, worauf er mitteilte, er bevorzuge eine Einvernahme auf Punjabi, weil er die Dolmetscherin nicht verstehe.

Der BF1, die BF2 und die BF3 wurden daraufhin am 11.02.2020 vor dem Bundesamt niederschriftlich einvernommen, wobei sie im Wesentlichen ihre im Zuge der Erstbefragung angegebenen Fluchtgründe bestätigten. Das Bundesamt teilte dem BF1, der BF2 und der BF3 mit, dass aufgrund eines VIS-Auszuges ihr Verfahren in Bezug auf den Herkunftsstaat Indien geprüft würde. Der BF1 gab daraufhin an, dass diesen Auszug der Schlepper gemacht haben müsse, er habe ein echtes Dokument, dass er Afghane sei. Auch die BF2 gab an, sie sei Afghanin, den Auszug müsse der Agent angefertigt haben. Die BF3 gab dazu an, sie sei Afghanin und wisse nicht, was der Schlepper gemacht habe.

Am 25.02.2020 wurden der BF1, die BF2 und die BF3 nochmals vor dem Bundesamt niederschriftlich einvernommen, wobei der BF1 ausführlich über seinen Gesundheitszustand befragt wurde. Der BF1 gab an, dass er Afghane und nicht damit einverstanden sei, dass sein Verfahren in Bezug auf Indien geprüft würde. Die BF2 legte medizinische Unterlagen vor. Die BF3 legte eine Tazkira vor und gab an, sie sei keine Inderin.

Mit Bescheid vom 31.03.2020 wurden die Anträge des BF1, der BF2 und der BF3 auf internationalen Schutz vom 08.01.2020 sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gem. § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Indien gem. § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem BF1, der BF2 und der BF3 gem. § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gegen sie gem. § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und gem. § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass ihre Abschiebung gem. § 46 FPG nach Indien zulässig ist (Spruchpunkt V.). Gem. § 55 Abs. 1a FPG wurde keine Frist für eine freiwillige Ausreise gewährt (Spruchpunkt VI.) und einer Beschwerde gegen diese Entscheidung gem. § 18 Abs. 1 Z 3 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VII.).

Das Bundesamt traf dazu die Feststellungen, dass der BF1, die BF2 und die BF3 mit einem indischen Reisepass und einem österreichischen Visum in den Schengenraum eingereist waren und an keiner ernsten oder lebensbedrohlichen Erkrankung, die einer Abschiebung nach Indien entgegenstehen würde, litten.

Das Bundesamt begründete die Abweisung des Antrages damit, dass der BF1, die BF2 und die BF3 in Indien keine Verfolgung behauptet hätten und im gesamten Verfahren keine Umstände hervorgekommen wären, die im Falle einer Rückkehr des BF1, der BF2 und der BF3 nach Indien zu einer Verletzung der Art. 2 und 3 EMRK führen würden.

Die Feststellung der indischen Staatsangehörigkeit wurde hauptsächlich anhand eines VIS-Auszuges, wonach der BF1, die BF2 und die BF3 bei ihrer Visumantragsstellung am 05.04.2019 bei der österreichischen Botschaft in Neu-Delhi ihre Fingerabdrücke abgegeben hatten, getroffen. In der Beweiswürdigung wurde weiters auf einen Punkt im Kapitel "Binnenflüchtlinge und Flüchtlinge" des aktuellen Länderinformationsblattes über Indien verwiesen, wonach hinduistische und Sikh-Afghanen mit mindestens 12-jähriger Aufenthaltsdauer in Indien besonders ermutigt werden, die indische Staatsbürgerschaft anzunehmen. Demnach wäre selbst bei Wahrunterstellung der afghanischen Herkunft des BF1, der BF2 und der BF3 eine nunmehr indische Staatsangehörigkeit nicht auszuschließen.

Zusätzlich kam das Bundesamt zum Ergebnis, dass die von den BF1, BF2 und BF3 im Zuge des Verfahrens gemachten Angaben über Afghanistan nicht geeignet seien, ihre behauptete afghanische Staatsangehörigkeit zu belegen.

Die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde gegen den Bescheid vom 31.03.2020 wurde auf § 18 Abs 1 Z 3 BFA-VG gestützt, wonach der BF1, die BF2 und die BF3 versucht hätten, das Bundesamt hinsichtlich ihrer Staatsangehörigkeit zu täuschen.

Gegen diesen Bescheid erhoben der BF1, die BF2 und die BF3 fristgerecht in vollem Umfang Beschwerde, in der im Wesentlichen die Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtige Beweiswürdigung bzw. unrichtige Sachverhaltsfeststellung geltend gemacht wurden. Insbesondere wurde auf den Umstand verwiesen, dass die drei Reisepässe, mit denen das Visum beantragt worden war, alle am selben Tag ausgestellt wurden und zumindest beim BF1 und der BF2 fortlaufend nummeriert waren, was auf eine Fälschung hindeute.

Am 24.04.2020 wurde die Beschwerde inklusive der mit ihr in Bezug stehenden Verwaltungsakte dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 33/2013 i.d.F. BGBl. I 22/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, unberührt.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Eine derartige Regelung wird in den einschlägigen Normen (VwGVG, BFA-VG, AsylG) nicht getroffen, und es liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

Zu A) Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde

Gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung vom Bundesamt aberkannt wurde, binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Die Entscheidung über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ist nicht als Entscheidung in der Sache selbst zu werten; vielmehr handelt es sich dabei um eine der Sachentscheidung vorgelagerte Entscheidung, die nicht geeignet ist, den Ausgang des Verfahrens vorwegzunehmen.

Es ist in diesem Zusammenhang daher lediglich darauf abzustellen, ob es - im Sinne einer Grobprüfung - von vornherein ausgeschlossen erscheint, dass die Angaben der BF als "vertretbare Behauptungen" zu qualifizieren sind, die in den Schutzbereich der hier relevanten Bestimmungen der EMRK reichen.

Anhand des Verwaltungsaktes ist zu erkennen, dass dem BF1 und der BF2 bei einer Rückkehr nach Indien wegen der COVID-19 Pandemie eine reale Gefahr für ihr Leben oder ihre körperliche Unversehrtheit drohen würde. Der BF1 wurde am XXXX geboren, die BF2 am XXXX . Sie fallen somit beide allein schon hinsichtlich ihres Alters in die Risikogruppe, zusätzlich leidet der BF2 an einigen Vorerkrankungen.

Im vorliegenden Fall gibt es weiters Anhaltspunkte dafür, dass das Bundesamt die Verfahren des BF1, der BF2 und der BF3 in Bezug auf den falschen Herkunftsstaat geprüft hat. Wie bereits unter Punkt I. ausgeführt, ist das Verfahren in Bezug auf Indien geprüft worden, obwohl die BF vehement angegeben haben, Afghanen zu sein. Aus diesen Gründen erscheint die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde überdies als notwendig, um den Zweck des Verfahrens nicht zu vereiteln, damit der Herkunftsstaat des BF1, der BF2 und der BF3 ermittelt werden kann. Hierzu ist festzuhalten, dass auch in Bezug auf eine Rückkehr nach Afghanistan dem BF1 und der BF2 wegen der COVID-19 Pandemie ebenfalls eine reale Gefahr für ihr Leben oder ihre körperliche Unversehrtheit drohen würde.

Das Bundesverwaltungsgericht hatte daher im Ergebnis gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG vorzugehen. Eine öffentliche mündliche Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG in Verbindung mit § 24 VwGVG entfallen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

aufschiebende Wirkung Pandemie

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W186.2230502.1.01

Im RIS seit

19.08.2020

Zuletzt aktualisiert am

19.08.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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