Entscheidungsdatum
25.05.2020Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
W169 2229977-1/4E
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Barbara MAGELE als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX geb XXXX , StA. Indien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 17.02.2020, Zl. 1236069900-190658865, zu Recht erkannt:
A)
I. Die Beschwerde wird gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3, 57 AsylG 2005 idgF, § 9 BFA-VG idgF und §§ 52, 53 FPG idgF als unbegründet abgewiesen.
II. Gemäß § 55 Abs. 2 und 3 FPG beträgt die Frist für die freiwillige Ausreise 4 Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer, ein indischer Staatsangehöriger, stellte nach illegaler, schlepperunterstützter Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 01.07.2019 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.
Bei der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am selben Tag gab der Beschwerdeführer zu Protokoll, dass er aus dem Bundesstaat Uttar Pradesh stamme, die Sprachen Punjabi und Hindi spreche und der Religionsgemeinschaft der Sikh angehöre. Im Herkunftsstaat habe der Beschwerdeführer zehn Jahre die Grundschule besucht. Es sei ledig. In Indien würden die Mutter und drei volljährige Schwestern des Beschwerdeführers leben. Sein Vater sei im Jahr 2019 verstorben. Der Beschwerdeführer sei von Jänner 2018 bis November 2018 in Italien aufhältig gewesen und mit seinem Reisepass legal nach Indien zurückgekehrt. Er habe in Italien keinen Asylantrag gestellt - er wolle nicht mehr nach Italien. Außer Arbeit auf Bauernhöfen finde er dort keine Arbeit. Er werde sehen, ob er in Österreich eine Arbeit bekomme. Zu seinem Ausreisegrund führte er an, dass in seiner Heimatstadt in Indien die Hindus in der Mehrheit seien. "Wir" Sikhs seien eine kleine Minderheit. "Wir" seien von den Hindus aufgefordert worden, die politische Partei der Hindus zu wählen. Auch sei "uns" Sikhs verboten worden, Fleisch zu essen und Alkohol zu trinken. Daher sei es immer wieder zu Auseinandersetzungen gekommen. Im Juni 2019 seien der Beschwerdeführer und seine Familie von "den Hindus" angegriffen worden, weil sie gesehen hätten, dass der Beschwerdeführer Alkohol getrunken habe. Er sei dann geschlagen und sein Vater getötet worden. Der Beschwerdeführer habe jedoch flüchten können. "Sie" hätten auch ihn töten wollen. Deshalb habe er sich bei seinen Verwandten versteckt, welche später auch seine Reise nach Europa finanziert hätten. Zu seiner Rückkehrbefürchtung brachte der Beschwerdeführer vor: "Ich habe Angst, dass mir die Hindus etwas antun."
2. Eine polizeilich abgefragte Fremdeninformationsauskunft am selben Tag ergab, dass gegen den Beschwerdeführer ein von Italien ausgeschriebenes Einreiseverbot bestand.
3. Anlässlich seiner Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 11.12.2019 gab der Beschwerdeführer zu Protokoll, dass er aus dem Bundesstaat Uttar Pradesh stamme. Er gehöre der Religionsgemeinschaft der Sikh und Volksgruppe der Jat an. Im Herkunftsstaat habe er zehn Jahre die Grundschule besucht und auf der familieneigenen Landwirtschaft gearbeitet, wodurch er seinen Unterhalt bestritten habe. Er sei ledig, habe keine Kinder und mit seinen Eltern im gemeinsamen Haushalt gelebt. Sein Vater sei verstorben, als der Beschwerdeführer zwei Jahre alt gewesen sei. Der Beschwerdeführer habe keinen Kontakt mit seiner Familie, weil ihm "nicht danach" sei. Er habe ein gutes Verhältnis zu seinen Angehörigen. Er sei gesund.
Zu seinem Fluchtgrund brachte der Beschwerdeführer Folgendes vor (A: nunmehriger Beschwerdeführer; LA: Leiter der Amtshandlung):
"(...)
LA: Geben Sie bitte Ihre Fluchtgründe die Sie zur Ausreise aus Indien veranlasst haben bekannt. Schildern Sie bitte von den ausschlaggebenden Gründen für Ihre jetzige Ausreise. Was ist in Ihrer Heimat passiert, dass Sie sich zur Flucht entschlossen haben? Schildern Sie die Ereignisse in chronologischer Reihenfolge und so detailreich, dass sich ein Außenstehender ein Bild Ihrer Situation machen kann.
Schilden Sie Ihre Gründe bitte daher unter Angabe von Einzelheiten und anscheinenden Nebensächlichkeiten.
A: In unserer Religion ist das Trinken nicht erlaubt. Dort wo wir zu Hause sind gibt es vermehrt Hindus. Ich bin mit meinem Freund zusammengesessen bei einem Hotel und wir haben getrunken. Daneben sass auch ein Hindu und sagte, ihr dürft nicht trinken, dass ist in eurer Religion verboten. Wir haben alle getrunken und im Zuge dessen kam es zu einer Schlägerei. Nach der Schlägerei bin ich von dort weggeflohen. Dann ist er zwei, dreimal zu uns nach Hause gekommen. Mein Onkel ms. Sagte mir, dass es so nicht sicher ist und hat die Ausreise organisiert. Mein Leben war in Gefahr. Das wars.
F: Sind das alle Ihre Fluchtgründe?
A: Ja. Es gibt Gefahren für mich dort. Ich kann nicht zurück.
Aufforderung
Sie schildern lediglich abstrakt und vage.. Im Asylverfahren ist das Aufstellen von allgemeinen Behauptungen nicht ausreichend. Sie müssen Ihr Vorbringen glaubhaft machen. Glaubhaft können Sie Ihr Vorbringen nur machen, in dem Sie in allen Einzelheiten und konkret von den fluchtauslösenden Vorfällen berichten. Machen Sie konkrete Angaben zu den Geschehnissen (Vorfallszeiten, Vorfallsörtlichkeiten, Personendaten, etwaig beteiligte Personen, Umstände und Ihre höchstpersönliche Betroffenheit.) Was ist wann und wo und weswegen mit wem passiert?
A: Ich kann ja nur das schildern was passiert ist. Wozu soll ich ihnen irgendwas mehr erzählen was dann eine Lüge ist. Außerdem hatte ich getrunken gehabt und kann mich nicht an vieles erinnern.
LA: Ist das Alles was Sie über höchstpersönliche Fluchtgründe sagen können/wollen?
A: Ja. Das wars.
LA: Mehr können Sie nicht über die Geschehnisse berichten?
A: Darüber hinaus kann ich den Namen meines Freundes sagen mit dem ich getrunken hatte. Einer heißt XXXX , er ist 25 Jahre alt, ein anderer heißt XXXX , er ist 30 bis 32 Jahre alt und einer heißt XXXX , er ist vermutlich 26 Jahre alt. Vier Personen sind zusammen gesessen und haben getrunken.
LA: Schildern Sie im Detail von den Vorfällen! Zeiten, Orte, beteiligte Personen, Umstände etc. etc.!
A: Es war im Monat Juni und am 10ten sind wir dort zusammen gesessen und haben getrunken, es war abends um 7 Uhr. Sie wissen, um diese Uhrzeit trinkt man in Indien zu Hause. Wir sind vor einem Getränkeshop als Gruppe zusammen gesessen und er ist mit seiner Gruppe auch zusammen gesessen. Er hat mir vorgeworfen, wir können nicht trinken, denn unsere Religion erlaubt es uns nicht. Meine ganzen Freunde waren auch Sikhs. Im Zuge des Streits wurden auch Stühle aufeinander geworfen. Er ist Hindu gewesen und in der Ortschaft waren die Hindus in der Mehrzahl und deshalb hatte ich Angst. Selbst die Polizei besteht nur aus Hindus und hört nicht auf uns. Deswegen musste ich dann dort auf Anraten der Angehörigen fliehen, weil mit mir jederzeit irgendetwas passieren könnte.
F: Konkrete Angaben! Erzählen Sie mir in allen Details von den fluchtauslösenden Ereignissen. Konkret, im Detail, bitte! Wer konkret ist "er", Wann und wo und wie wurden Sie zu Hause ein, zwei Mal bedroht, wie wurden Sie bedroht, wer hat Sie bedroht?
Welche Vorfälle veranlassten Sie zur Flucht? Konkret, im Detail, bitte!
A: Ich war auswärts als sie, ein, zweimal gekommen sind. Meine Mutter sagte, ich solle nicht zurückkommen. Sie haben auch meine Mutter geschlagen. Dann habe ich die Entscheidung getroffen das Land zu verlassen.
LA: ist das Alles was Sie sagen können/wollen?
A: Ja.
LA: Mehr wissen Sie nicht darüber zu berichten?
A: Nein.
LA: Hätten Sie sich nicht in eine andere Stadt, Ort in Indien, z.B: Delhi, Mumbai begeben können um Ihren Problemen zu entkommen, dort zu leben und zu arbeiten?
VP: Nein. Wie wäre es in Delhi möglich, denn dort habe ich niemanden und außerdem ist es recht weit, etwa ein bis zwei Stunden entfernt. Außerdem gibt es dort auch nur Hindus.
F: In Österreich haben Sie aber doch auch niemanden, sie können die Sprache nicht und Österreich ist noch weiter als ein bis zwei Stunden entfernt.
A: Hier gibt es nicht so viele Straftaten wie dort. Hier kann man zur Polizei gehen, dort nicht. Dort hört man nur auf denjenigen der Geld hat. Es gibt auch Fälle, dass einem fingierte Anzeigen angehängt werden. Ich fühle mich hier sicher.
LA: Was hätten Sie zu befürchten, wenn Sie heute nach Indien zurückkehren würden?
VP: Mein Leben ist in Gefahr.
LA: Was müsste geschehen, damit Sie nach Indien zurückkehren können?
A: Ich möchte nicht zurück.
LA: Im Falle, dass Ihr Asylverfahren negativ entschieden wird. Sind Sie bereit freiwillig nach Indien zurückzukehren?
A: Nein. Bin ich nicht.
(...)"
Zu den Lebensumständen in Österreich führte der Beschwerdeführer an, dass er hier keine Verwandten habe. Auch in anderen Mitgliedstaaten der EU habe er keine Angehörigen. Er besuche keinen Deutschkurs und spreche nicht Deutsch. Er kenne in Österreich nur seinen Mitbewohner. Der Beschwerdeführer arbeite als Reklamezusteller und finanziere dadurch seinen Unterhalt. Er verdiene rund EUR 100,- pro Woche. Er habe diese Arbeit nicht gemeldet. In Italien habe der Beschwerdeführer von Jänner bis Dezember 2018 illegal gelebt und gearbeitet.
Dem Beschwerdeführer wurde am Ende der Einvernahme die Möglichkeit geboten, in die aktuellen Länderberichte zur Situation in Indien Einsicht zu nehmen und eine diesbezügliche Stellungnahme abzugeben. Der Beschwerdeführer verzichtete auf die Ausfolgung und die Abgabe einer Stellungnahme.
4. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Indien (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Dem Beschwerdeführer wurde gemäß § 57 AsylG ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und weiters gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Indien zulässig sei (Spruchpunkt V.). Weiters wurde innerhalb des Spruches ausgeführt, dass gemäß § 55 Abs. 1a FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe (Spruchpunkt VI.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 FPG wurde gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von drei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VII.) und schließlich einer Beschwerde gegen diese Entscheidung gemäß § 18 Abs. 1 Z 2 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VIII.).
Begründend führte die belangte Behörde aus, dass dem Vorbringen des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen kein Glauben geschenkt werde. Unabhängig davon stehe dem Beschwerdeführer aber eine innerstaatliche Fluchtalternative offen. Auch eine refoulementschutzrechtlich relevante Gefährdung im Falle einer Rückkehr nach Indien sei nicht gegeben. Der Beschwerdeführer erfülle nicht die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG, der Erlassung einer Rückkehrentscheidung stehe sein Recht auf Achtung des Privat- oder Familienlebens angesichts der sehr kurzen Aufenthaltsdauer und des Fehlens von familiären oder privaten Bindungen im Inland nicht entgegen. Angesichts der abweisenden Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz ergebe sich die Zulässigkeit einer Abschiebung des Beschwerdeführers nach Indien. Eine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe aufgrund der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde nicht. Die Erlassung des Einreiseverbotes sei aufgrund der Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit notwendig. Einer Beschwerde gegen diese Entscheidung sei schließlich die aufschiebende Wirkung abzuerkennen gewesen, da schwerwiegende Gründe, nämlich die Aufnahme einer illegalen Erwerbstätigkeit, die Annahme rechtfertigen würden, dass der Beschwerdeführer eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung darstelle.
5. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde und wurde nach Wiederholung der Fluchtgründe insbesondere ausgeführt, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl nur jene Aussagen des Beschwerdeführers verwertet habe, die der Argumentation der Behörde zuträglich gewesen seien. Der Beschwerdeführer habe genaue Zeit- und Ortsangaben getätigt und die Ereignisse chronologisch konsistent - einschließlich Erklärungen über sämtliche relevante Personen sowie scheinbar nebensächlicher Detailangaben - wiedergegeben. Es sei dem Beschwerdeführer zugute zu halten, dass er nicht alle Details schildern habe können, da daraus zu schließen sei, dass er nichts erfunden habe. Der Beschwerdeführer sei bis zu seiner Flucht Verfolgungshandlungen ausgesetzt gewesen. Aus der Einvernahme gehe hervor, dass die indischen Behörden schutzunwillig oder schutzunfähig seien, was vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl entsprechend zu untersuchen gewesen wäre. Auch Verfolgung durch Privatpersonen könne Asylrelevanz zukommen. Es treffe nicht zu, dass eine innerstaatliche Fluchtalternative bestehe. In Indien herrsche eine katastrophale Sicherheitslage und der Beschwerdeführer wäre im Falle einer Rückkehr einer hoffnungslosen, existenzbedrohenden Situation ausgesetzt. Der Beschwerdeführer verfüge über kein Auffangnetz in Indien und sei aus seiner Heimat entwurzelt. Der Beschwerdeführer sei unbescholten und selbsterhaltungsfähig, passe sich "intensiv" an das Leben in Österreich an, habe die deutsche Sprache erlernt und intensive soziale Kontakte geknüpft. Eine Abschiebung würde gegen Art. 2, Art. 3 und Art. 8 EMRK verstoßen. Hinsichtlich des erlassenen Einreiseverbotes sei darauf hinzuweisen, dass der Beschwerdeführer im laufenden Asylverfahren sei und ihm daher eine allfällige Mittellosigkeit nicht zuzurechnen sei, sowie der erhobene Vorwurf der Schwarzarbeit nicht zutreffe, da der Beschwerdeführer zur Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit berechtigt sei.
Beantragt wurden die Beiziehung eines landeskundigen Sachverständigen zur aktuellen Situation in Indien und die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung.
6. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 31.03.2020 wurde der Beschwerde gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuerkannt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen (Sachverhalt):
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Indien aus dem Bundesstaat Uttar Pradesh, gehört der Religionsgemeinschaft der Sikh und der Volksgruppe der Jat an. Seine Identität steht nicht fest. Er spricht die Sprachen Punjabi und Hindi. Im Herkunftsstaat besuchte er zehn Jahre die Grundschule. Er arbeitete auf der familieneigenen Landwirtschaft und konnte dadurch seinen Unterhalt bestreiten. Der Beschwerdeführer lebte im gemeinsamen Haushalt mit seiner Mutter. Sein Vater ist verstorben, als der Beschwerdeführer etwa zwei Jahre alt war. Seine Schwestern sind verheiratet und leben mit ihren Familien. Der Beschwerdeführer ist ledig, kinderlos und gesund.
Die Verfolgungsbehauptungen des Beschwerdeführers sind nicht glaubhaft. Es kann nicht festgestellt werden, dass dem Beschwerdeführer in Indien eine an asylrelevante Merkmale anknüpfende Verfolgung droht. Er hatte keine persönlichen Probleme mit den Behörden im Heimatland. Dem Beschwerdeführer steht in Indien eine inländische Schutz- bzw. Fluchtalternative offen.
Der Beschwerdeführer hat keine Verwandten oder Angehörigen in Österreich oder in einem anderen Mitgliedstaat der EU, absolvierte bislang keinen Deutschkurs und spricht nicht Deutsch. Er nimmt keine Leistungen aus der Grundversorgung in Anspruch. Er ist mittellos. Er geht einem Erwerb als Reklamezusteller nach und ist strafgerichtlich unbescholten. Der Beschwerdeführer steht im erwerbsfähigen Alter. Die Mutter und die drei Schwestern des Beschwerdeführers sowie zumindest ein Onkel mütterlicherseits leben im Herkunftsstaat. Die Mutter lebt im familieneigenen Haus und bestreitet ihren Lebensunterhalt durch die Verpachtung der familieneigenen Grundstücke. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer keinen Kontakt zu seinen Angehörigen hat. Er kann diesen Kontakt jedenfalls jederzeit herstellen.
Der Beschwerdeführer war zumindest von Jänner bis Dezember 2018 illegal in Italien aufhältig und ging dort einer illegalen Erwerbstätigkeit nach. Gegen den Beschwerdeführer bestand im Zeitpunkt der Einreise in das Bundesgebiet ein aufrechtes, von Italien ausgeschriebenes Einreiseverbot.
1.2. Zur Situation im Herkunftsstaat wird Folgendes festgehalten:
1. Allgemeine Menschenrechtslage
Indien hat 1948 die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte unterzeichnet (AA 18.9.2018). Die nationale Gesetzgebung in Menschenrechtsangelegenheiten ist breit angelegt. Alle wichtigen Menschenrechte sind verfassungsrechtlich garantiert (ÖB 12.2018). Die Umsetzung dieser Garantien ist allerdings häufig nicht in vollem Umfang gewährleistet (AA 18.9.2018). Eine Reihe von Sicherheitsgesetzen schränken die rechtsstaatlichen Garantien, z.B. das Recht auf ein faires Verfahren, aber ein. Diese Gesetze wurden nach den Terroranschlägen von Mumbai im November 2008 verschärft; u.a. wurde die Unschuldsvermutung für bestimmte Straftatbestände außer Kraft gesetzt. Besonders in Unruhegebieten haben die Sicherheitskräfte zur Bekämpfung sezessionistischer und terroristischer Gruppen weitreichende Befugnisse, die oft exzessiv genutzt werden. Es gibt glaubhafte Berichte über extralegale Tötungen (AA 18.9.2018).
Die wichtigsten Menschenrechtsprobleme sind Missbrauch durch Polizei und Sicherheitskräfte einschließlich außergerichtlicher Hinrichtungen, Folter und Vergewaltigung. Korruption bleibt weit verbreitet und trägt zur ineffektiven Verbrechensbekämpfung bei, insbesondere auch von Verbrechen gegen Frauen, Kinder und Mitglieder registrierter Kasten und Stämme sowie auch gesellschaftlicher Gewalt aufgrund von Geschlechts-, Religions-, Kasten- oder Stammeszugehörigkeit (USDOS 20.4.2018).
Eine verallgemeinernde Bewertung der Menschenrechtslage ist für Indien kaum möglich: Drastische Grundrechtsverletzungen und Rechtsstaatsdefizite koexistieren mit weitgehenden bürgerlichen Freiheiten, fortschrittlichen Gesetzen und engagierten Initiativen der Zivilgesellschaft. Vor allem die Realität der unteren Gesellschaftsschichten, die die Bevölkerungsmehrheit stellen, ist oftmals von Grundrechtsverletzungen und Benachteiligung geprägt (AA 18.9.2018). Ursache vieler Menschenrechtsverletzungen in Indien bleiben tiefverwurzelte soziale Praktiken wie nicht zuletzt das Kastenwesen (AA 18.9.2018). Frauen, Mitglieder ethnischer und religiöser Minderheiten sowie niederer Kasten werden systematisch diskriminiert (BICC 12.2018). Während die Bürger- und Menschenrechte von der Regierung größtenteils respektiert werden, ist die Lage in den Regionen, dort wo es interne Konflikte gibt, teilweise sehr schlecht. Dies trifft insbesondere auf Jammu und Kaschmir und den Nordosten des Landes zu. Den Sicherheitskräften, aber auch den nicht-staatlichen bewaffneten Gruppen, seien es separatistische Organisationen oder regierungstreue Milizen, werden massive Menschenrechtsverletzungen angelastet. Dem Militär und den paramilitärischen Einheiten werden Entführungen, Folter, Vergewaltigungen, willkürliche Festnahmen und außergerichtliche Hinrichtungen vorgeworfen. Insbesondere hinsichtlich der Spannungen zwischen Hindus und Moslems, welche im Jahr 2002 zu Tausenden von Todesfällen führten, wird den Sicherheitskräften Parteilichkeit vorgeworfen. Die Stimmung wird durch hindu-nationalistische Parteien angeheizt, welche auch in der Regierung vertreten sind (BICC 12.2018).
Separatistische Rebellen und Terroristen in Jammu und Kaschmir, den nordöstlichen Bundesstaaten und im "Maoistengürtel" begingen schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen, darunter Morde an Zivilisten, Polizisten, Streitkräften und Regierungsbeamten. Aufständische sind für zahlreiche Fälle von Entführung, Folter, Vergewaltigung, Erpressung und den Einsatz von Kindersoldaten verantwortlich (USDOS 20.4.2018).
In manchen Bundesstaaten schränkt das Gesetz die religiöse Konversion ein, Einschränkungen in Bezug auf die Bewegungsfreiheit dauern an (USDOS 20.4.2018).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (18.9.2018): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien
- BICC - Bonn International Centre for Conversion (12.2018): Informationsdienst - Sicherheit, Rüstung und Entwicklung in Empfängerländern deutscher Rüstungsexporte: Länderinformation Indien, http://www.ruestungsexport.info/user/pages/04.laenderberichte/indien/2018_indien.pdf, Zugriff 29.1.2019
- ÖB - Österreichische Botschaft New Delhi (12.2018: Asylländerbericht Indien - Arbeitsversion
- USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2015 - India, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430388.html, Zugriff 18.10.2018
2. Religionsfreiheit
Die Verfassung garantiert Religionsfreiheit (USDOS 29.5.2018; vgl. AA 18.9.2018), ordnet eine säkularen Staat an, fordert den Staat auf, alle Religionen unparteilich zu behandeln und verbietet Diskriminierung auf religiöser Basis. Nationales und bundesstaatliches Recht gewähren die Religionsfreiheit jedoch unter dem Vorbehalt der öffentlichen Ordnung, Gesundheit und Moral (USDOS 29.5.2018). Der Schutz umfasst sowohl die innere Glaubensfreiheit als auch die Ausübung und im Prinzip auch die Verbreitung der Religion (AA 18.9.2018). Religionsfreiheit wird im Allgemeinen auch in der Praxis respektiert (FH 27.1.2018) und kaum eingeschränkt (AA 18.9.2018). Premierminister Modi hat sich im Februar 2015 zur Religionsfreiheit und der Gleichwertigkeit aller Religionen bekannt (AA 25.4.2015). Gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen den Religionsgruppen werden von der Regierung nicht geduldet (AA 25.4.2015). Das friedliche Nebeneinanderleben im multi-ethnischen, multi-religiösen Indien ist zwar die Norm, allerdings sind in einigen Unionsstaaten religiöse Minderheiten immer wieder das Ziel fundamentalistischer Fanatiker, oft auch mit Unterstützung lokaler Politiker (ÖB 12.2018). Die existierenden Spannungen, haben in der Vergangenheit auch zu massiven Gewaltausbrüchen geführt (2013 in Muzzafarnagar/Uttar Pradesh mit mehr als 40 Toten) (AA 18.9.2018). Berichten zufolge kommt es zu religiös motivierten Morden, Überfällen, Unruhen, Zwangskonvertierungen, Aktionen, die das Recht des Einzelnen auf Änderung seiner religiösen Überzeugung zum Ziel haben sowie zu Diskriminierung und Vandalismus. Es kommt auch zu Bedrohungen und Übergriffen von Hindu-Nationalisten auf Muslime und Christen sowie zur Zerstörung ihres Eigentums aufgrund ihres Glaubens und im Zuge von Streitereien über die örtliche Lage von Kirchen und Moscheen (USDOS 29.5.2018).
Die größten religiösen Gruppen, nach ihrem Anteil an der Gesamtbevölkerung bei der Volkszählung aus dem Jahr 2011, sind Hindus (79,8 Prozent), Muslime (14,2 Prozent), Christen (2,3 Prozent) und Sikhs (1,7 Prozent) (CIA Factbook 15.1.2019). Muslime, Sikhs, Christen, Parsis, Janais und Buddhisten gelten als gesetzlich anerkannte Minderheitengruppen unter den religiösen Gruppierungen (USDOS 29.5.2018; vgl. AA 18.9.2018), deren Vertreter in einer staatlichen Nationalen Minderheitenkommission sitzen. Hinzu kommen eine schier unüberschaubare Vielzahl unterschiedlicher indigener Volksgruppen mit eigenen animistischen Riten ("Adivasis" genannt), und die zahlenmäßig kleinen jüdischen und Bahai-Gemeinschaften (AA 18.9.2018). Das Gesetz legt fest, dass die Regierung die Existenz dieser religiösen Minderheiten schützt und Konditionen für die Förderung ihrer individuellen Identitäten begünstigt. Bundesstaatliche Regierungen sind dazu befugt, religiösen Gruppen gesetzlich den Status von Minderheiten zuzuerkennen (USDOS 29.5.2018).
Die Gesetzgebung in mehreren Staaten mit Hindumehrheit verbietet religiöse Konversion, die aus Zwang oder "Verlockung" erfolgt, was sehr weit ausgelegt werden kann, um Personen, die missionarisch tätig sind, zu verfolgen. Manche Bundesstaaten fordern für Konversion eine Genehmigung der Regierung (FH 27.1.2018). In acht der 29 Bundesstaaten (Arunachal Pradesh, Chhattisgarh, Gujarat, Himachal Pradesh, Jharkhand, Madhya Pradesh, Odisha und Rajasthan) bestehen Anti-Konvertierungsgesetze. Ausländische Missionare jeglicher Religionszugehörigkeit benötigen "Missions-Visa" ("missionary visa") (USDOS 29.5.2018).
Die Nationale Kommission für Minderheiten, welcher Vertreter der sechs ausgewiesenen religiösen Minderheiten und der Nationale Menschenrechtskommission angehören, untersucht Vorwürfe von religiöser Diskriminierung. Das Ministerium für Minderheitenangelegenheiten ist auch befugt, Untersuchungen anzustellen. Diese Stellen verfügen über jedoch über keine Durchsetzungsbefugnisse, sondern legen ihre gewonnenen Erkenntnisse zu Untersuchungen auf Grundlage schriftlicher Klagen durch Beschwerdeführer bei, welche strafrechtliche oder zivilrechtliche Verstöße geltend machen, und legen ihre Ergebnisse den Strafverfolgungsbehörden zur Stellungnahme vor. Achtzehn der 29 Staaten des Landes und das National Capital Territory of Delhi verfügen über staatliche Minderheitenkommissionen, die auch Vorwürfe religiöser Diskriminierung untersuchen (USDOS 29.5.2018).
Gewalt gegen religiöse Minderheiten, wurde 2017 in Indien zu einer zunehmenden Bedrohung (HRW 18.1.2018). 2018 versäumte es die Regierung, wachsende Gewaltausübung gegen religiöse Minderheiten - oft von Gruppen, welche behaupten, die regierende Bharatiya Janata Party (BJP) zu unterstützen - zu verhindern oder glaubwürdig zu untersuchen. Gleichzeitig unterstützten einige hochrangige Persönlichkeiten der BJP öffentlich die Täter solcher Verbrechen, halten Hetzreden gegen Minderheitengruppen und unterstützen die hinduistische Vorherrschaft und den Ultranationalismus, was zu weiterer Gewalt führt (HRW 17.1.2019).
Personenstandsgesetze gelten nur für bestimmte Religionsgemeinschaften in Fragen der Ehe, Scheidung, Adoption und Vererbung. Die Regierung gewährt bei der Ausarbeitung dieser Gesetze erhebliche Autonomie für die Personenstandsgremien. Das hinduistische, das christliche, das Parsi und das islamische Personenstandsgesetz sind rechtlich anerkannt und gerichtlich durchsetzbar (USDOS 29.5.2018). Im Familienrecht genießen Muslime wie auch Christen besondere Freiheiten, die ihnen die Beachtung ihrer Traditionen ermöglichen (AA 18.9.2018).
Der Wahlsieg der Hindu-nationalistischen BJP im Jahr 2014 löste in der Öffentlichkeit eine intensive Diskussion über das Spannungsfeld zwischen den Werten einer säkularen Verfassung und einer in Teilen zutiefst religiösen Bevölkerung aus; die Debatte zu religiös motivierter Gewalt wird lebhaft und kontrovers geführt (AA 18.9.2018). Die Zahl gewalttätiger Auseinandersetzungen zwischen den Religionsgruppen hat im Jahr 2017 nach offiziellen Angaben zugenommen: Im Vergleich zum Vorjahr (2017: 706 Fälle) auf 822 erfasste Fälle mit insgesamt 111 Toten (2017: 86 Tote) (AA 18.9.2018).
Die Mehrzahl der Übergriffe dürfte hindu-fundamentalistisch motiviert sein; eine offizielle Aufschlüsselung gibt es nicht. Gewalttätige Übergriffe durch selbsternannte Retter der "gau mata" (Heilige Mutter Kuh im Hinduismus) haben an Intensität und Zahl zugenommen (AA 18.9.2018).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (18.9.2018): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien
- AA - Auswärtiges Amt (25.4.2015): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Indien
- CIA - Central Intelligence Agency (15.11.2019): The World Factbook - India, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/in.html, Zugriff 23.1.2019
- FH - Freedom House (27.1.2018): Freedom in the World 2018 - India, https://www.ecoi.net/de/dokument/1142635.html, Zugriff 22.10.2018
- HRW - Human Rights Watch(17.1.2019): World Report 2019 - India, ttps://www.ecoi.net/de/dokument/2002249.html, Zugriff 23.1.2019
- HRW - Human Rights Watch (18.1.2018): World Report 2018 - India, https://www.ecoi.net/de/dokument/1422455.html, Zugriff 23.10.2018
- ÖB - Österreichische Botschaft New Delhi (12.2018): Asylländerbericht Indien - Arbeitsversion
- USDOS - US Department of State (29.5.2018): 2018 Report on International Religious Freedom - India, https://www.ecoi.net/de/dokument/1436757.html, Zugriff 29.10.2018
3. Bewegungsfreiheit
Das Gesetz gewährt landesweite Bewegungsfreiheit, Auslandsreisen, Migration und Repatriierung, und die Regierung respektiert diese Rechte im Allgemeinen (USDOS 20.4.2018). Das staatliche Gewaltmonopol wird gebietsweise von den Aktivitäten der "Naxaliten" in Frage gestellt. Abgesehen davon ist Bewegungsfreiheit innerhalb des Landes gewährleistet (AA 18.9.2018).
Die Regierung lockerte Einschränkungen für ausländische Reisende in Bezug auf Reisen nach Arunachal Pradesh, Nagaland, Mizoram, Manipur und Teilen von Jammu und Kaschmir, außer für Ausländer aus Pakistan, China und Burma. Das Innenministerium und die Bundesstaatenregierungen verlangen vor Reiseantritt von den Bürgern spezielle Genehmigungen einzuholen, um in bestimmte gesperrte Regionen bzw. Sperrzonen zu reisen (USDOS 20.4.2018).
Es gibt kein staatliches Melde- oder Registrierungssystem, so dass ein Großteil der Bevölkerung keinen Ausweis besitzt. Dies begünstigt die Niederlassung in einem anderen Landesteil im Falle von Verfolgung. Auch bei laufender strafrechtlicher Verfolgung ist nicht selten ein unbehelligtes Leben in ländlichen Bezirken eines anderen Landesteils möglich, ohne dass die Person ihre Identität verbergen muss (AA 18.9.2018).
In den großen Städten ist die Polizei jedoch personell und materiell besser ausgestattet, so dass die Möglichkeit, aufgespürt zu werden, dort größer ist. Bekannte Persönlichkeiten ("high profile" persons) können nicht durch einen Umzug in einen anderen Landesteil der Verfolgung entgehen, wohl aber weniger bekannte Personen ("low profile" people) (ÖB 12.2018).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (18.9.2018): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien
- ÖB - Österreichische Botschaft New Delhi (12.2018): Asylländerbericht Indien - Arbeitsversion
- USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2015 - India, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430388.html, Zugriff 18.10.2018
4. Meldewesen
Noch gibt es in Indien kein nationales Melde- bzw. Staatsbürgerschaftsregister. Die Regierung verfolgt seit einigen Jahren ein nationales Projekt zur Registrierung der Staatsbürger, und damit verbunden wird die Ausstellung von Personalausweisen ("Aadhar Card") sein. Von der Realisierung dieses Projektes ist man trotz einiger Vorarbeit aber noch weit entfernt. Es gibt kein Meldewesen in Indien (ÖB 12.2018; vgl. AA 18.9.2018).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (18.9.2018): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien
- ÖB - Österreichische Botschaft New Delhi (12.2018): Asylländerbericht Indien - Arbeitsversion
5. Grundversorgung und Wirtschaft
In Indien lebt etwa ein Viertel der Bevölkerung unter dem veranschlagten Existenzminimum der Vereinten Nationen. Sofern es nicht zu außergewöhnlichen Naturkatastrophen kommt, ist jedoch eine das Überleben sichernde Nahrungsversorgung auch der untersten Schichten der Bevölkerung zum Großteil gewährleistet. Es gibt keine staatlichen Aufnahmeeinrichtungen für Rückkehrer, Sozialhilfe gibt es nicht, die Rückkehrer sind auf die Unterstützung der eigenen Familie oder von Bekannten angewiesen (ÖB 12.2018).
Das Wirtschaftswachstum lag im Haushaltsjahr 2016/2017 bei 7,1 Prozent und in 2017/18 bei 6,75 Prozent mit wieder steigender Tendenz. Indien zählt damit nach wie vor zu den am stärksten expandierenden Volkswirtschaften der Welt (AA 11.2018a).
2016 lag die Erwerbsquote laut Schätzungen der ILO bei 55,6 Prozent. Der Hauptteil der Menschen arbeitet im Privatsektor. Es gibt immer noch starke Unterschiede bei der geschlechtlichen Verteilung des Arbeitsmarktes. Indien besitzt mit 478,3 Millionen Menschen die zweitgrößte Arbeitnehmerschaft der Welt (2012). Jährlich kommen 12,8 Millionen Arbeitskräfte hinzu. Im Jahr 2015 lag die Arbeitslosenquote bei 3,4 Prozent (nach ILO 2016) (BAMF 3.9.2018).
Schätzungen zufolge stehen nur circa 10 Prozent aller Beschäftigten in einem vertraglich geregelten Arbeitsverhältnis. Die übrigen 90 Prozent werden dem sogenannten "informellen Sektor" zugerechnet - sie sind weder gegen Krankheit oder Arbeitsunfälle abgesichert, noch haben sie Anspruch auf soziale Leistungen oder Altersversorgung (AA 11.2018a). Die überwiegende Mehrheit der indischen Bevölkerung lebt in ländlich-bäuerlichen Strukturen und bleibt wirtschaftlich benachteiligt. Der Anteil der Landwirtschaft an der indischen Wirtschaftsleistung sinkt seit Jahren kontinuierlich und beträgt nur noch etwa 16,4 Prozent (2017/18) der Gesamtwirtschaft, obgleich fast 50 Prozent der indischen Arbeitskräfte in diesem Bereich tätig sind (AA 11.2018a).
Die Regierung hat überall im Land rund 1.000 Arbeitsagenturen (Employment Exchanges) eingeführt um die Einstellung geeigneter Kandidaten zu erleichtern. Arbeitssuchende registrieren sich selbständig bei den Arbeitsagenturen und werden informiert sobald eine geeignete Stelle frei ist (BAMF 3.9.2018; vgl. PIB 23.7.2018). Das Nationale Mahatma Gandhi Beschäftigungsgarantieprogramm für die ländliche Bevölkerung (Mahatma Gandhi National Rural Employment Guarantee Act, MGNREGA), läuft bis 2019. Das Ziel des laufenden Programms besteht darin, die ländliche Infrastruktur zu verbessern, die Land- und Wasserressourcen zu vergrößern und der armen Landbevölkerung eine Lebensgrundlage zu bieten: Jedem Haushalt, dessen erwachsene Mitglieder bereit sind, manuelle Arbeiten zu verrichten, welche keiner besonderen Qualifikation bedarf, wird mindestens 100 Tage Lohnarbeit pro Haushaltsjahr garantiert (SNRD 26.3.2018). Einige Staaten in Indien geben Arbeitssuchenden eine finanzielle Unterstützung für die Dauer von drei Jahren. Für weitere Informationen sollte die jeweilige lokale Vermittlungsagentur kontaktiert werden. Diese bieten auch Beratungen an, bei denen sie Informationen zu Verfügung stellen (BAMF 3.9.2018).
Indien steht vor gewaltigen Herausforderungen bei der Armutsbekämpfung und in der Bildungs- und Infrastrukturentwicklung. Das durchschnittliche jährliche Pro-Kopf-Einkommen liegt bei rund 1.970 USD. Auf dem Human Development Index der UNDP (Stand: September 2016) steht Indien auf Platz 130 unter 188 erfassten Staaten. Während es weltweit die meisten Millionäre und Milliardäre beheimatet, liegt Indien bei vielen Sozialindikatoren deutlich unter den Durchschnittswerten von Subsahara-Afrika. Gleichzeitig konnten in den letzten beiden Jahrzehnten hunderte Millionen Menschen in Indien der Armut entkommen (AA 11.2018a).
Die Regierung betreibt eine Vielzahl von Programmen zur Finanzierung von Wohnungen. Diese richten sich jedoch zu meist an Personen unterhalb der Armutsgrenze. Weiters bieten die Regierungen eine Vielzahl an Sozialhilfen an, welche sich jedoch an unterprivilegierte Gruppen, wie die Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze richten. Diese Programme werden grundsätzlich durch die lokalen Verwaltungen umgesetzt (Panchayat) (BAMF 3.9.2018).
Die Arbeitnehmerrentenversicherung ist verpflichtend und mit der Arbeit verknüpft. Das staatliche Sozialversicherungsprogramm (National Social Assistance Programme) erfasst nur die Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze oder physisch Benachteiligte. Das staatliche Rentensystem National Pension System (NPS) ist ein freiwilliges, beitragsbasiertes System, welches es den Teilnehmer ermöglicht systematische Rücklagen während ihres Arbeitslebens anzulegen (BAMF 3.9.2018).
55,3 Prozent der Bevölkerung (642,4 Mio.) lebt in multi-dimensionaler Armut (HDI 2016). Sofern es nicht zu außergewöhnlichen Naturkatastrophen kommt, ist jedoch eine für das Überleben ausreichende Nahrungsversorgung auch den schwächsten Teilen der Bevölkerung grundsätzlich sichergestellt. Es gibt keine staatlichen Aufnahmeeinrichtungen für Rückkehrer, Sozialhilfe oder ein anderes soziales Netz. Rückkehrer sind auf die Unterstützung der Familie oder Freunde angewiesen. Vorübergehende Notlagen können durch Armenspeisungen im Tempel, insbesondere der Sikh-Tempel, die auch gegen kleinere Dienstleistungen Unterkunft gewähren, ausgeglichen werden (AA 18.9.2018).
Im September 2018 bestätigte der Oberste Gerichtshof die Verfassungsmäßigkeit des biometrischen Identifikationsprojekts Aadhaar (HRW 17.1.2019). Als Teil einer Armutsbekämpfungsinitiative wurde seit 2010 Millionen indischer Bürger eine Aadhaar-ID Nummer ausgestellt. Ursprünglich wurde das System eingeführt, um Steuerbetrug entgegenzuwirken. In den folgenden Jahren wurde der Umfang jedoch stark ausgeweitet: In einigen indischen Bundesstaaten werden mittels Aadhaar Pensionen, Stipendien und die Essensausgabe für arme Menschen abgewickelt (ORF 27.9.2018). Aadhaar stellt für den Großteil der Bevölkerung den einzigen Zugang zu einem staatlich anerkannten Ausweis dar. Diejenigen, die sich bei Aadhaar angemeldet haben, erhielten nach der Übermittlung ihrer Fingerabdrücke und Netzhautscans eine eindeutige zwölfstellige Identifikationsnummer (BBC 26.9.2018).
Menschenrechtsgruppen äußern Bedenken, dass die Bedingungen zur Registrierung für Aadhaar, arme und marginalisierte Menschen daran hindern, wesentliche, verfassungsmäßig garantierte Dienstleistungen wie etwa Nahrung und Gesundheitsversorgung zu erhalten (HRW 18.1.2018).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (18.9.2018): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien
- AA - Auswärtiges Amt (11.2018a): Indien, Wirtschaft, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/indien-node/-/205976, Zugriff 17.1.2019
- BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (3.9.2018): Länderinformationsblatt Indien, http://files.returningfromgermany.de/files/CFS_2018_India_DE.pdf, Zugriff 17.12.2018
- BBC British Broadcasting Corporation (26.9.2018): Aadhaar: India top court upholds world's largest biometric scheme, https://www.bbc.com/news/world-asia-india-44777787, Zugriff 20.11.2018
- HRW - Human Rights Watch (17.1.2019): World Report 2019 - India, ttps://www.ecoi.net/de/dokument/2002249.html, Zugriff 23.1.2019
- HRW - Human Rights Watch (13.1.2018): India: Identification Project Threatens Rights, https://www.ecoi.net/de/dokument/1422175.html, Zugriff 19.11.2018
- ORF - Österreichischer Rundfunk (27.9.2018): Indiens Form der digitalen Überwachung, https://orf.at/stories/3035121/, Zugriff 20.11.2018
- ÖB - Österreichische Botschaft New Delhi (12.2018): Asylländerbericht Indien - Arbeitsversion
- PIB - Press Information Bureau Government of India Ministry of Labour & Employment (23.7.2018): Modernisation of Employment Exchanges, http://pib.nic.in/newsite/PrintRelease.aspx?relid=180854, Zugriff 20.11.2018
- SNRD - Sector Network Natural Resources and Rural Development Asia (26.3.2018): Environmental Benefits of the Mahatma Gandhi National Rural Employment Guarantee Act (MGNREGA-EB), https://snrd-asia.org/environmental-benefits-of-the-mahatma-gandhi-national-rural-employment-guarantee-act-mgnrega-eb/, Zugriff 29.1.2019
- WKO - Außenwirtschaft Austria (26.9.2018): Außen Wirtschaft Update Indien, https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/indien-update.pdf, Zugriff 20.11.2018
6. Rückkehr
Allein die Tatsache, dass eine Person einen Asylantrag gestellt hat, führt nicht zu nachteiligen Konsequenzen nach der Abschiebung. Auch in jüngerer Zeit wurden bei rückgeführten abgelehnten indischen Asylbewerbern keine Benachteiligungen nach Rückkehr bekannt. Polizeilich gesuchte Personen müssen allerdings bei Einreise mit Verhaftung und Übergabe an die Sicherheitsbehörden rechnen (AA 18.9.2018).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (18.9.2018): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien
2. Beweiswürdigung:
2.1. Mangels Vorlage eines unbedenklichen nationalen Identitätsdokuments steht die Identität des Beschwerdeführers nicht fest. Seine Staatsangehörigkeit und seine Herkunft erscheinen auf Grund seiner Sprach- und Ortskenntnisse glaubhaft.
Die Feststellungen über die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Verwandten im Herkunftsstaat, sowie die Feststellungen, dass der Beschwerdeführer in Österreich keine Verwandten hat, keinen Deutschkurs absolviert hat, nicht Deutsch spricht, einem Erwerb als Reklamezusteller nachgeht, mittellos sowie ledig, kinderlos und gesund ist, beruhen auf den Angaben des Beschwerdeführers im Rahmen der Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 11.12.2019.
Dass nicht festgestellt werden kann, dass der Beschwerdeführer keinen Kontakt zu seinen Angehörigen hat, bzw. die Feststellung, einen solchen Kontakt zumindest jederzeit herstellen zu können, ist Folge der vagen und ausweichenden Angaben des Beschwerdeführers. In der Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dazu befragt, erklärte der Beschwerdeführer zunächst, seit seiner Einreise in das Bundesgebiet keinen Kontakt zur Familie zu haben. Er habe keinen Kontakt aufgenommen, weil er dies nicht wolle. Dies, weil ihm "nicht danach" sei. Er habe aber ein gutes Verhältnis zu seinen Angehörigen. Der Beschwerdeführer konnte damit keinen spezifischen und nachvollziehbaren Grund darlegen, weshalb kein Kontakt besteht, und lässt sich aus seinen Angaben auch nicht schließen, dass die Aufnahme des Kontakts nicht grundsätzlich möglich wäre.
Dass der Beschwerdeführer keine Leistungen aus der Grundversorgung in Anspruch nimmt und strafgerichtlich unbescholten ist, ergibt sich aus der Einsichtnahme ins Grundversorgungssystem und ins österreichische Strafregister.
Die Feststellung über den Aufenthalt des Beschwerdeführers in Italien folgt seinen Angaben in der Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl. Dass gegen den Beschwerdeführer zum Zeitpunkt seiner Einreise in das Bundesgebiet ein Einreiseverbot bestand, gründet sich auf einer im Akt aufliegenden Fremdeninformationsauskunft.
Dass der Beschwerdeführer keine Probleme mit den Behörden in seinem Herkunftsstaat hatte, ergibt sich daraus, dass der Beschwerdeführer im Rahmen der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl keine diesbezüglichen Probleme vorbrachte bzw. diese ausdrücklich verneinte.
Die Beurteilung der belangten Behörde, wonach das Vorbringen des Beschwerdeführers über die Bedrohung durch Privatpersonen nicht glaubhaft sei, ist zutreffend. Der Beschwerdeführer hat zwar eine derartige Bedrohungssituation sowohl im Verlauf der sicherheitsbehördlichen Erstbefragung am 01.07.2019 als auch bei seiner Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 11.12.2019 behauptet, seine diesbezüglichen Angaben sind jedoch, wie im angefochtenen Bescheid richtig festgehalten, als widersprüchlich, wenig konkret und detailliert und logisch nicht nachvollziehbar zu qualifizieren.
Wie im angefochtenen Bescheid zu Recht festgehalten, änderte der Beschwerdeführer sein Fluchtvorbringen zwischen der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes und der Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gravierend ab. In der Erstbefragung brachte der Beschwerdeführer noch vor, dass er im Juni 2019 zusammen mit seiner Familie von Hindus (Plural) angegriffen worden sei, da diese gesehen hätten, dass er Alkohol trinke. Dabei sei sein Vater getötet worden. "Sie" hätten auch den Beschwerdeführer töten wollen, aber er habe fliehen können. In der Einvernahme durch das Bundesamt erklärte der Beschwerdeführer jedoch im krassen Widerspruch dazu, dass sein Vater bereits verstorben sei, als der Beschwerdeführer noch ein Kleinkind gewesen sei. Der Beschwerdeführer sei zudem nicht mit seiner Familie angegriffen worden, sondern er habe mit einem Freund bzw. - im weiteren Widerspruch - mit mehreren Freunden Alkohol getrunken. Ein Hindu (Singular) habe gesagt, dass der Konsum von Alkohol im Sikhismus verboten sei. Es hätten alle getrunken und im Zuge dessen sei es zu einer "Schlägerei" mit diesem Hindu gekommen. Dass der Beschwerdeführer mit dem Umbringen bedroht worden sei, brachte er hingegen nicht mehr vor. Der Beschwerdeführer widersprach sich somit sowohl zu den Verfolgern, als auch zur Verfolgungshandlung und auch zu den Opfern der Verfolgung.
Wie im angefochtenen Bescheid weiter zu Recht festgehalten, gestalteten sich die Aussagen des Beschwerdeführers auch lediglich oberflächlich. Vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl in der Einvernahme dazu aufgefordert, seine Fluchtgründe in chronologischer Reihenfolge, so detailreich wie möglich und unter Angabe von Einzelheiten zu schildern, beschränkte sich der Beschwerdeführer in freier Erzählung auf einen kurzen, oberflächlich gehaltenen Handlungsablauf, der sich geradezu durch die Auslassung von Details und Einzelheiten kennzeichnete. Nochmals dazu aufgefordert, Details zu nennen, erklärte der Beschwerdeführer, dass er nicht mehr schildern könne. Er sei damals betrunken gewesen und könne sich an vieles nicht mehr erinnern. Er habe nichts weiter zu sagen. Nochmals aufgefordert nannte der Beschwerdeführer - allerdings sogleich im Widerspruch (s. obiger Absatz) - die Personalien von drei Freunden, die mit ihm getrunken hätten, ohne aber auf die Geschehnisse selbst einzugehen. Auch auf nochmalige Aufforderung erweiterte der Beschwerdeführer lediglich, dass diese Auseinandersetzung am 10. Juni um sieben Uhr abends passiert sei, wobei der Beschwerdeführer sich jedoch noch zuvor in der Einvernahme unsicher war, ob die Auseinandersetzung am 10. oder am 12. Juni passiert sei. Auch zu den folgenden Besuchen seines behaupteten Verfolgers brachte der Beschwerdeführer - wiederum auf Nachfrage - nur vor, dass er selbst jeweils auswärts gewesen sei und seine Mutter geschlagen worden sei, ohne dies aber wiederum zu konkretisieren. Der Vollständigkeit halber sei angeführt, dass der Beschwerdeführer sich auch hier widersprach, erklärte er doch in der freien Erzählung zu diesen Besuchen noch vage, dass "er zwei, dreimal" gekommen wäre, um unmittelbar darauf anzugeben, dass "sie ein, zweimal" gekommen seien. Weitere Details nannte der Beschwerdeführer auch auf weitere Nachfragen nicht und war er somit nicht in der Lage, einen konkreten Sachverhalt darzutun.
Ebenso nur der Vollständigkeit halber sei angeführt, dass der Beschwerdeführer sich auch zur Dauer des Aufenthalts bei seinem Onkel mütterlicherseits widersprach. So gab der Beschwerdeführer in der Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zunächst an, "ca. 25 Tage" bis zur Ausreise bei seinem Onkel gewohnt zu haben. Er sei im Juni zu seinem Onkel gegangen, genauere Datumsangaben könne er nicht machen. In weiterer Folge führte der Beschwerdeführer aus, am "20. oder 21. Juni" ausgereist zu sein. Den Entschluss zur Ausreise habe er - kaum nachvollziehbar - bereits am Tag der beschriebenen Auseinandersetzung gefasst (auch dies änderte der Beschwerdeführer im Zuge der Einvernahme nochmals ab auf den Zeitpunkt nach den Besuchen des behaupteten Verfolgers bei ihm zu Hause). Dies sei der "10., 12. Juni" gewesen. Demnach hätte der Beschwerdeführer aber höchstens zehn Tage bei seinem Onkel verbracht, somit nicht einmal die Hälfte der zunächst von ihm behaupteten Zeit.
Letztlich sei auch erwähnt, dass die Begründung des Beschwerdeführers über die Unmöglichkeit einer Umsiedelung etwa nach Neu-Delhi nicht nachzuvollziehen ist. In der Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl erklärte er, dass er in Delhi niemanden habe und die Stadt außerdem "recht weit, etwa ein bis zwei Stunden entfernt" sei. Weshalb der Beschwerdeführer aber nun stattdessen zum äußersten Mittel der Flucht ins noch deutlich weiter entfernte europäische Ausland griff, ist auch vor diesem Hintergrund nicht nachvollziehbar.
Darüber hinaus würde sich - wie im Bescheid zu Recht angeführt - auch bei Wahrunterstellung der Bedrohungsbehauptungen des Beschwerdeführers vor dem Hintergrund der getroffenen Feststellungen über die Lage in seinem Herkunftsstaat daraus keine ernsthafte Bedrohungssituation für den Beschwerdeführer ableiten lassen. Aus den Länderberichten ergibt sich deutlich, dass in Indien volle Bewegungsfreiheit gewährleistet ist. Es kann grundsätzlich örtlich begrenzten Konflikten bzw. Verfolgungshandlungen durch Übersiedelung in einen anderen Landesteil ausgewichen werden. Weiters gibt es kein staatliches Melde- oder Registrierungssystem für indische Staatsangehörige und diese besitzen in der Mehrzahl keine Ausweise. Die indische Verfassung garantiert indischen Staatsangehörigen das Recht auf Bewegungsfreiheit im Staatsgebiet sowie das Recht auf Niederlassung und Aufenthalt in jedem Teil des Landes. Auch bei strafrechtlicher Verfolgung ist in der Regel ein unbehelligtes Leben in ländlichen Bezirken in anderen Teilen Indiens möglich, ohne dass diese Person ihre Identität verbergen muss. Der Beschwerdeführer würde daher auch bei Zugrundelegung seiner Angaben über eine Bedrohungssituation die Möglichkeit haben, vor einer Verfolgung von dieser Seite durch Niederlassung außerhalb seiner Herkunftsregion Sicherheit zu finden. Dies erscheint für den Beschwerdeführer aufgrund seiner Sprachkenntnisse in Hindi und Punjabi zumutbar, zumal er seinen Lebensunterhalt auch durch Gelegenheitsarbeiten und die finanzielle Unterstützung seiner in Indien lebenden Verwandten - konkret seiner Mutter, die über eine eigene verpachtete Landwirtschaft verfügt, seiner Schwestern, sowie seines Onkels mütterlicherseits, der auch seine Ausreise finanziert hat - sichern könnte.
2.2. Die oben wiedergegebenen Feststellungen zur Situation in Indien ergeben sich aus den im angefochtenen Bescheid herangezogenen Länderberichten, die dieser Entscheidung zugrunde gelegt wurden. Bei den angeführten Quellen handelt es sich um Berichte verschiedener anerkannter und teilweise vor Ort agierender staatlicher und nichtstaatlicher Organisationen, die in ihren Aussagen ein übereinstimmendes, schlüssiges Gesamtbild der Situation in Indien ergeben, weshalb dem im Beschwerdeschriftsatz gestellten Antrag, einen länderkundigen Sachverständigen zu beauftragen, der sich mit der aktuellen Situation in Indien befasse, nicht nachzukommen war.
Den Länderberichten wurde weder vom Beschwerdeführer noch seinem rechtsfreundlichen Vertreter in der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl bzw. im Beschwerdeschriftsatz substantiiert entgegengetreten.
3. Rechtliche Beurteilung:
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 i.d.F. BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Eine derartige Regelung wird in den einschlägigen Normen (VwGVG, BFA-VG, AsylG) nicht getroffen und es liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.
Zum Spruchteil A)
3.1. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides:
Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung i.S.d. Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht. Gemäß § 3 Abs. 3 AsylG 2005 ist der Asylantrag bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005) offen steht oder wenn er einen Asylausschlussgrund (§ 6 AsylG 2005) gesetzt hat.
Flüchtling i.S.d. Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK (i.d.F. des Art. 1 Abs. 2 des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 78/1974) - deren Bestimmungen gemäß § 74 AsylG 2005 unberührt bleiben - ist, wer sich "aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren."
Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs der GFK ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. VwGH 22.12.1999, 99/01/0334; 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.01.2001, 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde (vgl. VwGH 19.12.2007, 2006/20/0771). Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.01.2001, 2001/20/0011). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK nennt (VwGH 09.09.1993, 93/01/0284; 15.03.2001, 99/20/0128; 23.11.2006, 2005/20/0551); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet.
Gemäß § 3 Abs. 3 Z. 1 und § 11 Abs. 1 AsylG 2005 ist der Asylantrag abzuweisen, wenn dem Asylwerber in einem Teil seines Herkunftsstaates vom Staat oder von sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden und ihm der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden kann ("innerstaatliche Fluchtalternative"). Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK vorliegen kann (vgl. zur Rechtslage vor dem AsylG 2005 z.B. VwGH 15.03.2001, 99/20/0036; 15.03.2001, 99/20/0134, wonach Asylsuchende nicht des Schutzes durch Asyl bedürfen, wenn sie in bestimmten Landesteilen vor Verfolgung sicher sind und ihnen insoweit auch zumutbar ist, den Schutz ihres Herkunftsstaates in Anspruch zu nehmen). Damit ist - wie der Verwaltungsgerichtshof zur GFK judiziert - nicht das Erfordernis einer landesweiten Verfolgung gemeint, sondern vielmehr, dass sich die asylrelevante Verfolgungsgefahr für den Betroffenen - mangels zumutbarer Ausweichmöglichkeit innerhalb des Herkunftsstaates - im gesamten Herkunftsstaat auswirken muss (VwGH 09.11.2004, 2003/01/0534). Das Zumutbarkeitskalkül, das dem Konzept einer "inländischen Flucht- oder Schutzalternative" (VwGH 9.11.2004, 2003/01/0534) innewohnt, setzt daher voraus, dass der Asylwerber dort nicht in eine ausweglose Lage gerät, zumal wirtschaftliche Benachteiligungen auch dann asylrelevant sein können, wenn sie jede Existenzgrundlage entziehen (VwGH 08.09.1999, 98/01/0614, 29.03.2001, 2000/20/0539).
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 28.03.1995, 95/19/0041; 27.06.1995, 94/20/0836; 23.7.1999, 99/20/0208; 21.09.2000, 99/20/0373; 26.02.2002, 99/20/0509 m.w.N.; 12.09.2002, 99/20/0505; 17.09.2003, 2001/20/0177) ist eine Verfolgungshandlung nicht nur dann relevant, wenn sie unmittelbar von staatlichen Organen (aus Gründen der GFK) gesetzt worden ist, sondern auch dann, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, Handlungen mit Verfolgungscharakter zu unterbinden, die nicht von staatlichen Stellen ausgehen, sofern diese Handlungen - würden sie von staatlichen Organen gesetzt - asylrelevant wären. Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewandt werden kann (VwGH 22.03.2000, 99/01/0256 m.w.N.).
Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe Dritter präventiv zu schützen (VwGH 13.11.2008, 2006/01/0191). Für die Frage, ob eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht - unter dem Fehlen einer solchen ist nicht "zu verstehen, dass die mangelnde Schutzfähigkeit zur Voraussetzung hat, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht" (VwGH 22.03.2000, 99/01/0256) -, kommt es darauf an, ob jemand, der von dritter Seite (aus den in der GFK genannten Gründen) verfolgt w