TE Bvwg Erkenntnis 2020/5/27 W117 2227168-6

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Veröffentlicht am 27.05.2020
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Entscheidungsdatum

27.05.2020

Norm

BFA-VG §22a Abs4
B-VG Art133 Abs4

Spruch

W117 2227168-6 /2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter (Dr. Druckenthaner) als Einzelrichter in dem von Amts wegen eingeleiteten Verfahren zur Überprüfung der Anhaltung in Schubhaft von XXXX , geb. XXXX , StA. (Pakistan), Zl. 1246041407 - 190938625, zu Recht erkannt:

A) Gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer reiste zu einem unbekannten Zeitpunkt illegal nach Österreich ein und versuchte am 15.09.2019 nach Italien ausreisen, ohne im Besitz von Dokumenten zu sein. Eine ED Behandlung brachte weder einen VIS Treffer noch einen EURODAC Treffer zum Vorschein.

Der Beschwerdeführer wurde in der Folge festgenommen, es wurde ein Festnahmeauftrag nach § 34 Abs 3 Z vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) erlassen. 2. Er wurde am 15.09.2019 zur möglichen Schubhaftverhängung einvernommen. Er gab bei dieser Einvernahme im Wesentlichen an, dass er nach Italien reisen wolle, um dort zu leben und keinerlei Anbindungen im Bundesgebiet habe, nicht einmal wisse, wie er nach Österreich gekommen sei. In der Folge wurde über den Beschwerdeführer am 15.09.2019 die Schubhaft nach § 76 Abs 2 Z 2 FPG angeordnet.

Der Beschwerdeführer wurde vom BFA am 16.09.2019 einvernommen, und mit Bescheid vom 19.09.2019 eine Rückkehrentscheidung nach Pakistan erlassen, die Abschiebung für zulässig erklärt, die aufschiebende Wirkung der Beschwerde aberkannt und ein 18monatiges Einreiseverbot erlassen. Der Bescheid erwuchs mit 30.10.2019 in Rechtskraft. 3. Am 13.11.2019 stellte der Beschwerdeführer einen Asylantrag, seitens des BFA wurde ein Aktenvermerk nach § 76 Abs 6 FPG erstellt und dem Fremden zugestellt. Mit Bescheid des Bundesamts wurde der Asylantrag negativ entschieden und die aufschiebende Wirkung der Beschwerde aberkannt. Dagegen erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde, das Bundesverwaltungsgericht bestätigte die Entscheidung des BFA unter L506 2226593-1/3E 19.12.2019.

Der BF trat in Hungerstreik und es wurde der Heilbehandlung zugestimmt. Durch das Bundesverwaltungsgericht erfolgte am 11.02.2020 - nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung - eine Verhältnismäßigkeitsprüfung der Schubhaft unter der GZ: W112 2227168-2/7Z.

Am 09.03.2020 langte der Verfahrensakt zur erneuten amtswegigen Verhältnismäßigkeitsprüfung gemäß § 22 Abs. 4 BFA-VG beim Bundesverwaltungsgericht ein. In einem beiliegenden Schreiben führte das BFA im Wesentlichen aus, dass das HRZ-Verfahren noch im Laufen sei und verwies auf das Vorverhalten des Beschwerdeführers. Die Gründe für die Verhängung der Schubhaft lägen daher aus Sicht der Behörde auch weiterh in vor und sei diese im Hinblick auf den gesteigerten Sicherungsbedarf angesichts des fortgeschrittenen Verfahrensstandes auch weiterhin erforderlich und verhältnismäßig. Die Effektuierung der Außerlandesbringung innerhalb der gesetzlich zulässigen Höchstdauer der Schubhaft sei nach wie vor als absolut wahrscheinlich anzusehen. Die letzte Urgenz betreffend die Ausstellung eines Heimreisezertifikates sei am 17.02.2020 erfolgt.

Am 09.03.2020 übermittelte das PAZ, über Aufforderung des Bundesverwaltungsgerichts die medizinischen Unterlagen des Beschwerdeführers. Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Erkenntnis vom 10.03.2020, W278 2227168-3/4E, erneut erkannt, dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft (weiterhin) verhältnismäßig ist.

Am 01.04.2020 legte das Bundesamt den Verwaltungsakt neuerlich zur amtswegigen Verhältnismäßigkeitsprüfung vor. Im Vorlageschreiben wurde dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass das HRZ-Verfahren mit Pakistan weiterhin am Laufen sei und von einer Abschiebung im Rahmen des gesetzlich zulässigen Anhaltezeitraumes ausgegangen werden könne. Die gegenwärtige Aussetzung des Flugbetriebs im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie sei überdies nur vorrübergehend. Beigeschlossen war eine schriftliche Urgenz an die pakistanische Botschaft vom 31.03.2020 bezüglich der Ausstellung eines Heimreisezertifikats.

Mit Erkenntnis vom 07.04.2020, W137 2227168-4/3E, erkannte das Bundesverwaltungsgericht, dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft (weiterhin) verhältnismäßig ist.

Erneut erkannte das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 30.04.2020, W154 2227168-5/2E, dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft (weiterhin) verhältnismäßig ist.

Das Bundeverwaltungsgericht begründete diese seine letzte Entscheidung wie folgt:

"1. Feststellungen:

1.1 Der Beschwerdeführer ist volljährig, Staatsangehöriger von Pakistan und nicht österreichischer Staatsbürger. Seine Identität steht nicht fest. Der Beschwerdeführer verfügt über kein Aufenthaltsrecht in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union. Er hielt sich seit 2013 in EUROPA auf. Der Beschwerdeführer reiste schlepperunterstützt nach Österreich ein. Er trat nicht von sich aus mit den Behörden in Kontakt, sondern wurde am 15.09.2019 im Nachtzug bei einem Ausreisversuch nach Italien polizeilich betreten und festgenommen. 1.2. Mit Bescheid vom 19.09.2019, zugestellt am 01.10.2019 erließ das Bundesamt nach der niederschriftlichen Einvernahme am 16.09.2019 gegen ihn eine Rückkehrentscheidung verbunden mit einem Einreiseverbot, erkannte der Beschwerde die aufschiebende Wirkung ab und räumte ihm keine Frist für die freiwillige Ausreise ein; erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Pakistan zulässig ist. Der Bescheid erwuchs mangels Beschwerdeerhebung in Rechtskraft.

1.3. Der Beschwerdeführer stellte erst mit Eintritt der Rechtskraft der Rückkehrentscheidung aus dem Stande der Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz zur Verhinderung der Abschiebung. Diesen wies das Bundesamt nach der Erstbefragung am 13.11.2019 und Einvernahmen am 18.11.2019 und 27.11.2019 mit Bescheid vom 03.12.2019, zugestellt am selben Tag, sowohl im Hinblick auf den Status des Asylberechtigten, als auch den Status des subsidiär Schutzberechtigten ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen und erkannte der Beschwerde die aufschiebende Wirkung ab. Mit Schriftsatz vom 11.12.2019 erhob er Beschwerde gegen diesen Bescheid, mit Erkenntnis vom 19.12.2019, ihm zugestellt zu Handen seines Vertreters am selben Tag, wies das Bundesverwaltungsgericht seine Beschwerde als unbegründet ab. Beschwerde oder Revision wurde nicht erhoben.

1.4. Der Beschwerdeführer tat nichts, um seiner Ausreiseverpflichtung nachzukommen oder seine Identifizierung zu bewirken und lehnte bei der Rückkehrberatung die freiwillige Ausreise ab. Es steht auf Grund seines Vorverhaltens fest, dass er sich im Falle der Haftentlassung auf freiem Fuß der Abschiebung durch Weiterreise in einen anderen Mitgliedsstaat oder untertauchen im Bundesgebiet entziehen würde. 1.5. Er trat am 21.12.2019 in den Hungerstreik, um sich aus der Schubhaft freizupressen. Diesen brach er am 24.12.2019 nach Genehmigung der Heilbehandlung freiwillig ab. 1.6. Das BFA suchte am 08.01.2020 um ein Heimreisezertifikat für den Beschwerdeführer an. Das Bundesamt urgierte zuletzt am 31.03.2020 die HRZ Ausstellung bei den Pakistanischen Vertretungsbehörden. Mit der Ausstellung des HRZ und der Durchführung der Abschiebung ist mit maßgeblicher Sicherheit in wenigen Monaten, jedenfalls aber innerhalb der Schubhafthöchstdauer zu rechnen.

1.7. Der Beschwerdeführer befindet sich seit 15.09.2019 in Schubhaft. Er leidet an einer reaktiven Depression. Im Übrigen ist er gesund. Er ist haftfähig. 1.8. Der Beschwerdeführer ist nicht Asylwerber; es kommt ihm kein faktischer Abschiebeschutz zu. Er ist in besonderem Ausmaß nicht vertrauenswürdig. Er ist in Österreich in keiner Form integriert, spricht nicht Deutsch und verfügt über keine substanziellen sozialen oder familiären Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet. Zudem verfügt er über keine gesicherte Unterkunft und ist annähernd mittellos.

2. Beweiswürdigung:

2.1 Die Feststellungen zu 1.1 ergeben sich aus der Aktenlage im gegenständlichen Verfahren sowie den Gerichts- und Verwaltungsakten, insbesondere den Verhandlungsniederschriften zu GZ: 2227168 vom 11.02.2020 und vom 15.01.2020.

Die Feststellungen zu den Vorverfahren ergeben sich aus den im Akt einliegenden Bescheiden des Bundesamts sowie der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes zur GZ.: L506 2226593-1. 2.2 Die Feststellungen zu 1.4 ergeben sich aus der Aktenlage im gegenständlichen Verfahren sowie den Gerichts- und Verwaltungsakten, insbesondere den Verhandlungsniederschriften zu GZ: 2227168 vom 11.02.2020 und vom 15.01.2020.

Die Feststellung zum Hungerstreik des Beschwerdeführers ergibt sich aus der Anhaltedatei. 2.3. Die Feststellungen zum HRZ Verfahren ergeben sich aus der Aktenlage im gegenständlichen Verfahren sowie den Gerichts- und Verwaltungsakten, insbesondere den Verhandlungsniederschriften zu GZ: 2227168 vom 11.02.2020 und vom 15.01.2020 sowie aus der Beschwerdevorlage des Bundesamts vom 01.04.2020. Die realistische Möglichkeit der Rücküberstellung ergibt sich aus der diesbezüglich grundsätzlich problemlosen Zusammenarbeit mit den Vertretungen und Behörden des Herkunftsstaates. Abschiebungen finden regelmäßig statt. Ebenso regelmäßig muss diesen ein Ermittlungsverfahren im Herkunftsstaat vorangehen, weil die Betroffenen keine Personal- oder Reisedokumente vorweisen können. Diese benötigen üblicherweise einige Monate. Die bereits vergleichsweise lange Dauer des einschlägigen Verfahrens ergibt sich aus der mangelhaften Mitwirkung des Beschwerdeführers im Verfahren. Derzeit ist zudem mit Verzögerungen im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie zu rechnen.

2.4. Die Anhaltedauer des Beschwerdeführers in Schubhaft ergibt sich aus der Anhaltedatei. Die Feststellung zu seinem Gesundheitszustand und seiner Haftfähigkeit ergibt sich aus den Vorverfahren sowie der Stellungnahme des PAZ vom 27.04.2020 sowie den einschlägigen Einträgen in der Anhaltedatei.

2.5. Die Feststellungen zur fehlenden Integration des Beschwerdeführers und seiner Vermögenslage ergeben sich aus der Aktenlage. Die in besonderem Maße geminderte Vertrauenswürdigkeit ergibt sich daraus, dass der BF bewusst nicht an seiner Identifizierung mitwirkt und die freiwillige Rückkehr ablehnt, sowie dem Umstand, dass er seine Freilassung aus der Schubhaft durch einen Hungerstreik zu erpressen versucht hat.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchpunkt I. (Vorliegen der Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft):

(...)

Gemessen also an § 76 Abs. 3, konkret an dessen ersten Satz "liegt eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 2 - immer noch - vor, da "bestimmte Tatsachen", nämlich jene bereits im Rahmen der angeführten Beweiswürdigung relevierten, indizieren, dass sich der Beschwerdeführer einer drohenden Abschiebung in den Herkunftsstaat entziehen wird.

Die Gründe, aus denen das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Schubhaft anordnete, haben sich seither nicht geändert und erweisen sich als grundsätzlich nachvollziehbar. Nur der Vollständigkeit halber ist festzuhalten, dass sich die laufende Anhaltung in Schubhaft nunmehr erneut auf § 76 Abs. 2 Z 2 FPG bezieht, weil das zwischenzeitliche Asylverfahren des Beschwerdeführers rechtskräftig abgeschlossen worden ist und § 76 Abs. 6 FPG aus diesem Grund nicht mehr zur Anwendung kommt.

Es liegt Fluchtgefahr gemäß § 76 Abs. 3 Z 1 FPG vor, weil der Beschwerdeführer die Abschiebung durch Nichtvorlage von Dokumenten behindert; hinzukommt, dass sich der Beschwerdeführer seit mehreren Jahren unangemeldet im Gebiet der Mitgliedsstaaten aufhält und er in der Schubhaft in den Hungerstreik trat.

Es liegt auch Fluchtgefahr gemäß § 76 Abs. 3 Z 5 FPG vor, weil im Zeitpunkt der Stellung des

Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme gegen ihn bestand und er sich zu jenem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand.

Schließlich ergibt sich die Fluchtgefahr auch aus § 76 Abs. 3 Z 9 FPG, weil der Beschwerdeführer in Österreich weder über Familie noch Wohnung oder Arbeit verfügt und insoweit allenfalls einen äußerst geringen Grad der sozialen Verankerung im Bundesgebiet vorweisen kann.

Mit der Anwendung gelinderer Mittel kann dementsprechend weiterhin nicht das Auslangen gefunden werden.

Die Anhaltung in Schubhaft ist auch verhältnismäßig: Der Beschwerdeführer ist abgesehen von der reaktiven Depression, die in Schubhaft behandelt wird, gesund. Mit der Ausstellung des Heimreisezertifikates ist innerhalb eines Zeitraums von voraussichtlich wenigen Monaten, jedenfalls aber innerhalb der Schubhafthöchstdauer zu rechnen. Die Dauer des Verfahrens resultiert aus dem Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung, der (letztlich unbegründeten/erfolglosen) Asylantragstellung nach Rechtskraft der Rückkehrentscheidung und der Notwendigkeit der Identifizierung des Beschwerdeführers zur Erlangung eines Heimreisezertifikates, da er keine Dokumente in Vorlage bringt. Alle Verfahren wurden und werden vom Bundesamt effizient geführt. Daher ist auch die bisher über siebenmonatige Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft verhältnismäßig.

Dem Beschwerdeführer kommt kein faktischer Abschiebeschutz zu. Das eingeleitete HRZVerfahren ist aktuell noch im Laufen - wobei das Bundesamt regelmäßig, zuletzt am 31.03.2020, urgiert - und bewegt sich, unter Berücksichtigung der bewussten Nichtmitwirkung des Beschwerdeführers am Verfahren, im üblichen Zeitrahmen hinsichtlich des hier relevanten Herkunftsstaates (diesbezüglich ist auch auf die im Gerichtsakt einliegende Stellungnahme der zur Erlangung eines Heimreisezertifikates zuständige Stelle des BFA vom 10.02.2020 zu verweisen, aus der hervorgeht, dass eine Überprüfung durch die pakistanischen Behörden in Islamabad in der Regel etwa 3-4 Monate in Anspruch nimmt).

Die realistische Möglichkeit einer Überstellung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat (innerhalb der gesetzlich normierten Zeitspanne für die Anhaltung in Schubhaft) besteht weiterhin. Das Erfordernis einer HRZ-Ausstellung und die dadurch bedingte Anhaltedauer sind dem Beschwerdeführer zuzurechnen.

Aus diesen Gründen ist festzustellen, dass im Zeitpunkt der Entscheidung die Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung in Schubhaft gegeben ist. Eine über die Frage der Verhältnismäßigkeit hinausgehende Prüfung der Schubhaft ist nach dem eindeutigen Wortlaut von § 22a Abs. 4 BFA-VG nicht vorgesehen (...)."

Die Verwaltungsbehörde legte mit Schreiben vom 22.05.2020 den Verwaltungsakt neuerlich zur Überprüfung der Fortsetzung der Anhaltung vor und führte unter anderem, bezogen auf den Zeitraum ab der letzten Überprüfung durch das Bundesverwaltungsgericht aus:

"(...)

Die weitere Aufrechterhaltung der Schubhaft scheint daher der Behörde aktuell nicht nur geeignet und erforderlich angesichts der bisherigen Unzuverlässigkeit des betroffenen Fremden, einen geordneten Vollzug des Fremdenwesens, durch die - nach dem derzeitigen Verfahrensstand, absolut als wahrscheinlich und auch möglich erscheinende - Abschiebung zu gewährleisten, sondern im Lichte des Umstandes, des Beurteilungsmaßstabes der novellierten § 80 Abs 2 und 4 FPG auch weiterhin als adäquat.

Sollte aufgrund des Ergebnisses des laufenden HRZ Verfahrens mit Pakistan das mit der Schubhaft verfolgte Ziel nicht mehr erreicht werden, oder sich das weitere Ausstellungsprozedere eines Ersatzreisedokumentes als unverhältnismäßig lang erweisen, wird seitens der ho. Behörde unverzüglich die Entlassung des BF veranlasst werden.

Die Gründe für die Verhängung der Schubhaft liegen daher aus Sicht der Behörde derzeit auch weiterhin vor und ist diese im Hinblick auf den gesteigerten Sicherungsbedarf angesichts des fortgeschrittenen Verfahrensstandes auch weiterhin erforderlich und verhältnismäßig. Die Effektuierung der Außerlandesbringung innerhalb der gesetzlich zulässigen Höchstdauer der Schubhaft ist nach wie vor als absolut wahrscheinlich

anzusehen.

Auch wenn durch die COVID 19 Krise derzeit keine Abschiebung nach Pakistan möglich ist - da es derzeit keine Flüge dorthin gibt - so ist dennoch mit einer Abschiebung jedenfalls innerhalb der höchstzulässigen Schubhaftdauer zu rechnen.

Die Aussetzung der Flüge ist derzeit bis ca. Ende Mai angesetzt. Jedoch die Ankündigungen der Regierung, dass die derzeit auf Grund COVID 19 geltenden Beschränkungen gelockert werden, lassen darauf schließen, dass der Flugbetrieb in absehbarer Zeit wieder aufgenommen wird. Sobald es wieder Flüge nach Pakistan gibt, wird umgehend eine Abschiebung nach Pakistan organisiert werden. Wobei auch die Möglichkeit besteht, den Fremden mittels Charterabschiebungen nach Pakistan zu verbringen, womit das BFA nicht an die Wiederaufnahme der Linienflüge gebunden ist.

Der im Betreff Genannte befindet sich nach wie vor im PAZ Wien HG

Es wird daher beantragt festzustellen, dass die maßgeblichen Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft weiter vorliegen und diese auch weiterhin verhältnismäßig ist.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Feststellungen:

Verfahrensgang und die vom Bundesverwaltungsgericht im obzitierten Erkenntnis vom 30.04.2020, Zahl: W154 2227168-5/2E, getroffenen und im Verfahrensgang dargestellten Feststellungen werden ebenso zum gegenständlichen Sachverhalt erhoben wie die ergänzend zitierten Sachverhaltsparameter der Stellungnahme der Verwaltungsbehörde im Rahmen der aktuellen Aktenvorlage.

Ergänzend wird festgestellt:

Es sind (daher) auch aktuell keinerlei Umstände aufgetreten, die zu einem vom Bescheid der Verwaltungsbehörde und den Vorerkenntnissen abweichenden und für die Freilassung des Beschwerdeführers sprechenden Sachverhalt führen könnten, sodass die vom Beschwerdeführer zu verantwortende Schubhaft weiter fortzusetzen ist.

Beweiswürdigung:

Hinsichtlich der vom angeführten Vorerkenntnis (in Übereinstimmung mit den zuvor erlassenen Vorerkenntnissen) übernommenen Feststellungen ist auf die diesbezügliche zutreffende Beweiswürdigung zu verweisen.

Die ergänzende Feststellung, dass zwischenzeitlich keinerlei für den Beschwerdeführer sprechende Änderung des Sachverhaltes eingetreten ist. ergibt sich als logische Konsequenz daraus.

Eine Verhandlung war aufgrund des als geklärt anzusehenden Sachverhaltes nicht durchzuführen; anzumerken ist in diesem Zusammenhang, dass die schon in den jüngsten Vorerkenntnissen zugrundeliegenden Feststellungen auf einer umfassenden Befragung des Beschwerdeführers im Rahmen einer am 11.02.2020 durchgeführten Verhandlung basieren.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt A. (Fortsetzung der Schubhaft):

Gesetzliche Grundlagen:

Der mit "Schubhaft" betitelte § 76 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) lautet:

"§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,

2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß."

§ 77 FPG - Gelinderes Mittel

Gemäß § 77 Abs. 1 FPG hat das Bundesamt bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige hat das Bundesamt gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z 1 FPG.

Gemäß § 77 Abs. 2 FPG ist Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, es sei denn, diese wäre bereits aus dem Grunde des § 24 Abs. 1 Z 4 BFA-VG von Amts wegen erfolgt.

Gemäß § 77 Abs. 3 FPG sind gelindere Mittel insbesondere die Anordnung, (Z 1) in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen, (Z 2) sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden oder (Z 3) eine angemessene finanzielle Sicherheit beim Bundesamt zu hinterlegen.

Kommt der Fremde gemäß § 77 Abs. 4 FPG seinen Verpflichtungen nach Abs. 3 nicht nach oder leistet er ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zugegangenen Ladung zum Bundesamt, in der auf diese Konsequenz hingewiesen wurde, nicht Folge, ist die Schubhaft anzuordnen. Für die in der Unterkunft verbrachte Zeit gilt § 80 mit der Maßgabe, dass die Dauer der Zulässigkeit verdoppelt wird.

Gemäß § 77 Abs. 5 FPG steht die Anwendung eines gelinderen Mittels der für die Durchsetzung der Abschiebung erforderlichen Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt nicht entgegen. Soweit dies zur Abwicklung dieser Maßnahmen erforderlich ist, kann den Betroffenen aufgetragen werden, sich für insgesamt 72 Stunden nicht übersteigende Zeiträume an bestimmten Orten aufzuhalten.

Gemäß § 77 Abs. 6 FPG hat sich zur Erfüllung der Meldeverpflichtung gemäß Abs. 3 Z 2 der Fremde in periodischen, 24 Stunden nicht unterschreitenden Abständen bei einer zu bestimmenden Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden. Die dafür notwendigen Angaben, wie insbesondere die zuständige Dienststelle einer Landespolizeidirektion sowie Zeitraum und Zeitpunkt der Meldung, sind dem Fremden vom Bundesamt mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) mitzuteilen. Eine Verletzung der Meldeverpflichtung liegt nicht vor, wenn deren Erfüllung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.

Gemäß § 77 Abs. 7 FPG können die näheren Bestimmungen, welche die Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit gemäß Abs. 3 Z 3 regeln, der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festlegen.

Gemäß § 77 Abs. 8 FPG ist das gelindere Mittel mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Bescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

Gemäß § 77 Abs. 9 FPG können die Landespolizeidirektionen betreffend die Räumlichkeiten zur Unterkunftnahme gemäß Abs. 3 Z 1 Vorsorge treffen.

Die Grundlage zur Überprüfung der Verhältnismäßigkeit einer Fortsetzung der Schubhaft über die Viermonatsfrist im BFA-VG iVm § 80 FPG lautet:

Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138).

Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der - aktuelle - Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, Zl. 2005/21/0301; 23.09.2010, Zl. 2009/21/0280).

"Die Entscheidung über die Anwendung gelinderer Mittel iSd § 77 Abs. 1 FrPolG 2005 ist eine Ermessensentscheidung. Auch die Anwendung gelinderer Mittel setzt das Vorliegen eines Sicherungsbedürfnisses voraus. Fehlt ein Sicherungsbedarf, dann darf weder Schubhaft noch ein gelinderes Mittel verhängt werden. Insoweit besteht kein Ermessensspielraum. Der Behörde kommt aber auch dann kein Ermessen zu, wenn der Sicherungsbedarf im Verhältnis zum Eingriff in die persönliche Freiheit nicht groß genug ist, um die Verhängung von Schubhaft zu rechtfertigen. Das ergibt sich schon daraus, dass Schubhaft immer ultima ratio sein muss (Hinweis E 17.03.2009, 2007/21/0542; E 30.08.2007, 2007/21/0043). Mit anderen Worten: Kann das zu sichernde Ziel auch durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden, dann wäre es rechtswidrig, Schubhaft zu verhängen; in diesem Fall hat die Behörde lediglich die Anordnung des gelinderen Mittels vorzunehmen (Hinweis E 28.05.2008, 2007/21/0246). Der Ermessenspielraum besteht also für die Behörde nur insoweit, als trotz eines die Schubhaft rechtfertigenden Sicherungsbedarfs davon Abstand genommen und bloß ein gelinderes Mittel angeordnet werden kann. Diesbezüglich liegt eine Rechtswidrigkeit nur dann vor, wenn die eingeräumten Grenzen des Ermessens überschritten wurden, also nicht vom Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht wurde" (VwGH 11.06.2013, 2012/21/0114; 02.08.2013, 2013/21/0008).

"Je mehr das Erfordernis, die Effektivität der Abschiebung zu sichern, auf der Hand liegt, umso weniger bedarf es einer Begründung für die Nichtanwendung gelinderer Mittel. Das diesbezügliche Begründungserfordernis wird dagegen größer sein, wenn die Anordnung gelinderer Mittel naheliegt. Das wurde in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes insbesondere beim Vorliegen von gegen ein Untertauchen sprechenden Umständen, wie familiäre Bindungen oder Krankheit, angenommen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 22.05.2007, Zl. 006/21/0052, und daran anknüpfend das Erkenntnis vom 29.04.2008, Zl. 2008/21/0085; siehe auch die Erkenntnisse vom 28.02.2008, Zl. 2007/21/0512, und Zl. 2007/21/0391) und wird weiters auch regelmäßig bei Bestehen eines festen Wohnsitzes oder ausreichender beruflicher Bindungen zu unterstellen sein. Mit bestimmten gelinderen Mitteln wird man sich insbesondere dann auseinander zu setzen haben, wenn deren Anordnung vom Fremden konkret ins Treffen geführt wird" (VwGH 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).

Aufgrund der oben zitierten gesetzlichen Bestimmungen hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG dem Bundesverwaltungsgericht die Verwaltungsakten zur amtswegigen Überprüfung der Verhältnismäßigkeit und Notwendigkeit der weiteren Anhaltung vorzulegen. Es ist Aufgabe des Bundesverwaltungsgerichtes hierüber im Verfahren eine Prüfung der Verhältnismäßigkeit durchzuführen und hat sich im Rahmen dieser Überprüfung auch im Hinblick auf die vorzunehmende Zukunftsprognose für das Gericht ergeben, dass die weitere Anhaltung des Beschwerdeführers als verhältnismäßig angesehen werden kann.

Gemäß § 76 Abs. 2a FPG ist im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

Vor dem Hintergrund des aktuell unbestritten feststehenden Sachverhaltes, welcher bereits dem angeführten Vorerkenntnis (in Übereinstimmung mit den zuvor ergangenen Vorentscheidungen des Bundesverwaltungsgerichtes) zugrunde gelegt wurde, waren, wie ausgeführt, auch keine zwischenzeitlich für den Beschwerdeführer sprechenden Änderungen auf Sachverhaltsebene zu konstatieren; es wird daher die rechtliche Beurteilung des Vorerkenntnisses zur rechtlichen Beurteilung erhoben.

Aufgrund der Verbesserung der COVID-19 Situation und damit verbunden mit hoher Wahrscheinlichkeit weiter einhergehenden Lockerung der Reisebeschränkungen ist daher auch mit einer zeitnahen Realisierung der Rückführung des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat zu rechnen.

Im Hinblick auf die gesetzlich mögliche Maximaldauer erweist sich daher die bisherige Anhaltung auch unter diesem Aspekt jedenfalls als verhältnismäßig.

Es war daher die Fortsetzung der Schubhaft auszusprechen.

Zu Spruchteil B) - Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist.

Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Da keine Auslegungsfragen hinsichtlich der anzuwendenden Normen hervorgekommen sind und auch keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen waren, war die Revision nicht zuzulassen.

Schlagworte

Ausreisewilligkeit Fluchtgefahr Fortsetzung der Schubhaft Identität Mitwirkungspflicht öffentliche Interessen Pandemie Rückkehrentscheidung Schubhaft Sicherungsbedarf Verhältnismäßigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W117.2227168.6.00

Im RIS seit

19.08.2020

Zuletzt aktualisiert am

19.08.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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