TE Bvwg Erkenntnis 2020/6/22 W226 1318618-4

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 22.06.2020
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Entscheidungsdatum

22.06.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs3
AsylG 2005 §55
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs3
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z1
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

W226 1318618-4/18E

Im Namen der republik!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. WINDHAGER über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Russische Föderation, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.06.2017, Zl. 428876004-161189144, zu Recht erkannt:

A)       Die Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass Spruchpunkt I. zu lauten hat:

"Ihr Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 55 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, wird abgewiesen. Eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz gemäß § 57 AsylG 2005 war Ihnen nicht zu erteilen. Gemäß § 10 Abs. 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG, BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, wird gegen Sie eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 3 FPG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, erlassen."

B)       Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

1.1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Russischen Föderation, Angehöriger der Volksgruppe der Tschetschenen und der muslimischen Glaubensrichtung zugehörig, stellte erstmals am 10.10.2007 einen Antrag auf internationalen Schutz im Bundesgebiet.

1.2. Mit Bescheid des Bundesasylamts (BAA) vom 14.03.2008, Zl. 0709.475, wurde der Antrag des Beschwerdeführers abgewiesen und ihm weder des Status des Asylberechtigten gem. § 3 AsylG noch des subsidiär Schutzberechtigten gem. § 8 AsylG zuerkannt. Weiters wurde der Beschwerdeführer gemäß § 10 AsylG aus dem Bundesgebiet ausgewiesen.

1.3. Mit Erkenntnis des Asylgerichtshofs vom 21.06.2010, Zl. D9 318618-1/2008/15E, wurde der Bescheid des BAA bestätigt und die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Das Erkenntnis wurde dem Beschwerdeführer am 22.06.2010 nachweislich zugestellt.

1.4. Am XXXX wurde der Beschwerdeführer mit Urteil des XXXX gemäß §§ 15, 269 Abs. 1 Z 1 1. Fall (Widerstand gegen die Staatsgewalt) sowie § 83 Abs. 1 und § 84 Abs. 2 Z 4 StGB (schwere Körperverletzung) zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 9 Monaten verurteilt.

2.1. Am 30.11.2010 stellte der Beschwerdeführer einen Folgeantrag auf internationalen Schutz.

2.2. Das BAA hob den faktischen Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 2 AsylG mit Bescheid vom 09.12.2010, Zl 1011.244, auf. Dies bestätigte der Asylgerichtshof mit Entscheidung vom 17.01.2011, Zl. D9 318618-2/2010/3E.

2.3. Seit XXXX ist der Beschwerdeführer mit XXXX verheiratet.

2.4. Mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom XXXX wurde der Beschwerdeführer gemäß § 297 Abs. 1 2. Fall StGB (Verleumdung), §§ 15, 12 3. Fall, 87 Abs. 1 StGB (absichtliche schwere Körperverletzung) sowie § 50 Abs. 1 Z 2 WaffG (unbefugter Besitz verbotener Waffen) verurteilt. Das Oberlandesgericht XXXX setzte, mit Erkenntnis vom XXXX , die verhängte Freiheitsstrafe auf 9 Monate unbedingt herab.

2.5. Mit Bescheid der Landespolizeidirektion XXXX vom XXXX , Zl. XXXX , wurde für den Beschwerdeführer die Schubhaft angeordnet, um das Verfahren zur Erlassung einer Ausweisung (§ 10 AsylG) und die Abschiebung (§ 46 FPG) zu sichern.

2.6. Am 12.04.2013 brachte der Beschwerdeführer Schubhaftbeschwerde an den Unabhängigen Verwaltungssenat für das Bundesland XXXX (UVS) ein.

2.7. Mit Bescheid vom 17.04.2013, GZ XXXX , wies der UVS die Beschwerde als unbegründet ab und stellte fest, dass die Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft rechtmäßig war und die Voraussetzungen auch weiterhin vorliegen würden. Mit Beschluss vom 22.01.2014, Zl. 2013/21/0139-5, lehnte der VwGH die Behandlung der Beschwerde gegen den Schubhaftbescheid ab.

2.8. Am XXXX wurde für den Beschwerdeführer ein Heimreisezertifikat von der Russische Föderation ausgestellt.

2.9. Am 14.05.2013 wurde der Beschwerdeführer über seine bevorstehende Abschiebung am XXXX informiert (§ 58 Abs. 2 FPG). Am selben Tag trat der Beschwerdeführer wegen seiner Abschiebung in den Hunger- und Durststreik.

2.10. Am 17.05.2013 wurde der Beschwerdeführer aus der Schubhaft entlassen und die geplante Außerlandesschaffung storniert.

2.11. Mit Bescheid des BAA vom 05.06.2013, Zl. 1011.244, wurde der Folgeantrag des Beschwerdeführers vom 30.10.2010 gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen und der Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG aus dem Bundesgebiet in die Russische Föderation ausgewiesen.

2.12. Mit Erkenntnis des Asylgerichtshofs vom 02.07.2013, Zl. D9 318618-3/2013/2E, wurde die Beschwerde gegen den Bescheid des BAA vom 05.06.2013 gemäß § 68 Abs. 1 AVG als unbegründet abgewiesen.

2.13. Am 06.12.2013 wurde der Beschwerdeführer wegen rechtswidrigen Aufenthalts im Bundesgebiet gem. § 120 Abs. 1a FPG angezeigt (GZ XXXX ).

2.14. Am 20.01.2014 wurde der Beschwerdeführer im Rahmen einer Verkehrskontrolle betreten und erneut wegen rechtswidrigen Aufenthalts im Bundesgebiet gem. § 120 Abs. 1a FPG angezeigt (GZ XXXX ).

2.15. Am 30.05.2014 wurde der Beschwerdeführer im Rahmen einer Verkehrskontrolle betreten und wiederum wegen rechtswidrigen Aufenthalts im Bundesgebiet gem. § 120 Abs. 1a FPG angezeigt (GZ XXXX ).

3.1. Am 29.08.2014 stellte der Beschwerdeführer einen Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK "Aufrechterhaltung des Privat und Familienlebens" gemäß § 55 Abs. 1 AsylG. Weiters beantragte der Beschwerdeführer die Heilung des Mangels gemäß § 19 Abs. 8 NAG, weil er seinen Reisepass und Geburtsurkunde nicht vorlegen könne.

Der Beschwerdeführer legte seinem Antrag ein Konvolut an Unterlagen bei, u.a.: eine schriftliche Begründung seines Antrags durch seine Rechtsvertretung, Auszüge aus dem Zentralen Melderegister für den Beschwerdeführer, seine Ehefrau sowie die beiden gemeinsamen Kinder ( XXXX , geb. XXXX und XXXX , geb. XXXX ), ein Diplom für die bestandene Deutschprüfung auf dem Niveau A2, ein arbeitsrechtlicher Vorvertrag datiert mit 19.08.2014, zwei Anträge auf Beschäftigungsbewilligung an das AMS, eine Kopie des Reisepasses seiner Ehefrau, eine Heiratsurkunde sowie die Geburtsurkunden der Kinder.

3.2. Am 09.01.2015 wurde der Beschwerdeführer im Rahmen einer Verkehrskontrolle betreten und erneut wegen rechtswidrigen Aufenthalts im Bundesgebiet gem. § 120 Abs. 1a FPG angezeigt (GZ XXXX ).

3.3. Mit Urteil des XXXX vom XXXX wurde der Beschwerdeführer gemäß § 127 StGB (Diebstahl), §§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 1 StGB (schwere Körperverletzung) und § 105 Abs. 1 StGB (Nötigung) zu einer Freiheitsstrafe von 9 Monaten verurteilt. Mit Erkenntnis des Oberlandesgerichts XXXX vom XXXX wurde der Berufung nicht Folge gegeben und die Verurteilung rechtskräftig.

3.4. Mit Schreiben des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 23.09.2016 wurde der Beschwerdeführer vom Ergebnis der Beweisaufnahme verständigt und von der beabsichtigten Erlassung einer Rückkehrentscheidung iVm einem Einreiseverbot informiert. Dem Beschwerdeführer wurde die Möglichkeit einer Stellungnahme binnen 14 Tagen eingeräumt. Das Schreiben wurde der Rechtsvertretung des Beschwerdeführers nachweislich am 04.10.2016 zugestellt.

Mit Schreiben vom 17.10.2016 teilte die Rechtsvertretung des Beschwerdeführers mit, dass sie keinen Kontakt mehr zum Beschwerdeführer habe und daher das Vollmachtsverhältnis aufgelöst sei. Trotzdem erstattete die Rechtsvertretung eine kurze Stellungnahme und teilte mit, dass der Beschwerdeführer nun seit fast 10 Jahre in Österreich sei und ein intensives Familienleben führe. Er spreche Deutsch und sei im Falle der Erteilung eines Aufenthaltstitels jedenfalls selbsterhaltungsfähig.

Am 31.10.2016 wurde das Schreiben des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl dem Beschwerdeführer nachweislich persönlich zugestellt.

Am 11.11.2016 langte die Stellungnahme des Beschwerdeführers, datiert mit 10.11.2016 bei der belangten Behörde ein. Er gab im Wesentlichen an, sich seit seiner illegalen Einreise im Jahr 2007 durchgehend in Österreich aufzuhalten. Er habe in Tschetschenien die Pflichtschule absolviert, aber keinen Beruf erlernt. Seine Frau und ihre drei Kinder würden in einem gemeinsamen Haushalt wohnen. Der jüngste Sohn, XXXX , sei 6 Monate alt. Auch zwei seiner Schwestern würden in Österreich leben. Er selbst sei derzeit in der Justizanstalt XXXX in Haft und habe davor von Zuwendungen der Caritas und Sozialhilfe gelebt. Er wolle wegen seiner Familie in Österreich bleiben.

3.5. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 20.06.2017, Zl. 428876004-161189144, wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 29.08.2014 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen gem. § 55 AsylG abgewiesen und gemäß § 10 Abs. 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 3 FPG erlassen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde die Zulässigkeit der Abschiebung in die Russische Föderation gemäß § 46 FPG festgestellt (Spruchpunkt II.). Für die freiwillige Ausreise wurde eine Frist von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG (Spruchpunkt III.). Schließlich wurde gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG ein für die Dauer von 10 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt IV.).

Die belangte Behörde stellte im Wesentlichen fest, das der Beschwerdeführer starke familiäre Beziehungen im Bundesgebiet habe, weil seine Ehefrau und drei minderjährigen Kinder (alle Konventionsflüchtlinge) in Österreich leben würden. Der Beschwerdeführer sei russischer Staatsbürger und seine Identität stehe fest. Der Beschwerdeführer sei seit rechtskräftiger negativer Beendigung seiner Asylverfahren nicht mehr rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig und sei mehrfach straffällig geworden. Die Eltern des Beschwerdeführers würden noch im Heimatland leben, zwei seiner Schwestern seien jedoch in Österreich.

Zur Lage im Herkunftsstaat stellte die Behörde, im Rahmen der Beweiswürdigung, fest:

"1. Neueste Ereignisse – Integrierte Kurzinformationen

KI vom 19.3.2014 – Islamistenführer Doku Umarow diesmal wirklich tot? (betrifft Abschnitt 2 Politische Lage, Abschnitt 3 Sicherheitslage):

Russlands Staatsfeind Nummer Eins Doku Umarow (Kampfname Dokku Abu Usman), der selbsternannte Emir des Kaukasus Emirats, dürfte diesmal wirklich tot sein. In den letzten Jahren wurde häufig vermeldet, dass Umarow tot sein soll, was nie stimmte. Aufgrund der Tatsache, dass die rebellennahe Website Kavkaz Center, Umarows Tod vermeldete und auch gleich einen Nachfolger lieferte, scheint dieses Mal die Nachricht von seinem Tod doch mehr Substanz zu haben. Zu dessen Nachfolger wurde Scheich Ali Abu Muhammad (auch Ali Abu Muhammad al Dagestani) ernannt. Zum Zeitpunkt und den genauen Umständen von Umarows Tods wurden keine Angaben gemacht. Von offizieller Seite (Nationale Anti-Terror-Komitee) wurde die Meldung noch nicht bestätigt. (Standard 18.3.2014, Kurier 18.3.2014, Kavkaz Center 18.3.2014a).

Zur Person Scheich Ali Abu Muhammad al Dagestani:

Ali Abu Muhammad al Dagestani wurde von Doku Umarow 2010 zum obersten Qadi (islamischer Scharia-Richter) des Kaukasischen Emirats ernannt. Er folgte somit seinem Vorgänger Sayfullah, der 2010 von föderalen Truppen getötet wurde. Seit seiner Ernennung zum Qadi, blieb er der Öffentlichkeit fern. Er schaltete sich kurz nach seiner Ernennung bei der Entführung des Sohnes einer prominenten Persönlichkeit in Dagestan ein und dürfte – laut der rebellennahen Homepage Kavkaz Center – aufgrund seines Urteils, dass die Entführung nicht Scharia-konform sei, an der Freilassung des Sohnes beteiligt gewesen sein (Long War Journal 18.3.2014, Kavkaz Center 24.10.2010b).

Quellen:

-        Kavkaz Center (18.3.2014a): Caucasus Emirate's Emir Dokku Abu Usman martyred, Insha'Allah. Obituary, http://www.kavkazcenter.com/eng/content/2014/03/18/19017.shtml, Zugriff 19.3.2014

-        Kavkaz Center (24.10.2010b): Message from the supreme judge of the Caucasus Emirate, http://www.kavkazcenter.com/eng/content/2010/10/24/12807.shtml, Zugriff 19.3.2014

-        Kurier (18.3.2014): Kreml-Todfeind Doku Umarow ist tot, http://kurier.at/politik/ausland/kreml-todfeind-doku-umarow-ist-tot/56.547.370, Zugriff 19.3.2014

-        Long War Journal (18.3.2014): Ali Abu Muhammad al Dagestani, the new emir of the Islamic Caucasus Emirate, in: Threat Matrix – A Blog of the Long War Journal, http://www.longwarjournal.org/threat-matrix/archives/2014/03/ali_abu_muhammad_al_dagestani.php, Zugriff 19.3.2014

-        Standard (18.3.2014): Islamistenführer Umarow angeblich tot, http://derstandard.at/1395056962017/Islamistenfuehrer-Umarow-angeblich-tot, Zugriff 19.3.2014

Kommentar:

Da die Nachricht von Umarows Tod dieses Mal nicht wie sonst von offiziellen russischen bzw. tschetschenischen Stellen behauptet wurde, sondern auf der rebellennahen Homepage www.kavkazcenter.com veröffentlicht wurde, scheint die Nachricht diesmal glaubwürdiger zu sein.

Was genau dies für die Zukunft des Nordkaukasus bedeutet, ist unklar. Die Dschihadisten im Kaukasus haben schon mehrmals den Tod ihrer Anführer überstanden (vgl. Long War Journal 18.3.2014). Ein Ende der Gewalt scheint jedoch nicht sehr wahrscheinlich, es könnte kurz- bis mittelfristig sogar zu einer intensivierten Anschlagswelle kommen, um die Position des neuen Anführers zu bestätigen und zu festigen.

KI vom 11.7.2014 – Statement des neuen Emirs bez. Selbstmordattentate (betrifft Abschnitt Abschnitt 3 Sicherheitslage):

Der neue Emir des Kaukasus Emirats hat sich mit einer Reihe an neuen Initiativen an die Öffentlichkeit gewandt. In dem am 2.7.2014 geposteten Video spricht sich Emir Abu Muhammad unmissverständlich gegen Selbstmordattentate aus. Vor allem gegen Selbstmordattentate durchgeführt von Frauen sprach er sich noch dezidierter aus, außer im Falle, wenn eine Frau von Polizisten umzingelt sei und sie glaubt, verfolgt zu werden, wenn sie sich ergibt. In allen anderen Fällen verbot er ausdrücklich weibliche Selbstmordattentäter. Abu Muhammad wies darauf hin, dass diese Methode aus dem Ausland importiert wurde und im Nordkaukasus weder notwendig noch unerlässlich sei.

Des Weiteren sagte er, dass er keine Attacken gegen Zivilisten unterstütze, aber gleichzeitig merkte er an, dass Selbstmordattentate in der Russischen Föderation weitergehen könnten, aber nur gegen Ziele, die gegen den Widerstand arbeiteten. Er will alles tun, um zivile Opfer zu vermeiden. Darüber hinaus entschuldigte er sich bei der zivilen russischen Bevölkerung für alle Opfer der Selbstmordattentate.

Abu Muhammad äußerte sich auch in Bezug auf die Sufis im Allgemeinen, indem er klarstellte, dass Sufis nicht die Feinde des Widerstands sind. Jedoch machte er auch klar, dass jene Sufis, die Vertreter der offiziellen religiösen Behörden sind und gegen den Widerstand arbeiten, weiterhin attackiert werden (Jamestown 10.7.2014).

Quellen:

-        Jamestown Foundation (10.7.2014): New Caucasus Emirate Leader Takes Hard Line Stance Against Suicide Bombing, Eurasia Daily Monitor Volume 11 Issue 125, http://www.jamestown.org/single/?tx_ttnews%5Btt_news%5D=42606&tx_ttnews%5BbackPid%5D=228, Zugriff 11.7.2014

Kommentar:

Dass sich der neue Emir so dezidiert gegen Selbstmordattentate im Allgemeinen und von Frauen im Besonderen ausspricht ist doch bemerkenswert. Er argumentiert, dass diese Praxis nicht nur nutzlos ist, sondern zusätzlich ist sie der nordkaukasischen Kultur fremd. Solch ein Statement wurde seit der Errichtung des Emirats 2007 nicht mehr getätigt. Statt eines Moratoriums für Selbstmordattentate scheint es, als ob er dieses Thema vollständig von der Agenda entfernen will.

Ob alle Aufständischen seine Aussagen unwidersprochen hinnehmen werden bleibt dahingestellt (Jamestown 10.7.2014).

2.       Politische Lage

Administrativ und territorial gliedert sich die Russische Föderation in eine Vielzahl von Föderationssubjekten. Diesen stehen Gouverneure vor. Gouverneur von Tschetschenien ist Ramsam Kadyrow. Er gilt als willkürlich herrschend. Russlands Präsident Putin lässt ihn aber walten, da er Tschetschenien „ruhig“ hält. Tschetschenien wird überwiegend von Geldern der Zentralregierung finanziert. So erfolgte der Wiederaufbau von Tschetscheniens Hauptstadt Grosny vor allem mit Geldern aus Moskau (BAMF 10.2013).

Historisch verwurzelte Unabhängigkeitsbestrebungen führten in jüngster Geschichte zu zwei Kriegen mit dem föderalen Zentrum Russland. Der zweite Tschetschenienkrieg wurde offiziell im April 2009 für beendet erklärt. 2006 wurde Ramsan Kadyrow zum Premierminister, 2007 per Dekret zum Präsidenten der Republik Tschetschenien ernannt (BBC 24.5.2012, AA 3.2013). Im Februar 2011 wurde er von Präsident Medwedew für eine zweite fünfjährige Amtszeit zum Republiksoberhaupt ernannt und in der Folge vom tschetschenischen Parlament bestätigt (Jamestown 2.3.2011).

Die Macht von Ramsan Kadyrow ist in Tschetschenien unumstritten. Kadyrow versucht durch Förderung einer moderaten islamischen Identität einen gemeinsamen Nenner für die fragmentierte, tribalistische Bevölkerung zu schaffen. Politische Beobachter meinen, Ersatz für Kadyrow zu finden wäre sehr schwierig da er alle potentiellen Rivalen ausgeschaltet habe und über privilegierte Beziehungen zum Kreml und zu Präsident Putin verfüge (Asylländerbericht 9.2013).

2012 restrukturierte Kadyrow die tschetschenische Regierung, was zu vielen Entlassungen führte. Zudem vereinte er die Präsidentschafts- und Regierungsverwaltung, was die Verwaltung gegenüber der lokalen Regierung stärkte und dadurch die Macht Kadyrows weiter festigte. Zum Chef der Gemeinsamen Präsidentschafts- und Regierungsverwaltung wurde Kadyrows enger Vertrauter Magomed Daudov ernannt (RFE/RL 22.5.2012). Weiters entließ Ramsan Kadyrow den Bürgermeister von Grosny, und ernannte einen seiner Verwandten, Islam Kadyrow, als neuen Bürgermeister. Zuvor hatte das Republiksoberhaupt in mehreren Bezirken der Republik Umbesetzungen in der Führungsriege vorgenommen (RFE/RL 9.10.2012).

In Tschetschenien hat Kadyrow ein auf seine Person zugeschnittenes repressives Regime etabliert. Vertreter russischer und internationaler NGOs zeichnen ein insgesamt düsteres Lagebild. Gewalt und Menschenrechtsverletzungen bleiben dort an der Tagesordnung, es herrscht ein Klima der Angst und Einschüchterung (AA Bericht 10.6.2013).

Sowohl bei den gesamtrussischen Duma-Wahlen im Dezember 2011, als auch bei den Wahlen zum russischen Präsidenten im März 2012 lag die Wahlbeteiligung in Tschetschenien bei über 99%. Die Zustimmung für die Regierungspartei „Einiges Russland“ und für Präsidentschaftskandidat Wladimir Putin lag in der Republik ebenfalls bei jeweils über 99%. Bei beiden Wahlen war es zu Wahlfälschungsvorwürfen gekommen (Welt 5.3.2012, Ria Novosti 5.12.2012, vgl. auch ICG 6.9.2013).

Quellen:

-        AA – Auswärtiges Amt (3.2013): Übersicht, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/01-Nodes_Uebersichtsseiten/RussischeFoederation_node.html; Zugriff 24.10.2013

-        Auswärtiges Amt (10.6.2013): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation

-        BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (10.2013): Protokoll zum Workshop Russische Föderation/Tschetschenien am 21.-22.10.2013 in Nürnberg

-        BBC News (24.5.2012): Chechnya profile - Timeline, http://www.bbc.co.uk/news/world-europe-18190473; Zugriff 24.10.2013

-        ICG – International Crisis Group (6.9.2013): The North Caucasus: The Challenges of Integration (III), Governance, Elections, Rule of Law, http://www.ecoi.net/file_upload/1002_1379094096_the-north-caucasus-the-challenges-of-integration-iii-226-the-north-caucasus-the-challenges-of-integration-iii-governance-elections-rule-of-law.pdf; Zugriff 24.10.2013

-        The Jamestown Foundation (2.3.2011): Eurasia Daily Monitor -- Volume 8, Issue 42, Replacement of Karachaevo-Cherkessia’s President Highlights Kremlin Crisis in Appointment System, http://www.jamestown.org/programs/edm/single/?tx_ttnews%5Btt_news%5D=37584&tx_ttnews%5BbackPid%5D=512&no_cache=1; Zugriff 24.10.2013

-        The Jamestown Foundation (31.5.2012): Eurasia Daily Monitor -- Volume 9, Issue 103, Russia Errs Again in Trying to Resolve the North Caucasus Insurgency Problem, http://www.jamestown.org/programs/edm/single/?tx_ttnews%5Btt_news%5D=39436&tx_ttnews%5BbackPid%5D=587&no_cache=1; Zugriff 24.10.2013

-        The Jamestown Foundation: Eurasia Daily Monitor -- Volume 9, Issue 113, A Cold Wind Blows from Moscow to Chechnya, http://www.jamestown.org/programs/edm/single/?tx_ttnews%5Btt_news%5D=39496&tx_ttnews%5BbackPid%5D=587&no_cache=1; Zugriff 24.10.2013

-        ÖB Moskau (9.2013): Asylländerbericht Russische Föderation

-        RFE/RL (22.5.2012): Chechen Leader Restructures His Government, http://www.rferl.org/content/chechen-leader-restrucures-government/24588951.html; Zugriff 24.10.2013

-        RFE/RL (9.10.2012): Chechen Leader Replaces Grozny Mayor, http://www.rferl.org/content/chechen-leader-replaces-grozny-mayor/24733562.html; Zugriff 24.10.2013

-        Ria Novosti (5.12.2012): United Russia gets over 99 percent of votes in Chechnya, http://en.rian.ru/society/20111205/169358392.html; Zugriff 24.10.2013

-        Die Welt (5.3.2012): In Tschetschenien stimmen 99,76 Prozent für Putin, http://www.welt.de/politik/ausland/article13903750/In-Tschetschenien-stimmen-99-76-Prozent-fuer-Putin.html; Zugriff 24.10.2013

2.1.    Nordkaukasus

Mit der Schaffung des „Nord-Kaukasus Distrikts“, der Annahme eines umfangreichen Programmes für die sozioökonomische Entwicklung und der Betrauung von Wirtschaftsfachleuten mit hohen politischen Funktionen in der Region verfolgt Moskau seit Anfang 2010 einen neuen, umfassenderen Ansatz zur Stabilisierung der nordkaukasischen Republiken. Anstatt den Fokus auf Sicherheitsaspekte im engeren Sinn zu legen und die nordkaukasischen Republiken durch Transferzahlungen in finanzieller Abhängigkeit zu halten, gehen die geplanten Maßnahmen in Richtung einer strukturellen und nachhaltigeren Konsolidierung. Der damalige Premierminister Putin hat am 6. September 2010 eine Strategie zur Entwicklung des Nordkaukasus bis 2025 signiert. Die Strategie kombiniert föderale Programme und private Geschäftsprojekte und soll bis zu 400.000 Arbeitsplätze schaffen. Im Wirtschaftsbereich sollen vor allem die Bau-, die Energie-, die Agrar- und die Tourismusbranche gefördert werden. Insgesamt wurden Projekte mit dem Gesamtwert von 600 Mrd. Rubel (ca. 15 Mrd. Euro) gebilligt. Als Teil dieses Programmes wurden im Rahmen einer Sitzung der Kommission für sozio-ökonomische Entwicklung im Nordkaukasus Anfang Mai 2011 von der russ. Regierung 30 vorrangige Investitionsprojekte für die Region ausgewählt. Für diese sollen 145 Mrd. Rubel (3,5 Mrd. Euro) zur Verfügung gestellt werden (Asylländerbericht 9.2013, vgl. auch BPB 14.11.2011).

Als Konkurrenzzone vieler politischer Kräfte, die ihre Positionen im Bereich des Schwarzen und Kaspischen Meeres zu festigen suchen, ist der Nord-Kaukasus eine für Russland wichtige Region.

Seit einiger Zeit gibt es im Nord-Kaukasus positive Entwicklungen:

??die Einsicht über die Notwendigkeit einer Strategie zur Lösung vieler örtlicher Probleme

??die Abnahme der Zahl zwischenethnischer Konflikte

??die Stabilisierung sozio-ökonomischer Bedingungen (IOM 6.2013)

Dennoch bleibt die Situation im Nordkaukasus in bestimmten Gebieten angespannt. Dies ist auf eine Kombination unterschiedlicher Faktoren zurückzuführen: niedriger Grad wirtschaftlicher Entwicklung, verlorenes Vertrauen in die Politik Moskaus sowie ethnische Rivalitäten. Hinzu kommen noch regional spezifische Strukturen und Probleme.

Im Nordkaukasus herrscht ein kompliziertes Beziehungsgeflecht zwischen russischen Truppen, kremltreuen lokalen Einheiten, islamistischen Rebellen und kriminellen Banden. Russische Menschenrechtler beklagen, dass die Staatsmacht im Nordkaukasus schwach ist und alle möglichen Gruppierungen in dieses Vakuum vorstoßen (Asylländerbericht 9.2013, vgl. auch BPB 14.11.2011).

Quellen:

-        Bundeszentrale für politische Bildung (14.11.2011): Nordkaukasus, http://www.bpb.de/internationales/weltweit/innerstaatliche-konflikte/54672/nordkaukasus; Zugriff 29.10.2013

-        IOM – International Organisation of Migration (6.2013): Länderinformationsblatt Russische Föderation

-        ÖB Moskau (9.2013): Asylländerbericht Russische Föderation

3.       Sicherheitslage

In Tschetschenien existiert noch immer eine islamistische Untergrundbewegung. Deren Mitglieder werden als „Wäldler“ bezeichnet, da sie in den ausgedehnten und dichten Wäldern des Landes ihre Verstecke haben. Ihre Anzahl ist unbekannt. Sie sind jedoch zu effektiven Anschlägen, die meist als Selbstmordattentate erfolgen, fähig. Ziel der Islamisten ist die Errichtung eines „Kaukasischen Emirats“ im Nordkaukasus. Ihr Anführer ist Doku Umarov, der selbsternannte „Oberste Emir“ des Nordkaukasus. Die Städte gelten gegenwärtig als sicher vor Anschlägen durch die islamistischen Rebellen. Am gefährlichsten sind die Waldgebiete, insbesondere die Gebiete in den hohen Bergen an der Grenze zu Georgien sowie die Grenzgebiete zu Dagestan. (BAMF 10.2013).

Die Gewalt im Nordkaukasus, angefacht von Separatismus, interethnischen Konflikten, dschihadistischen Bewegungen, Blutfehden, Kriminalität und Exzessen durch Sicherheitskräfte geht weiter, jedoch fiel das Gewaltlevel im Nordkaukasus allgemein 2012 um 10% verglichen mit dem Vorjahr. Die Gewalt in Tschetschenien ging 2012 stark zurück (US DOS 19.4.2013). Andere kaukasische Teilrepubliken haben Tschetschenien bei der Zahl der registrierten Gewaltvorfälle überholt. 2012 gab es im Nordkaukasus insgesamt 700 kampfbedingte Todesopfer, davon mehr als die Hälfte in Dagestan, der größten kaukasischen Teilrepublik Russlands. Dort wurden knapp 300 Verbrechen verzeichnet, die mit Terrorismus im Zusammenhang standen, im restlichen Nordkaukasus 180 (Tagesspiegel 26.4.2013).

Für die ersten neun Monate des Jahres 2013 berichtet Caucasian Knot 87 getötete Soldaten, 68 getöteten Zivilisten und 220 getöteten Rebellen im Nordkaukasus [Anm. nicht Tschetschenien allein]. Von staatlicher Seite wurde verlautbart, dass in den ersten neun Monaten des Jahres 2013 Straftaten, die mit Extremismus in Zusammenhang stehen im Nordkaukasus um 40% im Vergleich zum Vorjahreszeitraum stiegen, jedoch terroristische Angriffe im selben Zeitraum um 10% sanken (Jamestown 10/217 4.12.2013).

Im Sicherheitsbereich ist gegenwärtig ein Trend zu beobachten, der auf eine Stabilisierung Tschetscheniens bei gleichzeitiger Verschlechterung der Lage in Dagestan hinausläuft. In manchen Regionen konstatieren Beobachter auch ein Übergreifen der Gewalt auf bisher ruhige Gebiete.

Einschätzungen zur zahlenmäßigen Stärke der Rebellen divergieren stark. In Tschetschenien ist es seit Jahresbeginn 2010 zu einem spürbaren Rückgang von Rebellen-Aktivitäten gekommen. Diese werden durch Anti-Terror Operationen in den Gebirgsregionen massiv unter Druck gesetzt (teilweise bewirkte dies ein Ausweichen der Kämpfer in die Nachbarrepubliken Dagestan und Inguschetien) (Asylländerbericht 9.2013).

Quellen:

-        BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (10.2013): Protokoll zum Workshop Russische Föderation/Tschetschenien am 21.-22.10.2013 in Nürnberg

-        Jamestown Foundation (4.12.2013): Eurasia Daily Monitor Volume 10 Issue 217. North Caucasus Prosecutor’s Office Reports Rise in Extremism-Related Crimes

-        ÖB Moskau (9.2013): Asylländerbericht Russische Föderation

-        Tagesspiegel. Uwe Halbach (26.4.2013): Tschetschenien im Fokus, http://www.tagesspiegel.de/meinung/andere-meinung/nach-den-anschlaegen-von-boston-tschetschenien-im-fokus/8130872.html; Zugriff 24.10.2013

-        U.S. Department of State (19.4.2013): Country Report on Human Rights Practices for 2012 – Russia, http://www.ecoi.net/local_link/245202/368649_de.html; Zugriff 24.10.2013

4.       Rechtsschutz/Justizwesen

Straffreiheit für Menschenrechtsverletzungen wird weiterhin gewährt, trotz der rund 200 diesbezüglichen Entscheidungen des EGMR. Diese Verletzungen beziehen sich auf ungerechtfertigte Gewaltanwendung, rechtswidrige Inhaftierungen, Verschwindenlassen, Folter und Misshandlungen, die Unterlassung effektiver Untersuchungen dieser Verbrechen und das Fehlen eines effektiven Rechtmittels, Versagen in der Zusammenarbeit mit dem Gerichtshof und unrechtmäßige Durchsuchungen, Festnahmen und Zerstörung von Eigentum (CoE 12.11.2013). Russland zahlt den Opfern zwar die vorgeschriebene finanzielle Kompensation, versäumt es aber, effektivere Untersuchungen durchzuführen und die Täter zur Verantwortung zu ziehen (HRW 31.1.2013).

Die strafrechtliche Verfolgung der Menschenrechtsverletzungen ist in Tschetschenien völlig unzureichend. Tendenzen zur Einführung von Scharia-Recht sowie die Diskriminierung von Frauen haben in den letzten Jahren zugenommen (AA 10.6.2013).

Grundsätzlich können Personen, die den Widerstand in Tschetschenien unterstützen – sei es mit Lebensmitteln, Kleidung oder Unterschlupf für Rebellen oder sei es durch Waffen – in der Russischen Föderation strafrechtlich verfolgt werden. Es kommt regelmäßig zu Verhaftungen aufgrund von Hilfeleistung an die Rebellen. Ob Personen, die unter diesem Vorwurf vor Gericht gestellt werden mit einem fairen Verfahren rechnen können ist aufgrund der im Justizbereich verbreiteten Korruption und der bekannten Einflussnahme der Exekutive auf richterliche Entscheidungen fraglich. Das Strafmaß beträgt 8 bis 20 Jahre Freiheitsentzug (BAA/Staatendokumentation 20.4.2011).

Quellen:

-        Auswärtiges Amt (10.6.2013): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation

-        BAA/Staatendokumentation (20.4.2011): Analyse der Staatendokumentation - Russische Föderation - Unterstützer und Familienmitglieder (mutmaßlicher) Widerstandskämpfer in Tschetschenien

-        CoE-Commissioner for Human Rights (12.11.2013): Report by Nils Muižnieks Commissioner for Human Rights of the Council of Europe Following his visit to the Russian Federation from 3 to 12 April 2013, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1384353253_com-instranetrf.pdf; Zugriff 9.12.2013

-        HRW – Human Rights Watch (31.1.2013): World Report 2013 – Russia, http://www.ecoi.net/local_link/237036/359908_de.html; Zugriff 9.12.2013

5.       Sicherheitsbehörden

In Tschetschenien sind sowohl föderale russische als auch lokale tschetschenische Sicherheitskräfte tätig. Letztere werden oft zusammenfassend als Kadyrowzy bezeichnet, nicht zuletzt, da in der Praxis fast alle tschetschenischen Sicherheitskräfte unter der Kontrolle Ramsan Kadyrows stehen dürften. Die tschetschenischen Sicherheitskräfte bestehen aus einem „relativ undurchsichtigen Geflecht von verschiedenen Einheiten“, wie in einer Analyse der Staatendokumentation festgehalten wurde. Davon konnte man sich während des Forschungsaufenthalts überzeugen: Die zahlreichen in den Straßen der Hauptstadt Grosny zu sehenden Sicherheitskräfte tragen eine Vielzahl an verschiedenen Uniformen. Viele bewaffnete Männer in schwarzer oder Camouflage-Kleidung tragen keinerlei Abzeichen, die erkennen lassen würden, ob oder zu welcher polizeilichen oder militärischen Einheit sie gehören. Vereinzelt sieht man in den Straßen Grosnys auch Männer in Zivil, die eine Handfeuerwaffe im Gürtel tragen (FoA 12.2011). Die im Nordkaukasus agierenden Sicherheitskräfte sind in der Regel maskiert (BAMF 10.2013). Tschetschenische Kommandoeinheiten werden von russischen Eliteeinheiten wie z.B. ALFA (eine spezielle Eliteeinheit des FSB) für den Einsatz in bergigen Gebieten und Wäldern trainiert. Das Trainingslager für tschetschenische Spezialeinheiten befindet sich im Dorf Tsenteroi im Kurchaloi Distrikt. Aus dem Bericht der Jamestown Foundation geht hervor, dass der Major und seine Auszubildenden nicht-russische khakifarbene Uniform ohne jegliches Abzeichen einer bestimmten Behörde trugen (Jamestown 10/219 6.12.2013).

Das Vorgehen der Sicherheitskräfte führt nach wie vor häufig zu Menschenrechtsverletzungen. Bewaffnete Gruppen überfielen erneut Angehörige der Sicherheitskräfte, örtliche Staatsbedienstete und Zivilpersonen. Angriffe bewaffneter Gruppen wurden aus dem gesamten Nordkaukasus gemeldet. Im gesamten Nordkaukasus gab es 2012 weiterhin regelmäßig Sicherheitseinsätze der Polizeikräfte. Dabei kam es Berichten zufolge häufig zu Menschenrechtsverletzungen wie Verschwindenlassen, rechtswidriger Inhaftierung, Folter und anderen Misshandlungen sowie außergerichtlichen Hinrichtungen.

Die Behörden verstießen systematisch gegen ihre Verpflichtung, bei Menschenrechtsverletzungen durch Polizeikräfte umgehend unparteiische und wirksame Ermittlungen einzuleiten, die Verantwortlichen zu identifizieren und sie vor Gericht zu stellen. In einigen Fällen wurden zwar Strafverfolgungsmaßnahmen ergriffen, meistens konnte im Zuge der Ermittlungen jedoch entweder kein Täter identifiziert werden oder es fanden sich keine Beweise für die Beteiligung von Staatsbediensteten oder man kam zu dem Schluss, es habe sich um keinen Verstoß seitens der Polizeikräfte gehandelt. Nur in Ausnahmefällen wurden Strafverfolgungsmaßnahmen gegen Polizeibeamte wegen Amtsmissbrauchs im Zusammenhang mit Folter- und Misshandlungsvorwürfen ergriffen. Kein einziger Fall von Verschwindenlassen oder außergerichtlicher Hinrichtung wurde aufgeklärt und kein mutmaßlicher Täter aus den Reihen der Ordnungskräfte vor Gericht gestellt (AI 23.5.2013).

Quellen:

-        AI – Amnesty International (23.5.2013): Amnesty International Report 2013 - Zur weltweiten Lage der Menschenrechte - Russian Federation, http://www.ecoi.net/local_link/248036/374230_de.html; Zugriff 9.12.2013

-        BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (10.2013): Protokoll zum Workshop Russische Föderation/Tschetschenien am 21.-22.10.2013 in Nürnberg

-        FoA – Forschungsaufenthalt der Staatendokumentation (12.2011): Bericht zum Forschungsaufenthalt Russische Föderation – Republik Tschetschenien

-        Jamestown Foundation (6.12.2013): Eurasia Daily Monitor Volume 10 Issue 219. Training of Chechen special forces causes controversy in Moscow

6.       Folter und unmenschliche Behandlung

Im gesamten Nordkaukasus gab es 2012 weiterhin regelmäßig Sicherheitseinsätze der Polizeikräfte. Dabei kam es Berichten zufolge häufig zu Menschenrechtsverletzungen wie Verschwindenlassen, rechtswidriger Inhaftierung, Folter und anderen Misshandlungen sowie außergerichtlichen Hinrichtungen (AI 23.5.2013, vgl. auch Asylländerbericht 9.2013).

Im Einklang mit der EMRK sind Folter sowie unmenschliche oder erniedrigende Behandlung und Strafen in Russland gesetzlich verboten. Ein Drittel der beim Ombudsmann für Menschenrechte eingehenden Beschwerden bezieht sich dennoch auf polizeiliche Gewalt bzw. Willkür gegenüber Verdächtigen. Exekutivpersonal greift manchmal auf Misshandlungs- und Folterpraktiken zurück, um Geständnisse zu erzwingen. Der Umstand, dass russische Gerichte ihre Verurteilungen oft nur auf Geständnissen der Beschuldigten aufbauen, scheint in vielen Fällen Grund für Misshandlungen in Untersuchungsgefängnissen zu sein. Foltervorwürfe gegen Exekutivbeamte werden oft nicht untersucht. Besonders oft wird Folter offenbar im Nordkaukasus angewendet (Asylländerbericht 9.2013).

Besonders Anhänger des Salafismus sind anfällig für Verfolgung wie Verschwindenlassen, Folter und außergerichtliche Tötungen (HRW 31.1.2013)

Quellen:

-        AI – Amnesty International (23.5.2013): Amnesty International Report 2013 - Zur weltweiten Lage der Menschenrechte - Russian Federation, http://www.ecoi.net/local_link/248036/374230_de.html; Zugriff 11.12.2013

-        HRW – Human Rights Watch (31.1.2013): Human Rights Watch: World Report 2013 – Russia, http://www.ecoi.net/local_link/237036/359908_de.html; Zugriff 11.12.2013

-        ÖB Moskau (9.2013): Asylländerbericht Russische Föderation

7.       Korruption

Es herrscht eine hohe Korruption in der tschetschenischen Gesellschaft. Das Kadyrow-Regime will aus der Bevölkerung möglichst viel Geld herauspressen. So sind beispielweise öffentliche Arbeitsplätze regelmäßig nur gegen vorherige Geldzahlungen zu erhalten. Diese erfolgen beispielsweise in den „Ahmad-Kadyrow-Fonds“, den Ramsan Kadyrows Mutter leitet. Eine Beamtenstelle bei der Stadt Grosny koste ein Jahresgehalt; eine Stelle als Verkehrspolizist sei am teuersten, da sich in dieser Position viel Geld von Verkehrsteilnehmern erpressen lasse. Um eine an sich kostenfreie medizinische Behandlung zu erhalten, muss grundsätzlich ein Geldbetrag an den Arzt bezahlt werden (BAMF 10.2013, vgl. auch CACI 30.10.2013).

Quellen:

-        BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (10.2013): Protokoll zum Workshop Russische Föderation/Tschetschenien am 21.-22.10.2013 in Nürnberg

-        CACI Analyst – Central Asia-Caucasus Institute (30.10.2013): Ignoring All the Problems Involved, Kadyrov's Chechnya Bets on Tourism, http://www.cacianalyst.org/publications/analytical-articles/item/12845-ignoring-all-the-problems-involved-kadyrovs-chechnya-bets-on-tourism.html; Zugriff 11.12.2013

8.       Nichtregierungsorganisationen (NGOs)

Die Nichtregierungsorganisation Vesta bietet kostenlose qualifizierte Rechtsberatung in den folgenden Bereichen: Rechtsberatung bezüglich ziviler und juristischer Angelegenheiten, Vorbereitung von Anträgen und Anfragen, Ausstellung von Urkunden und Petitionen für die Gerichtshilfe, Einlegung von Berufung bei Verwaltungs- und Strafverfolgungsinstitutionen. Die Menschenrechtsorganisation Memorial bietet Rechtshilfe und befasst sich mit Wohnraumproblemen von Rückkehrern und Zwangsumgesiedelten in Grosny (BAMF/IOM 16.5.2012).

Der deutsche eingetragene Verein AMICA betätigt sich unter anderem auch in Tschetschenien. Hierzu gibt es zwei Projektpartner vor Ort namens Zhenskoe Dostoinstvo bzw. Zhenshchiny za razvitie und Sintem in Grosny.

Der Verein AMICA befähigt Frauenorganisationen in Nachkriegs- und Krisenregionen dazu, nachhaltige Strukturen zur Unterstützung von Frauen, die Opfer von Gewalt wurden, aufzubauen. Dazu gehört:

?        psychosoziale Arbeit mit Traumatisierten

?        medizinische Versorgung

?        Rechtsberatung

?        Begegnungen zwischen ethnischen Gruppen

?        berufliche Qualifizierung

?        Maßnahmen zur Existenzsicherung

?        Aufklärungsprogramme für Mädchen

?        Öffentlichkeitsarbeit und Lobbying zu Frauenrechten und der Situation von Frauen in Kriegs- und Krisenregionen

?        Stärkung der Rolle von Frauen in Nachkriegsregionen

?        Teilhabe an politischen Entscheidungsprozessen (AMICA o.D.)

Quellen:

-        AMICA e.V. (o.D.): Wir über uns, http://www.amica-ev.org/de/ueber-amica-e.v; Zugriff 11.12.2013

-        AMICA e.V. (o.D.): Chronik von AMICA e.V., http://www.amica-ev.org/de/ueber-amica-e.v/chronik-von-amica-e.v; Zugriff 11.12.2013

-        BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge und IOM – International Organisation of Migration (16.5.2012): IOM Individualanfrage ZC96

9.       Ombudsmann

Der Berichterstatter der Parlamentarischen Versammlung des Europarates bezweifelt ernsthaft, ob der tschetschenische Ombudsmann seine Rolle als unabhängige Institution zum Schutz der Menschenrechte in der Republik versteht (CoE-PACE 5.3.2012).

Quellen:

-        CoE-PACE – Council of Europe-Parliamentary Assembly (5.3.2012): The situation of IDPs and returnees in the North Caucasus region, http://www.ecoi.net/file_upload/1788_1331036948_edoc12882.pdf; Zugriff 9.12.2013

10.      Wehrdienst

Aus Tschetschenien werden ca. seit Beginn der neunziger Jahre keine Wehrpflichtigen mehr in die russische Armee aufgenommen. Einberufungen finden zwar statt, beschränken sich aber auf Registrierung der tschetschenischen Wehrpflichtigen und Tauglichkeitsuntersuchungen. Aus dem Kontingent der Wehrpflichtigen werden jedoch offenbar regelmäßig Freiwillige ausgewählt und auf Vertragsbasis in Verbände der Armee in Tschetschenien aufgenommen. Grundsätzlich gilt, dass russische Wehrpflichtige in Tschetschenien nicht eingesetzt werden sollen, sondern nur Freiwillige (AA Bericht 7.3.2011).

Seit 1991 sind aus Tschetschenien keine Wehrpflichtigen zum Dienst in Russland mehr einberufen worden. Erst Anfang 2000 wurden 15 tschetschenische Sportler, die aus dem Lager der moskautreuen Regierung in Grosny stammten, in eine Moskauer Truppeneinheit einberufen. Nach heftigen Zusammenstößen mit anderen Wehrpflichtigen und Offizieren wurde das Experiment schnell beendet. Ein Versuch, im Jahre 2007 Tschetschenen zum Wehrdienst in Russland einzuberufen, scheiterte an heftigen Protesten in Grosny. Seit 2001 haben daher nur wenige Wehrpflichtige ihren Dienst in zwei rein tschetschenischen Bataillonen abgeleistet, die gegen die Untergrundgruppen eingesetzt wurden. Diese Bataillone sind inzwischen aufgelöst (Russland Aktuell 22.7.2011).

Quellen:

-        Auswärtiges Amt (7.3.2011): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation

-        Russland Aktuell (22.7.2011): Kapitulation: Wehrpflicht gilt nicht für Tschetschenien, http://www.aktuell.ru/russland/panorama/kapitulation_wehrpflicht_gilt_nicht_fuer_tschetschenien_3342.html; Zugriff 24.10.2013

11.      Allgemeine Menschenrechtslage

In Teilen des Nordkaukasus kommt es weiterhin zu Entführungen, illegalen Festnahmen und Folter von Verdächtigen. Menschenrechtsverletzungen werden in den seltensten Fällen strafrechtlich verfolgt. Mehrere Opponenten und Kritiker des Oberhauptes Tschetscheniens, Ramsan Kadyrow, wurden in Tschetschenien und anderen Gebieten der Russischen Föderation, aber auch im Ausland, durch Auftragsmörder getötet (darunter Umar Israilow in Wien im Jänner 2009). Keiner dieser Mordfälle konnte bislang vollständig aufgeklärt werden.

Seit 2002 sind in Tschetschenien über 2.000 Personen entführt worden, von denen über die Hälfte bis zum heutigen Tage verschwunden bleibt. Auch heute noch wird von Fällen illegaler Festnahmen und Folter von Verdächtigen berichtet. Menschenrechtsverletzungen durch föderale oder tschetschenische Sicherheitskräfte werden in den seltensten Fällen strafrechtlich verfolgt (Asylländerbericht 9.2013).

Die Rechtsstaatlichkeit ist besonders im Nordkaukasus mangelhaft, wo der Konflikt zwischen Regierungskräften, Aufständischen, islamistischen Militanten und kriminellen Kräften zu zahlreichen Menschenrechtsverletzungen, wie außergerichtlichen Tötungen, Folter, körperlichem Missbrauch und politisch motivierten Entführungen führte (US DOS 19.4.2013, vgl. auch FCO 4.2013, CoE 5.3.2012).

Familien sehen sich weiterhin Vergeltungsmaßnahmen für angebliche Vergehen von Familienmitgliedern gegenüber. Kadyrow führte seine Anti-Widerstandsstrategie der kollektiven Bestrafung gegen Familienmitglieder von verdächtigen Aufständischen weiter, einschließlich des Anzündens ihrer Häuser.

Menschenrechtsgruppen beschwerten sich, dass Sicherheitskräfte unter dem Kommando Kadyrows eine bedeutende Rolle bei Entführungen spielten, entweder auf eigene Initiative oder in gemeinsamen Operationen mit föderalen Kräften. Darunter fielen Entführungen von Familienmitgliedern von Rebellenkommandanten und –kämpfern (US DOS 19.4.2013, vgl. auch FCO 4.2013).

Der relative Erfolg des tschetschenischen Präsidenten Ramsan Kadyrow bei der Unterdrückung größerer Rebellenaktivitäten in seinem Einflussbereich wird begleitet von zahlreichen Berichten über außergerichtliche Hinrichtungen und Kollektivbestrafungen (FH 1.2013, vgl. auch AI 23.5.2013).

Auch 2012 gab es Berichte über die Schikanierung von Menschenrechtsverteidigern im Nordkaukasus und in anderen Regionen. Engagierte Bürger, Journalisten und Rechtsanwälte, die Opfer von Menschenrechtsverletzungen vertraten, mussten mit tätlichen Angriffen u.a. durch Polizeibeamte rechnen (AI 23.5.2013).

Vertreter russischer und internationaler NGOs zeichnen ein insgesamt düsteres Lagebild. Gewalt und Menschenrechtsverletzungen bleiben an der Tagesordnung, es herrscht ein Klima der Angst und Einschüchterung. Die strafrechtliche Verfolgung der Menschenrechtsverletzungen ist völlig unzureichend (AA Bericht 6.7.2012).

Quellen:

-        AI – Amnesty International (23.5.2013): Amnesty International Report 2013 - Zur weltweiten Lage der Menschenrechte - Russian Federation, http://www.ecoi.net/local_link/248036/374230_de.html; Zugriff 24.10.2013

-        Auswärtiges Amt (6.7.2012): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation

-        CoE – Council of Europe - Parliamentary Assembly (5.3.2012): The situation of IDPs and returnees in the North Caucasus region, http://www.ecoi.net/file_upload/1788_1331036948_edoc12882.pdf; Zugriff 24.10.2013

-        FCO - UK Foreign and Commonwealth Office (4.2013): Human Rights and Democracy: The 2012 Foreign & Commonwealth Office Report - Section IX: Human Rights in Countries of Concern – Russia, http://www.ecoi.net/local_link/244445/367865_de.html; Zugriff 24.10.2013

-        FH – Freedom House (1.2013): Freedom in the World 2013 – Russia, http://www.ecoi.net/local_link/235703/358530_de.html; Zugriff 24.10.2013

-        ÖB Moskau (9.2013): Asylländerbericht Russische Föderation

-        U.S. Department of State (19.4.2013): Country Report on Human Rights Practices for 2012 – Russia, http://www.ecoi.net/local_link/245202/368649_de.html; Zugriff 24.10.2013

11.1.   Unterstützung der Rebellen

 

Es kann von niemandem mit Sicherheit gesagt werden, wie viele Rebellen heutzutage in Tschetschenien aktiv sind. Rekrutierung findet konstant statt. Rebellen und jene die aktive Rebellen unterstützen sind Hauptziel der tschetschenischen Behörden, während ehemalige tschetschenische Rebellen für die Behörden von geringerem Interesse sein dürften. Aktive Rebellen werden für gewöhnlich während Sonderoperationen getötet, während Unterstützer festgenommen werden. Bei der Befragung von Personen, die der Zusammenarbeit mit Rebellen bezichtigt werden, soll es zu Folter kommen. In einer Reihe von Fällen wurden Personen für verschiedenartige Unterstützung der Rebellen zu Haftstrafen verurteilt (Landinfo 26.10.2012).

Die Verfolgung von Familienmitgliedern und Unterstützern von Widerstandskämpfern ist in der Russischen Föderation eine der Maßnahmen im Kampf gegen den Terrorismus im Nordkaukasus.

In deutsch- und englischsprachigen Medien und Berichten von russischen und anderen Menschenrechts- und Nichtregierungsorganisationen finden sich keine Hinweise, dass in den letzten Jahren oder derzeitig, Personen, die den Widerstand in den Jahren vor der letzten offiziellen Amnestie 2006 unterstützt oder selbst gekämpft und eine Amnestie in Anspruch genommen haben, oder die mit einer solchen Person verwandt sind, nunmehr allein deshalb verfolgt würden. Betroffen sind hauptsächlich Unterstützer und Familienmitglieder gegenwärtig aktiver Widerstandskämpfer. Um unbehelligt leben zu können müssen sich amnestierte Kämpfer und Unterstützer und deren Familien Ramsan Kadyrow gegenüber sicherlich weiterhin loyal zeigen. Ein Austritt aus den lokalen Sicherheitskräften, in denen viele der Amnestierten nunmehr arbeiten (müssen) wird nur bedingt möglich sein.

Obwohl eine strafrechtliche Verfolgung von Unterstützern des Widerstandskampfes möglich ist, greifen die tschetschenischen Sicherheitskräfte in ihrem Kampf gegen den Terrorismus weiterhin auf Mittel ohne rechtliche Grundlage zurück. Einerseits gibt es vereinzelte Berichte, dass Unterstützer ohne jegliches Verfahren für ihre vermeintliche Hilfeleistung „bestraft“ werden. Andererseits finden sich zahlreiche Berichte über Formen der Kollektivbestrafung von Familienmitgliedern (mutmaßlicher) Widerstandskämpfer. Betroffen sind vorwiegend der engere Familienkreis, also Eltern, Onkel, Cousins und Ehefrauen. Die tschetschenischen Behörden gehen aufgrund der traditionell sehr engen Familienbande davon aus, dass Familien ihre im Wald lebenden Angehörigen unterstützen, vor allem aber davon, dass diese Familien im Stande sind ihre Angehörigen zu einer Rückkehr aus dem Wald zu bewegen. Die Verfolgung beginnt mit dem Einsatz von Druckmitteln wie der Streichung von Sozialbeihilfen, und führt bis zum Niederbrennen der Wohnhäuser der betroffenen Familien. Offizielle Beschwerden oder Anzeigen hiergegen sind kaum möglich (BAA Staatendokumentation 20.4.2011).

Quellen:

-        BAA Staatendokumentation (20.4.2011): Analyse der Staatendokumentation - Russische Föderation - Unterstützer und Familienmitglieder (mutmaßlicher) Widerstandskämpfer in Tschetschenien

-        Landinfo (26.10.2012): Tsjetsjenia: Tsjetsjenske myndigheters reaksjoner mot opprørere og personer som bistår opprørere, http://www.landinfo.no/asset/2200/1/2200_1.pdf; Zugriff 24.10.2013

12.      Meinungs- und Pressefreiheit

Für vor Ort arbeitende Medien und Journalisten, die über dortige Vorkommnisse berichten wollen, ist die Arbeit in Tschetschenien eine große Herausforderung.

Reporter ohne Grenzen setzten Ramsan Kadyrow auf ihre Liste der „Feinde der Pressefreiheit“. Nach einem Erkundungsbesuch 2011 berichtete die Organisation, dass Selbstzensur bei den traumatisierten und eingeschüchterten Medien verbreitet sei und durch ein Klima völliger Straffreiheit verstärkt wird.

Fernsehen ist die verbreitetste Nachrichtenquelle, fast jeder Haushalt hat einen Fernseher. Russische Sender sind weitgehend verfügbar. Der Sender Grozny TV strahlt unter dem Schirm der ChGTRK (Chechen Republic State TV and Radio Broadcasting Company)

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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