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30 Finanzverfassung, FinanzausgleichNorm
B-VG Art137 / Klage zw GebietskLeitsatz
Zwischenerkenntnis über die zulässige Klage der Stadt Dornbirn gegen den Bund auf Gewährung von Zuschüssen nach dem FAG 1989 bzw Finanzzuweisungen nach dem FAG 1993 zur Förderung von öffentlichen Personennahverkehrsunternehmen; Bestehen des Anspruches dem Grunde nach zu RechtSpruch
Der Anspruch besteht dem Grunde nach zu Recht.
Die Entscheidung über die Prozeßkosten bleibt dem Enderkenntnis vorbehalten.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Dem (für die Jahre 1989 bis 1992 geltenden) Finanzausgleichsgesetz 1989 - FAG 1989, BGBl. 687/1988, und dem (zunächst für die Jahre 1993 bis 1995 geltenden) Finanzausgleichsgesetz 1993 - FAG 1993, BGBl. 30/1993, idF BGBl. 959/1993, zufolge gewährt der Bund den Gemeinden zur Förderung von öffentlichen Personennahverkehrsunternehmen Zuschüsse und Finanzzuweisungen (§§12 und 13 F-VG 1948).
Die einschlägigen Bestimmungen lauten:
a) FAG 1989
"Zuschüsse
§22. (1) Der Bund gewährt den Ländern und Gemeinden die nachstehenden Zweckzuschüsse, wenn die empfangenden Gebietskörperschaften eine Grundleistung mindestens in der Höhe des Zweckzuschusses erbringen:
1. ... ;
3. den Gemeinden zur Förderung von öffentlichen Personennahverkehrsunternehmen im Ausmaß von insgesamt 140 Millionen Schilling jährlich. Dieser Zweckzuschuß kommt zu 55 vH Wien als Gemeinde zugute. Die restlichen 45 vH sind auf Wien auf Grund seiner Beteiligung an der Wiener Lokalbahnen AG und auf jene Gemeinden, die eine oder mehrere Autobus-, Obus- oder Straßenbahnlinien führen oder an einer solchen Nahverkehrseinrichtung überwiegend beteiligt sind, zu verteilen. Die den Gemeinden zukommenden Anteile an diesem Zweckzuschuß sind auf die einzelnen Gemeinden nach dem arithmetischen Mittel aus dem Verhältnis der Streckenlänge und der Anzahl der beförderten Personen aufzuteilen; bei überwiegender Beteiligung einer Gemeinde an einem Nahverkehrsunternehmen ist auch auf das Beteiligungsverhältnis Bedacht zu nehmen. Anträge auf Gewährung eines Zweckzuschusses sind von den Gemeinden bis spätestens 1. September eines jeden Jahres dem Bundesministerium für Finanzen zu übermitteln;
4. ..."
b) FAG 1993
"Finanzzuweisungen
§20. (1) ...
(3) 1. Der Bund gewährt den Gemeinden zur Förderung von öffentlichen Personennahverkehrsunternehmen eine Finanzzuweisung im Ausmaß von insgesamt 215 Millionen Schilling jährlich. Diese Finanzzuweisung kommt zu 55 vH Wien als Gemeinde zugute. Die restlichen 45 vH sind auf Wien ... (wörtlich gleichlautend wie §22 Abs1 Z3 FAG 1989; statt 'Zweckzuschuß' lautet es hier:
'Finanzzuweisung').
2. ..."
2.a) Die Stadt Dornbirn begehrt mit der vorliegenden, auf Art137 B-VG gestützten, gegen den Bund gerichteten Klage - im Hinblick darauf, daß trotz ihres wiederholten Ersuchens die Gewährung der erwähnten Zuschüsse (Finanzzuweisungen) abgelehnt worden sei - die Fällung nachstehenden Urteils:
"Der Bund ist schuldig, der Stadt Dornbirn Zuschüsse nach §22 Abs1 Z3 FAG 1989 und Finanzzuweisungen nach §20 Abs3 FAG 1993 binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu leisten und zwar:
für das Jahr 1992 ATS 120.330,--
für das Jahr 1993 ATS 1,092.307,50
für das Jahr 1994 ATS 1,112.625,--
somit insgesamt ATS 2,325.262,50
Der Bund ist weiters schuldig, der Stadt Dornbirn die Kosten dieses Verfahrens zu ersetzen."
b) Die Klage wird wie folgt begründet:
"1. Sachverhalt:
Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Vorarlberg vom 23.9.1991, Zl. Ib-713-11/91, wurde der Stadt Dornbirn die Konzession zum Betrieb von Kraftfahrlinien im Stadtgebiet von Dornbirn erteilt. In der Folge wurde mit Bescheid des Landeshauptmannes vom 26.5.1992, Zl. Ib-713-11/92 sowie vom 2.8.1994, Zl. Ib-713-11/94 diese Konzession um weitere Strecken erweitert.
Auf dieser Grundlage betreibt die Stadt Dornbirn seit Oktober 1991 entsprechend den nach dem Kraftfahrliniengesetz genehmigten Fahrplänen und Fahrpreisen im Stadtgebiet Dornbirn ein Stadtbusliniennetz auf eigene Rechnung und Gefahr. Die Stadt Dornbirn ist Inhaberin der Konzession und Verkehrsträger sowie Partner im Tarifverbund Vorarlberg.
Nach §20 Abs3 FAG 1993, vorher §22 Abs1 Z3 FAG 1989 ... (Wiedergabe der Rechtslage, s.o. I.1.).
Die Stadt Dornbirn hat seit ihrem erstmaligen Ansuchen vom 28.8.1991 in wiederholten Eingaben beim Bundesministerium für Finanzen jeweils um die Gewährung von Zuschüssen bzw. Finanzzuweisungen nach den erwähnten Bestimmungen ersucht.
Das Bundesministerium für Finanzen lehnt die Gewährung von Zuschüssen und Finanzzuweisungen im Sinne der erwähnten Bestimmungen ab:
... (Schilderung der Meinung des BMF, s.u. I.3.b).
2. Klagslegitimation:
Ansprüche auf die Gewährung der beantragten Zuschüsse bzw. Finanzzuweisungen sind weder im ordentlichen Rechtswege auszutragen noch durch Bescheid zu erledigen. Sie sind daher klageweise gemäß Art137 B-VG geltend zu machen.
3. Klagstitel:
Die Begründung des Bundesministeriums für Finanzen für die Ablehnung der beantragten Zuschüsse und Finanzzuweisungen findet in §22 Abs1 Z3 FAG 1989 bzw. §20 Abs3 FAG 1993 keine Deckung und diese Auslegung führt zu einer - auch sachlich - nicht gerechtfertigten Benachteiligung der Stadt Dornbirn, die - wie die letzten Jahre bewiesen haben - auf eine möglichst kostengünstige Art und Weise mit dem Stadtbus Dornbirn mehrere Autobuslinien führt und auf eigene Rechnung und Gefahr eine Nahverkehrseinrichtung betreibt.
Als Inhaberin der Kraftfahrlinienkonzession ist die Stadt u.a. für das Erscheinungsbild und die Anforderungen an die Busse, für die Fahrpläne, die Festlegung des Versorgungsgebietes, den Einsatz von Verstärkerfahrten, die Festlegung der Tarife, die Einrichtung und Ausgestaltung der Haltestellen, das Marketing und die Werbung sowie die weitere Ausbauplanung zuständig und trägt hiefür auch den finanziellen Aufwand. Dementsprechend fließen auch die Einnahmen aus dem Fahrkartenverkauf der Stadt zu. Die Stadt hat gleichzeitig auch den aus dem Betrieb des Stadtbusses verbundenen, aus dem Fahrkartenerlös nicht gedeckten Abgang zu tragen.
Eine eingehende betriebswirtschaftliche Prüfung, ob der Fuhrpark im Eigentum der Stadt sowie das Fahrpersonal in einem Dienstverhältnis zur Stadt stehen soll oder ob Autobusse einschließlich Personal privater Unternehmen eingesetzt werden sollen, hat ergeben, daß letztere Variante kostengünstiger ist. Deshalb werden aufgrund einer vertraglichen Vereinbarung im Auftrag der Stadt vom Postautodienst sowie von einem privaten Unternehmen Teilleistungen erbracht, die von der Stadt vergütet werden. In dieser Vergütung sind der gesamte Personalaufwand, die Abschreibung des Fuhrparks sowie die Betriebskosten im engeren Sinne (Treibstoff, Garagierung etc.) enthalten.
Der Umstand, daß der Postautodienst und ein privates Unternehmen miteingebunden sind, ändert allerdings nichts daran, daß die Stadt Dornbirn diese Personennahverkehrseinrichtung in alleiniger Verantwortung betreibt, auch das Unternehmerrisiko selbst trägt und damit auch mehrere Buslinien und somit eine Nahverkehrseinrichtung im Sinne des §20 Abs3 FAG 1993 bzw. §22 Abs1 Z3 FAG 1989 führt. Die Stadt Dornbirn trifft auch alle unternehmerischen Entscheidungen (Angebots- und Betriebskonzept) im eigenen Namen und auf ihr eigenes Risiko wie zB Fahrplan, Anzahl der Linien, Länge der Linien, Intervalle, Fahrzeiten, Haltestellenausbau etc. Der Fahrplan wird allein von der Stadt Dornbirn erstellt und auch die entsprechende Vermarktung und Öffentlichkeitsarbeit wird durch die Stadt selbst vorgenommen. Die von der Stadt Dornbirn eingesetzten Unternehmer erbringen somit lediglich Teilleistungen wobei die damit beauftragten Unternehmen keinerlei unternehmerisches Risiko tragen und in keiner Weise als Linienbetreiber anzusehen sind.
Die Stadt setzt in Wahrnehmung der städtischen Verkehrspolitik die Tarife fest und trägt somit auch die politische Verantwortung für den mit dem Betrieb des Stadtbusses verbundenen Betriebsabgang.
Der allein von der Stadt zu tragende Abgang belief sich in den letzten Jahren auf nachstehende Beträge:
Abgang 1991 1992
1993 1994
-9,488.388,-- -11,075.898,-- -14,065.745,-- -20,128.518,--*)
*) vorläufiger Betrag, abzüglich Mineralölsteuerbetrag
Die Miteinbindung privater Unternehmen ändert nichts daran, daß die Stadt die Personennahverkehrseinrichtung in alleiniger Verantwortung betreibt und somit alleine auch das Unternehmerrisiko selbst trägt. Die Führung einer Buslinie durch die Stadt liegt auch im Sinne des Erkenntnisses VfSlg. 8197 dann vor, wenn die Stadt selbst das unternehmerische Wagnis trägt.
Die Auslegung des Finanzministeriums findet nach Auffassung der Stadt Dornbirn in §22 Abs1 Z3 FAG 1989 und §20
Abs3 FAG 1993 keine Deckung. Diese Ungleichbehandlung führt zu einer Benachteiligung der Stadt Dornbirn, die für die Führung ihrer Personennahverkehrseinrichtung einen möglichst kostengünstige Lösung gesucht hat.
Die weitere Begründung für die Ablehnung der Förderung durch das Bundesministerium für Finanzen, nämlich daß die Gewährung der beantragten Förderung zu 'unklärbaren Problemen bei der Bemessung der Finanzzuweisung führen würde', kann keinesfalls akzeptiert werden.
Die Stadt ist auch der Auffassung, daß keine sachlich gerechtfertigten Gründe vorliegen, die nach eingehender betriebswirtschaftlicher Prüfung gewählte kostengünstigste Art der Führung dieser Linien und dieser Nahverkehrseinrichtung durch Ablehnung der beantragten Finanzzuweisungen bzw. Zuschüsse gegenüber solchen Gemeinden zu benachteiligen, die für das auf den Linien eingesetzte Personal (Schaffner, Fahrer, Techniker) Gemeindebedienstete und im Eigentum der Gemeinde stehende Busse einsetzen oder an einem Nahverkehrsunternehmen überwiegend beteiligt sind. Eine Regelung mit einem solchen Inhalt ist jedenfalls sachlich nicht zu begründen, zumal für die Verwendung öffentlicher Mittel die Grundsätze der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit im Vordergrund zu stehen haben."
3.a) Der Bund (vertreten durch den Bundesminister für Finanzen-BMF) wurde mit Schreiben des Verfassungsgerichtshofes vom 1. März 1995 eingeladen, innerhalb von acht Wochen eine Gegenschrift zu erstatten, kam dieser Aufforderung aber nicht nach.
b) Der BMF hatte in einem an "das Amt der Stadt Dornbirn" gerichteten Schreiben vom 21. Jänner 1994, GZ 61 2158/50-II/11/93, seine ablehnende Haltung wie folgt begründet:
"Mit Bezug auf das do. Schreiben vom 9.11.1993, Zl. 710-BR051-Ifdes., betr. die Förderung von öffentlichen Personennahverkehrsunternehmen teilt das Bundesministerium für Finanzen folgendes mit:
Gemäß §20 Abs3 FAG 1993 gewährt der Bund den Gemeinden zur Förderung von öffentlichen Personennahverkehrsunternehmen eine Finanzzuweisung im Ausmaß von insgesmat 215 Mio.S jährlich. Diese Finanzzuweisung kommt zu 55 vH Wien als Gemeinde zugute. Die restlichen 45 vH sind auf Wien aufgrund seiner Beteiligung an der Wiener Lokalbahnen AG und auf jene Gemeinden, die eine oder mehrere Autobus-, Obus- oder Straßenbahnlinien führen oder an einer solchen Nahverkehrseinrichtung überwiegend beteiligt sind, zu verteilen. Die den Gemeinden zukommenden Anteile an dieser Finanzzuweisung sind auf die einzelnen Gemeinden nach dem arithmetischen Mittel aus dem Verhältnis der Streckenlänge und der Anzahl der beförderten Personen aufzuteilen; bei überwiegender Beteiligung einer Gemeinde an einem Nahverkehrsunternehmen ist auch auf das Beteiligungsverhältnis Bedacht zu nehmen. Anträge auf Gewährung einer Finanzzuweisung sind von den Gemeinden bis spätestens 1. September eines jeden Jahres dem BMF zu übermitteln.
Dem Gesetzeswortlaut ist somit klar zu entnehmen, daß Voraussetzung für die Gewährung einer derartigen Finanzzuweisung ist, daß die Gemeinde ein Nahverkehrsunternehmen führt oder zumindest überwiegend an einem Nahverkehrsunternehmen beteiligt ist.
Kilometervergütungsverträge können unter keinen der beiden Tatbestände subsumiert werden und sind somit nicht förderbar. Eine Förderung von Kilometervergütungsverträgen würde zudem zu unklärbaren Problemen bei der Bemessung der Finanzzuweisung führen, da im Gegensatz zum konkreten Prozentsatz einer Aberwiegenden Beteiligung bzw. des selbständigen Führens (100 %) bei Kilometervergütungsverträgen kein konkretes - und den anderen Gemeinden gegenüber gerechtes - Ausmaß für die Förderung gegeben ist.
Schließlich ist noch darauf hinzuweisen, daß bei den Verhandlungen zum FAG 1993 von keiner Seite eine Abänderung dieser Förderungsvorschrift beantragt worden ist, sondern im Gegenteil auf eine Beibehaltung des bestehenden Gesetzestextes gedrungen wurde.
Zusätzliche Mittel zur Förderung des öffentlichen Personennahverkehrs wurden durch die Erhöhung der Mineralölsteuer ab 1.1.1994 erschlossen. Seit diesem Zeitpunkt fließen den Ländern finanzielle Mittel im Ausmaß von 50g pro verkauftem Liter Benzin zu. Diese Mittel sind von den Ländern ausschließlich zur Förderung des öffentlichen Personennahverkehrs zu verwenden und könnten daher zur Förderung des Stadtbusses in Dornbirn und für vergleichbare Vorhaben in anderen Gemeinden herangezogen werden. Nach Ansicht des Bundesministeriums für Finanzen erfüllen nämlich die aufgrund der Formulierung des Gesetzestextes gemäß §20 Abs3 FAG 1993 nicht förderbaren Kilometervergütungsverträge alle Voraussetzungen für eine Zuschußgewährung aus den Mitteln der Erhöhung der Mineralölsteuer. Da für die Vergabe der Mittel das jeweilige Land zuständig ist, erscheint es zweckmäßig, daß sich die Stadtgemeinde Dornbirn diesbezüglich mit dem Land Vorarlberg in Verbindung setzt, um in den Genuß einer Förderung zu gelangen."
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die Klage erwogen:
1. Nach Art137 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über vermögensrechtliche Ansprüche an den Bund, die Länder, die Bezirke, die Gemeinden und Gemeindeverbände, die weder im ordentlichen Rechtsweg auszutragen noch durch Bescheid einer Verwaltungsbehörde zu erledigen sind.
Die klagende Partei macht einen vermögensrechtlichen Anspruch gegen den Bund geltend. Sie behauptet, daß ihr dieser aufgrund näher angeführter Bestimmungen des Finanzausgleichsgesetzes (FAG) 1989 und des FAG 1993 zustehe. Ein solcher Anspruch wurzelt ausschließlich im öffentlichen Recht. Über ihn ist nicht im ordentlichen Rechtsweg zu entscheiden; es existiert auch keine Norm, nach der dieser Anspruch durch Bescheid einer Verwaltungsbehörde zu erledigen wäre (vgl. zB VfSlg. 9507/1982, 11204/1987, 12461/1990).
Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, ist die Klage zulässig.
2. Fest steht, daß die Stadt Dornbirn als Trägerin von Privatrechten seit Oktober 1991 aufgrund von Konzessionen, die ihr nach dem Kraftfahrliniengesetz erteilt worden waren, in ihrem Gebiet auf bestimmten Strecken Kraftfahrlinien mit Autobussen betreibt.
Der Fuhrpark steht nicht in ihrem Eigentum; sie ist auch nicht Dienstgeberin des eingesetzten Fahrpersonals. Vielmehr hat die Stadt entsprechende Verträge mit Autobusunternehmern abgeschlossen, wonach diese ihre Autobusse samt Fahrpersonal gegen eine bestimmte, pro gefahrenen Kilometer von der Stadt zu leistende Vergütung zur Verfügung stellen; darin sind der gesamte Personalaufwand, die Abschreibung des Fuhrparks sowie die Betriebskosten im engeren Sinn (Treibstoff, Garagierung usw.) enthalten. Die Einnahmen aus dem Fahrkartenverkauf fließen ausschließlich der Stadt Dornbirn zu. Diese trifft alle unternehmerischen Entscheidungen und trägt das finanzielle Risiko. Näheres ergibt sich aus Pkt. 3 der oben (zu I.2.b) wiedergegebenen Klagserzählung, von der i.S. des §20 Abs2 VerfGG auszugehen war.
3.a) Zu klären ist ausschließlich die - strittige - Rechtsfrage, wie die in den zitierten finanzausgleichsrechtlichen Vorschriften verwendete Wortfolge "Gemeinden, die eine oder mehrere Autobus-, Obus- oder Straßenbahnlinien führen oder an einer solchen Nahverkehrseinrichtung überwiegend beteiligt sind" auszulegen ist; ob also die Stadt Dornbirn eine Autobuslinie "führt".
Der beklagte Bund hängt offenbar der Auffassung an, Voraussetzung für die Gewährung der Nahverkehrsförderung sei, daß die Gemeinde die Leistungen mit eigenem Personal und eigenen Verkehrsmitteln erbringt oder zumindest überwiegend am Nahverkehrsunternehmen beteiligt ist; Kilometervergütungsverträge hingegen seien nicht förderbar.
Die klagende Stadt vertritt den gegenteiligen Standpunkt.
b) Der allgemeine Sprachgebrauch legt die Auslegung nahe, daß derjenige die Autobuslinie führt, der die für deren Betrieb wichtigen Entscheidungen zu treffen berufen ist, der das wirtschaftliche Risiko (das unternehmerische Wagnis) trägt und dem die Kraftfahrlinienkonzession erteilt wurde.
Zwar geben die parlamentarischen Materialien (766 BlgNR 17. GP; 867 BlgNR 18. GP; 1382 BlgNR 18. GP) zur erwähnten Frage keine Aufschlüsse. Der Verfassungsgerichtshof kann aber keinen Grund erkennen, weshalb der Gesetzgeber der betreffenden Regelung einen anderen als den soeben geschilderten, sich aus dem allgemeinen Sprachgebrauch ergebenden Sinn unterstellen wollte. Die in Rede stehenden Zuschüsse und Finanzzuweisungen sollen also der Förderung des öffentlichen Nahverkehrs derart dienen, daß damit ein Teil des Defizits abgedeckt wird, das den Gemeinden aus dem im öffentlichen Interesse liegenden Betrieb des Personennahverkehrs mit öffentlichen Verkehrsmitteln erwächst. Bei diesem Gesetzeszweck ist es unerheblich, ob die erforderlichen Autobusse im Eigentum der Gemeinde stehen, ob sie diese mietet oder ob sie ihr im Wege eines Werkvertrages zur Verfügung stehen.
Diese Auslegung deckt sich mit der Vorjudikatur des Verfassungsgerichtshofes zur Frage, wann eine für Zwecke der öffentlichen Verwaltung betriebene Gemeindeeinrichtung i.S. der Finanzausgleichsgesetze vorliegt. Darin wird dargetan, daß es keinen Unterschied macht, ob die von der Gemeinde betriebene Einrichtung in ihrem Eigentum steht oder von ihr etwa gemietet ist; die Gemeinde kann also die entsprechenden Leistungen auch durch ihre Kontrahenten erbringen lassen; sie muß aber selbst das unternehmerische Wagnis tragen (vgl. VfSlg. 7583/1975, S 480; 8197/1977, S 396).
Die vom BMF vorgeschlagene Lösung würde bedeuten, daß die Gemeinden, die in den Genuß der Finanzzuschüsse bzw. -zuweisungen gelangen wollen, vom Finanzausgleichsgesetzgeber verhalten worden wären, die Autobuslinien in Eigenregie zu führen, obgleich nicht erkennbar ist, weshalb dies vom Zweck des Zuschusses (nämlich der Förderung von öffentlichen Nahverkehrsunternehmen) geboten sein sollte.
c) Da der Stand des Verfahrens eine Entscheidung über die Höhe des Anspruchs nicht zuläßt, war mit Zwischenerkenntnis auszusprechen, daß der Anspruch dem Grunde nach zu Recht besteht (§393 ZPO iVm §35 Abs1 VerfGG).
Die Parteien werden zur Frage der Höhe des Anspruchs Schriftsätze mit den zur Beurteilung dieser Frage nötigen Unterlagen einzubringen haben.
4. Die Entscheidung über den Kostenersatzanspruch gemäß §41 VerfGG bleibt dem Enderkenntnis vorbehalten (§§52 Abs2, 393 Abs4 ZPO).
5. Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
Schlagworte
VfGH / Klagen, Finanzverfassung, Finanzzuweisungen, Zuschüsse (Finanzausgleich), Finanzausgleich, VfGH / Verfahren, ZwischenerkenntnisEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1996:A3.1995Dokumentnummer
JFT_10039771_95A00003_00