Index
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
ASVG §113 Abs1Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler sowie die Hofräte Dr. Strohmayer und Mag. Tolar als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Klima, LL.M., über die Revision der L GmbH in F, vertreten durch Mag. Bernhard Kispert, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Himmelpfortgasse 20/2, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. Februar 2020, Zl. L501 2191667-1/12E, betreffend Beitragszuschlag gemäß § 113 Abs. 1 ASVG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Oberösterreichische Gebietskrankenkasse, nunmehr: Österreichische Gesundheitskasse in 4021 Linz, Gruberstraße 77), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis sprach das Verwaltungsgericht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - in Bestätigung des vor ihm bekämpften Bescheides - aus, dass die revisionswerbende Partei als Dienstgeber gemäß § 113 Abs. 1 iVm § 33 Abs. 1 ASVG verpflichtet sei, einen Beitragszuschlag in Höhe von € 1.300,-- zu entrichten. Die revisionswerbende Partei habe einen Dienstnehmer beschäftigt, ohne dass dieser vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger angemeldet worden sei; bereits die als „Schnuppern“ bezeichnete Teilnahme dieser Person an einer Zustellfahrt habe eine meldepflichtige Beschäftigung dargestellt.
5 In der gegen dieses Erkenntnis erhobenen außerordentlichen Revision bringt die revisionswerbende Partei unter dem Gesichtspunkt einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG zunächst vor, die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zur Frage des Vorliegens einer meldepflichtigen Tätigkeit nach § 33 Abs. 1 ASVG sei uneinheitlich. Nach dem Erkenntnis VwGH 25. November 1994, 94/02/0225, liege gerade dann keine Arbeit vor, wenn lediglich Beobachtungen hinsichtlich der in einem Betrieb zu verrichtenden Arbeiten gemacht oder wenn aus freien Stücken und probeweise, um Erfahrungen zu sammeln, einzelne Handgriffe versucht würden. Demgegenüber liege nach dem Erkenntnis VwGH 14. Februar 2013, 2012/08/0023, auf das sich das Verwaltungsgericht bezogen habe, bereits im Fall des „Mitfahrens“ einer weiteren Person bei einer Zustellfahrt die Arbeitsaufnahme - wenn auch bloß zur Probe -, selbst wenn es nur um das gegenseitige „Ansehen“ und um das Kennenlernen der Route und der konkreten Tätigkeit gehe, vor. Die beiden ins Treffen geführten Erkenntnisse würden einander diametral entgegen stehen; eine einheitliche Rechtsprechung zur Frage, ob beim bloßen Mitfahren und Beobachten der in einem Betrieb zu verrichtenden Arbeiten bereits eine meldepflichtige Tätigkeit anzunehmen ist, liege nicht vor.
Dem ist entgegen zu halten, dass der Verwaltungsgerichtshof im genannten Erkenntnis vom 25. November 1994, 94/02/0225, keinerlei Aussage über die Auslegung des § 33 Abs. 1 ASVG oder irgend einer anderen sozialversicherungsrechtlichen Regelung getroffen hat, zumal dieses Erkenntnis § 5 des Bundesgesetzes über die Beschäftigung von Kindern und Jugendlichen 1987, BGBl. Nr. 599, dem zufolge „Kinder [...] zu Arbeiten irgendwelcher Art nicht herangezogen werden“ dürfen, betrifft. Die behauptete Uneinheitlichkeit der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ist somit nicht gegeben. Vielmehr steht das Erkenntnis VwGH 14. Februar 2013, 2012/08/0023, auf welches das angefochtene Erkenntnis Bezug nimmt, im Kontext einer einheitlichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zur Frage des Vorliegens eines die Meldepflicht nach § 33 Abs. 1 ASVG auslösenden versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses, insbesondere was die Abgrenzung des Vorstellungsgesprächs von einer Arbeitsleistung, die den Beginn eines Arbeitsverhältnisses markiert, betrifft (vgl. die weiteren Nachweise im genannten Erkenntnis).
6 Auch die behauptete Abweichung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs liegt nicht vor. Das Verwaltungsgericht ist mit seiner Beurteilung, der potentielle Dienstnehmer sei auf der „Schnupperfahrt“ in die mit der Auslieferungsfahrt verbundenen konkreten Tätigkeiten eingeführt worden, indem er etwa den Umgang mit GPS und Bankomatgerät durch praktische Handhabung erlernt habe, worin eine über die bloße Teilnahme an der Fahrt hinausgehende Einschulung liege, sodass es sich um eine gemäß § 33 Abs. 1 ASVG meldepflichtige Beschäftigung handle, nicht von den Leitlinien der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zu dieser Bestimmung (vgl. VwGH 14.2.2013, 2012/08/0023) abgewichen.
7 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 1. Juli 2020
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020080078.L00Im RIS seit
19.08.2020Zuletzt aktualisiert am
19.08.2020