TE Vwgh Beschluss 2020/7/16 Ra 2020/21/0243

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Veröffentlicht am 16.07.2020
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
19/05 Menschenrechte
41/02 Asylrecht
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

AsylG 2005 §55
BFA-VG 2014 §9
B-VG Art133 Abs4
MRK Art8
VwGG §34 Abs1

Beachte


Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):
Ra 2020/21/0244

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pelant und die Hofräte Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel, die Hofrätin Dr. Julcher und den Hofrat Dr. Schwarz als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Eraslan, über die Revision 1. der N C, und 2. des J C, beide in W und vertreten durch Dr. Gregor Klammer, Rechtsanwalt in 1160 Wien, Lerchenfelder Gürtel 45/11, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 26. März 2020, L515 2209451-1/11E, L515 2209447-1/3E, betreffend Abweisung von Anträgen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005 und Rückkehrentscheidungen samt Nebenaussprüchen (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Die Erstrevisionswerberin, eine georgische Staatsangehörige, ist seit 14. August 2008 mit Hauptwohnsitz in Österreich gemeldet, wo sie zunächst als Au-Pair-Mädchen tätig war. Sie verfügte in der Folge über Aufenthaltstitel für den Zweck „Schüler“ und schließlich für den Zweck „Studierender“. Ihr letzter Verlängerungsantrag vom 24. Mai 2016 wurde im Beschwerdeweg mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 6. April 2017 abgewiesen.

2        Am 21. Juli 2016 war ihr Sohn, der Zweitrevisionswerber, geboren worden.

3        Am 26. April 2017 stellten die revisionswerbenden Parteien Anträge auf Erteilung von Aufenthaltstiteln gemäß § 55 AsylG 2005.

4        Am 29. März 2018 heiratete die Erstrevisionswerberin einen georgischen Staatsangehörigen (den Vater des Zweitrevisionswerbers), der in Österreich erfolglos internationalen Schutz beantragt hatte und sich nunmehr unrechtmäßig in Österreich aufhält.

5        Die Anträge der revisionswerbenden Parteien auf Erteilung von Aufenthaltstiteln nach § 55 AsylG 2005 wurden vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) mit Bescheiden vom 8. Oktober 2018 abgewiesen. Unter einem wurden gegen die revisionswerbenden Parteien gemäß § 10 Abs. 3 AsylG 2005 iVm § 52 Abs. 3 FPG Rückkehrentscheidungen erlassen, und es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG jeweils festgestellt, dass die Abschiebung nach Georgien zulässig sei. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde jeweils eine Frist für die freiwillige Ausreise von zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung gewährt.

6        Das BFA ging in der Bescheidbegründung insbesondere davon aus, dass die Revisionswerberin bereits während der Gültigkeit ihrer Aufenthaltsbewilligungen als Schülerin keine ausreichenden Schulerfolge erzielt habe; sie sei von der besuchten Handelsakademie für Berufstätige schließlich abgegangen, weil sie die zulässige Höchstdauer überschritten habe. Für das Wintersemester 2014/15 sei sie zu einem kulturwissenschaftlich-philosophischen Bakkalaureatsstudium an der Katholisch-Theologischen Privatuniversität Linz zugelassen und in der Folge für das Wintersemester 2015/16 und für das Wintersemester 2016/17 beurlaubt worden. Der letzte Verlängerungsantrag für den Aufenthaltszweck „Studierender“ sei sodann mangels Studienerfolgs abgewiesen worden.

7        Die gegen die Bescheide des BFA erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgerichtshof mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 26. März 2020 nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab.

8        Das Bundesverwaltungsgericht führte zur Interessenabwägung nach § 9 BFA-VG aus, dass ein Eingriff in das Familienleben der revisionswerbenden Parteien nicht vorliege, weil sie gemeinsam von den aufenthaltsbeendenden Maßnahmen betroffen wären und auch ihr Ehemann bzw. Vater zum Verlassen des Bundesgebietes verpflichtet sei. Auf Grund der Aufenthaltsdauer und der daraus resultierenden sozialen Anknüpfungspunkte sei jedoch ein Eingriff in das Privatleben anzunehmen. Dabei sei zu berücksichtigen, dass die revisionswerbenden Parteien nie über ein unbefristetes Aufenthaltsrecht in Österreich verfügt hätten und eine Verpflichtung, das Bundesgebiet nach Ablauf der Aufenthaltstitel zu verlassen, vorhersehbar gewesen sei. Da die Erstrevisionswerberin den für ihr Aufenthaltsrecht essentiellen Studienerfolg nicht erbracht habe, sei ihr Verlängerungsantrag auf Grund der klaren Rechtslage abgewiesen worden. Auch die Beendigung eines mehr als zehnjährigen Aufenthalts sei insbesondere dann nicht ausgeschlossen, wenn es bei einem Aufenthalt als Studierender am Studienerfolg mangle.

9        Die Erstrevisionswerberin habe eine Einstellungszusage und Empfehlungsschreiben vorgelegt. Den überwiegenden Teil ihres Lebens habe sie in Georgien verbracht, wo auch noch Verwandte von ihr lebten.

10       Beim Zweitrevisionswerber sei von einer wesentlich kürzeren Aufenthaltsdauer und einem Alter erhöhter Anpassungsfähigkeit auszugehen. Es sei auch nicht ersichtlich, dass die Aufenthaltsbeendigung im Lichte des Kindeswohls nicht zulässig wäre.

11       Letztlich seien keine Umstände hervorgekommen, die die Rückkehrentscheidungen unzulässig gemacht hätten.

12       Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach das Bundesverwaltungsgericht aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

13       Nach der genannten Verfassungsbestimmung ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich (u.a.) wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG „nicht zur Behandlung eignen“, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

14       An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen dieser in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).

15       Unter diesem Gesichtspunkt bringt die Revision vor, dass das angefochtene Erkenntnis der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes widerspreche. Der zwölfjährige Aufenthalt der Erstrevisionswerberin in Verbindung mit Deutschkenntnissen auf muttersprachlichem Niveau und dem Vorliegen einer Einstellungszusage hätte zur Erteilung der beantragten Aufenthaltstitel führen müssen.

16       Die Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK iVm § 9 BFA-VG ist aber dann nicht revisibel, wenn sie im Ergebnis vertretbar ist und keinen maßgeblichen Begründungsmangel erkennen lässt (vgl. etwa VwGH 4.3.2020, Ra 2020/21/0027, Rn. 12, mwN).

17       Im vorliegenden Fall kann von einer Unvertretbarkeit des - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung erzielten - Ergebnisses nicht ausgegangen werden. Denn auch wenn die Erstrevisionswerberin insgesamt knapp zwölf Jahre und überwiegend rechtmäßig in Österreich aufhältig war, durfte das Bundesverwaltungsgericht dem Umstand Bedeutung zumessen, dass die nach ihrer Au-Pair-Tätigkeit erteilten Aufenthaltstitel nur den von vornherein vorübergehenden Zweck eines Schulbesuchs bzw. eines Studiums hatten, wobei weder eine Schule noch ein Studium erfolgreich abgeschlossen wurden. Dem in der Revision zitierten Erkenntnis VwGH 26.6.2019, Ra 2019/21/0092 bis 0094, lag demgegenüber ein in mehreren maßgeblichen Punkten unterschiedlicher Sachverhalt zugrunde: Zwar handelte es sich auch dort um eine georgische Staatsangehörige, die ursprünglich über ein befristetes Aufenthaltsrecht als „Au-Pair-Mädchen“ und dann über Aufenthaltsbewilligungen als „Studierende“ verfügt hatte. Allerdings hatte sie sich zum Zeitpunkt der zu beurteilenden Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts schon seit vierzehneinhalb Jahren in Österreich aufgehalten, sie hatte zahlreiche Teilprüfungen ihres Studiums erfolgreich abgelegt, und der ältere ihrer beiden in Österreich geborenen Söhne war bereits fast zwölf Jahre alt, während sich der Sohn der Erstrevisionswerberin im vorliegenden Fall noch im Kleinkindalter befindet.

18       In einer Situation wie jener der Erstrevisionswerberin, deren mehr als zehnjährige Aufenthaltsdauer in Österreich im Wesentlichen durch eine Aneinanderreihung befristeter Aufenthaltstitel als Schülerin bzw. Studierende zustande kam, ohne dass die diesen zugrunde liegenden Aufenthaltszwecke auch nur ansatzweise erreicht wurden, kann es - zumal nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - nicht als unvertretbar angesehen werden, wenn trotz des langen Aufenthalts und einer diesem entsprechenden Integration nicht von einem Überwiegen der persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich gegenüber dem öffentlichen Interesse an einer Aufenthaltsbeendigung ausgegangen wird. Daran ändert nichts, dass die Abweisung des Antrags nach § 55 AsylG 2005 und die Rückkehrentscheidung im vorliegenden Fall auch das in Österreich geborene, aber noch nicht ganz vierjährige Kind der Erstrevisionswerberin - den Zweitrevisionswerber - betreffen. Auch kommt es nicht maßgeblich darauf an, ob die Weiterführung des Studiums bzw. die weitere Verlängerung des Aufenthaltstitels als Studierende letztlich an der in der Revision ins Treffen geführten Wirbelsäulenerkrankung der Revisionswerberin und ihrer Schwangerschaft gescheitert ist, hat sie doch - abgesehen von den erworbenen Deutschkenntnissen - auch keine Teilerfolge ihres Schul- und Hochschulbesuchs vorgewiesen.

19       In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat zurückzuweisen.

Wien, am 16. Juli 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020210243.L00

Im RIS seit

28.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

28.09.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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