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40/01 VerwaltungsverfahrenNorm
AVG §1Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger und den Hofrat Dr. Lehofer als Richter sowie die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober als Richterin, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision des F F MAS, MSc in F, vertreten durch Mag. Michael Lang, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Zedlitzgasse 3, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 7. November 2018, Zl. LVwG-AV-1036/006-2016, betreffend eine Angelegenheit nach dem Luftfahrtsicherheitsgesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesminister für Inneres), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Der Revisionswerber hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von € 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Zur Vorgeschichte wird auf die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. Dezember 2013, 2011/03/0161, sowie vom 19. Juni 2018, Ra 2018/03/0021, verwiesen. Mit dem erstgenannten Erkenntnis, 2011/03/0161, wurde der Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom 17. Juni 2011 wegen Unzuständigkeit der Behörde aufgehoben. Mit dem zweitgenannten Erkenntnis, Ra 2018/03/0021, wurde das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 4. September 2017, mit welchem die vom Revisionswerber erhobene Säumnisbeschwerde gemäß §§ 28 iVm 8 Abs. 1 VwGVG abgewiesen wurde, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Der Verwaltungsgerichtshof sprach aus, dass eine Mitwirkungspflichtverletzung des Revisionswerbers nicht als schuldhaftes Verhalten im Rahmen der Abwägung des überwiegenden Verschuldens iSd § 8 Abs. 1 VwGVG zu werten sei, welches die Behörde an der Entscheidung gehindert habe. Das Verwaltungsgericht hätte daher keine abweisende Entscheidung über die Säumnisbeschwerde treffen dürfen. Weiters hielt der Verwaltungsgerichtshof fest, dass die gegenständliche Rechtssache in die Zuständigkeit des Landesverwaltungsgerichts falle.
2 Mit dem angefochtenen, auf Grund der Säumnisbeschwerde ergangenen Erkenntnis vom 7. November 2018 wies das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (im Folgenden: VwG) den Antrag des Revisionswerbers vom 30. Juni 2010 auf Anerkennung als Ausbilder für Sicherheitsmaßnahmen im Bereich der Sicherheit der Zivilluftfahrt gemäß § 2 Abs. 4 Luftfahrtsicherheitsgesetz 2011 (LSG) iVm Punkt 11.5.1 des Anhangs der Durchführungsverordnung (EU) 2015/1998 der Kommission vom 5. November 2015 zur Festlegung detaillierter Maßnahmen für die Durchführung der gemeinsamen Grundstandards für die Luftsicherheit (VO) ab. Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof erklärte das VwG für nicht zulässig.
3 In seiner Begründung führte das VwG zunächst die von der belangten Behörde getätigten Ermittlungsschritte an und stellte die bisher ausgeübten beruflichen Tätigkeiten des Revisionswerbers dar. Seine Feststellungen stützte das VwG beweiswürdigend auf die Aktendokumentation der Behörde, das durchgeführte verwaltungsbehördliche Verfahren und die im Akt erliegenden Urkunden. In rechtlicher Hinsicht kam das VwG mit näherer Begründung zum Ergebnis, dass der Revisionswerber nicht über die Qualifikationen, die für die Zulassung als Ausbilder im Sinne der VO erforderlich seien, verfüge, weshalb sein Antrag abzuweisen sei.
4 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, in der zur Zulässigkeit geltend gemacht wird, das VwG stütze seine Entscheidung in der Sache ausschließlich auf den Akteninhalt, wobei es zahlreiche für den Revisionswerber überraschende Neuerungen einführe. Es sei keinerlei eigenes Verfahren im Sinne einer Beweisaufnahme erfolgt. Die §§ 24, 44 VwGVG sähen zwingend vor, dass eine mündliche Verhandlung stattzufinden habe. Von dieser könne nur in den dort taxativ aufgezählten Umständen abgesehen werden. Diese lägen „in concreto“ nicht vor. Zudem weiche das VwG vom hg. Erkenntnis 2011/03/0161 ab, da das VwG „als Behörde erster Instanz“ die notwendige Willensübereinstimmung mit dem Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie nicht hergestellt habe. Schließlich stelle sich die Rechtsfrage, „ob sich das Landesverwaltungsgericht NÖ den vom Verwaltungsgerichtshof bereits als notwendig vorgegebenen Verfahrensschritten einfach dadurch entziehen kann, dass es selbst die Revision für unzulässig erklärt“.
5 Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der sie mit näherer Begründung die kostenpflichtige Zurück- bzw. Abweisung der Revision beantragt.
6 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
8 Soweit die Revision die Frage aufwirft, ob sich das VwG den notwendigen Verfahrensschritten dadurch entziehen könne, dass es die Revision für unzulässig erkläre, ist darauf hinzuweisen, dass der Verwaltungsgerichtshof nach § 34 Abs. 1a VwGG bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichts gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden ist. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
9 Nach der ständigen Rechtsprechung erfolgt die Beurteilung der Zulässigkeit der außerordentlichen Revision durch den Verwaltungsgerichtshof ausschließlich anhand des Vorbringens in der Zulassungsbegründung. Der Verwaltungsgerichtshof ist weder verpflichtet, Gründe für die Zulässigkeit einer Revision anhand der übrigen Revisionsausführungen gleichsam zu suchen, noch berechtigt, von Amts wegen erkannte Gründe, die zur Zulässigkeit der Revision hätten führen können, aufzugreifen (vgl. etwa VwGH 26.2.2019, Ra 2018/03/0071, mwN).
10 In der gesonderten Zulassungsbegründung ist konkret aufzuzeigen, in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht bzw. konkret welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof uneinheitlich oder noch nicht beantwortet hat (vgl. für viele VwGH 21.12.2018, Ra 2018/03/0078, mwN). Lediglich pauschale Behauptungen erfüllen diese Voraussetzungen nicht (vgl. etwa VwGH 11.3.2020, Ra 2020/01/0029, mwN).
11 Auf dem Boden dieser Rechtsprechung erweist sich die vorliegende außerordentliche Revision als unzulässig.
12 Soweit die Revision moniert, das VwG stütze seine Entscheidung lediglich auf den Akteninhalt und habe „zahlreiche für [den Revisionswerber] überraschende Neuerungen“ eingeführt, werden pauschal Verfahrensmängel geltend gemacht, ohne diese jedoch näher zu konkretisieren. Werden Verfahrensmängel als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, so muss auch schon in der abgesonderten Zulassungsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden (vgl. VwGH 20.12.2019, Ra 2019/03/0155, mwN). Diesen Anforderungen wird die vorliegende Revision nicht gerecht, weil sie weder aufzeigt, inwiefern das Verwaltungsgericht konkret gegen das Überraschungsverbot verstoßen hätte, noch ausführt, welche weiteren Erhebungen durch das VwG fallbezogen notwendig gewesen wären und inwiefern diese zu einem anderen Verfahrensergebnis hätten führen können, zumal das VwG seine Entscheidung auf die Erhebungsergebnisse der belangten Behörde stützen konnte.
13 Ebenso wird mit der lediglich allgemeinen Behauptung der Verletzung der Verhandlungspflicht nicht aufgezeigt, inwiefern die Voraussetzungen für das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung nicht vorgelegen wären, hat doch der anwaltlich vertretene Revisionswerber in der Beschwerde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht beantragt und wurde nach den Feststellungen des VwG eine Einvernahme des Revisionswerbers im Rahmen des verwaltungsbehördlichen Verfahrens von diesem selbst abgelehnt. Inwiefern der Sachverhalt klärungsbedürftig gewesen sei und weshalb im gegenständlichen Fall eine von Amts wegen durchzuführende Verhandlung gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG erforderlich gewesen wäre, legt die Revision in ihrer Zulassungsbegründung nicht dar. Die vom Revisionswerber weiters zitierte Bestimmung des § 44 VwGVG betrifft im Übrigen lediglich Verwaltungsstrafverfahren, weshalb diese auf den gegenständlichen Fall nicht anzuwenden ist.
14 Soweit die Revision schließlich ins Treffen führt, das VwG hätte gemäß § 2 Abs. 4 LSG ein Einvernehmen mit dem Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie herstellen müssen, ist dem Folgendes entgegenzuhalten:
15 Wenn § 2 Abs. 4 LSG anordnet, dass der Bundesminister für Inneres im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie auf Antrag geeignete Ausbilder oder Schulungseinrichtungen zur Durchführung bestimmter Ausbildungen ermächtigt, bedeutet dies, dass diese Ermächtigung - zumal mit dem Begriff Einvernehmen das Erfordernis der Zustimmung erfasst wird - im Wege einer Willensübereinstimmung der Behörden erfolgen muss. Ein ermächtigender Bescheid ist derart im übereinstimmenden Zusammenwirken der Behörden zu erlassen (vgl. VwGH 19.12.2013, 2011/03/0161, mwN).
16 Der Verwaltungsgerichtshof hat in einer vergleichbaren Konstellation bereits entschieden, dass in jenen Fällen, in denen die Behörde als Voraussetzung für eine dem Antrag stattgebende Entscheidung der Zustimmung einer anderen Behörde bedarf, die im Allgemeinen einer einheitlichen Handhabung des Gesetzes dient, das Zustimmungserfordernis auf diesen Verfahrensabschnitt beschränkt ist und - im Sinne des Rechtsstaatsprinzips verfassungskonform interpretiert - nicht auch für das Rechtsmittelverfahren vor dem VwG gilt (vgl. VwGH 13.12.2018, Ra 2018/11/0209, mit Verweis auf die Judikatur des VfGH).
17 Der Verwaltungsgerichtshof hat zudem zur Rechtslage vor der Verwaltungsgerichtsbarkeitsnovelle 2012 bereits festgehalten, dass sich in Fällen, in denen die säumige Behörde im Einvernehmen mit anderen Behörden hätte entscheiden müssen, der infolge einer Säumnisbeschwerde eingetretene Übergang der Zuständigkeit auf den Verwaltungsgerichtshof nicht nur auf die säumige Behörde erstreckt, sondern auch auf jene Stellen, mit denen die säumige Behörde bei ihrer Entscheidung das Einvernehmen herzustellen gehabt hätte (vgl. erneut VwGH 13.12.2018, Ra 2018/11/0209, mwN). Diese Rechtsprechung lässt sich auf das (Säumnis-)beschwerdeverfahren vor den Verwaltungsgerichten übertragen.
18 Folglich bedurfte es für die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung durch das - aufgrund der Säumnisbeschwerde zuständig gewordene - VwG nach § 2 Abs. 4 LSG nicht der vorherigen Herstellung eines diesbezüglichen Einvernehmens mit dem Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie (bzw. nunmehr: Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie).
19 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.
20 Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG, insbesondere auf § 51 VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 22. Juli 2020
Schlagworte
EinvernehmenserfordernisEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019030021.L00Im RIS seit
17.09.2020Zuletzt aktualisiert am
18.09.2020