TE Vwgh Beschluss 2020/7/27 Ra 2020/18/0181

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Veröffentlicht am 27.07.2020
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof

Norm

B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer sowie die Hofräte Dr. Sutter und Dr.in Sembacher als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Schara, über die Revision des W N in K, vertreten durch Mag. Dieter Reßler, Rechtsanwalt in 8230 Hartberg, Schildbach 111, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. April 2020, W177 2134960-1/29E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Der Revisionswerber, ein afghanischer Staatsangehöriger aus Baghlan, stellte am 24. November 2014 einen Antrag auf internationalen Schutz, den er zusammengefasst damit begründete, dass seine Familie mit einer anderen afghanischen Familie verfeindet sei und bereits mehrere Morde in den beiden Familien stattgefunden hätten. Der Revisionswerber fürchte, ebenfalls Opfer dieser Blutfehde und daher getötet zu werden.

2        Mit Bescheid vom 26. August 2016 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl diesen Antrag des Revisionswerbers zur Gänze ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei, und legte eine zweiwöchige Frist für die freiwillige Ausreise fest.

3        Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab. Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erklärte es gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.

4        Begründend führte das BVwG zusammengefasst aus, der Revisionswerber habe aufgrund oberflächlicher und unschlüssiger Angaben sein Fluchtvorbringen nicht glaubhaft dartun können. Zur Nichtgewährung subsidiären Schutzes erwog das BVwG, dass der Revisionswerber zwar aufgrund der volatilen Sicherheitslage nicht in seine Herkunftsprovinz Baghlan zurückkehren könne, jedoch eine zumutbare innerstaatliche Fluchtalternative in den Städten Herat oder Mazar-e Sharif vorfinde. Die Rückkehrentscheidung begründete das BVwG damit, dass die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung gegenüber den Interessen des Revisionswerbers am Verbleib im Bundesgebiet überwögen.

5        Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die in ihrer Zulässigkeitsbegründung die Beweiswürdigung des BVwG hinsichtlich des vom Revisionswerber vorgebrachten - vom BVwG als nicht glaubhaft befundenen - Fluchtgrundes der drohenden Verfolgung durch eine afghanische Familie aufgrund einer bestehenden Blutfehde, beanstandet. Darüber hinaus sei das BVwG von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Asylrelevanz der Verfolgung im Zuge einer „Blutrache“ abgewichen.

6        Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan.

7        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

9        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

10       In der Revision wird (ausschließlich in Zusammenhang mit dem Fluchtvorbringen des Revisionswerbers) eine mangelhafte Beweiswürdigung des BVwG ins Treffen geführt.

11       Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung ausgesprochen, dass eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG dann - als Abweichung von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - vorliegt, wenn das Verwaltungsgericht die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. VwGH 17.12.2019, Ra 2019/18/0436, mwN).

12       Im vorliegenden Fall erachtete das BVwG eine Verfolgung des Revisionswerbers durch die Mitglieder einer verfeindeten Familie als nicht glaubhaft. Es legte dabei dar, aufgrund welcher Unschlüssigkeiten und Ungereimtheiten es das Vorbringen des Revisionswerbers für nicht glaubhaft befand.

13       Dass diese Beweiswürdigung des BVwG an einer vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifenden Mangelhaftigkeit leiden würde, vermag die Revision nicht aufzuzeigen.

14       Sofern die Revision vorbringt, das BVwG habe unberücksichtigt gelassen, dass der Revisionswerber zum Zeitpunkt der Ermordung seines Onkels noch ein Kind gewesen sei, weshalb es selbstverständlich sei, dass Details verloren gegangen seien, ist darauf hinzuweisen, dass sich das BVwG nicht allein auf eine diesbezügliche Detailarmut in den Erzählungen des Revisionswerbers stützte. Vielmehr führte das BVwG mehrere Unstimmigkeiten und Unplausibilitäten im Vorbringen des Revisionswerbers ins Treffen. So verwies es zunächst darauf, dass sich die behauptete Ermordung des Onkels des Revisionswerbers aufgrund dessen Mitgliedschaft in der Gruppierung Hezb-e-Islami zur Zeit der russischen Besatzung schon zeitlich nicht überzeugend einordnen und in einen nachvollziehbaren Zusammenhang mit dem behaupteten Datum der Ermordung des Onkels setzen lasse. Darüber hinaus verortete das BVwG eine Steigerung des Fluchtvorbringens, zumal der Revisionswerber erstmals in der mündlichen Verhandlung von einer Ratsversammlung zur Beilegung der Blutfehde zwischen den Familien berichtete. Dies wurde vom Verwaltungsgericht - nicht unvertretbar - als glaubwürdigkeitsreduzierendes Indiz gewertet. Zudem erachtete es das BVwG als nicht nachvollziehbar, dass der Bruder des Revisionswerbers, der ein Familienmitglied der verfeindeten Familie getötet haben solle, nach einem kurzen Aufenthalt im Iran wieder zur Familie in den Herkunftsort zurückgekehrt sei. In diesem Zusammenhang befand es das BVwG auch als unschlüssig, dass die Familie des Revisionswerbers nicht ernsthaft versucht hätte, sich an einem anderen Ort in Afghanistan niederzulassen, um der behaupteten Verfolgung zu entgehen.

15       Insofern der Revisionswerber des Weiteren vermeint, das BVwG sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Asylrelevanz einer Verfolgung im Zuge der Blutrache abgewichen, genügt der Hinweis, dass er sich damit vom festgestellten Sachverhalt entfernt und schon aus diesem Grund keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung darzulegen vermag.

16       In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 27. Juli 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020180181.L00

Im RIS seit

03.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

03.09.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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