Kopf
Das Oberlandesgericht Linz hat durch den Richter Dr. Winsauer als Vorsitzenden sowie die Richterinnen Mag. Hemetsberger und Mag. Kuranda in der Strafvollzugssache des T***** Ö***** wegen bedingter Entlassung über die Beschwerde des Verurteilten gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg als Vollzugsgericht vom 21. November 2019, 48 BE 234/18t-19, in nichtöffentlicher Sitzung entschieden:
Spruch
Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.
Aus Anlass der Beschwerde wird die Kostenentscheidung aus dem angefochtenen Beschluss ausgeschieden.
Text
BEGRÜNDUNG:
Mit Beschluss des Landesgerichts Salzburg vom 20. Dezember 2018 wurde der 1989 geborene staatenlose Strafgefangene T***** Ö***** am 20. März 2019 aus dem noch zu verbüßenden Teil einer vom Bezirksgericht Mattighofen, 1 U 132/16a, verhängten Freiheitsstrafe von zwei Monaten aus einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Monaten gemäß § 46 Abs 1 StGB mit einem Strafrest von einem Monat bedingt entlassen. Unter einem wurde dem Strafgefangenen nach §§ 50, 51 StGB die Weisung erteilt, einen geeigneten, seinen Kenntnissen, Fähigkeiten und Neigungen tunlichst entsprechenden Beruf zu erlernen oder auszuüben und dies erstmals bis 15. Mai 2019 und danach halbjährlich dem Vollzugsgericht unaufgefordert nachzuweisen (ON 9).
Diese Entscheidung wurde dem Strafgefangenen am 28. Dezember 2018 zugestellt. Der Strafgefangene hat dagegen kein Rechtsmittel erhoben. Am 10. Jänner 2019 teilte die Justizanstalt Salzburg dem Landesgericht Salzburg als Vollzugsgericht mit, dass der Strafgefangene am 9. Jänner 2019 von der Bewegung im Freien nicht in die Justizanstalt Salzburg zurückgekehrt sei (ON 10). Die Flucht des Strafgefangenen ist auch noch aus einer vom Landesgericht Salzburg als Vollzugsgericht eingeholten Vollzugsinformation vom 21. Juni 2019 ersichtlich (ON 12).
Am 5. August 2019 übermittelte die Justizanstalt Salzburg dem Landesgericht Salzburg als Vollzugsgericht eine „Verständigung des Gerichts nach Flucht durch Neuberechnung“, der zu entnehmen ist, dass der Strafgefangene ersichtlich in Umsetzung des rechtskräftigen Beschlusses auf bedingte Entlassung des Landesgerichts Salzburg vom 20. Dezember 2018 am 3. Oktober 2019 um 09.00 Uhr (§ 148 Abs 2 StVG) mit Weisungen entlassen wird (ON 13). Der vom Landesgericht Salzburg als Vollzugsgericht am 9. August 2019 eingeholten Vollzugsinformation ist zu entnehmen, dass der Strafgefangene ab 3. Oktober 2019, 09.00 Uhr, eine vom Landesgericht Salzburg zu 62 Hv 56/12i verhängte Freiheitsstrafe in der Dauer von 11 Monaten verbüßen wird (vgl ON 14).
Am 4. Oktober 2019 verfügte das Landesgericht Salzburg folgende Note an den Strafgefangenen: „Da Sie am 3.10.2019 nicht enthaftet wurden, sondern seither die zu 62 Hv 56/12i des Landesgerichts Salzburg verhängte Strafe verbüßen, können Sie die Wiederaufnahme des Verfahrens 48 BE 234/18t des Landesgerichts Salzburg beantragen. Unabhängig davon ist die Aufhebung der Weisung beabsichtigt, wozu Sie sich binnen fünf Tagen äußern können“ (ON 17).
Mit Schreiben, eingelangt beim Landesgericht Salzburg am 19. November 2019, beantragte der Strafgefangene die Wiederaufnahme der bedingten Entlassung 48 BE 234/18t-17 mit Bezug auf das Schreiben des Landesgerichts Salzburg vom 4. Oktober 2019 mit folgender Begründung: „Ich möchte die bisherige Lebensführung ein für allemal hinter mir lassen und im Zuge der bedingten Entlassung mein Leben neu ordnen, einer geregelten Arbeit nachgehen und mit Hilfe eines Bewährungshelfers alle eventuellen weiteren „Baustellen“ aufarbeiten, um in Zukunft ein unbelastetes und organisiertes Leben aufbauen zu können. Ich verbleibe in der Hoffnung einer Chance durch das Gericht (Dr. Schalwich). Mit der Aufhebung einer Weisung bin ich einverstanden“.
Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Landesgericht Salzburg als Vollzugsgericht diesen Antrag des Strafgefangenen kostenpflichtig ab, weil er weder einen Sachverhalt nach § 353 Z 1 oder 3 StPO dargelegt, noch neue Tatsachen oder Beweismittel nach § 353 Z 2 StPO beigebracht habe, die geeignet gewesen wären, eine andere Beschlussfassung zu bewirken (ON 19).
Dagegen richtet sich (formell) die Beschwerde, inhaltlich begründet als Wiederaufnahmeantrag im Verfahren 62 Hv 56/12i des Landesgerichts Salzburg (ON 20), die nicht berechtigt ist.
Rechtliche Beurteilung
Zutreffend hat das Landesgericht Salzburg darauf hingewiesen, dass nach der Judikatur des Obersten Gerichtshofs die Regeln über die Wiederaufnahme nach §§ 352ff StPO in analoger Anwendung auch auf sonstige Beschlüsse (soweit es sich nicht um rein prozessuale Beschlüsse handelt, vgl Lewisch in Fuchs/Ratz, WK-StPO Vor §§ 352 bis 363 Rz 72) anwendbar sind. Nach § 354 StPO kann zugunsten des Verurteilten dieser selbst, sein gesetzlicher Vertreter oder die Staatsanwaltschaft eine Wiederaufnahme beantragen; nach § 355 StPO steht hingegen die Wiederaufnahme zum Nachteil eines Freigesprochenen lediglich der Staatsanwaltschaft oder dem Privatankläger zu.
Abgesehen davon, dass weder der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens 48 BE 234/18t des Landesgerichts Salzburg (ON 18), noch die Beschwerde dagegen (vgl ON 20) Gründe im Sinne des § 353 Z 1 und 3 StPO darlegen oder neue Tatsachen oder Beweismittel im Sinne des § 353 Z 2 StPO enthalten, die die Entscheidung des Landesgerichts Salzburg als Vollzugsgericht vom 20. Dezember 2018 betreffen, kann auch weder dem Antrag noch der Beschwerde entnommen werden, welches Ziel die Wiederaufnahme dieses Verfahrens mit Blick auf die tatsächlich gewährte und auch bereits vollzogene bedingte Entlassung des Strafgefangenen mit einem Strafrest von einem Monat betreffend die vom Bezirksgericht Mattighofen zu 1 U 132/16h verhängte Freiheitsstrafe verfolgt.
Der Verurteilte könnte nach § 354 StPO mit der Wiederaufnahme dieses Verfahrens lediglich eine frühere als zuletzt gewährte bedingte Entlassung aus der zum Zeitpunkt des 20. Dezember 2018 tatsächlich noch vollzogenen Freiheitsstrafe (Bezirksgericht Mattighofen, 1 U 132/16a, vgl ON 5) anstreben, wozu aber jegliche Grundlagen fehlen.
Abgesehen davon wurde der Strafblock betreffend den Vollzug der vom Landesgericht Salzburg zu 47 Hv 15/17g und vom Bezirksgericht Mattighofen zu 1 U 132/16h verhängten Freiheitsstrafen von insgesamt 5 Monaten durch die rechtskräftige Entscheidung des Landesgerichts Salzburg vom 20. Dezember 2018 über die bedingte Entlassung des Beschwerdeführers (ON 9) jedenfalls abgeschlossen; ein nach dieser Entscheidung angeordneter Strafvollzug löst somit einen neuen Strafblock (also eine neue Strafzeitberechnung) aus (vgl Drexler/Weger StVG4 § 1 Rz 19).
Aus Anlass der Beschwerde (§ 17 Abs 1 Z 3 StVG iVm § 89 Abs 2b StPO) war die Kostenentscheidung aus dem angefochtenen Beschluss auszuscheiden, weil die Kosten des Wiederaufnahmeverfahrens weitere Kosten des Strafverfahrens bilden; im Verfahren wegen bedingter Entlassung ist aber ein grundsätzlicher Kostenersatz nicht vorgesehen, sodass § 390a Abs 2 StPO im Wiederaufnahmeverfahren betreffend einen Beschluss nach § 46 Abs 1 StGB nicht anzuwenden ist.
Anzumerken bleibt, dass der Verurteilte in seiner Beschwerde vom 30. November 2019 inhaltlich die Wiederaufnahme des Verfahrens 62 Hv 56/12i des Landesgerichts Salzburg anstrebt, über die das Landesgericht Salzburg gesondert zu entscheiden hat.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diese Entscheidung steht ein weiterer Rechtszug nicht zu (§ 89 Abs 6 StPO).
Textnummer
EL0000290European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OLG0459:2020:0090BS00337.19A.0108.000Im RIS seit
20.08.2020Zuletzt aktualisiert am
20.08.2020