Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E***** G*****, vertreten durch Mag. Alexander Todor-Kostic, Mag. Silke Todor-Kostic, Rechtsanwälte in Velden am Wörthersee, gegen die beklagten Parteien 1. L***** P*****, vertreten durch Dr. Christian Widl, Rechtsanwalt in Wien, 2. M***** W*****, vertreten durch die Burger-Scheidlin Rechtsanwalts-gesellschaft mbH in Klagenfurt am Wörthersee, 3. Dr. S***** P*****, vertreten durch die Winkler Reich-Rohrwig Illedits Wieger Rechtsanwälte-Partnerschaft in Wien, 4. Dr. J***** K*****, vertreten durch die Burger-Scheidlin Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in Klagenfurt am Wörthersee, wegen Aufhebung der Miteigentumsgemeinschaft (Streitwert 63.806,75 EUR), über die Revision der erstbeklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 28. August 2019, GZ 5 R 69/19k-89, womit infolge Berufung der erstbeklagten Partei das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt vom 28. Februar 2019, GZ 28 Cg 87/15b-84, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die erstbeklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 2.271,96 EUR (darin 378,66 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Streitteile sind die Miteigentümer eines Superädifikats. Die Klägerin und die Erstbeklagte sind Schwestern, die Zweit-, der Dritt- und die Viertbeklagte sind die Kinder der Erstbeklagten.
Das Superädifikat ist ein im Jahr 1960 vom (Groß-)Vater der Streitteile errichtetes Gebäude, das im Sommer als Teil einer Hotelanlage genutzt wurde. Die Liegenschaft, auf der sich das Superädifikat befindet, stand im Eigentum der (Groß-)Mutter der Streitteile. Die Gestattung der Nutzung des Grundstücks zur Errichtung und Belassung des Superädifikats erfolgte ausschließlich aufgrund des familienrechtlichen Verhältnisses zwischen den (Groß-)Eltern der Streitteile. Was diese über die Gestattung der Nutzung hinaus vereinbart haben, kann nicht festgestellt werden. Es kann insbesondere nicht festgestellt werden, dass das Superädifikat vereinbarungsgemäß im Familieneigentum gehalten werden muss. Seit 2016 steht die Liegenschaft im Alleineigentum der Erstbeklagten.
Die Klägerin begehrte die Aufhebung der Gemeinschaft des Eigentums an dem Superädifikat durch Zivilteilung, in eventu durch Naturalteilung in der Form der Wohnungseigentumsbegründung.
Die Beklagten wandten – soweit für das Revisionsverfahren noch relevant – ein, dass die Aufhebung der Miteigentumsgemeinschaft an dem Superädifikat durch gerichtliche Feilbietung nur möglich sei, wenn bereits im Zeitpunkt des Schlusses der Verhandlung erster Instanz die Zustimmung des Grundeigentümers zum Eintritt des Erstehers in das bestehende Nutzungsrecht vorliege. Alleineigentümerin der Liegenschaft sei die Erstbeklagte und als solche erkläre sie ausdrücklich, der Benutzung des Grundes durch einen familienfremden Ersteher nicht zuzustimmen und das Grundnutzungsverhältnis aus wichtigem Grund aufzukündigen.
Das Erstgericht gab dem Hauptbegehren auf Aufhebung der Miteigentumsgemeinschaft am Superädifikat durch Zivilteilung statt. Eine Naturalteilung, insbesondere in Form der Begründung von Wohnungseigentum, sei nach dem festgestellten Sachverhalt rechtlich und faktisch unmöglich bzw untunlich. Dem Anspruch der Klägerin auf Zivilteilung stünden keine Teilungshindernisse entgegen.
Das Berufungsgericht gab der Berufung (nur) der Erstbeklagten nicht Folge. Das Erstgericht habe das Erfordernis der Zustimmung des Grundeigentümers zur Nutzung des Grundes durch den zukünftigen Ersteher des Superädifikates im Ergebnis zutreffend verneint.
Nach der (älteren) Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs setze die Aufhebung der Miteigentumsgemeinschaft an einem Superädifikat und der Rechtsgemeinschaft an dem Bestandrecht an der Liegenschaft, auf der das Superädifikat errichtet worden sei, durch gerichtliche Feilbietung voraus, dass der Grundeigentümer der Benutzung des Grundes durch den Ersteher zustimme. Ohne Zustimmung des Grundeigentümers im Zeitpunkt des Schlusses der Verhandlung erster Instanz könne eine Teilung des Superädifikats nur in der Form erfolgen, dass es auf Abbruch verkauft werde. Anderes gelte nach dieser Rechtsprechung ausnahmsweise dann, wenn dem Miteigentumsanteil an dem Superädifikat kein obligatorisches Recht des teilungswilligen Miteigentümers zur Mitbenutzung des Grundes zugrunde liege.
Zwischenzeitig habe sich jedoch die Rechtslage geändert. Nach der durch die EO-Nov 2000 eingefügten Bestimmung des § 153a EO trete der Ersteher bei Versteigerung eines Superädifikats in das bestehende Nutzungsverhältnis ein. Werde ein Superädifikat versteigert, so gingen die Rechte und Pflichten aus dem Nutzungsverhältnis, das zwischen dem Verpflichteten und dem Eigentümer des Grundstücks bestehe, mit dem Zeitpunkt der Zuschlagserteilung ipso iure auf den Ersteher über. Aufgrund dieser gesetzlichen Vertragsübernahme bedürfe es somit auch bei Vorliegen eines Nutzungsverhältnisses keiner Zustimmung des Grundeigentümers mehr, sodass der dargelegten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs die Grundlage entzogen worden sei.
Die von der Erstbeklagten behauptete Auflösung des Nutzungsverhältnisses aus wichtigem Grund stehe dem Anspruch der Klägerin auf Zivilteilung nicht entgegen. Der die Teilung begehrende Miteigentümer habe bei Fehlen eines obligatorischen Rechts zur Mitbenutzung des Grundes nämlich das Recht, die Festlegung der näheren Umstände der Feilbietung, insbesondere auch die Frage, ob diese auf Abbruch oder auf Weiterbestand des Bauwerks zu erfolgen habe, dem Exekutionsverfahren zu überlassen. Abgesehen davon sei die von der Erstbeklagten ausgesprochene Kündigung des Nutzungsverhältnisses, wie auch immer dieses Dauerschuldverhältnis zu qualifizieren sei, nicht wirksam, weil kein wichtiger Grund dafür vorliege. Allein der Umstand, dass die Klägerin von ihrem Individualrecht auf Aufhebung der Gemeinschaft am Superädifikat Gebrauch mache, rechtfertige die Auflösung des zugrunde liegenden Nutzungsverhältnisses nicht. Auch der Möglichkeit, dass bei einer Zivilteilung außenstehende Dritte durch Versteigerung das Eigentum am Superädifikat erwerben, stehe nach den Feststellungen keine bindende Vereinbarung entgegen, dass die Liegenschaft und das Superädifikat stets im Familieneigentum bleiben müssten.
Das Berufungsgericht bewertete den Entscheidungsgegenstand mit 30.000 EUR übersteigend und ließ die Revision zu. Das Berufungsgericht weiche von der älteren Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Voraussetzung der Zustimmung des Grundeigentümers für die Zivilteilung bei Superädifikaten ab und Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, die die durch die EO-Nov 2000 eingefügte Bestimmung des § 153a EO berücksichtige, gebe es nicht.
Gegen diese Entscheidung des Berufungsgerichts richtet sich die Revision der Erstbeklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass das Klagebegehren abgewiesen werde. Hilfsweise stellt sie einen Aufhebungsantrag.
Die Klägerin beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen, in eventu ihr nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig; sie ist aber nicht berechtigt.
1. Im Zug der Überarbeitung der Bestimmungen über die Zwangsversteigerung von Liegenschaften und die Versteigerung einer gemeinschaftlichen Liegenschaft durch die EO-Nov 2000 (BGBl I 2000/59) wurde auch das dem Teilungsverfahren folgende Exekutionsverfahren zur Aufhebung der Rechtsgemeinschaft an einem Superädifikat neu gestaltet.
2. Nach der Rechtsprechung zur Rechtslage vor der EO-Nov 2000 setzte die Aufhebung der Rechtsgemeinschaft an einem Superädifikat, die auf die Verwertung und nicht den Abbruch der gemeinschaftlichen Sache abzielte, grundsätzlich voraus, dass bereits im Teilungsverfahren zum Zeitpunkt des Schlusses der Verhandlung erster Instanz die Zustimmung des Grundeigentümers zum Eintritt des Erwerbers in den bestehenden Nutzungsvertrag mit den Miteigentümern des Superädifikats vorliegt (RIS-Justiz RS0011249; RS0011251; vgl auch RS0013232). Von diesem Zustimmungserfordernis wurde abgesehen, wenn dem Miteigentumsanteil an dem Superädifikat kein obligatorisches Recht dieses Miteigentümers zur Mitbenützung des Grundes, auf dem das Bauwerk errichtet ist, zugrunde lag. In diesem Fall kann für die Geltendmachung des Teilungsanspruchs eines solchen Miteigentümers an dem Superädifikat das Vorliegen der Zustimmung des Grundeigentümers zur Benützung des Grundes durch den Ersteher des Superädifikats nicht verlangt werden, weil eine solche selbständige Teilungsvoraussetzung den jedem Miteigentümer nach § 830 ABGB grundsätzlich zustehenden Aufhebungsanspruch ausschließen könnte, was aber als gesetzlich nicht gedeckte Beschränkung der Verfügungsfreiheit des Teilhabers mit dessen Stellung als vollständiger Eigentümer (§ 829 ABGB) unvereinbar wäre. Es muss ihm jedenfalls der Anspruch verbleiben, die Teilung durch Verkauf des Superädifikats auf Abbruch zu begehren. Das Verlangen nach Verkauf auf Abbruch muss der Teilhaber dabei nicht schon im Teilungsverfahren stellen. Es darf ihm nicht die Möglichkeit genommen werden, sich nach rechtskräftiger Bewilligung der Aufhebung der Eigentumsgemeinschaft durch Zivilteilung um die Zustimmung des Grundeigentümers zur Benützung seines Grundes durch den Ersteher des Superädifikats zu bemühen und damit einen auch im Interesse des Teilungsgenossen liegenden günstigeren Erlös zu erzielen (8 Ob 507/86 = RS0011247; RS0011249 [T1]; RS0011251 [T1]).
3.1. Dem von der Rechtsprechung entwickelten Grundsatz, dass die auf Verwertung gerichtete Zivilteilung eines Superädifikats die Zustimmung des Grundeigentümers zum Eintritt des Erstehers in das Grundnutzungsverhältnis voraussetzt, wurde mit der Neugestaltung der Vollstreckung des Titels auf Zivilteilung durch die EO-Nov 2000 die Grundlage entzogen.
3.2. Seit der EO-Nov 2000 gelten für das Exekutionsverfahren auf Zivilteilung einer Liegenschaft im Wesentlichen die Regeln über die Zwangsversteigerung mit den sich aus §§ 352 bis 352c EO ergebenden Abweichungen (5 Ob 95/09w). Zufolge der entsprechenden Anordnung in § 133 Abs 1 EO gilt das auch für die Zivilteilung von Superädifikaten (Klicka in Angst/Oberhammer, EO3 §§ 352–352c EO Rz 1; Mini/Neumayr in Burgstaller/Deixler-Hübner, Exekutionsordnung § 153a EO Rz 1; Höllwerth in Burgstaller/Deixler-Hübner, Exekutionsordnung § 352 EO Rz 5; Feil/Marent, Exekutionsordnung § 352 Rz 3; Rechberger in Klete?ka/Rechberger/Zitta, Bauten auf fremdem Grund2 Rz 114).
3.3. Entgegen der Ansicht der Revisionswerberin ist daher § 153a EO in dem dem Teilungsverfahren folgenden Exekutionsverfahren zur Aufhebung der Rechtsgemeinschaft an einem Superädifikat anzuwenden (Rechberger in Klete?ka/Rechberger/Zitta, Bauten auf fremdem Grund2 Rz 114). Diese mit der EO-Nov 2000 neu eingefügte Bestimmung sieht vor, dass bei Versteigerung eines Superädifikats der Ersteher in das bestehende Nutzungsverhältnis eintritt. Wird ein Superädifikat versteigert, so gehen die Rechte und Pflichten aus dem Nutzungsverhältnis, das zwischen dem Eigentümer des Superädifikats und dem Eigentümer des Grundstücks besteht, mit dem Zeitpunkt der Zuschlagserteilung ipso iure auf den Ersteher über. Der Inhalt und die Art des Nutzungsverhältnisses bleiben unverändert (Angst in Angst/Oberhammer, EO3 § 153a EO Rz 1; Rechberger in Klete?ka/Rechberger/Zitta, Bauten auf fremdem Grund2 Rz 119). Mit diesem ex lege Übergang der Nutzungsrechte sollte die exekutive Verwertung von Superädifikaten erleichtert werden, zumal das Eigentum an Superädifikaten in aller Regel mit entsprechenden Nutzungsrechten an der Liegenschaft verbunden ist (RV 93 BlgNR 21. GP 48).
3.4. § 153a EO normiert eine gesetzliche Vertragsübernahme. Der Grundeigentümer kann daher dem Übergang der Rechte und Pflichten auf den Ersteher nicht mit Erfolg entgegentreten. Diesem steht zwar gemäß § 153a Satz 2 EO das Recht zu, den dem Nutzungsverhältnis zugrunde liegenden Vertrag aus wichtigem Grund zu kündigen. Der wichtige Grund, der den Grundeigentümer unabhängig vom Inhalt des dem Nutzungsverhältnis zugrunde liegenden Vertrags zur Kündigung berechtigt, muss aber in einem Umstand liegen, der mit dem Eintritt des Erstehers in das Nutzungsverhältnis zusammenhängt. Umstände, die nicht auf eine Änderung der Verhältnisse zurückgehen, können hingegen nur dann zum Anlass für eine Kündigung genommen werden, wenn sie auch gegenüber dem bisher Berechtigten geltend gemacht werden hätten können (Angst in Angst/Oberhammer, EO3 § 153a EO Rz 2 f).
3.5. Im Ergebnis folgt, dass die von der älteren Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs geforderte Voraussetzung einer Zustimmung des Grundeigentümers zum Eintritt des Erstehers in das bestehende Grundnutzungsverhältnis aufgrund des gesetzlichen Vertragseintritts obsolet ist (Rechberger in Klete?ka/Rechberger/Zitta, Bauten auf fremdem Grund2 Rz 114).
4. Auf die im Verfahren vor dem Erstgericht erklärte Aufkündigung des Grundnutzungsrechts kommt die Erstbeklagte in ihrer Revision nicht mehr zurück. Das Fehlen eines Grundnutzungsrechts zufolge rechtswirksamer Beendigung stünde dem Teilungsanspruch nach der aufgezeigten und insoweit weiterhin aufrecht zu haltenden Rechtsprechung ohnedies nicht entgegen; dies führte allenfalls zum Verkauf auf Abbruch, der auch erst im Vollstreckungsverfahren begehrt werden kann (8 Ob 507/86). Ebenso wenig bildet es ein im Erkenntnisverfahren aufzugreifendes Teilungshindernis, wenn das Nutzungsrecht im Exekutionsverfahren mit dem Zuschlag an einen familienfremden Ersteher zufolge Ablaufs der dafür bestimmten Zeit endete. Abgesehen davon entfernt sich die Erstbeklagte mit der dieser Behauptung zugrunde liegenden Argumentation, das Grundnutzungsrecht sei nur auf die durch den vereinbarten Gebrauchszweck bestimmte Zeit eingeräumt, vom festgestellten Sachverhalt (vgl RS0043312). Die in diesem Zusammenhang behauptete Zweckwidmung der Nutzung ausschließlich im Familienverband konnte das Erstgericht gerade nicht feststellen.
5. Der Revision kommt somit keine Berechtigung zu. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO. Ein Anspruch auf Streitgenossenzuschlag gemäß § 15 RATG besteht nicht, weil der Klägerin im Revisionsverfahren nur eine Partei gegenüberstand.
Textnummer
E128844European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2020:0050OB00008.20T.0623.000Im RIS seit
19.08.2020Zuletzt aktualisiert am
29.12.2020