TE OGH 2020/6/25 6Ob88/20i

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Veröffentlicht am 25.06.2020
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Schramm als Vorsitzenden und durch die Hofräte Hon.-Prof. Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek, Dr. Nowotny sowie die Hofrätin Dr. Faber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Partei I*****, Schweiz, vertreten durch CMS Reich-Rohrwig Hainz Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei und Gegner der gefährdeten Partei P*****, Spanien, vertreten durch Univ.-Prof. Dr. Friedrich Harrer und Dr. Iris Harrer-Hörzinger, Rechtsanwälte in Salzburg, wegen Widerrrufs und Unterlassung, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht vom 5. März 2020, GZ 1 R 24/20k-11, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 528a iVm § 510 Abs 3 ZPO).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Für einstweilige Verfügungen nach § 381 Z 2 zweiter Fall EO gilt nicht der Rechtssatz, dass die Verfügung der endgültigen Entscheidung nicht vorgreifen und durch sie nicht das bewilligt werden darf, was die gefährdete Partei erst seinerzeit im Weg der Exekution erzwingen könnte (RS0009418&SkipToDocumentPage=True&SucheNachRechtssatz=True&SucheNachText=False">RS0009418). Wenn aber aufgrund eines bloß bescheinigten Sachverhalts der Prozesserfolg vorweggenommen werden soll, sind die Voraussetzungen des § 381 Z 2 EO streng auszulegen (RS0005300&SkipToDocumentPage=True&SucheNachRechtssatz=True&SucheNachText=False">RS0005300). Die Behauptungs- und Bescheinigungslast für das Vorliegen konkreter Umstände, die die Voraussetzungen des § 381 Z 2 EO begründen, liegt ausschließlich bei der gefährdeten Partei (RS0005311&SkipToDocumentPage=True&SucheNachRechtssatz=True&SucheNachText=False">RS0005311 [T2]), wobei nicht schon jede abstrakte oder theoretische Möglichkeit der Herbeiführung eines unwiederbringlichen Schadens eine Anspruchsgefährdung im Sinn des § 381 Z 2 EO darstellt (RS0005295 [T3]). Für die Bejahung eines unwiederbringlichen Schadens kann es nicht genügen, dass der Klägerin der ihr ihrer Ansicht nach zustehende Anspruch bis zum (rechtskräftigen) Abschluss des Hauptverfahrens vorenthalten wird, sondern ist es erforderlich, dass durch dieses vorübergehende Vorenthalten ein konkreter (10 ObS 38/17m; vgl auch RS0005175&SkipToDocumentPage=True&SucheNachRechtssatz=True&SucheNachText=False">RS0005175) darüber hinausgehender Schaden droht (10 ObS 38/17m; vgl auch RS0012390&SkipToDocumentPage=True&SucheNachRechtssatz=True&SucheNachText=False">RS0012390). Für die Beurteilung des unwiederbringlichen Schadens im Sinn des § 381 Z 2 zweiter Fall EO kommt es nur darauf an, welchen Schaden die Klägerin erleiden würde, wenn die beantragte einstweilige Verfügung nicht erlassen wird (10 ObS 38/17m).

2. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, dass die Frage, ob das Vorbringen im Einzelfall zur Annahme einer konkreten Gefährdung im Sinn des § 381 EO als ausreichend anzusehen ist, keine Frage von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 528 Abs 1 ZPO darstellt (rs0005103&Rechtssatz=&Fundstelle=&AenderungenSeit=Undefined&SucheNachRechtssatz=True&SucheNachText=False&GZ=&VonDatum=&BisDatum=22.05.2020&Norm=&ImRisSeitVonDatum=&ImRisSeitBisDatum=&ImRisSeit=Undefined&ResultPageSize=100&Suchworte=&Position=1&SkipToDocumentPage=true&ResultFunctionToken=bcd26da5-6202-4782-bb26-0dff8d149d00&Dokumentnummer=JJR_19840523_OGH0002_0030OB01006_8400000_001">RS0005103), es sei denn dem Rekursgericht wäre eine Fehlbeurteilung unterlaufen, die aus Gründen der Rechtssicherheit einer Korrektur durch den Obersten Gerichtshof bedürfte (rs0005103&Rechtssatz=&Fundstelle=&AenderungenSeit=Undefined&SucheNachRechtssatz=True&SucheNachText=False&GZ=&VonDatum=&BisDatum=22.05.2020&Norm=&ImRisSeitVonDatum=&ImRisSeitBisDatum=&ImRisSeit=Undefined&ResultPageSize=100&Suchworte=&Position=1&SkipToDocumentPage=true&ResultFunctionToken=bcd26da5-6202-4782-bb26-0dff8d149d00&Dokumentnummer=JJR_19840523_OGH0002_0030OB01006_8400000_001">RS0005103 [T2]), oder die vom Rekursgericht vorgenommene Auslegung wäre mit dem Inhalt des Parteienvorbringens unvereinbar (rs0005103&Rechtssatz=&Fundstelle=&AenderungenSeit=Undefined&SucheNachRechtssatz=True&SucheNachText=False&GZ=&VonDatum=&BisDatum=22.05.2020&Norm=&ImRisSeitVonDatum=&ImRisSeitBisDatum=&ImRisSeit=Undefined&ResultPageSize=100&Suchworte=&Position=1&SkipToDocumentPage=true&ResultFunctionToken=bcd26da5-6202-4782-bb26-0dff8d149d00&Dokumentnummer=JJR_19840523_OGH0002_0030OB01006_8400000_001">RS0005103 [T3]). Beides liegt hier nicht vor:

3. Im – hiefür ausschließlich maßgeblichen – erstinstanzlichen Vorbringen machte die Klägerin als gefährdete Partei geltend, aufgrund des ihr erteilten Hausverbots (in den Geschäftsräumlichkeiten jener Personengesellschaft, deren Gesellschafter und [gemeinsam vertretungsbefugte] Geschäftsführer die Streitteile sind), aufgrund des vom Beklagten ausgesprochenen Verbots (Mitarbeitern der Gesellschaft gegenüber), der Klägerin mündlich oder schriftlich Fragen zu beantworten, und aufgrund des Verbots (der Klägerin gegenüber), mit dem Management der Gesellschaft zu telefonieren sowie Unterlagen von diesem herauszufordern, wodurch ingesamt ihre Geschäftsführungsbefugnis behindert werde, bestehe die Gefahr einer Verfolgung durch die Kartellbehörden und damit von Bußgeldern in Millionenhöhe, spreche doch die Gesellschaft Märkte, Kunden, Einkaufsbedingungen und Preise mit einem direkten Wettbewerber ab, die Gefahr der Weitergabe von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen der Gesellschaft an den Wettbewerber und die Gefahr der Setzung von für die Gesellschaft nachteiligen Geschäftsführungsmaßnahmen durch den Beklagten hinter dem Rücken der Klägerin.

3.1. Mit ihren Ausführungen zu ihrem (faktischen) Ausschluss von der Geschäftsführertätigkeit durch die Anordnungen und Verbote des Beklagten ist die Klägerin auf die bereits erwähnte Rechtsprechung zu verweisen, wonach es nicht genügt, dass der Klägerin der ihr ihrer Ansicht nach zustehende Anspruch bis zum (rechtskräftigen) Abschluss des Hauptverfahrens vorenthalten wird (10 ObS 38/17m).

3.2. Es mag zwar sein, dass der Oberste Gerichtshof bereits ausgesprochen hat, dass dann, wenn der Gesellschaft infolge von Aktivitäten des beklagten Gesellschafters ein unwiederbringlicher Schaden droht (hier: Kartellstrafen, Schäden aus der Weitergabe von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen der Gesellschaft), dies auch auf den klagenden Gesellschafter zutrifft, welcher als Gesellschafter am wirtschaftlichen Erfolg der Gesellschaft beteiligt ist, sei doch, je größer der Gewinn der Gesellschaft ist, desto größer auch der Gewinnanteil des Klägers und gingen auch etwaige Verluste der Gesellschaft letztendlich zu dessen Lasten (etwa 4 Ob 20/92); die Klägerin hat sich im erstinstanzlichen Verfahren allerdings ausschließlich auf bei der Gesellschaft eintretende Schäden berufen. Dass aber nicht schon jede abstrakte oder theoretische Möglichkeit der Herbeiführung eines unwiederbringlichen Schadens (hier: bei der Klägerin) eine Anspruchsgefährdung im Sinn des § 381 Z 2 EO darstellt, wurde bereits dargelegt; vor diesem Hintergrund sind auch an die Behauptungspflichten höhere Anforderungen zu stellen. Dass die Klägerin als Gesellschafterin Ansprüche der Gesellschaft mit der actio pro socio geltend machen könnte, wie sie nunmehr in ihrem außerordentlichen Revisionsrekurs meint, findet sich in ihrem erstinstanzlichen Vorbringen nicht.

3.3. Wenn die Klägerin in ihrem außerordentlichen Revisionsrekurs weiters meint, ein unwiederbringlicher Schaden liege bereits vor, wenn Schwierigkeiten bestünden, die genaue Schadenshöhe zu bemessen, so ist ihr entgegenzuhalten, dass die Klägerin diesbezüglich im Verfahren erster Instanz keine Behauptung erhoben hat. Außerdem erscheint aufgrund der von ihr ausgiebig dargelegten Vermögensverhältnisse der Beteiligten die Uneinbringlichkeit eines Schadenersatzanspruchs als ausgeschlossen.

3.4. Soweit sich die Klägerin in ihrem außerordentlichen Revisionsrekurs schließlich darauf beruft, sie erleide durch die Anordnungen und Verbote des Beklagten einen unwiederbringlichen Schaden dadurch, dass ihre Autorität untergraben, ihre gesellschaftsrechtliche Stellung negiert, die Arbeitnehmer bzw das Management der Gesellschaft verunsichert sowie das Arbeitsklima gestört würden und sie ihre Gesellschafterrechte nicht ausüben könne, so verstößt sie auch damit gegen das Neuerungsverbot.

Textnummer

E128824

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2020:0060OB00088.20I.0625.000

Im RIS seit

19.08.2020

Zuletzt aktualisiert am

19.08.2020
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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