TE Lvwg Erkenntnis 2020/7/1 LVwG-2019/44/2238-7

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 01.07.2020
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

01.07.2020

Index

83 Naturschutz Umweltschutz

Norm

AWG 2002 §73 Abs1
AWG 2002 §79 Abs2 Z21

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Mag. Spielmann über die Beschwerde des AA, Adresse 1, Z, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Y vom 24.09.2019, Zahl ***, betreffend eines abfallrechtlichen Strafverfahrens, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung,

zu Recht:

1.       Der Beschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG eingestellt.

2.       Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Verfahren:

Mit rechtskräftigem Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Y vom 27.10.2018, Zahl ***, wurde AA als Eigentümer des Grundstückes Nr **1, KG Z, gemäß § 73 Abs 1 AWG 2002 aufgetragen, „die ohne entsprechende Bewilligung gesammelten bzw. abgelagerten Abfälle (insbesondere biogene Abfälle, Rasenschnitt, Altholz, verkohltes Holz, BB-Masten aus Beton samt Eisenteilen, ca. 18 Bahnschweller kreosotbehandelt, kaputte Dachziegel, gesamt in einer Größenordnung von ca. 15 bis 20 Kubikmeter)“ bis spätestens 20.11.2018 zu entsorgen.

Mit Aufforderung zur Rechtfertigung vom 27.05.2019 wurde AA vorgehalten, dass am 14.05.2019 entgegen dem Auftrag vom 27.10.2018 nach wie vor „Abfälle, wie 5 Bahnschweller kreosotbehandelt, Wurzelstöcke usw.“ auf dem Grundstück Nr **1 gelagert worden seien.

Mit Straferkenntnis vom 24.09.2019, Zahl ***, wurde AA vorgehalten, dass am 14.05.2019 entgegen dem Auftrag vom 27.10.2018 nach wie vor “Abfälle, wie Einwegpaletten, Wurzelstöcke, ein Betonblock usw.“ auf dem Grundstück Nr **1 gelagert worden seien. Er sei daher gemäß § 79 Abs 2 Z 21 AWG 2002 mit einer Geldstrafe in Höhe von € 450 bzw mit einer Ersatzfreiheitsstrafe in Höhe von 18 Stunden zu bestrafen.

Gegen dieses Straferkenntnis richtet sich die fristgerecht erhobene Beschwerde vom 13.10.2019 (verbessert mit Schreiben vom 12.11.2019), wonach keine Wurzelstöcke gelagert worden seien und die Holzpaletten und der Betonblock in Verwendung stünden. Außerdem seien die betroffenen Abfälle nicht ausreichend konkretisiert; es sei ständig von unterschiedlichen Abfällen die Rede.

Am 22.06.2020 hat das Landesverwaltungsgericht Tirol eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt.

II.      Sachverhalt:

Am 14.05.2019 wurden unter dem Vordach eines Stadels auf dem 950 m2 großen Grundstück Nr **1, KG Z, eine Europalette und vier Einwegpaletten gelagert. Aus abfalltechnischer Sicht wurden dadurch keine öffentlichen Interessen beeinträchtigt. Diese Paletten waren aus Sicht des abfalltechnischen Amtssachverständigen nicht Gegenstand des Behandlungsauftrages vom 27.10.2018. Insbesondere hat der behördliche Auftrag zur Entsorgung von Altholz aus Sicht des Amtssachverständigen nicht auf die ordnungsgemäß unter dem Vordach gelagerten Holzpaletten, sondern auf einen großen Holzhaufen hinter dem Stadel abgezielt.

Am 14.05.2019 stockten auf dem Grundstück Nr **1 mehrere Wurzelstöcke (Baumstümpfe) im Boden. Zudem lagerten auf einem Holzhaufen auch die Reste von zerkleinerten Wurzelstöcken. Aus Sicht des abfalltechnischen Amtssachverständigen waren diese zerkleinerten Wurzelreste als Altholz Teil des behördlichen Behandlungsauftrages vom 27.10.2018.

Am 14.05.2019 wurde auf dem Grundstück Nr **1 eine runde Betonscheibe – ein Betonblock – in der Wiese gelagert. Dieser Betonblock war aus Sicht des abfalltechnischen Amtssachverständigen nicht Gegenstand des Behandlungsauftrages vom 27.10.2018. Insbesondere ist der runde Betonblock nicht Teil des eckigen „BB-Masten aus Beton“.

Schließlich wurden am 14.05.2019 auf dem Grundstück Nr **1 auch diverse Holzbalken unter dem Vordach eines Stadels und in der Wiese gelagert.

III.    Beweiswürdigung:

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich unstrittig aus der Fotodokumentation der Behörde sowie aus der Einvernahme des abfalltechnischen Amtssachverständigen CC in der mündlichen Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht am 22.06.2020.

IV.      Rechtslage:

Die relevanten Bestimmungen des Abfallwirtschaftsgesetzes 2002 (AWG 2002) lauten auszugsweise wie folgt:

„Behandlungsauftrag

§ 73.

(1) Wenn

1.       Abfälle nicht gemäß den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes, nach diesem Bundesgesetz erlassenen Verordnungen, nach EG-VerbringungsV oder nach EG-POP-V gesammelt, gelagert, befördert, verbracht oder behandelt werden oder

2.       die schadlose Behandlung der Abfälle zur Vermeidung von Beeinträchtigungen der öffentlichen Interessen (§ 1 Abs. 3) geboten ist,

hat die Behörde die erforderlichen Maßnahmen dem Verpflichteten mit Bescheid aufzutragen oder das rechtswidrige Handeln zu untersagen.

(…)

Strafhöhe

§ 79.

(…)

(2) Wer

(…)

21. Aufträge oder Anordnungen gemäß § 73, § 74, § 82 Abs. 4 oder § 83 Abs. 3 nicht befolgt,

(…)

begeht – sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet oder nach anderen Verwaltungsstrafbestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist – eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von 450 € bis 8 400 € zu bestrafen ist; wer jedoch gewerbsmäßig im Bereich der Abfallwirtschaft tätig ist, ist mit einer Mindeststrafe von 2 100 € bedroht.

(…)“

V.       Erwägungen:

Der Spruch eines Bescheides, mit dem eine Verpflichtung auferlegt wird, muss so bestimmt gefasst sein, dass einerseits dem Bescheidadressaten die überprüfbare Möglichkeit gegeben wird, dem Leistungsauftrag zu entsprechen, und andererseits ohne weiteres Ermittlungsverfahren und neuerliche Entscheidung eine Vollstreckungsverfügung im Rahmen einer allfälligen, ihrem Umfang nach deutlich abgegrenzten Ersatzvornahme ergehen kann (vgl VwGH 29.07.2015, 2012/07/0074).

Im Unterschied zur Exekution zur Hereinbringung einer Geldforderung, in der sich die geschuldete Leistung immer ziffernmäßig ausdrücken lässt, kommen im Rahmen der Vollstreckung zur Erwirkung von Handlungen und Unterlassungen die vielfältigsten Arten von Ansprüchen in Betracht, die sich oft nicht bis ins kleinste Detail umschreiben lassen. Um nicht jegliche Vollstreckung solcher Ansprüche unmöglich zu machen, richten sich daher in diesen Fällen die Anforderungen an die Umschreibung der geschuldeten Leistung nach der Natur des jeweiligen Anspruches. Entscheidend ist, dass in einer für die Behörde und die Partei unverwechselbaren Weise feststeht, was geschuldet wird (vgl VwGH 27.04.2004, 2003/05/0169).

Im vorliegenden Fall wird dem Beschwerdeführer vorgehalten, den gemäß § 73 Abs 1 AWG 2002 erteilten Behandlungsauftrag vom 27.10.2018 nicht befolgt zu haben, da sich am 14.05.2019 immer noch Einwegpaletten, Wurzelstöcke und ein Betonblock am Tatort befunden hätten. Im Behandlungsauftrag wird aber die Entsorgung von Einwegpaletten, Wurzelstöcken und einem Betonblock gar nicht explizit vorgeschrieben. Zwar könnten diese Gegenstände unter die im Behandlungsauftrag genannten Begriffe „biogener Abfall“, „Altholz“ und „BB-Masten aus Beton“ subsumiert werden, allerdings hat selbst der von der Behörde beigezogene abfalltechnische Amtssachverständige die Einwegpaletten und den Betonblock nicht als Gegenstand des Behandlungsauftrages interpretiert. Damit kann aber auch dem Beschwerdeführer nicht angelastet werden, dass er die Einwegpaletten und den Betonblock in unverwechselbarer Weise als Gegenstand des Behandlungsauftrages hätte identifizieren müssen.

Die Entsorgung der inkriminierten Wurzelstöcke war nach Aussage des beigezogenen abfalltechnischen Amtssachverständigen hingegen vom Behandlungsauftrag umfasst. Dazu ist zunächst klarzustellen, dass es sich bei Abfall im Sinne des AWG 2002 ausschließlich um bewegliche Sachen handeln kann (§ 2 Abs 1 AWG 2002). Zumindest bei den am Tatort im Boden stockenden Wurzelstöcken – also bei den Baumstümpfen – kann es sich somit nicht um Abfall und somit auch nicht um einen Verstoß gegen das AWG 2002 gehandelt haben. Der Behandlungsauftrag definiert zudem nicht, welches konkrete „Altholz“ in welcher Menge wo auf dem 950 m2 großen Grundstück des Beschwerdeführers zu entfernen ist. Am Tatort befanden sich an unterschiedlichen Stellen verschiedenste Holzarten, wie etwa im Boden stockende Wurzelstöcke, zerkleinerte Wurzelstöcke, Europalette, Einwegpaletten, verkohltes Holz, Holzbalken, Bahnschweller etc. Die Behörde hat offenkundig nicht alle dieser Hölzer dem Behandlungsauftrag unterstellt, da sie beispielsweise die Lagerung der Holzbalken toleriert hat. Auch der abfalltechnische Amtssachverständige hat nicht sämtliche Hölzer am Tatort als Gegenstand des Behandlungsauftrages gesehen. Es kann somit nicht ohne weiteres Ermittlungsverfahren in unverwechselbarer Weise festgestellt werden, welches konkrete Altholz die Behörde mit ihrem Behandlungsauftrag entsorgen lassen wollte. Es bleibt unklar, ob vom Behandlungsauftrag überhaupt Wurzelstöcke und gegebenenfalls welche Wurzelstöcke (die noch im Boden stockenden ganzen Wurzelstöcke oder die Reste der zerkleinerten Wurzelstöcke) umfasst waren. Überhaupt wurden erstmals mit der Aufforderung zur Rechtfertigung vom 07.05.2019 dezidiert Wurzelstöcke angesprochen.

Bei einer derart unpräzisen Formulierung des verwaltungspolizeilichen Auftrages drohen dem Beschwerdeführer, selbst nach dem Versuch, dem ihm erteilten Auftrag nachzukommen, unabsehbare behördliche Zwangsvollstreckungsmaßnahmen (vgl VwGH 25.04.1996, 95/07/0193).

Die Heranziehung eines Leistungsbescheides als Straftatbestand ist nur dann zulässig, wenn dieser mit genügender Klarheit eine Gebots- oder Verbotsnorm dergestalt enthält, dass der Unrechtsgehalt eines Zuwiderhandelns eindeutig erkennbar ist (vgl VwGH 01.10.1985, 85/04/0068).

Anhand des Behandlungsauftrages vom 27.10.2018 war es für den Beschwerdeführer nicht ohne weiteres Erkennbar, ob bzw welche Wurzelstöcke zu entsorgen sind. Und die Einwegpaletten und der Betonblock waren selbst nach Auffassung des Amtssachverständigen nicht Gegenstand des Behandlungsauftrages.

Das angefochtene Straferkenntnis ist daher zu beheben und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG einzustellen.

VI.      Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Soweit die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof in Wien für zulässig erklärt worden ist, kann innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung dieser Entscheidung eine ordentliche Revision erhoben werden. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision kann innerhalb dieser Frist nur die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.

Wenn allerdings in einer Verwaltungsstrafsache oder in einer Finanzstrafsache eine Geldstrafe von bis zu Euro 750,00 und keine Freiheitsstrafe verhängt werden durfte und im Erkenntnis eine Geldstrafe von bis zu Euro 400,00 verhängt wurde, ist eine (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichthof wegen Verletzung in Rechten nicht zulässig.

Jedenfalls kann gegen diese Entscheidung binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, erhoben werden.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Verwaltungsgericht einzubringen.

Es besteht die Möglichkeit, für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof Verfahrenshilfe zu beantragen. Verfahrenshilfe ist zur Gänze oder zum Teil zu bewilligen, wenn die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten bzw wenn die zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel weder von der Partei noch von den an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.

Für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist beim Verfassungsgerichtshof einzubringen. Für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist im Fall der Zulassung der ordentlichen Revision beim Verwaltungsgericht einzubringen. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision ist der Antrag auf Verfahrenshilfe beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen; dabei ist im Antrag an den Verwaltungsgerichtshof, soweit dies dem Antragsteller zumutbar ist, kurz zu begründen, warum entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.

Zudem besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Mag. Spielmann

(Richter)

Schlagworte

Behandlungsauftrag;
Leistungsbescheid;
Altholz;
Wurzelstöcke;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2020:LVwG.2019.44.2238.7

Zuletzt aktualisiert am

18.08.2020
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten