TE Vwgh Erkenntnis 1997/12/19 96/19/1660

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Veröffentlicht am 19.12.1997
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AufG 1992 §3 Abs1 Z2;
AufG 1992 §4 Abs3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenen Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Winkler, über die Beschwerde der 1995 geborenen NL in Wien, vertreten durch den Vater NL in Wien, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 16. April 1996, Zl. 305.076/3-III/11/96, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesministerium für Inneres) hat der Beschwerdeführerin, zuhanden DDr. Gerhard Grone, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Neubaugasse 12-14/20, Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin beantragte am 12. Juni 1995 die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung und gab als Aufenthaltszweck die Familienzusammenführung bzw. Familiengemeinschaft mit Vater und Mutter an. In der Rubrik "Angaben zur Person dieses Familienangehörigen" wurde der Name des Vaters der Beschwerdeführerin angegeben. Dem Antrag war die Kopie des am 13. Jänner 1995 dem Vater der Beschwerdeführerin ausgestellten Reisepasses angeschlossen; in diesem Reisepaß findet sich ein am 2. Juni 1995 ausgestellter unbefristeter Sichtvermerk gemäß § 6 Abs. 1 Z. 1 Fremdengesetz (FrG). Weiters war dem Antrag der Meldezettel des Vaters der Beschwerdeführerin beigelegt, aus dem hervorgeht, daß dieser seit dem Jahre 1985 ohne Unterbrechung an einer näher bezeichneten Wiener Adresse gemeldet ist.

Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 30. August 1995 wurde dieser Antrag gemäß § 4 Abs. 3 Aufenthaltsgesetz (AufG) abgewiesen. In der Begründung führte die Behörde erster Instanz aus, daß die Mutter der antragstellenden Partei über keine der in § 3 Abs. 1 Z. 2 AufG genannten Aufenthaltsberechtigungen verfüge, weshalb der Antrag abzuweisen gewesen sei.

In der gegen diesen Bescheid gerichteten Berufung wies der Vater der Beschwerdeführerin darauf hin, daß er für diese alleine vertretungsberechtigt sei. Weiters sei seine Tochter in seinem Reisepaß miteingetragen.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 16. April 1996 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gemäß § 3 Abs. 1 und § 4 Abs. 3 AufG abgewiesen.

In der Begründung dieses Bescheides führte die belangte Behörde aus, daß durch die Abweisung des Antrages der Mutter der Beschwerdeführerin auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung auch der Beschwerdeführerin selbst keine auf § 3 Abs. 1 AufG gegründete Aufenthaltsbewilligung zu erteilen sei. Dabei sei berücksichtigt worden, daß auf Grund des Alters der Beschwerdeführerin eine besondere Bindung zur Mutter bestehe und der Vater, auch auf Grund seiner Erwerbstätigkeit, nicht in der Lage sei, seiner Aufsichtspflicht nachzukommen. Auch unter Abwägung der persönlichen Interessen der Beschwerdeführerin mit den öffentlichen Interessen im Sinne des Art. 8 Abs. 2 MRK habe die Berufungsbehörde festgestellt, daß die öffentlichen Interessen überwögen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Dreiersenat erwogen:

Die für den Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen des Aufenthaltsgesetzes lauten:

"§ 3. (1) Ehelichen und außerehelichen minderjährigen Kindern und Ehegatten

...

2. von Fremden, die auf Grund einer Bewilligung, eines vor dem 1. Juli 1993 ausgestellten Sichtvermerks oder sonst gemäß § 1 Abs. 3 Z. 1 bis 5 rechtmäßig seit mehr als zwei Jahren ihren Hauptwohnsitz in Österreich haben, ist nach Maßgabe des § 2 Abs. 3 Z. 3 und 4 eine Bewilligung zu erteilen, sofern kein Ausschließungsgrund (§ 5 Abs. 1) vorliegt.

§ 4. ...

(3) Eine Bewilligung gemäß § 3 Abs. 1 und Abs. 4 ist jeweils mit der gleichen Befristung zu erteilen wie die der Bewilligung des Ehegatten bzw. Elternteiles oder Kindes, bei der ersten Bewilligung aber höchstens für die Dauer von fünf Jahren."

Die belangte Behörde geht darüber hinweg, daß im Antrag der Beschwerdeführerin unter Punkt 4 "Aufenthaltszweck" in lit. c "Familiengemeinschaft bzw. Familienzusammenführung, und zwar mit" das Wort "Vater" angekreuzt und unterstrichen ist und bei den folgenden Angaben zur Person dieses Familienangehörigen Vor- und Familienname des Vaters der Beschwerdeführerin angeführt wurden. Unter Punkt 4. lit. d des Antrages findet sich ausdrücklich als privater Aufenthaltszweck die Angabe "mit dem Vater und Mutter". Daraus ist eindeutig zu ersehen, daß die Familienzusammenführung bzw. Familiengemeinschaft auch mit dem Vater der Beschwerdeführerin angestrebt wurde.

Aus dem systematischen Bezug des § 4 Abs. 3 AufG folgt, daß - entgegen der Ansicht der belangten Behörde - nur derjenige Elternteil gemeint sein kann, der über eine Aufenthaltsbewilligung verfügt. Diese Auffassung entspricht auch einer im Hinblick auf Art. 8 MRK verfassungskonformen Interpretation. Allein der Umstand, daß die Mutter der Beschwerdeführerin im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht über eine Aufenthaltsbewilligung verfügte, berechtigte die belangte Behörde im vorliegenden Fall somit nicht zur Abweisung des auch auf Familiengemeinschaft mit ihrem Vater gerichteten Antrages der Beschwerdeführerin (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 14. Februar 1997, Zl. 95/19/1777, sowie vom 30. Mai 1997, Zl. 96/19/2247).

Ausgehend von der unrichtigen Rechtsansicht, daß die Mutter im konkreten Fall diejenige Person sei, auf welche die angestrebte Familienzusammenführung bzw. Familiengemeinschaft abzustellen sei, hat sich die belangte Behörde nicht damit befaßt, ob der Vater der Beschwerdeführerin aufgrund einer der in § 3 Abs. 1 Z. 2 AufG genannten Bewilligungen rechtmäßig seit mehr als zwei Jahren seinen Hauptwohnsitz in Österreich hatte. Dabei hätte die Behörde Feststellungen dahin treffen müssen, ob dem - seit 1985 im Bundesgebiet aufrecht gemeldeten - Vater der Beschwerdeführerin vor dem Zeitpunkt der Ausstellung seines neuen Reisepasses im Jahre 1995 bereits Sichtvermerk(e) ausgestellt worden waren. Wenn der Vater der Beschwerdeführerin über einen vor dem 1. Juli 1993 ausgestellten Sichtvermerk verfügte, wäre der Beschwerdeführerin aber ein Rechtsanspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung nach Maßgabe des § 2 Abs. 3 Z. 3 und 4 AufG zugekommen. Eine Ermessensentscheidung der belangten Behörde gemäß § 4 Abs. 1 AufG wäre somit ausgeschlossen gewesen.

Die belangte Behörde verabsäumte es - ausgehend von der dargelegten unrichtigen Rechtsansicht über den Inhalt des § 4 Abs. 3 AufG - Feststellungen in die obgenannte Richtung zu treffen.

Durch ihre unzutreffende Rechtsauffassung belastete die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes, weshalb dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Bei diesem Ergebnis erübrigt sich auch ein gesonderter Abspruch des Berichters über den Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf

die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.

Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1996191660.X00

Im RIS seit

02.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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