Entscheidungsdatum
09.07.2020Index
L46007 Jugendförderung Jugendschutz TirolNorm
JugendG Tir 1994 §18aText
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seine Richterin Dr.in Keplinger über die Beschwerde des AA, wohnhaft in Adresse 1, Z, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom 27.04.2020, Zl ***, betreffend eine Übertretung nach dem Tiroler Jugendgesetz, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung,
zu Recht:
1. Der Beschwerde wird Folge gegeben, der angefochtene Bescheid behoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG 1991 eingestellt.
2. Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. Verfahrensgang:
Mit Bescheid vom 27.04.2020, Zl ***, wurde dem AA zur Last gelegt, er habe am 13.02.2020 um 18.20 Uhr in der Adresse 2 in Z als 16-jähriger Jugendlicher, der das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, Tabak in Form einer Zigarette in der Öffentlichkeit konsumiert und dadurch gegen § 18a Abs 2 Tiroler Jugendgesetz verstoßen. Gemäß § 21 Abs 5 Tiroler Jugendgesetz wurde der Jugendliche verwarnt, da es sich bei der gegenständlichen Übertretung um ein erst- bzw zweitmaliges Vergehen handelt.
Begründend führte die belangte Behörde aus, dass es sich um einen Jugendlichen zwischen dem 16. und 18. Lebensjahr handelt, welcher bei den ersten beiden Übertretungen nach §§ 18a oder 18b Tiroler Jugendgesetz nachweislich zu verwarnen ist.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer rechtzeitig Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Tirol und beantragte die Einstellung des Verfahrens. Begründend führte der Beschwerdeführer aus, dass er keine Zigarette konsumiert habe, sondern lediglich eine offene Packung Zigaretten mitgeführt habe, welche seiner Mutter oder seinem Vater gehört hätten.
Beweis wurde aufgenommen durch die Einsichtnahme in den verwaltungsbehördlichen Akt, die Einvernahme des Zeugen BB, CC und DD in der öffentlichen mündlichen Verhandlung am 06.07.2020 (OZ 2). Der Beschwerdeführer, der nachweislich zur Verhandlung geladen wurde, ist dieser ferngeblieben, weshalb eine Einvernahme des Beschwerdeführers nicht möglich war.
II. Sachverhalt:
Am 13.02.2020 um 18.20 Uhr hielten sich mehrere Jugendliche – wie auch der Beschwerdeführer – in Z, im Bereich der Tankstelle EE, Adresse 2, auf. Der Beschwerdeführer war zum Tatzeitpunkt 16 Jahre alt. Der Jugendliche führte eine Packung Zigaretten der Marke „FF“ mit sich, in welcher sich noch 13 Zigaretten befanden.
Eine Streife der PI Z kontrollierte die Jugendlichen, führte eine Identitätsfeststellung durch und nahm dem Beschwerdeführer die Zigarettenpackung ab. Beim Eintreffen der Polizeistreife konsumierte der Jugendliche keine Zigarette
III. Beweiswürdigung:
Die getroffenen Feststellungen gründen im Wesentlichen auf dem unbedenklichen Inhalt des verwaltungsbehördlichen Aktes. Die im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung als Zeugen einvernommenen Polizeibeamten BB, CC und DD, welche am 13.02.2020 die Amtshandlung mit dem Beschwerdeführer durchführten, gaben glaubwürdig und nachvollziehbar an, dass sie den Jugendlichen mit einer angebrochenen Zigarettenpackung angetroffen haben und dieser zum Zeitpunkt ihres Eintreffens aber nicht geraucht hat.
IV. Rechtslage:
Die entscheidungswesentlichen Bestimmungen des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 (VStG 1991), BGBl Nr. 52/1991 idF BGBl I Nr 58/2018, lauten auszugsweise wie folgt:
„§ 45
(1) Die Behörde hat von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn
1. die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann oder keine Verwaltungsübertretung bildet;
2. der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen hat oder Umstände vorliegen, die die Strafbarkeit aufheben oder ausschließen;
3. Umstände vorliegen, die die Verfolgung ausschließen;
4. die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat und das Verschulden des Beschuldigten gering sind;
5. die Strafverfolgung nicht möglich ist;
6. die Strafverfolgung einen Aufwand verursachen würde, der gemessen an der Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und der Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat unverhältnismäßig wäre.
Anstatt die Einstellung zu verfügen, kann die Behörde dem Beschuldigten im Fall der Z 4 unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens mit Bescheid eine Ermahnung erteilen, wenn dies geboten erscheint, um ihn von der Begehung strafbarer Handlungen gleicher Art abzuhalten.“
Die entscheidungswesentlichen Bestimmungen des Tiroler Jugendgesetzes, LGBl Nr 4/1994 idF LBGl Nr 7/2019, lauten auszugsweise wie folgt:
„§ 11
(1) Kinder sind Personen, die das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet haben.
(2) Jugendliche sind Personen zwischen dem vollendeten 14. und dem vollendeten 18. Lebensjahr.
(3) Aufsichtspersonen sind
a) die Eltern(-teile) und jene Personen, die nach bürgerlichem Recht erziehungsberechtigt sind;
b) Personen ab dem vollendeten 18. Lebensjahr,
1. die im Einvernehmen mit Personen nach lit. a die Erziehung beruflich, vertraglich oder sonst nicht bloß vorübergehend ausüben, oder
2. denen die Aufsicht über Kinder oder Jugendliche von Personen nach lit. a oder Z 1 nur vorübergehend anvertraut worden ist, oder
3. die im Rahmen einer Jugendorganisation mit der Führung von Kindern oder Jugendlichen betraut sind.“
„18a
Tabak
(1) An Kinder und Jugendliche darf Tabak (Kautabak, Schnupftabak, Rauchtabak und Lutschtabak) nicht weitergegeben werden.
(2) Kinder und Jugendliche dürfen Tabak im Sinn des Abs. 1 nicht erwerben oder in der Öffentlichkeit konsumieren.“
„§ 21
…
(5) Abweichend von den Bestimmungen der Abs. 3 und 4 hat die Bezirksverwaltungsbehörde Jugendliche zwischen dem 16. und dem 18. Lebensjahr bei den beiden ersten Übertretungen der §§ 18a oder 18b nachweislich zu verwarnen. Bei der dritten Übertretung der §§ 18a oder 18b gilt Abs. 4 sinngemäß.“
V. Erwägungen:
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer zur Last gelegt, er habe als Jugendlicher Tabak in Form einer Zigarette in der Öffentlichkeit konsumiert und daher gegen § 18a Abs 2 Tiroler Jugendgesetz verstoßen.
AA, geb am xx.xx.2003, ist gemäß § 11 Abs 2 Tiroler Jugendgesetz Jugendlicher. Gemäß § 18a Abs 2 Tiroler Jugendgesetz dürfen Kinder und Jugendliche Tabak (Kautabak, Schnupftabak, Rauchtabak und Lutschtabak) nicht erwerben oder in der Öffentlichkeit konsumieren.
Mit dem verfahrensgegenständlichen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer zur Last gelegt, er habe gegen § 18a Abs 2 Tiroler Jugendgesetz verstoßen, da er Tabak in Form einer Zigarette in der Öffentlichkeit konsumiert habe. Weder aus der dem Verfahren zu Grunde liegenden Anzeige der PI Z vom 15.02.2020, Zl ***, geht hervor, dass der Beschwerdeführer zum Tatzeitpunkt am angeführten Tatort in der Öffentlichkeit Tabak konsumiert hat, noch wurde dies in der öffentlichen mündlichen Verhandlung von den einvernommenen Polizeibeamten, welche die Amtshandlung durchführten, ausgesagt. Es konnte daher nicht festgestellt werden, dass der Jugendliche Tabak in der Öffentlichkeit konsumiert hat. Der Jugendliche führte lediglich Zigaretten mit sich.
Gemäß § 18a Abs 2 Tiroler Jugendgesetz ist Jugendlichen auch der Erwerb von Tabakwaren untersagt und stellt dies eine Verwaltungsübertretung dar.
Das durchgeführte Ermittlungsverfahren hat ergeben, dass der Beschwerdeführer die ihm vorgeworfene Übertretung, nämlich den Konsum einer Zigarette in der Öffentlichkeit, nicht begangen hat.
Eine Korrektur des Spruchs kommt für das Verwaltungsgericht nicht in Betracht, da es dadurch zu einem „Austausch der Tat“ durch Heranziehung eines anderen als des ursprünglich der Bestrafung zu Grunde gelegten Sachverhalts kommen würde. Dies ist jedenfalls unzulässig.
Der Jugendliche hat die ihm vorgeworfene Verwaltungsübertretung nicht begangen und war daher der Beschwerde Folge zu geben und der Bescheid, mit welchem der Beschwerdeführer gemäß § 21 Abs 5 Tiroler Jugendgesetz verwarnt wurde, aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG 1991 einzustellen.
VI. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Soweit die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof in Wien für zulässig erklärt worden ist, kann innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung dieser Entscheidung eine ordentliche Revision erhoben werden. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision kann innerhalb dieser Frist nur die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.
Wenn allerdings in einer Verwaltungsstrafsache oder in einer Finanzstrafsache eine Geldstrafe von bis zu Euro 750,00 und keine Freiheitsstrafe verhängt werden durfte und im Erkenntnis eine Geldstrafe von bis zu Euro 400,00 verhängt wurde, ist eine (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichthof wegen Verletzung in Rechten nicht zulässig.
Jedenfalls kann gegen diese Entscheidung binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, erhoben werden.
Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Verwaltungsgericht einzubringen.
Es besteht die Möglichkeit, für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof Verfahrenshilfe zu beantragen. Verfahrenshilfe ist zur Gänze oder zum Teil zu bewilligen, wenn die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten bzw wenn die zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel weder von der Partei noch von den an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.
Für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist beim Verfassungsgerichtshof einzubringen. Für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist im Fall der Zulassung der ordentlichen Revision beim Verwaltungsgericht einzubringen. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision ist der Antrag auf Verfahrenshilfe beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen; dabei ist im Antrag an den Verwaltungsgerichtshof, soweit dies dem Antragsteller zumutbar ist, kurz zu begründen, warum entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.
Zudem besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.
Landesverwaltungsgericht Tirol
Dr.in Keplinger
(Richterin)
Schlagworte
Jugendlicher;European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGTI:2020:LVwG.2020.47.1036.3Zuletzt aktualisiert am
18.08.2020