Entscheidungsdatum
04.07.2019Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
L529 2218326-1/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. M. EGGINGER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Türkei, vertreten durch RA Mag. Michael-Thomas REICHENVATER, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl 28.03.2019, Zl. XXXX , zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE :
I. Verfahrenshergang
I.1. Der Beschwerdeführer (BF) stellte nach seiner Einreise zwischen ca. Ende Februar 2018 bzw. März 2018, mittels bis zum 18.05.2018 gültigem, polnischem Visum D, in das Bundesgebiet am 03.01.2019 beim Stadtpolizeikommando XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz. Anlässlich der Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der BF zum Fluchtgrund an, dass er in der Türkei keinen Wehrdienst leisten wolle und für sich als Kurde in der Türkei keine Zukunft gesehen habe. Zur Fluchtroute führte er aus, dass er die Türkei am 27.11.2017, ausgehend von Istanbul, legal verlassen und in der Folge legal nach Polen eingereist sei.
I.2. Am 12.03.2019 wurde der BF beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) niederschriftlich einvernommen. Er gab dabei im Wesentlichen an, dass er Probleme wegen seines Militärdienstes hätte bzw. diesen nicht ableisten wolle. Er wolle zudem nicht gegen Kurden kämpfen. Weitere Gründe habe er nicht. Zu seiner Einreise gab er an, im März 2018 zu Urlaubszwecken ausgehend von Polen ins österreichische Bundesgebiet gereist zu sein.
I.3. Der Antrag auf internationalen Schutz wurde mit dem im Spruch genannten Bescheid des BFA gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Z. 13 AsylG 2005 abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Z. 13 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Türkei nicht zugesprochen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF gemäß § 52 Abs. 2 Z. 2 FPG eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung in die Türkei gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt VI.).
I.4. Gegen den genannten Bescheid wurde innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben.
I.5. Der Verwaltungsakt langte am 03.05.2019 bei der zuständigen Gerichtsabteilung ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Das BVwG hat durch den Inhalt des übermittelten Verwaltungsaktes der belangten Behörde, sowie durch Einholung von Auszügen aus dem ZMR, dem GVS sowie dem zentralen Fremdenregister Beweis erhoben.
II. 1. Feststellungen (Sachverhalt)
II.1.1. Zur Person des BF:
Die Identität des BF steht fest. Der BF ist türkischer Staatsangehöriger, gehört der kurdischen Volksgruppe an und stammt aus XXXX . Er ist muslimischen Glaubens. Der BF ist seit 21.11.2018 mit einer slowakischen Staatsangehörigen verheiratet und hat keine Kinder. Er leidet an keiner lebensbedrohenden Krankheit.
In der Türkei leben noch seine Eltern und drei Brüder, mit denen der BF vor der Ausreise zusammen in XXXX lebte. Zwei seiner Brüder sowie sein Vater gehen in der Türkei einer Erwerbstätigkeit nach. Der BF besuchte in der Türkei für fünf Jahre die Grundschule und für drei Jahre die Hauptschule. In der Folge absolvierte er eine Lehre als Friseur und hat als Friseur, am Bau und in einem Hotel gearbeitet.
Der BF ist am 27.11.2017 mittels bis 18.05.2018 gültigem polnischem Visum D nach Polen eingereist und hat dort in der Folge, für etwa zwei Monate, in einer Döner-Herstellungsfabrik gearbeitet. Der Beschwerdeführer hat in Polen keinen Antrag auf internationalen Schutz gestellt und hat Polen wegen der schlechten Arbeitsbedingungen verlassen. Er ist zu einem nicht näher feststellbaren Zeitpunkt zwischen Ende Februar und März 2018 legal in das österreichische Bundesgebiet eigereist. Nach Ablauf seines polnischen Visums mit 18.05.2018 war sein Aufenthalt im österreichischen Bundesgebiet bis zur Asylantragstellung am 03.01.2019 nicht rechtmäßig. Am 10.01.2019 wurde gegen den BF seitens der LPD XXXX Anzeige wegen Nichtmitführung eines Reisedokuments gemäß § 121 Abs. 3 Z. 2 iVm § 32 Abs. 2 FPG sowie wegen rechtswidrigem Aufenthalt gemäß §§ 120 Abs. 1a iVm 31 Abs. 1 und 1a FPG erstattet.
Der BF bezieht keine Leistungen aus der Grundversorgung und lebt bei seiner Ehegattin in XXXX . In Österreich leben noch zwei Onkel und eine Tante des BF. Deutschkurse besuchte der BF bislang nicht. Der BF ist nicht erwerbstätig. Seinen Unterhalt bezieht er von seiner Ehegattin sowie im Bedarfsfall von seinen in Österreich lebenden Verwandten.
II.1.2. Zu den angegebenen Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaates:
Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF im Falle einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat, (konkret XXXX ), mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer glaubhaften, asylrelevanten Verfolgungsgefahr oder einer realen Gefahr für Leib und/oder Leben ausgesetzt wäre.
II.1.3. Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat:
Das Bundesamt stellte im Bescheid umfassende Länderfeststellungen samt aktuellen integrierten Kurzinformationen dar (Seite 8 bis 44 des angefochtenen Bescheides). Aus der dargestellten allgemeinen Lage ergibt sich kein konkretes, hier entscheidungsrelevantes Szenario, wonach Personen mit dem Persönlichkeitsprofil des BF im Falle einer Rückkehr real bzw. mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer hier maßgeblichen Gefährdung unterliegen würden.
Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Türkei schließt sich das ho. Gericht den schlüssigen und nachvollziehbaren Feststellungen der belangten Behörde an und wird konkret auf die insoweit relevanten Abschnitte hingewiesen:
Wehrdienst
Die türkische Armee (TSK) ist zu 50% eine Berufsarmee, ergänzt um 200.000 Wehrpflichtige. Jedes Jahr werden etwa 300.000 türkische Männer über 18 Jahren für zwölf Monate einberufen. Nach offiziellen Angaben haben 1,9 Millionen junge Männer wegen ihres Studiums den Wehrdienst aufgeschoben. Weitere drei Millionen haben aus verschiedenen anderen Gründen einen Aufschub beantragt. Rund 650.000 entziehen sich gesetzwidrig der Wehrpflicht (AM 4.7.2018).
Jeder männliche türkische Staatsangehörige unterliegt ab dem 20. Lebensjahr der Wehrpflicht. Das Wehrdienstalter beginnt am 1. Januar des Jahres, in dem der Betreffende das 19. Lebensjahr vollendet und endet am 1. Januar im Jahr des 41. Geburtstags. Diejenigen, die innerhalb dieser Zeit den Wehrdienst nicht abgeleistet haben, werden von der Wehrpflicht nicht befreit. Der Wehrdienst wird in den Streitkräften einschließlich der Jandarma abgeleistet. Söhne und Brüder von gefallenen Soldaten können vom Wehrdienst befreit werden (AA 3.8.2018).
Das Parlament hat am 26.7.2018 ein Gesetz ratifiziert, das es den Bürgern ermöglicht, die Dauer ihres Militärdienstes durch die Zahlung eines bestimmten Geldbetrages zu verkürzen. Das Gesetz ermöglicht es den Bürgern, ihren Militärdienst in nur 21 Tagen statt in fünfeinhalb oder zwölf Monaten zu absolvieren, wenn sie Hochschulabsolventen sind und Geld via Bankkonten an die Regierung zahlen. Nach dem Gesetz sind Bürger, die am oder vor dem 1. Januar 1994 geboren wurden, verpflichtet 21 Tage Militärdienst zu leisten, wenn sie 15.000 TL (ca. 2.000 Euro) zahlen (DS 26.7.2018). Fast 450.000 Personen [Stand 2.9.2018] haben sich in der Türkei für den kaufbaren, verkürzten Militärdienst beworben. Die Antragstellung begann am 3.8. und endet am 3.11.2018 (Anadolu 2.9.2018).
Mit der ebenfalls am 26. Juli 2018 erfolgten Gesetzesänderung gilt für den "Freikauf" von auf Dauer im Ausland lebenden türkischen Wehrpflichtigen nun folgendes: Die Gesamtsumme, die für den "Freikauf" festgelegt ist, beträgt 2.000 ? (Connection e.V. 27.07.2018, vgl. DS 26.7.2018). Er ist bis zur Vollendung des 38. Lebensalters zu zahlen, kann aber auch noch später gezahlt werden. Es besteht die Verpflichtung, eine vom türkischen Verteidigungsministerium angebotene Fernausbildung abzuleisten. Wie dies genau aussehen soll, ist bislang unklar (Connection e.V. 27.07.2018).
Transsexuelle, Transvestiten und Homosexuelle konnten unter der Bezeichnung "psycho-sexuelle Störungen" nach Vorsprache bei der Wehrdienstbehörde und Untersuchungen vom Militärdienst befreit werden. Im Gesundheitsgesetz der türkischen Streitkräfte vom 12.11.2015 wird Homosexualität wie folgt beschrieben: "Sexuelle Verhaltensweisen und Einstellungen, die im militärischen Umfeld die Harmonie und Funktionalität beeinträchtigen könnten." Homosexualität führte daher im Grundsatz zur Wehrdienstuntauglichkeit, die jedoch bis zum gescheiterten Putschversuch vom 15.7.2016 durch ärztliches Gutachten in Militärkrankenhäusern festgestellt werden musste. In Folge des gescheiterten Putschversuchs wurden alle militärischen Krankenhäuser geschlossen; das Personal wurde entweder verhaftet, entlassen oder in zivile Einrichtungen überführt (AA 3.8.2018).
Medienberichten zufolge erlitten einige Wehrpflichtige schwere Schikanen, körperliche Misshandlungen und Folterungen, die manchmal zu Selbstmord führten (USDOS 20.4.2018).
Kurdisch-stämmige Rekruten in der Armee
Laut der kurdischen Nachrichtenplattform "Ekurd Daily" werden kurdische Rekruten in den Konfliktzonen der Südost-Türkei eingesetzt, wo sie Gefahr laufen auf kurdische Deserteure zu stoßen, die sich der PKK angeschlossen haben. Überdies stehen kurdische Rekruten unter einem hohen Risiko, Opfer von Menschenrechtsverletzungen - dazu gehören Erniedrigungen, Schläge und Folter - zu werden, mitunter sogar getötet zu werden. 90% der Selbstmorde in den Streitkräften fielen auf ethnische Kurden. Todesfälle wurden vom Militär als vermeintliche Selbstmorde oder Unfälle dargestellt, wobei angemessene Untersuchungen der Vorfälle ausblieben. Deserteure und Wehrdienstverweigerer wurden generell als mit der PKK sympathisierend betrachtet, weil sie willentlich den Wehrdienst verabsäumen (ED 1.3.2016).
In den 1990er Jahren wurden während der Kämpfe zwischen der Armee und der PKK kurdische Rekruten selten in die Kriegsgebiete des Südostens entsandt. Diese Politik hat sich durch die AKP schrittweise geändert, als diese aufgrund ihrer Kurdenpolitik auch für Kurden wählbar wurde, und es zudem zu Verhandlungen mit der PKK kam. Angesichts des erneuten Konflikts glauben allerdings viele in den kurdischen Gebieten, dass die Regierung absichtlich kurdisch-stämmige Soldaten in den Kampf gegen die PKK entsendet, um den Ruf der PKK als kurdische Widerstandsbewegung zu diskreditieren (Rudaw 4.2.2016).
Die türkischen Streitkräfte berufen ihre Wehrpflichtigen generell in andere Landesteile ein, damit diese die Türkei kennenlernen. Es kann also durchaus sein, dass ein kurdisch-stämmiger junger Mann aus Ankara nach Diyarbakir einberufen wird und vice versa. Bei den Anschlägen der PKK werden auch immer wieder kurdisch-stämmige Wehrpflichtige und Berufssoldaten getötet. Viele junge Männer im Südosten der Türkei verschwinden aber vor ihrer Einberufung in die Wälder zur PKK. Ein weiterer Grund für die Einberufung in andere Landesteile soll auch sein, dass die Bevölkerung im Osten oder Südosten des Landes grundsätzlich weniger gebildet ist und traditionell eine andere Lebenseinstellung hat. Die Erfahrungen im Westen sollen mit nach Hause genommen werden und - so hofft man jedenfalls - das künftige Leben zumindest ein wenig beeinflussen (VB 10.11.2016).
Aus Sicht der Österreichischen Botschaft besteht keine Systematik in der Diskriminierung von Minderheiten im Militär, weder betreffend die kurdische- als auch die alevitische Minderheit. Es existieren aber Einzelfälle (ÖB 10.2017).
Wehrersatzdienst / Wehrdienstverweigerung / Desertion
Die Türkei ist das einzige Mitglied des Europarates, das das Recht auf Verweigerung des Wehrdienstes aus Gewissensgründen nicht anerkennt (EC 17.4.2018).
Wehrdienstverweigerung ist strafbar und Wehrdienstverweigerung aus Gewissensgründen ist bis dato noch nicht möglich. Derzeit besteht für Wehrdienstverweigerer aus Gewissensgründen nur die Möglichkeit, eine Haftstrafe abzusitzen; danach erfolgt normalerweise die "Befreiung". Im März 2012 wurde erstmals ein Urteil des Militärgerichts von dem Recht auf Militärdienstverweigerung aus Gewissensgründen vom EGMR beeinflusst. Der angeklagte Wehrdienstleistende war nach fünf Monaten im Militärdienst geflohen und teilte seine Dienstverweigerung aus Gewissensgründen (aus religiösen Gründen) mit. Der Wehrdienstleistende wurde aufgrund seiner Flucht und seiner Dienstverweigerung vom Militärgericht angeklagt, wurde aber nicht wegen der Militärdienstverweigerung, sondern wegen seiner Flucht zu zehn Monaten Haft verurteilt. Das Militärgericht hat in seinem Urteil, das erste Mal auf die Entscheidung des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs Bezug genommen, das die Rechte von Wehrdienstverweigerern aus Gewissensgründen schützt (Art. 9 EMRK). Der EGMR hat die Türkei bereits in einigen Fällen im Zusammenhang mit der Verweigerung der Anerkennung von Militärdienstverweigerung aus Gewissensgründen verurteilt. Im Fall Savda gegen die Türkei hatte der EGMR festgehalten, dass ein System, das keinen Ersatzdienst und kein entsprechendes Verfahren vorsieht, keinen gerechten Ausgleich zwischen dem allgemeinen Interesse der Gesellschaft und jenem von Wehrdienstverweigerern treffe und hatte eine Verletzung von Art. 9 EMRK (Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit) bejaht (ÖB 10.2017).
Seit Änderung von Art. 63 tMilStGB ist nunmehr bei unentschuldigtem Nichtantritt oder Fernbleiben vom Wehrdienst statt einer Freiheitsstrafe zunächst eine Geldstrafe zu verhängen. Subsidiär bleiben aber Haftstrafen bis zu sechs Monaten möglich. Die Verjährungsfrist beträgt zwischen fünf und acht Jahren, falls die Tat mit Freiheitsstrafe bedroht ist. Suchvermerke für Wehrdienstflüchtlinge werden seit Ende 2004 nicht mehr im Personenstandsregister eingetragen (AA 3.8.2018).
Denjenigen, die nicht zum Wehrdienst erscheinen oder verspätet erscheinen, drohen je nach Dauer des Fernbleibens unterschiedliche Gefängnisstrafen. Die Bestrafung folgt zusammen mit Geldstrafen, deren Umfang sich gestaffelt an den Jahren des Fernbleibens orientiert (VB 15.2.2017).
Das türkische Gesetz zu Desertion definiert in Artikel 66 die Strafe für Desertion. Militärpersonal wird mit einer Gefängnisstrafe zwischen einem und drei Jahren belegt: wenn die betreffende Person sich von ihrer Einheit oder ihrem Einsatzort ohne Urlaub für mehr als sechs Tage entfernt hat; oder wenn die betreffende Person nach einem absolvierten Urlaub nicht innerhalb von sechs Tagen zum Dienst zurückkehrt und keine Entschuldigung dafür hat. Die Strafe beläuft sich auf mindestens zwei Jahre Gefängnis, wenn die Person Waffen, Munition oder weitere der Armee gehörende Gegenstände, Ausrüstung, Tiere oder Transportmittel entwendet; wenn die Person während des Dienstes desertiert; wenn die Person die Übertretung wiederholt. Artikel 67 definiert, dass Militärpersonal, das ins Ausland geflohen ist, mit drei bis fünf Jahren Gefängnis bestraft werden kann, und zwar nach einer Absenz von drei Tagen, falls die betreffende Person das Land ohne Erlaubnis verlässt. Die Strafe soll mindestens fünf Jahre betragen und auf bis zu zehn Jahre erhöht werden: wenn die ins Ausland geflohene Person Waffen, Munition oder weitere der Armee gehörende Gegenstände, Ausrüstung, Tiere oder Transportmittel entwendet; wenn sie während des Dienstes desertiert; wenn sie die Übertretung wiederholt; oder wenn sie während einer Mobilisierung (für Krieg) desertiert. Schließlich können desertierte Militärangehörige für Befehlsverweigerung angeklagt und bestraft werden. Für andauernden Ungehorsam in der Öffentlichkeit drohen bis zu fünf Jahren Gefängnisstrafe. Wer andere Soldaten zum Ungehorsam anstiftet, kann mit bis zu zehn Jahren Gefängnis bestraft werden. Das im Rahmen des Ausnahmezustands erlassene Dekret 691 vom 2.6.2017 hält unter anderem fest, dass Soldaten, die sich mehr als drei Tage ohne offizielle Erlaubnis im Ausland aufhalten, als Deserteure betrachtet und entsprechend bestraft werden. Ein ins Ausland geflohener Deserteur muss mit einer Verurteilung zu einer Gefängnisstrafe von mindestens fünf Jahren rechnen. Eine Strafe von zehn Jahren ist jedoch auch möglich (SFH 22.3.2018).
(Auszug aus dem von der belangten Behörde herangezogenen Länderinformationsblatt der Staatendokumentation des BFA v. 18.10.2018)
II. 2. Beweiswürdigung
II.2.1. Zur Person des BF
Die Identität steht aufgrund des vorgelegten Reisedokumentes fest.
Die sonstigen Feststellungen zur Person ergeben sich aus seinen Orts- und Sprachkenntnissen und seinen diesbezüglichen glaubhaften Angaben.
Die Feststellungen zu den Reisebewegungen des BF ergeben sich aus dessen Angaben und den korrespondierenden Dokumenten im Akt (vgl. insbes. AS 41). Nicht näher feststellbar war, mangels gleichlautender Angaben des BF, sein Einreisedatum in das österreichische Bundesgebiet (vgl. AS 13, 131 und 163). Das Datum konnte somit lediglich auf den festgestellten Zeitraum eingegrenzt werden.
Die Tatsache der Eheschließung ergibt sich aus der vorgelegten Heiratsurkunde (vgl. AS 49).
II.2.2. Zu den angegebenen Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaates
Vorweg ist anzuführen, dass die im Verfahren aufgenommenen Niederschriften mit den Aussagen des BF iSd § 15 AVG vollen Beweis über den Verlauf und Gegenstand der Amtshandlung bilden und mit diesem Inhalt als zentrales Beweismittel der Beweiswürdigung unterzogen werden können. Gerade im Asylverfahren kommt der persönlichen Aussage des Antragstellers besondere Bedeutung zu, handelt es sich doch im Wesentlichen behauptetermaßen um persönliche Erlebnisse, über die berichtet wird, die sich vielfach insbesondere auf Grund der faktischen und rechtlichen Ermittlungsschranken der Asylinstanzen weitgehend einer Überprüfbarkeit entziehen.
Die belangte Behörde legte im Rahmen der Beweiswürdigung im Wesentlichen dar, dass der BF keineswegs in der Lage war, die Gefahr asylrelevanter Verfolgung im Herkunftsstaat glaubhaft zu machen. Insbesondere das Vorbringen des BF, wonach er infolge des Ablaufes seines polnischen Visums einen Rechtsanwalt konsultierte, um nach Möglichkeiten seines Verbleibens in Österreich zu suchen und in der Folge "um Asyl ansuchen" habe müssen (vgl. AS 164), wurde vom BFA zurecht als zentrales Indiz gegen die Glaubhaftigkeit tatsächlicher asylrelevanter Verfolgung des BF im Herkunftsstaat herangezogen.
Als einzigen und zentralen Fluchtgrund brachte der Beschwerdeführer vor dem BFA vor, seinen Militärdienst in der Türkei nicht ableisten zu wollen. Zurecht wies schon das BFA in seiner Beweiswürdigung darauf hin, dass der BF noch nicht einmal die Existenz eines Einberufungsschreibens glaubhaft machen konnte (und ein solches trotz Aufforderung durch den Leiter der Amtshandlung nicht vorlegte). Es war somit schon am Umstand der Einberufung zum Militär zu zweifeln. Im Übrigen mangelt es dem entsprechenden Vorbringen selbst im Falle des Zutreffens an Asylrelevanz (s. dazu unter rechtliche Beurteilung).
Weitere Fluchtgründe brachte der BF nicht vor. Lediglich in der Erstbefragung äußerte er behördliche Benachteiligungen aufgrund seines kurdischen Namens, sowie dass er für sich als Kurde in der Türkei keine Zukunft sehe. Darin erblickte schon die belangte Behörde keine konkreten Anhaltspunkte die auf eine individuell gegen den BF gerichtete asylrelevante Verfolgung schließen lassen würden.
Demgegenüber gelangte die belangte Behörde in einer Gesamtschau zur Auffassung, dass der BF seine Heimat in erster Linie aus wirtschaftlichen Gründen verlassen hat und führte hierzu zutreffend aus, dass der BF schon mit der Absicht - in Polen einer Erwerbstätigkeit nachzugehen - dorthin gereist ist. Davon, dass seine Reise nach Polen ausschließlich von wirtschaftlichen Motiven getragen war, zeugte auch der Umstand, dass er dort während seines mehrmonatigen Aufenthaltes keinen Antrag auf internationalen Schutz stellte. Eigenen Angaben zufolge sei er nämlich in der Folge zu Urlaubszwecken nach Österreich gereist und geblieben, weil ihm die polnischen Arbeitsbedingungen nicht gefallen hätten. Angesichts dessen ging die belangte Behörde völlig zurecht von einer wirtschaftlichen Ausreisemotivation des BF aus, zumal es vollkommen unplausibel ist, dass eine tatsächlich asylrelevant verfolgte Person, der die Ausreise aus dem Herkunftsstaat gelungen ist, nicht sogleich einen Asylantrag stellt, sobald sie einen sicheren Zielstaat (diesfalls Polen) erreicht hat.
Die Folgerungen des BFA sind in einer Gesamtbetrachtung nach Ansicht des BVwG zutreffend und schlüssig.
Soweit demgegenüber in der Beschwerde ausgeführt wird, dass es dem BFA möglich gewesen wäre entsprechende Ermittlungen in der Türkei bezüglich des Bestehens eines Einrückungsbefehls - den BF betreffend - anzustellen, ist dem entgegenzuhalten, dass der BF selbst "unter keinen Umständen" mit Erhebungen im Herkunftsstaat einverstanden war und seine Einwilligung diesbezüglich ausdrücklich nicht erteilte (AS 165 und 166). Insoweit geht die entsprechende Rüge in der Beschwere ins Leere.
Im Übrigen wurde lediglich auf den Umstand einer infolge der Militärdienstverweigerung seitens des BF zu erwartenden langjährigen Haftstrafe, welche mit Blick auf die dies negierenden länderkundlichen Feststellungen jedoch als unglaubwürdig und somit als eklatante Steigerungen des Vorbringens des BF abgetan werden musste, sowie auf die - als richtig unterstellten - Länderfeststellungen der belangten Behörde verwiesen. Mit diesen Beschwerdeausführungen trat der BF den Ausführungen der belangten Behörde jedoch nicht substantiiert entgegen.
Das BFA hat ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt und in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Ergebnisse dieses Verfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage nachvollziehbar, umfangreich und fundiert zusammengefasst.
In der Beschwerde wurde kein dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens der belangten Behörde entgegenstehender oder darüberhinausgehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt glaubwürdig vorgebracht. Es wird im Wesentlichen das Fluchtvorbringen wiederholt und ausgeführt, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorlägen, sowie, dass angesichts seiner familiären Beziehungen in Österreich eine Interessenabwägung iSd Art 8 EMRK zu seinen Gunsten ausfallen hätte müssen.
Das BVwG schließt sich den Feststellungen zum Sachverhalt und der dazu führenden Beweiswürdigung an. Im Übrigen werden weder der vom BFA festgestellte Sachverhalt noch die Beweiswürdigung des BFA in der Beschwerde substantiiert bekämpft, wie die obenstehenden Ausführungen zeigen, weshalb das BVwG nicht veranlasst war das Ermittlungsverfahren zu wiederholen bzw. zu ergänzen (vgl. z. B. VwGH 20.1.1993, 92/01/0950; 14.12.1995, 95/19/1046; 30.1.2000, 2000/20/0356; 23.11.2006, 2005/20/0551 ua.).
II.2.3. Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat:
Die vom BFA im gegenständlich angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat ergeben sich aus den von ihr in das Verfahren eingebrachten und im Bescheid angeführten herkunftsstaatsbezogenen Erkenntnisquellen, die einer Analyse der Staatendokumentation entstammen. Der BF ist diesen - trotz eingeräumter Möglichkeit - im Verfahren weder vor dem BFA noch in der Beschwerde entgegengetreten.
Aus der Berichtslage des BFA lässt sich, vor allem unter zentraler Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse, nicht die Prognose stellen, dass der BF, welcher im Herkunftsstaat noch über Familienmitglieder verfügt, im Falle einer Rückkehr eine mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit drohende asylrelevante Verfolgungsgefahr oder eine über die bloße Möglichkeit hinausgehende reale Gefährdung der hier maßgeblichen Rechtsgüter zu gegenwärtigen hätte.
II.3. Rechtliche Beurteilung
II.3.1. Zu Spruchpunkt I.
Nichtzuerkennung des Status als Asylberechtigter
II.3.1.1. § 3 AsylG
(1) Einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, ist, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.
(2) Die Verfolgung kann auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Herkunftsstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe). Einem Fremden, der einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) stellt, wird in der Regel nicht der Status des Asylberechtigten zuerkannt, wenn die Verfolgungsgefahr auf Umständen beruht, die der Fremde nach Verlassen seines Herkunftsstaates selbst geschaffen hat, es sei denn, es handelt sich um in Österreich erlaubte Aktivitäten, die nachweislich Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind.
(3) Der Antrag auf internationalen Schutz ist bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn
1. dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht oder
2. der Fremde einen Asylausschlussgrund (§ 6) gesetzt hat.
(4) Einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird, kommt eine befristete Aufenthaltsberechtigung als Asylberechtigter zu. Die Aufenthaltsberechtigung gilt drei Jahre und verlängert sich um eine unbefristete Gültigkeitsdauer, sofern die Voraussetzungen für eine Einleitung eines Verfahrens zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten nicht vorliegen oder das Aberkennungsverfahren eingestellt wird. Bis zur rechtskräftigen Aberkennung des Status des Asylberechtigten gilt die Aufenthaltsberechtigung weiter. Mit Rechtskraft der Aberkennung des Status des Asylberechtigten erlischt die Aufenthaltsberechtigung.
(4a) Im Rahmen der Staatendokumentation (§ 5 BFA-G) hat das Bundesamt zumindest einmal im Kalenderjahr eine Analyse zu erstellen, inwieweit es in jenen Herkunftsstaaten, denen im Hinblick auf die Anzahl der in den letzten fünf Kalenderjahren erfolgten Zuerkennungen des Status des Asylberechtigten eine besondere Bedeutung zukommt, zu einer wesentlichen, dauerhaften Veränderung der spezifischen, insbesondere politischen, Verhältnisse, die für die Furcht vor Verfolgung maßgeblich sind, gekommen ist.
(4b) In einem Familienverfahren gemäß § 34 Abs. 1 Z 1 gilt Abs. 4 mit der Maßgabe, dass sich die Gültigkeitsdauer der befristeten Aufenthaltsberechtigung nach der Gültigkeitsdauer der Aufenthaltsberechtigung des Familienangehörigen, von dem das Recht abgeleitet wird, richtet.
(5) Die Entscheidung, mit der einem Fremden von Amts wegen oder auf Grund eines Antrags auf internationalen Schutz der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird, ist mit der Feststellung zu verbinden, dass diesem Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
II.3.1.2. Flüchtling im Sinne von Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK ist eine Person, die aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder die sich als Staatenlose infolge solcher Ereignisse außerhalb des Landes befindet, in welchem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatte, und nicht dorthin zurückkehren kann oder wegen der erwähnten Befürchtungen nicht dorthin zurückkehren will.
Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern, ob eine vernunftbegabte Person nach objektiven Kriterien unter den geschilderten Umständen aus Konventionsgründen wohlbegründete Furcht erleiden würde (VwGH 9.5.1996, Zl.95/20/0380). Dies trifft auch nur dann zu, wenn die Verfolgung von der Staatsgewalt im gesamten Staatsgebiet ausgeht oder wenn die Verfolgung zwar nur von einem Teil der Bevölkerung ausgeübt, aber durch die Behörden und Regierung gebilligt wird, oder wenn die Behörde oder Regierung außerstande ist, die Verfolgten zu schützen (VwGH 4.11.1992, 92/01/0555 ua.).
Gemäß § 2 Abs. 1 Z. 11 AsylG 2005 ist eine Verfolgung jede Verfolgungshandlung im Sinne des Art 9 Statusrichtlinie. Demnach sind darunter jene Handlungen zu verstehen, die auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen gemäß Art 15 Abs 2 EMRK keine Abweichung zulässig ist (Recht auf Leben, Verbot der Folter, Verbot der Sklaverei oder Leibeigenschaft, Keine Strafe ohne Gesetz) oder die in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon - wie in ähnlicher beschriebenen Weise - betroffen ist.
Nach der auch hier anzuwendenden Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine Verfolgung weiters ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (z.B. VwGH vom 19.12.1995, Zl. 94/20/0858; 14.10.1998, Zl. 98/01/0262). Die Verfolgungsgefahr muss nicht nur aktuell sein, sie muss auch im Zeitpunkt der Bescheiderlassung vorliegen (VwGH 05.06.1996, Zl. 95/20/0194).
Verfolgung kann nur von einem Verfolger ausgehen. Verfolger können gemäß Art 6 Statusrichtlinie der Staat, den Staat oder wesentliche Teile des Staatsgebiets beherrschende Parteien oder Organisationen oder andere Akteure sein, wenn der Staat oder die das Staatsgebiet beherrschenden Parteien oder Organisationen nicht in der Lage oder nicht Willens sind, Schutz vor Verfolgung zu gewähren.
Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes müssen konkrete, den Asylwerber selbst betreffende Umstände behauptet und bescheinigt werden, aus denen die von der zitierten Konventionsbestimmung geforderte Furcht rechtlich ableitbar ist (vgl zB vom 8. 11. 1989, 89/01/0287 bis 0291 und vom 19. 9 1990, 90/01/0113). Der Hinweis eines Asylwerbers auf einen allgemeinen Bericht genügt dafür ebenso wenig, wie der Hinweis auf die allgemeine Lage, zB. einer Volksgruppe, in seinem Herkunftsstaat (vgl VwGH 29. 11. 1989, 89/01/0362; 5. 12. 1990, 90/01/0202; 5. 6. 1991, 90/01/0198; 19. 9 1990, 90/01/0113).
Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Konvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes befindet.
II.3.1.3. Fallbezogen ergibt sich daraus Folgendes:
Der Antrag war nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 AsylG zurückzuweisen.
Nach Ansicht des BVwG sind die dargestellten Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status als Asylberechtigter, nämlich eine glaubhafte Verfolgungsgefahr im Herkunftsstaat aus einem in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK angeführten Grund nicht gegeben.
Mit der belangten Behörde ist festzustellen, dass der BF asylrelevante Verfolgung nicht vorgebracht hat. Eine Zuerkennung des Status des Asylberichtigten ist daher insoweit ausgeschlossen.
Soweit der BF vorbringt, er habe "Probleme" aufgrund seiner Wehrdienstverweigerung zu erwarten, so fehlt diesem Vorbringen - neben der für die Asylgewährung notwendigen Intensität - schon der erforderliche Bezug zu einem in der GFK genannten Gründe. Soweit er in diesem Zusammenhang auf Ungerechtigkeiten gegenüber Kurden in der Türkei verwies, sowie auf den Umstand, nicht gegen Kurden kämpfen zu wollen, war dem zu entgegnen, dass den länderkundlichen Feststellungen folgend, keine Hinweise auf eine systematische Diskriminierung von kurdischen Rekruten beim türkischen Militär vorliegen, noch lässt sich diesen entnehmen, dass kurdische Rekruten vornehmlich bzw. systematisch im Südosten der Türkei zu Kampfeinsätzen herangezogen werden.
Eine wie vom BF befürchtete langjährige Haftstrafe infolge seiner Militärdienstverweigerung war wiederum mit Blick auf die länderkundlichen Feststellungen nicht anzunehmen, zumal bei unentschuldigtem Nichtantritt bzw. Fernbleiben vom Wehrdienst nach dem türkischen Militärstrafgesetzbuch zunächst eine Geldstrafe zu verhängen ist und nur subsidiär bis zu sechsmonatige Haftstrafen verhängt werden können. Die Behauptungen in der Beschwerde erweisen sich sohin als eklatante Steigerungen des Vorbringens des BF und sind daher unglaubwürdig, sind folglich im oben angeführten Sinne gleichfalls ungeeignet und können nicht zu einer Zuerkennung des Status des Asylberechtigten führen.
Nach der Judikatur des VwGH (vgl. VwGH 07.11.1995, 94/20/0793) könnte die Furcht wegen Einberufung zum Militärdienst nur dann asylrechtlich relevant sein, wenn die Einberufung aus einem der in der Flüchtlingskonvention genannten Gründe erfolgt wäre oder aus solchen Gründen eine drohende allfällige Bestrafung wegen Wehrdienstverweigerung schwerer als gegenüber anderen Staatsangehörigen wiegen würde (vgl. insbesondere VwGH 29.6.1994, 93/01/0377 [verst. Senat]). Dass dem BF aus in der GFK angeführten Gründen eine härtere Bestrafung als anderen Staatsangehörigen gedroht hätte, war angesichts der getroffenen Länderfeststellungen und mangels glaubhaftem Vorbringen nicht feststellbar.
Im Übrigen ist im Hinblick auf die getroffenen Länderfeststellungen darauf hinzuweisen, dass es dem BF - wie jedem wehrpflichtigen türkischen Staatsangehörigen - möglich ist, bei Erfüllung bestimmter Voraussetzungen einen Aufschub bzw. eine Befreiung der Wehrpflicht zu beantragen bzw. deren Ausmaß gegen Zahlung eines Geldbetrages deutlich zu reduzieren.
Auch die allgemeine Lage ist im gesamten Herkunftsstaat nicht dergestalt, dass sich konkret für den BF eine begründete Furcht vor einer mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit drohenden asylrelevanten Verfolgung ergeben würde.
Es war unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände daher zu Recht kein Status eines Asylberechtigten zu gewähren, die Entscheidung des BFA im Ergebnis zu bestätigen und die Beschwerde somit hinsichtlich Spruchpunkt I. abzuweisen.
II.3.2. Zu Spruchpunkt II.
Nichtzuerkennung des Status als subsidiär Schutzberechtigter
II.3.2.1. § 8 AsylG
(1) Der Status des subsidiär Schutzberechtigten ist einem Fremden zuzuerkennen,
1. der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder
2. dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist,
wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK [Recht auf Leben], Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
(2) Die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 ist mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.
(3) Anträge auf internationalen Schutz sind bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offensteht. [...]
II.3.2.2. Mit dem Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, wollte der Gesetzgeber - wie in den Erläuterungen (RV 952 BlgNR 22. GP, 5) ausdrücklich angeführt wird - die Statusrichtlinie (Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004), insbesondere mit dem neu geregelten "Antrag auf internationalen Schutz" deren gemeinschaftsrechtliche Vorgaben (vgl. RV 952 BlgNR 22. GP, 30f) umsetzen (vgl. VwGH 19.2.2009, 2008/01/0344).
Aus dem Wortlaut des § 8 Abs. 1 AsylG 2005, wonach einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten unter anderem dann zuzuerkennen ist, "wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Heimatstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK" bedeuten würde, ist dagegen (im Sinne der bisherigen Non-refoulement-Prüfung) ableitbar, dass für die Gewährung des subsidiären Schutzstatus bereits jegliche reale Gefahr (real risk) einer Verletzung von Art. 3 EMRK an sich, unabhängig von einer Verursachung von Akteuren oder einer Bedrohung in einem bewaffneten Konflikt im Herkunftsstaat ausreicht.
Insofern hat der Gesetzgeber die unionsrechtlichen Vorgaben der Statusrichtlinie zur Gewährung des Status des subsidiär Schutzberechtigten im Sinne der dargelegten Auslegung der Bestimmung des Art. 15 lit. b der Statusrichtlinie iVm Art. 3 Statusrichtlinie entgegen der oben angeführten Rechtsprechung des EuGH und somit fehlerhaft umgesetzt.
Die unmittelbare Anwendung und den Vorrang von unionsrechtlichen Bestimmungen haben sowohl die Gerichte als auch die Verwaltungsbehörden der Mitgliedstaaten zu beachten. Nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH ist jedes im Rahmen seiner Zuständigkeit angerufene nationale Gericht als Organ eines Mitgliedstaats verpflichtet, in Anwendung des in Art. 4 Abs. 3 EUV niedergelegten Grundsatzes der Zusammenarbeit das unmittelbar geltende Unionsrecht uneingeschränkt anzuwenden (vgl. etwa VwGH 22.6.2015, 2015/04/0002, mwN).
Es ist dem nationalen Gesetzgeber - auch unter Berufung auf Art. 3 der Statusrichtlinie - verboten, Bestimmungen zu erlassen oder beizubehalten, die einem Fremden den Status des subsidiär Schutzberechtigten unabhängig von einer Verursachung durch Akteure oder einer Bedrohung in einem bewaffneten Konflikt im Herkunftsstaat zuerkennen.
Der Umstand, dass ein Drittstaatsangehöriger nach Art. 3 EMRK nicht abgeschoben werden kann, bedeutet nicht, dass ihm subsidiärer Schutz zu gewähren ist. Subsidiärer Schutz (nach Art. 15 lit. a und b der Statusrichtlinie) verlangt, dass der ernsthafte Schaden durch das Verhalten von Dritten (Akteuren) verursacht werden muss und dieser nicht bloß Folge allgemeiner Unzulänglichkeiten im Herkunftsland ist.
Es widerspricht der Statusrichtlinie und es ist unionsrechtlich unzulässig, den in dieser Richtlinie vorgesehenen Schutz Drittstaatsangehörigen zuzuerkennen, die sich in Situationen befinden, die keinen Zusammenhang mit dem Zweck dieses internationalen Schutzes aufweisen, etwa aus familiären oder humanitären Ermessensgründen, die insbesondere auf Art. 3 EMRK gestützt sind.
Nach der Rechtsprechung des EuGH sind nach der Statusrichtlinie vom subsidiären Schutz nur Fälle realer Gefahr, einen auf ein Verhalten eines Akteurs iSd Art. 6 Statusrichtlinie zurückzuführenden ernsthaften Schaden iSd Art. 15 Statusrichtlinie zu erleiden (Art. 15 lit. a und b), sowie Bedrohungen in einem bewaffneten Konflikt (lit. c) umfasst. Nicht umfasst ist dagegen die reale Gefahr jeglicher etwa auf allgemeine Unzulänglichkeiten im Heimatland zurückzuführender Verletzung von Art. 3 EMRK (vgl. VwGH 06.11.2018, Ra 2018/01/0106).
Als ernsthafter Schaden gilt nach Art. 15 der Statusrichtlinie:
a) die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe oder
b) Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung eines Antragstellers im Herkunftsland oder
c) eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.
II.3.2.3. Für den vorliegenden Fall bedeutet dies:
Subsidiärer Schutz (nach Art. 15 lit. a und b der Statusrichtlinie) verlangt, dass der ernsthafte Schaden durch das Verhalten von Dritten (Akteuren) verursacht werden muss und dieser nicht bloß Folge allgemeiner Unzulänglichkeiten im Herkunftsland ist.
Der BF ist nicht durch die Todesstrafe bedroht.
Dass der BF im Fall seiner Rückkehr in seinen Herkunftsstaat Folter, einer erniedrigenden oder unmenschlichen Behandlung oder Strafe ausgesetzt sein könnte, konnte im Rahmen des Ermittlungsverfahrens nicht festgestellt werden.
Im gegenständlichen Fall ist es dem BF nicht gelungen, die vorgebrachte individuelle Bedrohung bzw. Verfolgungsgefahr glaubhaft zu machen und er gehört auch keiner Personengruppe mit speziellem Risikoprofil an, weshalb sich daraus auch kein zu berücksichtigender Sachverhalt ergibt, der gemäß § 8 Abs. 1 AsylG zur Unzulässigkeit der Abschiebung, Zurückschiebung oder Zurückweisung in den Herkunftsstaat führen könnte.
Der BF stammt aus XXXX . Hinsichtlich des Herkunftsortes ergeben sich mit Blick auf die individuelle Situation des BF aus den der Entscheidung zugrundeliegenden länderkundlichen Informationen keinerlei Hinweise darauf, dass dort ein bewaffneter Konflikt iSd Art. 15 lit. c der Statusrichtlinie besteht. Es erscheint daher eine Rückkehr des BF in die Türkei nicht grundsätzlich ausgeschlossen und aufgrund der individuellen Situation des BF insgesamt auch zumutbar. Es war ihm schon vor seiner Ausreise möglich problemlos in XXXX zu leben. Er hat dort die Schule besucht und war erwerbstätig. Der BF ist ein arbeitsfähiger Mann mit ausreichend Schulbildung und Berufserfahrung, bei dem die Teilnahme am Erwerbsleben vorausgesetzt werden kann. Zudem leben in XXXX nach wie vor seine Eltern und drei Brüder, mit denen er schon vor der Ausreise im selben Haushalt lebte. Seinem Vorbringen vor dem BFA ist keine gravierende Einschränkung seiner Bewegungsfreiheit aus Sicherheitsgründen zu entnehmen.
Durch eine Rückführung in den Herkunftsstaat würde der Beschwerdeführer somit nicht in Rechten nach Art. 2 und 3 EMRK oder ihren relevanten Zusatzprotokollen verletzt werden.
Daher ist die Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides als unbegründet abzuweisen.
II.3.3. Zu Spruchpunkt III. bis V.
II.3.3.1. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt wird.
Ob eine Rückkehrentscheidung letztlich zulässig ist, bedarf gemäß § 58 Abs. 1 AsylG einer amtswegigen Prüfung ob nicht die Voraussetzungen für die Erteilung einer "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" gemäß § 57 AsylG vorliegen:
Gemäß § 57 Abs. 1 AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen:
1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,
2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder
3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.
Es liegen keine Umstände vor, dass dem BF allenfalls von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG (Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz) zu erteilen gewesen wäre, und wurde diesbezüglich in der Beschwerde auch nichts dargetan.
Voraussetzung für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 ist, dass dies zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG iSd Art. 8 EMRK geboten ist. Nur bei Vorliegen dieser Voraussetzung kommt ein Abspruch über einen Aufenthaltstitel nach § 55 AsylG 2005 überhaupt in Betracht (vgl. VwGH 12.11.2015, Ra 2015/21/0101).
Gemäß § 52 Abs. 2 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.
Der BF ist Staatsangehöriger der Türkei und somit kein begünstigter Drittstaatsangehöriger. Es kommt ihm auch kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zu. Daher war gegenständlich gemäß § 52 Abs. 2 FPG grundsätzlich eine Rückkehrentscheidung vorgesehen.
II.3.3.2. Gemäß § 52 FPG iVm § 9 BFA-VG darf eine Rückkehrentscheidung jedoch nicht verfügt werden, wenn es dadurch zu einer Verletzung des Privat- und Familienlebens käme.
Ob eine Verletzung des Rechts auf Schutz des Privat- und Familienlebens iSd Art. 8 EMRK vorliegt, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sowie des Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofes jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Die Regelung erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffes; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen. In diesem Sinn wird eine Ausweisung - nunmehr Rückkehrentscheidung - nicht erlassen werden dürfen, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden (und seiner Familie) schwerer wiegen würden als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.
Die Verhältnismäßigkeit einer Rückkehrentscheidung ist dann gegeben, wenn der Konventionsstaat bei seiner aufenthaltsbeendenden Maßnahme einen gerechten Ausgleich zwischen dem Interesse des Fremden auf Fortsetzung seines Privat- und Familienlebens einerseits und dem staatlichen Interesse auf Verteidigung der öffentlichen Ordnung andererseits, also dem Interesse des Einzelnen und jenem der Gemeinschaft als Ganzes gefunden hat. Dabei variiert der Ermessensspielraum des Staates je nach den Umständen des Einzelfalles und muss in einer nachvollziehbaren Verhältnismäßigkeitsprüfung in Form einer Interessenabwägung erfolgen.
Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4. der Grad der Integration,
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
Unter der Schwelle des § 50 FPG kommt den Verhältnissen im Herkunftsstaat unter dem Gesichtspunkt des Privatlebens Bedeutung zu, sodass etwa "Schwierigkeiten beim Beschäftigungszugang oder bei Sozialleistungen" in die bei der Erlassung der Rückkehrentscheidung vorzunehmende Interessenabwägung nach § 9 BFA-VG miteinzubeziehen sind (vgl. VwGH 16.12.2015, Ra 2015/21/0119 unter Hinweis auf VwGH 12.11.2015, Ra 2015/21/0101).
Bei der Interessenabwägung ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 12.11.2015, Ra 2015/21/0101) auch ein Vorbringen zu berücksichtigen, es werde eine durch die Rückkehr in den Heimatstaat wegen der dort herrschenden Verhältnisse bewirkte maßgebliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Fremden, insbesondere die deutliche Verschlimmerung psychischer Probleme, eintreten (vgl. VwGH 11.10.2005, 2002/21/0132; 28.03.2006, 2004/21/0191; zur gebotenen Bedachtnahme auf die durch eine Trennung von Familienangehörigen bewirkten gesundheitlichen Folgen VwGH 21.04.2011, 2011/01/0093). Bei dieser Interessenabwägung ist unter dem Gesichtspunkt des § 9 Abs. 2 Z 5 BFA-VG 2014 (Bindungen zum Heimatstaat) auch auf die Frage der Möglichkeiten zur Schaffung einer Existenzgrundlage bei einer Rückkehr dorthin Bedacht zu nehmen (vgl. VwGH 31.01.2013, 2012/23/0006).
Das Recht auf Achtung des Familienlebens iSd Art. 8 EMRK schützt das Zusammenleben der Familie. Es umfasst jedenfalls alle durch Blutsverwandtschaft, Eheschließung oder Adoption verbundenen Familienmitglieder, die effektiv zusammenleben; das Verhältnis zwischen Eltern und minderjährigen Kindern auch dann, wenn es kein Zusammenleben gibt (EGMR Kroon, VfGH 28.06.2003, G 78/00); etwa bei Zutreffen anderer Faktoren aus denen sich ergibt, dass eine Beziehung genügend Konstanz aufweist, um de facto familiäre Bindungen zu erzeugen: z. B. Natur und Dauer der Beziehung der Eltern und insbesondere, ob sie geplant haben ein gemeinsames Kind zu haben; ob der Vater das Kind als eigenes anerkannt hat; ob Unterhaltszahlungen für die Pflege und Erziehung des Kindes geleistet wurden; und die Intensität und Regelmäßigkeit des Umgangs (EGMR v. 8.1.2009, Zl 10606/07, Fall Grant gg. Vereinigtes Königreich).
Vom Prüfungsumfang des Begriffes des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK ist nicht nur die Kernfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern umfasst, sondern z.B. auch Beziehungen zwischen Geschwistern (EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Eltern und erwachsenen Kindern (etwa EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215).
Eine familiäre Beziehung unter Erwachsenen fällt nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) nur dann unter den Schutz des Art. 8 Abs. 1 EMRK, wenn zusätzliche Merkmale der Abhängigkeit hinzutreten, die über die üblichen Bindungen hinausgehen (vgl. dazu auch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 9. Juni 2006, B 1277/04, unter Hinweis auf die Judikatur des EGMR; des Weiteren auch das Erkenntnis des VwGH vom 26. Jänner 2006, Zl. 2002/20/0423 und die darauf aufbauende Folgejudikatur, etwa die Erkenntnisse vom 26. Jänner 2006, Zl. 2002/20/0235, vom 8. Juni 2006, Zl. 2003/01/0600, vom 22. August 2006, Zl. 2004/01/0220 und vom 29. März 2007, Zl. 2005/20/0040, vom 26. Juni 2007, 2007/01/0479).
Der BF ist seit 22.11.2018 mit einer slowakischen Staatsangehörigen verheiratet. Er lebt mit seiner Ehegattin und deren Tochter seit 16.05.2018 im gemeinsamen Haushalt. Insoweit besteht ein schützenswertes Familienleben im Sinne der obigen Ausführungen. Neben seiner Ehegattin leben auch noch zwei Onkel und eine Tante im Bundesgebiet, die den BF teilweise finanziell unterstützen. Ein besonderes Abhängigkeitsverhältnis zu diesen wurde durch den BF aber nicht behauptet, weshalb seine Beziehung zu seinen Onkeln und seiner Tante nicht unter den Begriff des schützenswerten Familienlebens fällt.
Es ist zu prüfen, ob ein Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens der Beschwerdeführerin im gegenständlichen Fall durch den Eingriffsvorbehalt des Art. 8 EMRK gedeckt ist und ein in einer demokratischen Gesellschaft legitimes Ziel, nämlich die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung iSd Art. 8 Abs. 2 EMRK, in verhältnismäßiger Weise verfolgt.
Der Asylwerber kann während seines Asylverfahrens nicht darauf vertrauen, dass ein in dieser Zeit entstehendes Privat- bzw. Familienleben auch nach der Erledigung seines Asylantrages fortgesetzt werden kann. Die Rechte aus der GFK dürfen nicht dazu dienen, die Einwanderungsregeln zu umgehen (ÖJZ 2007/74, Peter Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art 8 EMRK, S 857 mwN).
Der BF begründete sein Familienleben zu einem Zeitpunkt, zu dem ihm bewusst sein musste, dass er über keinen Aufenthaltstitel für Österreich verfügt, sein dauerhafter Verbleib im Bundesgebiet somit äußerst zweifelhaft war. Dies umso mehr, als sein Aufenthalt zum Zeitpunkt der Eheschließung am 22.11.2018, mangels erfolgter Asylantragstellung, noch nicht einmal durch die Bestimmungen des AsylG vorübergehend legalisiert war. Der BF musste sich somit im Zeitpunkt der Begründung seines Familienlebens darüber im Klaren sein, dass angesichts seines unsicheren Aufenthaltsstatus die Fortsetzung des Familienlebens im Bundesgebiet ungewiss ist. Diesfalls müssten nach der Judikatur des EGMR "außergewöhnliche Umstände" vorliegen, damit das Familienleben schützenswert iSd Art. 8 EMRK erschiene. Solche außergewöhnlichen Umstände, wie beispielsweise etwa besondere Notlagen oder Pflegebedürftigkeiten, etc., liegen jedoch nicht vor.
Umso weniger erscheint dieses Familienleben schützenswert, als der BF vorerst illegal aufhältig war, während dieser illegale Aufenthalt andauerte, eine Ehe einging und dann den illegalen Aufenthalt nach dem Aufsuchen eines Rechtsfreundes über das Asylrecht zu sanieren versuchte (arg.: ".... musste ich um Asyl ansuchen." - vgl. AS 164 oben).
Die feststellbare Dauer des gemeinsamen Familienlebens seit etwa Mai 2018 - somit seit etwa einem Jahr - war zudem sehr kurz. Mangels eigenem Einkommen leistet er auch keinen Unterhalt für seine Ehegattin oder deren Kind, sondern gab an, seinen Lebensunterhalt aus deren Einkommen zu bestreiten, wobei er andererseits aber als selbsterhaltungsfähiger Mann in keinem sog. Abhängigkeitsverhältnis zu seiner Ehegattin steht.
Die Verfahren nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz stellen den gesetzlich vorgesehenen Weg für einwanderungswillige Drittstaatsangehörige dar, die einen Aufenthaltstitel erlangen wollen, etwa auch zwecks Familienzusammenführung. Nach der maßgeblichen Rechtsprechung kann ein allein durch Missachtung der fremden- und aufenthaltsrechtlichen Vorschriften erwirkter Aufenthalt keinen Rechtsanspruch aus Art. 8 EMRK bewirken. Eine andere Auffassung würde sogar zu einer Bevorzugung dieser Gruppe gegenüber den sich rechtstreu verhaltenden Drittstaatsangehörigen führen (EGMR 08.04.2008, 21878/06, Nnyanzi; VfGH 12.06.2010, U 613/10). Dem BF ist es nicht verwehrt, bei Erfüllung der allgemeinen aufenthaltsrechtlichen Regelungen des FPG bzw. NAG wieder in das Bundesgebiet zurückzukehren. Das bestehende Familienleben kann zudem durch gegenseitige Besuche aufrechterhalten werden. In der Zwischenzeit stünde es dem BF auch frei, die Bindungen in Österreich durch briefliche, telefonische oder elektronische Kontakte und durch persönliche Besuche in Österreich aufrecht zu erhalten (vgl. VwGH 23.02.2017, Ra 2016/21/0235).
Letztlich ist auch auf die Judikatur des VwGH zu verweisen, wonach die allfällige Trennung von Familienangehörigen ebenso wie mögliche Schwierigkeiten bei der Wiedereingliederung im Heimatland im öffentlichen Interesse in Kauf zu nehmen sind (vgl. VwGH 09.07.2009, 2008/22/0932; 22.02.2011, 2010/18/0417) und selbst Schwierigkeiten bei der Gestaltung der Lebensverhältnisse, die infolge der alleinigen Rückkehr auftreten können, hinzunehmen sind (vgl. VwGH 15.03.2016, Ra 2015/21/0180). Angesichts dieser Ausführungen stellt sich der Eingriff in das bestehende Familienleben des BF nicht als unverhältnismäßig dar.
II.3.3.3. Die aufenthaltsbeendende Maßnahme könnte daher allenfalls noch in das Privatleben des Beschwerdeführers eingreifen.
Unter dem "Privatleben" sind nach der Rechtsprechung des EGMR persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen (vgl. Sisojeva ua gg. Lettland, EuGRZ 2006, 554). In diesem Zusammenhang komme dem Grad der sozialen Integration des Betroffenen eine wichtige Bedeutung zu.
Für den Aspekt des Privatlebens spielt zunächst die zeitliche Komponente im Aufenthaltsstaat eine zentrale Rolle, wobei die bisherige Rechtsprechung keine Jahresgrenze festlegt, sondern eine Interessenabwägung im speziellen Einzelfall vornimmt (vgl. dazu Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art. 8 MRK, in ÖJZ 2007, 852 ff.). Eine von Art. 8 EMRK geschützte Integration ist erst nach einigen Jahren im Aufenthaltsstaat anzunehmen (vgl. Thym, EuGRZ 2006, 541). Der Verwaltungsgerichtshof geht in seinem Erkenntnis vom 26.06.2007, 2007/10/0479, davon aus, dass "der Aufenthalt im Bundesgebiet in der Dauer von drei Jahren [...] jedenfalls nicht so lange ist, dass daraus eine rechtlich relevante Bindung zum Aufenthaltsstaat abgeleitet werden könnte". Darüber hinaus hat der Verwaltungsgerichthof bereits mehrfach zum Ausdruck gebracht, dass einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die durchzuführende Interessenabwägung zukommt (vgl. VwGH 30.07.2015, Ra 2014/22/0055 ua. mwH).
Außerdem ist nach der bisherigen Rechtsprechung auch auf die Besonderheiten der aufenthaltsrechtlichen Stellung von Asylwerbern Bedacht zu nehmen, zumal das Gewicht einer aus dem langjährigen Aufenthalt in Österreich abzuleitenden Integration dann gemin