TE Bvwg Erkenntnis 2019/7/9 L526 2181582-1

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Veröffentlicht am 09.07.2019
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Entscheidungsdatum

09.07.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z2
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §34
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55

Spruch

L526 2181582-1/12E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Petra Martina Schrey, LL.M. als Einzelrichterin den Antrag von XXXX , geb. XXXX , StA. Armenien, gesetzlich vertreten durch die Mutter XXXX , geb. XXXX , diese vertreten durch Rechtsanwältin Mag. Susanne Singer, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 17.11.2017, Zl. XXXX nach öffentlicher mündlicher Verhandlung zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß §§ 34, 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, §§ 57 AsylG 2005, BGBl. I 100/2005 idgF, § 10 AsylG iVm § 9 BFA-VG BGBl I Nr. 87/2012 idgF und §§ 46, 52 Abs. 2 und 9, 55 FPG BGBl 100/2005 idgF als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrenshergang

I.1. Die Beschwerdeführerin (in weiterer Folge als kurz als "BF" bezeichnet) ist Staatsangehörige Armeniens und brachte nach ihrer Geburt in Österreich am XXXX beim Bundesasylamt über ihre gesetzliche Vertretung unter Vorlage der österreichischen Geburtsurkunde einen Antrag auf internationalen Schutz ein.

I.2. Die BF ist die minderjährige Tochter von XXXX , geb. XXXX und XXXX , geb. XXXX . Ihr Bruder ist XXXX , geb. XXXX Die Eltern der BF stellten im Bundesgebiet im Jahr 2011 Anträge auf internationalen Schutz und später dann auch einen Antrag für den in Österreich geborenen Bruder der BF.

I.3. Die Anträge der zuvor genannten Personen auf internationalen Schutz wurden mit Bescheiden des Bundesasylamtes gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 abgewiesen und der Status der Asylberechtigten nicht zuerkannt. Gem. § 8 Abs 1 Z 1 AsylG wurde der Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat nicht zugesprochen. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG wurde die Ausweisung dieser Personen aus dem Bundesgebiet nach Armenien verfügt.

I.4. Mit Entscheidung des Asylgerichtshofes vom 19.12.2013 wurden die dagegen erhobenen Beschwerden als unbegründet abgewiesen.

I.5. Mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 6.10.2014 wurde die Behandlung der Beschwerden zu diesen Verfahren abgelehnt.

I.6. Am 4.9.2017 wurde eine Freundin der Familie durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, der nunmehr belangten Behörde (im Weiteren auch kurz als "bB" bezeichnet), als Zeugin vernommen, welche über die Integration der Familie in Österreich Auskunft erteilte. Die Mutter der BF wurde als deren gesetzliche Vertreterin ebenfalls am 4.9.2017, vornehmlich zur Familie und der im Heimatstaat lebenden Verwandtschaft und den dortigen Lebensumständen sowie zu den familiären und privaten Verhältnissen der Familie in Österreich, befragt. Zu den Gründen für den Antrag auf internationalen Schutz der BF vom 8.8.2014 gab die Mutter der BF an, dass diese keine eigenen Fluchtgründe habe. Der Mutter wurden anlässlich dieser Einvernahme Länderfeststellungen ausgehändigt; auf eine Stellungnahme verzichtete sie.

I.7. Der Antrag der BF auf internationalen Schutz wurde folglich mit im Spruch genannten Bescheid der belangten Behörde gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 abgewiesen und der Status einer Asylberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt I.). Gem. § 8 Abs 1 Z 1 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Armenien nicht zugesprochen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung nach Armenien gemäß § 46 FPG zulässig sei. (Spruchpunkt III.) Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).

Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in Armenien traf die bB ausführliche Feststellungen, welche der Mutter der BF als deren gesetzliche Vertreterin zur Kenntnis gebracht wurden.

In ihren Feststellungen verwies die bB auf die rechtskräftigen Verfahren der Familienmitglieder und führte aus, dass die BF im Bundesgebiet keine weiteren Verwandten habe und sie mit den Eltern zusammen in einem Asylheim und von der Grundversorgung lebe.

Rechtlich führte die belangte Behörde aus, dass die gesetzliche Vertretung keinen eigenen Fluchtgrund für die BF vorgebracht habe und der von der gesetzlichen Vertretung vorgebrachte Fluchtgrund nicht glaubhaft sei.

I.8. Gegen den im Spruch genannten Bescheid wurde innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben. Darin wurde lediglich dargelegt, dass die BF keine eigenen Fluchtgründe habe und sie sich auf die Gründe ihrer Eltern berufe.

I.9. Mit Schreiben vom 3.7.2019 teilte die gewillkürte Rechtsvertretung der BF mit, dass sie an der Verhandlung nicht teilnehmen werde, das Vollmachtsverhältnis jedoch aufrecht bliebe.

I.10. Am 4.7.2019 wurde vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt, in welcher die Mutter der BF als deren gesetzliche Vertreterin im Beisein einer Vertreterin des Vereines Menschenrechte Österreich gehört wurde. Auf die Abgabe einer Stellungnahme zu den am 7.6.2019 übermittelten und in der mündlichen Verhandlung erörterten länderkundlichen Berichten wurde in der mündlichen Verhandlung verzichtet.

I.10. Am 8.7.2019 teilte der Verein Menschenrechte Österreich mit, dass die dem Verein erteilte Vollmacht zur Vertretung der BF niedergelegt werde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt)

II.1.1. Die Beschwerdeführerin

Bei der BF handelt es sich um eine im Herkunftsstaat der Mehrheits- und Titularethnie angehörige Armenierin, welcher zum Mehrheitsglauben des Christentums gehört.

Die BF sowie die Mitglieder ihrer Kernfamilie sind gesund und ist der Unterhalt der BF durch ihre obsorgeberechtigten, arbeitsfähigen Eltern mit bestehenden familiären Anknüpfungspunkten im Herkunftsstaat und einer - wenn auch auf niedrigerem Niveau als in Österreich - gesicherten Existenzgrundlage gewährleistet.

Die BF wurde in Österreich geboren und ist Teil der im Verfahrensgang genannten Kernfamilie. Die Eltern der BF reisten am 29.12.2011 in Österreich ein. Der Bruder der BF wurde ebenfalls hier geboren. Die BF hat keine nahen Verwandten in den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union.

Die Verfahren betreffend die Anträge auf internationalen Schutz der Mitglieder der Kernfamilie der BF sind alle rechtskräftig negativ abgeschlossen.

II.1.2. Die Lage im Herkunftsstaat Armenien

Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in Armenien werden nachstehende Feststellungen getroffen:

Politische Lage

Armenien (arm.: Hayastan) umfasst knapp 29.800 km² und hatte im ersten Quartal 2019 eine Einwohnerzahl von 2,96 Millionen, was einen Rückgang von 0,3% zum Vergleichszeitraum des Vorjahres ausmachte (ArmStat 7.5.2019). Davon sind laut der Volkszählung von 2011 98,1% ethnische Armenier. Den Rest bilden kleinere Ethnien wie Jesiden und Russen (CIA 14.2.2019).

Armenien ist seit September 1991 eine unabhängige Republik. Die Verfassung von 2005 wurde zuletzt durch Referendum vom 6.12.2015 weitreichend geändert. Durch die Verfassungsreform wurde das semi-präsidentielle in ein parlamentarisches System umgewandelt. Das Ein-Kammer-Parlament (Nationalversammlung) hat nun 105 Mitglieder (zuvor 131) und wird alle fünf Jahre gewählt (AA 7.5.2019a).

Oppositionsführer Nikol Pashinyan wurde im Mai 2018 vom Parlament zum Premierminister gewählt, nachdem er wochenlange Massenproteste gegen die Regierungspartei angeführt und damit die politische Landschaft des Landes verändert hatte. Er hatte Druck auf die regierende Republikanische Partei durch eine beispiellose Kampagne des zivilen Ungehorsams ausgeübt, was zum schockartigen Rücktritt Serzh Sargsyans führte, der kurz zuvor das verfassungsmäßig gestärkte Amt des Premierministers übernommen hatte, nachdem er zehn Jahre lang als Präsident gedient hatte (BBC 20.12.2018).

Am 9.12.2018 fanden vorgezogene Parlamentswahlen statt, welche unter Achtung der Grundfreiheiten ein breites öffentliches Vertrauen genossen. Die offene politische Debatte, auch in den Medien, trug zu einem lebhaften Wahlkampf bei. Das generelle Fehlen von Verstößen gegen die Wahlordnung, einschließlich des Kaufs von Stimmen und des Drucks auf die Wähler, ermöglichte einen unverfälschten Wettbewerb (OSCE/ODIHR 10.12.2018). Die Allianz des amtierenden Premierministers Nikol Pashinyan unter dem Namen "Mein Schritt" erzielte einen Erdrutschsieg und erreichte 70,4% der Stimmen. Die ehemalige mit absoluter Mehrheit regierende Republikanische Partei (HHK) erreichte nur 4,7% und verpasste die 5-Prozent-Marke, um in die 101-Sitze umfassende Nationalversammlung einzuziehen. Die Partei "Blühendes Armenien" (BHK) des Geschäftsmannes Gagik Tsarukyan gewann 8,3%. An dritter Stelle lag die liberale, pro-westliche Partei "Leuchtendes Armenien" unter Führung Edmon Maruyian, des einstigen Verbündeten von Pashinyan, mit 6,4% (RFE/RL 10.12.2018; vgl. ARMENPRESS 10.12.2018).

Zu den primären Zielen der Regierung unter Premierminister Pashinyan gehören die Bekämpfung der Korruption und Wirtschaftsreformen (RFL/RL 14.1.2019) sowie die Schaffung einer unabhängigen Justiz (168hours 20.7.2018).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt (7.5.2019a): Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/armenien-node/-/203090#content_0, Zugriff 7.5.2019

* ARMENPRESS - Armenian News Agency (10.12.2018): My Step - 70.44%, Prosperous Armenia - 8.27%, Bright Armenia - 6.37%: CEC approves protocol of preliminary results of snap elections, https://armenpress.am/eng/news/957626.html, Zugriff 21.3.2019

* ArmStat - Statistical Committee of the Repbulic of Armenia (7.5.2019): Economic and Financial Data for the Republic of Armenia, https://armstat.am/nsdp/, Zugriff 8.5.2019

* BBC News (20.12.2018):Armenia country profile, https://www.bbc.com/news/world-europe-17398605, Zugriff 21.3.2019

* CIA - Central Intelligence Agency (30.4.2.2019): The World Factbook, Armenia; https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/am.html, Zugriff 7.5.2019

* OSCE/ODIHR - Organization for Security and Cooperation in Europe/ Office for Democratic Institutions and Human Rights et alia (10.12.2018): Armenia, Parliamentary Elections, 2 April 2017: Statement of Preliminary Findings and Conclusions, https://www.osce.org/odihr/elections/armenia/405890?download=true, Zugriff 21.3.2019

* RFE/RL - Radio Free Europe/ Radio Liberty (10.12.2018): Monitors Hail Armenian Vote, Call For Further Electoral Reforms, https://www.rferl.org/a/monitors-hail-armenia-s-snap-polls-call-for-further-electoral-reforms/29647816.html, 21.3.2019

* RFE/RL - Radio Free Europe/ Radio Liberty (14.1.2019): Pashinian Reappointed Armenian PM After Securing Parliament Majority, https://www.rferl.org/a/pashinian-reappointed-armenian-pm-after-securing-parliament-majority/29708811.html, Zugriff 21.3.2019

* 168hours (20.7.2018): Fight against corruption and creation of independent judiciary main pillars of government's economic policy - PM Pashinyan, https://en.168.am/2018/07/20/26637.html, Zugriff 21.3.2019

Sicherheitslage

Hinsichtlich Bergkarabach - das sowohl von Armenien als auch von Aserbaidschan beansprucht wird - besteht die Gefahr erneuter Feindseligkeiten aufgrund des Scheiterns der Vermittlungsbemühungen, der zunehmenden Militarisierung und häufiger Verletzungen des Waffenstillstands. Im Oktober 2017 trafen sich die Präsidenten Armeniens und Aserbaidschans unter der Schirmherrschaft der Minsk-Gruppe, einer von der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) geleiteten Vermittlungsgruppe, in Genf und begannen eine Reihe von Gesprächen über eine mögliche Lösung des Konflikts. In den letzten Jahren haben Artilleriebeschüsse und kleinere Gefechte zwischen aserbaidschanischen und armenischen Truppen Hunderte von Toten gefordert. Anfang April 2016 gab es die heftigsten Kämpfe seit 1994. (CFR 20.3.2019). Die Spannungen zwischen Armenien und Aserbaidschan um Bergkarabach dauern an. Die Grenze zwischen Armenien und Aserbaidschan ist geschlossen. Im Jahr 2018 fanden mehrere Waffenstillstandsverletzungen entlang der Kontaktlinie zwischen den gegnerischen Streitkräften und anderswo an der zwischenstaatlichen Grenze zwischen Aserbaidschan und Armenien statt, die zu einer Reihe von Todesfällen und Verlusten führten (gov.uk 21.3.2019, vgl. EDA 7.5.2019).

Der aserbaidschanische Präsident Ilham Aliyev und der armenische Premierminister Nikol Pashinyan vereinbarten bei ihrem ersten Treffen am Rande des Gipfels der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten, der am 27. und 28. September 2018 in Duschanbe stattfand, mehrere Schritte zum Abbau der Spannungen zwischen den armenischen und aserbaidschanischen Streitkräften, wie z.B. die Installierung einer direkten "operativen" Kommunikationslinie zwischen den beiden Seiten und die Fortsetzung der diplomatischen Verhandlungen über eine Lösung des Konflikts (Eurasianet 1.10.2018).

Quellen:

* CFR - Council on Foreign Relations (20.3.2018): Nagorno-Karabakh Conflict, https://www.cfr.org/interactives/global-conflict-tracker#!/conflict/nagorno-karabakh-conflict, Zugriff 21.3.2019

* EDA - Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (7.5.2019): Reisehinweise für Armenien, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/laender-reise-information/armenien/reisehinweise-armenien.html, Zugriff 7.5.2019

* Eurasianet (1.10.2018): Aliyev and Pashinyan hold first talks, agree on tension-reducing measures, https://eurasianet.org/aliyev-and-pashinyan-hold-first-talks-agree-on-tension-reducing-measures, Zugriff 21.3.2019

* UK Gov (7.5.2019): Foreign travel advice, https://www.gov.uk/foreign-travel-advice/armenia, Zugriff 7.5.2019

Regionale Problemzone: Bergkarabach (Nagorny Karabach)

Die sogenannte "Republik Bergkarabach" ("RBK", russ.: Nagorny Karabach; in Armenien auch Arzach genannt) wird von keinem Staat völkerrechtlich anerkannt. Die aserbaidschanische Regierung besitzt faktisch jedoch keine Kontrolle über das Gebiet. Auch Armenien erkennt die "Republik Bergkarabach" offiziell nicht an, praktisch sind beide aber wirtschaftlich und rechtlich stark verflochten. Die Bewohner von Bergkarabach erhalten neben ihrem RBK-Pass auch armenische Pässe (AA 7.4.2019).

Laut Angaben der selbsternannten Republik von Nagorny Karabach (auch Republik Artsach), umfasst das Gebiet mehr als 12.000 km², wobei hiervon 1.041 km² unter aserbaidschanischer Okkupation stünden. Die Bevölkerung belief sich 2013 auf rund 147.000 Einwohner, wovon 95% Armenier sind, nebst Russen, Ukrainern, Griechen, Georgiern und Aseri (NKR 21.3.2019).

Die sog. Republik Bergkarabach kontrolliert das in Aserbaidschan früher als Autonome Region Bergkarabach verwaltete Gebiet sowie weitere sieben Provinzen Aserbaidschans in den Grenzgebieten zu Armenien und Iran und in der Region um Agdam. Der Kreis Shahumyan nördlich der früheren Autonomen Region ist unter aserbaidschanischer Kontrolle, wird aber ebenfalls von der "RBK" beansprucht, da es sich nach deren Logik um "von Aserbaidschan besetztes Gebiet" mit ehemals armenischer Bevölkerungsmehrheit handelt. Insgesamt befindet sich etwa 13% des Staatsgebiets von Aserbaidschan unter armenischer Kontrolle, d.h. der sog. Republik Bergkarabach (AA 7.4.2019; vgl. USDOS 13.3.2019).

Der amtierende Präsident Sahakyan, dessen zweite Amtszeit zu Ende ging, wurde im Juli 2017 mit 28 von 33 Stimmen zum Übergangspräsidenten gewählt. Er besiegte Eduard Agabekyan, den Vorsitzenden der oppositionellen "Bewegung 88". Nach der neuen Verfassung ist der Präsident sowohl Staats- als auch Regierungschef und hat die volle Autorität, Kabinettsmitglieder zu ernennen und zu entlassen. Nach der Einweihung von Sahakyan im September 2017 wurde das Amt des Premierministers abgeschafft (FH 1.2018).

Die Justiz ist in der Praxis nicht unabhängig und die Gerichte werden von der Exekutive sowie von mächtigen politischen, wirtschaftlichen und kriminellen Gruppen beeinflusst. Die Verfassung garantiert grundlegende Verfahrensrechte, aber Polizei und Gerichte halten diese in der Praxis nicht immer ein. Die Regierung kontrolliert viele der Medien und die öffentlichen Fernseh- und Radiosender haben keine lokale Konkurrenz. Die meisten Journalisten praktizieren Selbstzensur, insbesondere bei Themen im Zusammenhang mit dem Friedensprozess. Die Verfassung garantiert die Religionsfreiheit, lässt aber Einschränkungen im Namen der Sicherheit, der öffentlichen Ordnung und anderer staatlicher Interessen zu. In der Verfassung ist die Armenische Apostolische Kirche als "nationale Kirche" des armenischen Volkes verankert. Die Religionsfreiheit anderer Gruppen wird in der Praxis eingeschränkt. Proteste sind in der Praxis relativ selten. Die Behörden blockieren Versammlungen und Demonstrationen, wenn sie diese als Bedrohung der öffentlichen Ordnung wahrnehmen, einschließlich Veranstaltungen, die von armenischen Aktivisten der Opposition geplant sind. Proteste, die die diplomatischen und sicherheitspolitischen Interessen des Territoriums unterstützen oder bestimmte wirtschaftliche Missstände anprangern, werden eher toleriert (FH 1.2018).

Es gibt keine Erkenntnisse, wonach Personen bei Bekanntwerden einer (auch) aserbaidschanischen Herkunft mit staatlichen Übergriffen zu rechnen hätten. In Bergkarabach gelten den armenischen Regelungen vergleichbare Vorschriften zur kostenlosen medizinischen Behandlung. Im Sozialwesen gibt es "behördliche" Unterstützung. Die wirtschaftliche Situation in Bergkarabach ist nach allgemeiner Einschätzung besser als in Armenien (AA 7.4.2019).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt (7.4.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien

* FH - Freedom House (1.2018): Freedom in the World 2018 - Nagorno-Karabakh, https://www.ecoi.net/de/dokument/1442453.html, Zugriff 16.10.2018

* NKR - The Office of the NKR President (21.3.2019): NKR, General information, http://www.president.nkr.am/en/nkr/generalInformation/, Zugriff 21.3.2019

* USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Armenia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004271.html, Zugriff 21.3.2019

Rechtsschutz / Justizwesen

Es gibt immer wieder glaubhafte Berichte von Anwälten über die Verletzung rechtsstaatlicher Grundsätze durch Gerichte. Die Unschuldsvermutung werde nicht eingehalten, rechtliches Gehör nicht gewährt, Verweigerungsrechte von Zeugen nicht beachtet und Verteidiger oft ohne Rechtsgrundlage abgelehnt. Nach bisher vorliegenden Informationen hat sich die Strafverfolgungs- und Strafzumessungspraxis seit Mitte 2018 verbessert. Die Unabhängigkeit der Gerichte und der Richter wurde bisher durch Nepotismus, finanzielle Abhängigkeiten und weit verbreitete Korruption konterkariert. Es gibt Anzeichen, dass allein der Regierungswechsel im Mai 2019 zu weniger Korruption in der Justiz geführt hat. Hinsichtlich des Zugangs zur Justiz gab es bereits Fortschritte, dass die Zahl der Pflichtverteidiger erhöht wurde und einer breiteren Bevölkerung als bisher kostenlose Rechtshilfe zuteil wird (AA 7.4.2019). Zwar muss von Gesetzes wegen Angeklagten ein Rechtsbeistand gewährt werden, doch führt der Mangel an Pflichtverteidigern außerhalb Jerewans dazu, dass dieses Recht den Betroffenen verwehrt wird (USDOS 13.3.2019).

Richter stehen unter systemischem politischem Druck und Justizbehörden werden durch Korruption untergraben. Berichten zufolge fühlen sich die Richter unter Druck gesetzt, mit Staatsanwälten zusammenzuarbeiten, um Angeklagte zu verurteilen. Der Anteil an Freisprüchen ist extrem niedrig (FH 4.2.2019). Allerdings entließen viele Richter nach der "Samtenen Revolution" im Frühjahr 2018 etliche Verdächtige in politisch sensiblen Fällen aus der Untersuchungshaft, was die Ansicht von Menschenrechtsgruppen bestätigte, dass vor den Ereignissen im April/Mai 2018 gerichtliche Entscheidungen politisch konnotiert waren, diese Verdächtigen in Haft zu halten, statt gegen Kaution freizulassen (USDOS 13.3.2019).

Trotz gegenteiliger Gesetzesbestimmungen zeigt die Gerichtsbarkeit keine umfassende Unabhängigkeit und Unparteilichkeit. Die Verwaltungsgerichte sind hingegen verglichen zu den anderen Gerichten unabhängiger. Sie leiden allerdings unter Personalmangel. Nach dem Regierungswechsel im Mai 2018 setzte sich das Misstrauen in die Unparteilichkeit der Richter fort, und einige Menschenrechtsanwälte erklärten, es gebe keine rechtlichen Garantien für die Unabhängigkeit der Justiz. Anwälte berichteten, dass das Kassationsgericht in der Vergangenheit das Ergebnis aller wichtigen Rechtssachen an niedere Richter diktiert habe. Im Februar wurde mit der Umsetzung der Verfassungsänderungen 2015 der Oberste Justizrat (HJC) gebildet. Viele Beobachter gaben dem HJC die Schuld für Machtmissbrauch und die Ernennung von Richtern, die mit der früheren Regierungspartei verbunden waren. Anwälte erklärten auch, dass die Kontrolle der HJC über die Ernennung, Beförderung und Verlegung von Richtern die Unabhängigkeit der Justiz geschwächt habe. NGOs berichten, dass Richter die Behauptungen der Angeklagten, ihre Aussage sei durch körperlichen Übergriffe erzwungen worden, routinemäßig ignorieren (USDOS 13.3.2019).

Die Verfassung und die Gesetze sehen das Recht auf einen fairen und öffentlichen Prozess vor, aber die Justiz hat dieses Recht nicht durchgesetzt. Zwar sieht das Gesetz die Unschuldsvermutung vor, Verdächtigen wird dieses Recht jedoch in der Regel nicht zugesprochen. Das Gesetz verlangt, dass die meisten Prozesse öffentlich sind, erlaubt aber Ausnahmen, auch im Interesse der "Moral", der nationalen Sicherheit und des "Schutzes des Privatlebens der Teilnehmer". Gemäß dem Gesetz können Angeklagte Zeugen konfrontieren, Beweise präsentieren und den Behördenakt vor einem Prozess einsehen. Allerdings haben Angeklagte und ihre Anwälte kaum Möglichkeiten, die Aussagen von Behördenzeugen oder der Polizei anzufechten. Die Gerichte neigen währenddessen dazu, routinemäßig Beweismaterial zur Strafverfolgung anzunehmen. Zusätzlich verbietet das Gesetz Polizeibeamten, in ihrer offiziellen Funktion auszusagen, es sei denn, sie waren Zeugen oder Opfer (USDOS 13.3.2019).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt (7.4.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien

* FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Armenia, https://www.ecoi.net/en/document/2002606.html, Zugriff 11.4.2019

* USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Armenia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004271.html, Zugriff 11.4.2019

Sicherheitsbehörden

Die Polizei ist für die innere Sicherheit zuständig, während der Nationale Sicherheitsdienst (NSD oder eng. NSS) für die nationale Sicherheit, die Geheimdienstaktivitäten und die Grenzkontrolle zuständig ist (USDOS 13.3.2019, vgl. AA 7.4.2019). Beide Behörden sind direkt der Regierung unterstellt. Ein eigenes Innenministerium gibt es nicht. Die Beamten des NSD dürfen auch Verhaftungen durchführen. Hin und wieder treten Kompetenzstreitigkeiten auf, z.B. wenn ein vom NSD verhafteter Verdächtiger ebenfalls von der Polizei gesucht wird (AA 7.4.2019).

Der Sonderermittlungsdienst führt Voruntersuchungen in Strafsachen durch, die sich auf Delikte von Beamten der Gesetzgebungs-, Exekutiv- und Justizorgane beziehen und von Personen, die einen staatlichen Sonderdienst ausüben. Auf Verlangen kann der Generalstaatsanwalt solche Fälle an die Ermittler des Sonderermittlungsdienstes weiterleiten (SIS o.D., vgl. USDOS 13.3.2019). Der NSD und die Polizeichefs berichten direkt an den Premierminister. NSD, SIS, die Polizei und das Untersuchungskomitee unterliegen demzufolge der Kontrolle der zivilen Behörden (USDOS 13.3.2019).

Obwohl das Gesetz von den Gesetzesvollzugsorganen die Erlangung eines Haftbefehls verlangt oder zumindest das Vorliegen eines begründeten Verdachts für die Festnahme, nahmen die Behörden gelegentlich Verdächtige fest oder sperrten diese ein, ohne dass ein Haftbefehl oder ein begründeter Verdacht vorlag. Nach 72 Stunden muss laut Gesetz die Freilassung oder ein richterlicher Haftbefehl erwirkt werden. Richter verweigern der Polizei ebenso selten einen Haftbefehl, wie sie kaum das Verhalten der Polizei während der Arrestzeit überprüfen. Angeklagte haben ab dem Zeitpunkt der Verhaftung Anspruch auf Vertretung durch einen Anwalt bzw. Pflichtverteidiger. Die Polizei vermeidet es oft, betroffene Personen über ihre Rechte aufzuklären. Statt Personen formell zu verhaften, werden diese vorgeladen und unter dem Vorwand festhalten, eher wichtige Zeugen denn Verdächtige zu sein. Hierdurch ist die Polizei in der Lage, Personen zu befragen, ohne das das Recht auf einen Anwalt eingeräumt wird (USDOS 13.3.2019).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt (7.4.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien

* SIS - Special Investigation Service of Republic of Armenia (o.D.): Functions Of Special Investigation Service, http://www.ccc.am/en/1428578692, Zugriff 10.4.2019

* USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Armenia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004271.html, Zugriff 10.4.2019

Folter und unmenschliche Behandlung

Das Gesetz verbietet solche Folter und andere formen von Misshandlungen. Dennoch gab es Berichte, dass Mitglieder der Sicherheitskräfte Personen in ihrer Haft gefoltert oder anderweitig missbraucht haben. Laut Menschenrechtsanwälten definiert und kriminalisiert das Strafgesetzbuch zwar Folter, aber die einschlägigen Bestimmungen kriminalisieren keine unmenschliche und erniedrigende Behandlungen (USDOS 13.3.2019). Menschenrechtsorganisationen haben bis zur "Samtenen Revolution" immer wieder glaubwürdig von Fällen berichtet, in denen es bei Verhaftungen oder Verhören zu unverhältnismäßiger Gewaltanwendung gekommen sein soll. Folteropfer können den Rechtsweg nutzen, einschließlich der Möglichkeit, sich an den Verfassungsgerichtshof bzw. den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) zu wenden (AA 7.4.2019).

Misshandlungen finden auf Polizeistationen statt, die im Gegensatz zu Gefängnissen und Polizeigefängnissen nicht der öffentlichen Kontrolle unterliegen. Nach Ansicht von Menschenrechtsanwälten gab es keine ausreichenden verfahrensrechtlichen Garantien gegen Misshandlungen bei polizeilichen Vernehmungen, wie z.B. den Zugang zu einem Anwalt durch die zur Polizei als Zeugen geladenen Personen sowie die Unzulässigkeit von Beweisen, die durch Gewalt- oder Verfahrensverletzungen gewonnen wurden (USDOS 13.3.2019). In einem Antwortschreiben an die Helsinki Komitee Armeniens bezifferte der Special Investigation Service (SIS) die Anzahl der strafrechtlichen Untersuchungen bezüglich des Vorwurfes von Folter im Zeitraum zwischen dem 1.1. und dem 20.12.2018 auf 49 (HCA 1.2019).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt (7.4.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien

* HCA - Helsinki Committee of Armenia (1.2019): Human Rights in Armenia 2018 Report, Ditord Observer #1 (73), http://armhels.com/wp-content/uploads/2019/03/Ditord-2019Engl_Ditord-2019arm-1.pdf, Zugriff 10.4.2019

* USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Armenia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004271.html, Zugriff 10.4.2019

Korruption

Armenien verfügt nicht über wirksame Schutzmaßnahmen gegen Korruption. Dem bis 2018 an der Macht befindlichen Parlament gehörten einige der wohlhabendsten Wirtschaftsführer des Landes an, die trotz Interessenkonflikten ihre privatwirtschaftlichen Aktivitäten fortsetzten. Auch die Beziehungen zwischen Politikern und anderen Oligarchen haben die Politik historisch beeinflusst und zu einer selektiven Anwendung des Gesetzes beigetragen. Die Berichte über systemische Korruption, auch in allen drei Staatsgewalten, gingen jedoch weiter. Nach der "Samtenen Revolution" im Mai 2018 leitete die neue Regierung Untersuchungen zur Bekämpfung der Korruption ein, die systemische Korruption in den meisten Bereichen des öffentlichen und privaten Lebens aufdeckte. Das SIS leitete zahlreiche Strafverfahren gegen mutmaßliche Korruption durch ehemalige Regierungsbeamte und deren Angehörige sowie Parlamentarier ein, deren Fälle von einigen tausend bis zu Millionen von US-Dollar reichten (USDOS 13.3.2019, vgl. FH 4.2.2019).

Ministerpräsident Pashinyan, für dessen Regierung die Korruptionsbekämpfung ein hochrangiges Ziel darstellt, berichtete im Juli 2018, dass innerhalb zweier Monate bereits 20,6 Milliarden Armenische Dram (36,8 Millionen Euro) an Geldern aus Steuerhinterziehungen sichergestellt wurden. Betroffen waren 73 Unternehmen, denen Steuerhinterziehung vorgeworfen wird. Die Summe bezog sich ausschließlich auf die Steuerschuld (Haypress 13.7.2018, vgl. JAMnews 24.7.2018). Während die meisten Beobachter der Meinung sind, dass es reichlich Beweise für Fehlverhalten gibt, warnten einige, dass es eine schmale Linie zwischen soliden Rechtsfällen und politisch motivierten gibt. Die mit der ehemaligen, langjährigen Regierungspartei verbündeten Eliten zeigten erheblichen Widerstand gegen diese Ermittlungen und schienen den Antikorruptionskurs der neuen Regierung zu erschweren (FH 4.2.2019).

Auf dem Korruptionswahrnehmungsindex 2017 belegte Armenien den Rang 105 von 180 Ländern (2017: 107 von 180 Staaten) und erhielt wie 2017 einen Wert von 35 auf einer Skala von 100 [100 ist der beste, 0 der schlechteste Wert] bezüglich der Korruption im öffentlichen Sektor (TI 2018).

Quellen:

* FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Armenia, https://www.ecoi.net/en/document/2002606.html, Zugriff 10.4.2019

* Haypress (13.7.2018): Armenien: Paschinjans Regierung holt 42 Mio. Dollar an Steuerhinterziehung zurück, https://haypressnews.wordpress.com/2018/07/13/armenien-paschinjans-regierung-holt-42-mio-dollar-an-steuerhinterziehung-zurueck/, Zugriff 29.3.2019

* JAMnews (24.7.2018): Armenia's fight against corruption: a JAMnews series on the first steps of the new Armenia, https://jam-news.net/armenias-fight-against-corruption-a-jamnews-series-on-the-first-steps-of-new-armenia/, Zugriff 9.11.2018

* TI - Transparency International (2018): Corruption Perceptions Index 2018, https://www.transparency.org/country/ARM, Zugriff 29.3.2019

* USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Armenia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004271.html, Zugriff 29.3.2019

NGOs und Menschrechtsaktvisten

Die Zivilgesellschaft ist in Armenien aktiv und weitgehend in der Lage, frei zu agieren. Das Gesetz über öffentliche Unternehmen und das Stiftungsrecht wurden kürzlich mit einer Reihe positiver Änderungen verabschiedet, darunter die Möglichkeit, direkt einkommensschaffende oder unternehmerische Aktivitäten durchzuführen; weiters die Möglichkeit von Freiwilligenarbeit sowie die Möglichkeit für Umweltorganisationen, die Interessen ihrer Mitglieder in Umweltfragen vor Gerichten zu vertreten. Es gibt jedoch noch eine Reihe von Herausforderungen. Zum Beispiel die gesetzlichen Bestimmungen in Bezug auf Steuerverpflichtungen im Zusammenhang mit der Erzielung von Einnahmen, das Fehlen klarer Regeln für den Zugang zu öffentlichen Mitteln sowie klarer Regelung für die Verwendung privater Daten. Einschränkungen gibt es für zivilgesellschaftliche Organisationen, die mit sensiblen Themen wie den Rechten von Minderheiten und einigen Gender-spezifischen Fragen arbeiten (OHCHR 16.11.2018). Nichtregierungsorganisationen (NGOs) fehlen lokale Mittel und sind weitgehend auf ausländische Geber angewiesen (FH 4.2.2019).

Die Zivilgesellschaft war sehr aktiv bei den Protesten 2018, den anschließenden Konsultationen mit der Regierung in politischen Fragen und bei der Überwachung der Aktivitäten im Zusammenhang mit den Wahlen im Dezember 2018 (FH 4.2.2019).

Quellen:

* FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Armenia, https://www.ecoi.net/en/document/2002606.html, Zugriff 29.3.2019

* OHCHR - UN Office of the High Commissioner for Human Rights (16.11.2018): Statement by the United Nations Special Rapporteur on the rights to freedom of peaceful assembly and of association, Clément Nyaletsossi VOULE, at the conclusion of his visit to the Republic of Armenia, https://www.ohchr.org/EN/NewsEvents/Pages/DisplayNews.aspx?NewsID=23882&LangID=E, Zugriff 29.3.2019

Ombudsperson

Die vom Parlament gewählte und als unabhängige Institution in der Verfassung verankerte "Ombudsperson für Menschenrechte" muss einen schwierigen Spagat zwischen Exekutive und den Rechtsschutz suchenden Bürgern vollziehen (AA 7.4.2019).

Mit den im März 2017 in Kraft getretenen Gesetzesänderungen wurde der Zuständigkeitsbereich des Büros der Bürgerbeauftragten erweitert. Es kann Gesetzesvorschläge einbringen, Rechtsvorschriften aus Menschenrechtssicht überprüfen, förmliche Gutachten durchführen und Empfehlungen zu Rechts- und Rechtsvollzugsmängeln abgeben. Experten zufolge reichten jedoch der Grad der Ermächtigung und die Ressourcen des Büros der Ombudsperson nicht aus, um das neue Mandat des Büros umzusetzen (USDOS 20.4.2018).

Die Zivilgesellschaft hat die Arbeit des Büros der Ombudsperson während der Proteste von April bis Mai 2018 allgemein als gut erachtet. Nach Angaben der Website des Menschenrechtsverteidigers arbeitete das Büro bei Protesten 24 Stunden am Tag, um den Schutz der Menschenrechte zu gewährleisten. In der ersten Jahreshälfte 2018 meldete das Büro eine beispiellose Zahl von Bürgerbeschwerden und -besuchen, die es auf ein gestiegenes Vertrauen in die Institution und neue Erwartungen der Öffentlichkeit zurückführte (USDOS 13.3.2019).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt (7.4.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien

* USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Armenia, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430195.html, Zugriff 28.3.2019

* USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Armenia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004271.html, Zugriff 28.3.2019

Allgemeine Menschenrechtslage

Die Verfassung enthält einen ausführlichen Grundrechtsteil modernen Zuschnitts, der auch wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte mit einschließt. Durch Verfassungsänderungen im Jahr 2015 wurde der Grundrechtekatalog noch einmal erheblich ausgebaut. Ein Teil der Grundrechte können im Ausnahmezustand oder im Kriegsrecht zeitweise ausgesetzt oder mit Restriktionen belegt werden. Gemäß Verfassung ist der Kern der Bestimmungen über Grundrechte und -freiheiten unantastbar. Extralegale Tötungen, Fälle von Verschwindenlassen, unmenschliche, erniedrigende oder extrem unverhältnismäßige Strafen, übermäßig lang andauernde Haft ohne Anklage oder Urteil bzw. Verurteilungen wegen konstruierter oder vorgeschobener Straftaten sind nicht bekannt. Presse und Menschenrechtsorganisationen berichten allerdings nachvollziehbar von Fällen willkürlicher Festnahmen (AA 7.4.2019).

Zu den Menschenrechtsfragen gehörten Folter; harte und lebensbedrohliche Haftbedingungen; willkürliche Verhaftung und Inhaftierung; Polizeigewalt gegen Journalisten; physisches Einschreiten von Sicherheitskräften bei Versammlungen; Beschränkungen der politischen Partizipation; systemische Regierungskorruption; Verbrechen mit Gewalt oder Drohungen gegen Mitglieder sexueller Minderheiten; unmenschliche und erniedrigende Behandlung von Menschen mit Behinderungen in zuständigen Einrichtungen Institutionen und schlimmste Formen von Kinderarbeit (USDOS 13.3.2019, vgl. HRW 17.1.2019). Die neue Regierung hat Schritte, auch strafrechtliche, unternommen, um Missbrauch zu untersuchen und zu ahnden, insbesondere gegen ehemalige Regierungsvertreter. Am 3. Juli 2018 erhob der Sonderermittlungsdienst (SIS) Anklage gegen einige ehemalige hochrangige Beamte im Zusammenhang mit ihrer angeblichen Rolle bei den Zusammenstößen nach den Wahlen im Jahr 2008, als acht Zivilisten und zwei Polizisten getötet wurden (USDOS 13.3.2019).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt (7.4.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien

* HRW - Human Rights Watch (17.1.2019'): World Report 2019 - Armenia, https://www.ecoi.net/en/document/2002243.html, 29.3.2019

* USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Armenia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004271.html, Zugriff 29.3.2019

Meinungs- und Pressefreiheit

Die Verfassung schützt die Freiheit der Meinung, Information, Medien und anderer Informationsmittel (AA 7.4.2019, vgl. USDOS 20.4.2018). Journalisten zeichneten neun Monate nach dem politischen Machtwechsel ein gemischtes Bild. Während die Regierung nicht mehr versucht, die Berichterstattung direkt zu orchestrieren, erweisen sich die neuen Behörden als dünnhäutig gegenüber Kritik. Premierminister Pashinyan selbst hat wiederholt öffentliche Angriffe auf Journalisten gestartet, von denen viele in den Medien sagen, dass sie ein Klima der Einschüchterung gegen kritische Berichterstattung geschaffen haben (Eurasianet 6.2.2019, vgl. USDOS 13.3.2019).

Im Jahr 2018 wurden 13 neue Klagen gegen Reporter und Medienvertreter eingereicht. Alle zitierten Artikel 1087.1 des RoA Zivilgesetzbuches ("Beleidigung und Verleumdung"). Im Jahr 2018 verkündeten die Gerichte neun Urteile gegen Medien und Reporter und zehn Urteile zu deren Gunsten (HCA 1.2019).

Dem Rundfunk und auflagenstarken Printmedien fehlt es in der Regel an politischer Meinungsvielfalt und objektiver Berichterstattung. Privatpersonen oder private Gruppen besitzen die meisten Rundfunkmedien und Zeitungen, was in der Regel die politische Ausrichtung und die finanziellen Interessen ihrer Eigentümer widerspiegelt. Nach Ansicht einiger Medienkritiker präsentierte das öffentlich-rechtliche Fernsehen auch nach der "Samtrevolution" weiterhin Nachrichten aus einer regierungsfreundlichen Perspektive (USDOS 13.3.2019). Im Parlamentswahlkampf im Herbst 2018 gab es keine größeren Einschränkungen der Pressefreiheit, obwohl politisch ausgerichtete Medien weiterhin die mit ihnen verbundenen Parteien und Kandidaten bevorzugten (FH 4.2.2019).

Eine Reihe von Reportern wurde während der Protestphase von der Polizei physisch angegriffen (USDOS 13.3.2019, vgl. FH 4.2.2019). Im Jahr 2018 wurden insgesamt 21 Vorfälle von körperlicher Gewalt gegen Reporter und Kameramänner registriert, 67 Vorfälle von Druck auf Medien und deren Mitarbeiter und 98 Vorfälle von Verletzungen des Rechts auf Erhalt und Verbreitung von Informationen (HCA 1.2019). Insgesamt wurden elf Strafverfahren im Zusammenhang mit den Vorfällen eingeleitet; in fünf der Fälle wurden Anklagen erhoben, drei Fälle landeten schließlich vor Gericht (USDOS 13.3.2019).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt (7.4.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien

* Eurasianet (6.2.2019): In the new Armenia, media freedom is a mixed bag, https://eurasianet.org/in-the-new-armenia-media-freedom-is-a-mixed-bag, Zugriff 11.4.2019

* FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Armenia, https://www.ecoi.net/en/document/2002606.html, Zugriff 28.3.2019

* HCA - Helsinki Committee of Armenia (1.2019): Human Rights in Armenia 2018 Report, Ditord Observer #1 (73), http://armhels.com/wp-content/uploads/2019/03/Ditord-2019Engl_Ditord-2019arm-1.pdf, Zugriff 28.3.2019

* USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Armenia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004271.html, Zugriff 28.3.2019

Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Opposition

Versammlungsfreiheit

Die Verfassung und das Gesetz sehen die Freiheit der friedlichen Versammlung vor und nach der "Samtenen Revolution" im Frühjahr 2018 respektierte die neue Regierung diese Rechte im Allgemeinen (USDOS 13.3.2019). Das Versammlungsgesetz entspricht EU- und anderen internationalen Standards. Die Versammlungsfreiheit wird durch die Polizei respektiert. Die Versammlungsfreiheit wird unter der Regierung Pashinyan nicht mehr durch Anwendung des Gesetzes über administrative Haft und des Versammlungsgesetzes eingeschränkt (AA 7.4.2019). Der Schutz und die Zugänglichkeit des Rechts auf Versammlungsfreiheit haben sich durch die politischen Veränderungen der im April 2018 abgehaltenen Versammlungen erheblich verbessert (HCA 1.2019).

Versammlungen können ohne vorherige Genehmigung, aber nach Benachrichtigung der Behörden abgehalten werden. In einigen Fällen die Benachrichtigung nicht erforderlich ist, wenn spontane und dringende Versammlungen abgehalten werden, oder wenn die Teilnehmerzahlen 100 Personen nicht überschreiten. Darüber hinaus sieht dieses Gesetz vor, dass die Polizei unabhängig von der Art der Versammlung verpflichtet ist, für Sicherheit zu sorgen und Demonstrationen zu ermöglichen, solange sie friedlich sind. Einige problematische Gesetzesbestimmungen schränken die Versammlungsfreiheit jedoch ein. So erlaubt das Gesetz beispielsweise nicht, dass sich Menschen vor dem Eingang bestimmter öffentlicher Gebäude versammeln (OHCHR 16.11.2018).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt (7.4.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien

* HCA - Helsinki Committee of Armenia (1.2019): Human Rights in Armenia 2018 Report, Ditord Observer #1 (73), http://armhels.com/wp-content/uploads/2019/03/Ditord-2019Engl_Ditord-2019arm-1.pdf, Zugriff 27.3.2019

* OHCHR - UN Office of the High Commissioner for Human Rights (16.11.2018): Statement by the United Nations Special Rapporteur on the rights to freedom of peaceful assembly and of association, Clément Nyaletsossi VOULE, at the conclusion of his visit to the Republic of Armenia, https://www.ohchr.org/EN/NewsEvents/Pages/DisplayNews.aspx?NewsID=23882&LangID=E, Zugriff 27.3.2019

* USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Armenia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004271.html, Zugriff 27.3.2019

Vereinigungsfreiheit

Die Vereinigungsfreiheit hat Verfassungsrang. Die Gesetzgebung entspricht im Wesentlichen internationalen Standards, weist aber in der Umsetzung Defizite auf (AA 7.4.2019, vgl. OHCHR 16.11.2018). Das Gesetz schützt das Recht der Arbeitnehmer auf Gründung und Beitritt zu unabhängigen Gewerkschaften, Streiks und Tarifverhandlungen. Diese Schutzvorkehrungen werden jedoch mangelhaft durchgesetzt, und die Arbeitgeber sind im Allgemeinen in der Lage, die Gewerkschaftstätigkeit in der Praxis zu blockieren (FH 4.2.2019).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt (7.4.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien

* FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Armenia, https://www.ecoi.net/en/document/2002606.html, Zugriff 28.3.2019

* OHCHR - UN Office of the High Commissioner for Human Rights (16.11.2018): Statement by the United Nations Special Rapporteur on the rights to freedom of peaceful assembly and of association, Clément Nyaletsossi VOULE, at the conclusion of his visit to the Republic of Armenia, https://www.ohchr.org/EN/NewsEvents/Pages/DisplayNews.aspx?NewsID=23882&LangID=E, Zugriff 28.3.2019

Opposition

Das Gesetz schränkt die Registrierung oder Tätigkeit von politischen Parteien nicht ein. Vor der "Samtenen Revolution" unterdrückten die Behörden jedoch den politischen Pluralismus auf andere Weise (USDOS 13.3.2019). Die politische Dominanz und Kontrolle der Republikanische Partei (HHK) über die administrativen Ressourcen hat in der Vergangenheit verhindert, dass die gleichen Wettbewerbsbedingungen für die konkurrierenden Parteien des Landes galten. Die Protestbewegung von 2018, die Sargsyan, den Ministerpräsidenten der bis dahin regierenden HHK, aus dem Amt zwang, gab den Oppositionsgruppen deutlich mehr Freiheit vor den nationalen Wahlen im Dezember 2018. Die Parlamentswahlen im Dezember veränderten die politische Landschaft, ließen die HHK ohne parlamentarische Vertretung und ebneten den Weg für das Oppositionsbündnis "Mein Schritt" zur Macht. Die Größe der neuen parlamentarischen Mehrheit gab am Jahresende Anlass zu einigen Bedenken, dass die beiden kleinen Parteien, die als Opposition fungieren sollten, nicht in der Lage sein würden, eine ausreichende Kontrolle der neuen Regierung zu gewährleisten (FH 4.2.2019).

Während sich der politische Pluralismus nach dem Regierungswechsel im Mai ausdehnte, stellten Beobachter eine zunehmende Radikalisierung der Gesellschaft fest, die sich am deutlichsten in den sozialen Medien widerspiegelte und den Raum für Kritik an der neuen Regierung einschränkte, da jede abweichende Meinung von den Anhängern des zivilen Protestbündnisses als "konterrevolutionär" bezeichnet wurde. Einige politische Akteure der Opposition behaupteten, dass die neue Regierung öffentlichen Druck gegen sie ausübte (USDOS 13.3.2019).

Eine Reihe von inhaftierten radikalen Oppositionellen wurde nach der Machtübernahme der Opposition freigelassen. Einige Beobachter kritisierten ein im Oktober verabschiedetes Amnestiegesetz als politisch motiviert. Dazu gehörte auch die Amnestie für Mitglieder von Sasna Tsrer, einer bewaffneten Oppositionsgruppe, die 2016 ein Polizeigebäude beschlagnahmte und drei Polizisten tötete (FH 4.2.2019).

[siehe auch: 2.Politische Lage]

Quellen:

* FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Armenia, https://www.ecoi.net/en/document/2002606.html, Zugriff 26.3.2019

* USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Armenia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004271.html, Zugriff 27.3.2019

Haftbedingungen

Mit Stand 1.1.2018 befanden sich 3.536 Personen in Haft, was einen Wert von 119 per 100.000 Einwohner ausmachte und eine Abnahme bedeutet (2016: 4.873; 162 per 100.000). Allerdings stieg die Quote bei Untersuchungshäftlingen 2018 auf rund 37% im Vergleich zu fast 29% im Jahr 2016 (ICPS 2018).

Die Haftbedingungen sind geprägt von schlechter Hygiene, unzureichender medizinischer Versorgung und systemischer Korruption. Überbelegung war auf der Ebene der Gefängnisse kein Problem mehr und wurde auf der Ebene der Zellen fast gelöst, trotzdem sind die Bedingungen in einigen Fällen hart und lebensbedrohlich. In den Gefängnissen fehlte es im Allgemeinen an Unterkünften für Häftlinge mit Behinderungen (USDOS 13.3.2019).

Es existieren in Armenien 12 Haftanstalten, darunter ein Krankenhausgefängnis. Drei Haftanstalten befinden sich in Jerewan, die übrigen in den Provinzen. Die Haftanstalt Abovyan ist für die Unterbringung von Frauen und Jugendlichen vorgesehen. Der bauliche Zustand der Haftanstalten unterscheidet sich erheblich. Kritisch sind die materiellen Haftbedingungen in der Haftanstalt Nurbarashen, welche von gravierender Überbelegung und fortgeschrittener Baufälligkeit betroffen ist. Am besten sind die Haftbedingungen in der Anstalt Armavir, welche auch nicht voll belegt ist. Häftlinge aus anderen Anstalten, insbesondere zu lebenslanger Freiheitsstrafe Verurteilte, werden vermehrt nach Armavir verlegt. Aber auch hier machen sich bereits bauliche Alterserscheinungen bemerkbar. Die Zellen sind ausreichend beleuchtet. Ausreichende Belüftung ist zum Teil, Heizung stets sichergestellt. Die hygienischen Verhältnisse sind insgesamt zufriedenstellend. Die Sicherstellung einer regelmäßigen Versorgung mit Nahrung ist aufgrund bestehender Regulierungen des staatlichen Beschaffungswesens zum Teil problematisch. Spezielle Angebote für Sport/Freizeitaktivitäten existieren in der Regel nicht. Fälle von willkürlicher Gewalt durch Gefängnispersonal stellen die Ausnahme dar. Allerdings ist der Schutz vor Gewalt von Insassen untereinander nicht immer gewährleistet. Probleme bereitet die gesundheitliche Versorgung. So gibt es zu wenig medizinisches Personal in den Krankenstationen, die Ausstattung mit medizinischen Geräten verbessert sich jedoch zunehmend. Die Situation der Überbelegung hat sich, mit Ausnahme der Haftanstalt Nurbarashen, verbessert (AA 7.4.2019).

Neben dem schlechten Zustand der Einrichtungen dominiert eine organisierte kriminelle Struktur das Gefängnisleben. Gefängnisbeamte delegieren Befugnisse an ausgewählte Häftlinge (sogenannte "Beobachter") an der Spitze der informellen Gefängnishierarchie, welche dann die Insassen kontrollieren. Die Haftbedingungen von Angehörigen sexueller Minderheiten sind die schlimmsten. Sie sind, geduldet von der Gefängnisverwaltung, häufig Ziel von Diskriminierung, Gewalt, psychologischem und sexuellem Missbrauch und werden von anderen Häftlingen gezwungen, entwürdigende Arbeit zu leisten (USDOS 13.3.2019)

Die Behörden führen keine Ermittlungen durch und ergreifen keine Maßnahmen, um Probleme wie Misshandlung von Gefangenen, Streitigkeiten und Gewalt zwischen Häftlingen oder weit verbreitete Korruption sinnvoll anzugehen. Strafgefangene und Häftlinge haben nicht immer einen angemessenen Zugang zu den Besuchern, da es keine geeigneten Räumlichkeiten gibt. Die Leiter von Gefängnissen und Haftanstalten nützen mitunter ihre Position, um willkürlich Gefangenen und Häftlingen den Besuch und den Kontakt zu Familien zu verweigern. Die Regierung erlaubt im Allgemeinen nationalen und internationalen Menschenrechtsgruppen sowie dem Internationalen Comitee des Roten Kreuzes die Haftbedingungen in Gefängnissen zu überwachen und Insassen zu besuchen. Die Behörden gestatten den Beobachtern auch, privat mit den Gefangenen zu sprechen (USDOS 13.3.2018).

Das Jahr 2018 brachte einige Verbesserungen im Strafvollzug mit sich. Im Mai 2018 verabschiedete das Parlament Gesetzesänderungen, um Lücken im Programm für frühzeitige Haftentlassungen zu schließen. Mit den Änderungen wurden die unabhängigen Kommissionen abgeschafft. Stattdessen sind nun der Strafvollzugs- und der Bewährungsdienst für die Prüfung der Anträge auf vorzeitige Entlassung zuständig. Auf der Grundlage der Gutachten dieser beiden Institutionen gibt nun das Gericht die endgültige Empfehlung zur vorzeitigen Haftentlassung ab. Im Juli 2018 verabschiedete das Parlament Änderungen des Strafgesetzes, mit denen die Anzahl der kurzen und langen Besuche von Personen, die wegen besonders schwerer Verbrechen verurteilt wurden, verdoppelt wurde. Im November 2018 trat ein Dekret in Kraft, das es Häftlingen, denen aufgrund von Entfernung oder Krankheit die Möglichkeit verwehrt war, sich mit ihren Verwandten zu treffen, erlaubt, zwei 20-minütige Videoanrufe pro Monat zu führen. Und im Dezember stellte die Regierung dem Justizministerium 270 Millionen Dram (556.000 Dollar) für die Renovierung von Justizvollzugsanstalten zur Verfügung (USDOS 13.3.2019).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt (7.4.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien

* ICPS - International Centre for Prison Studies (2018): World Prison Brief - Armenia, http://www.prisonstudies.org/country/armenia, Zugriff 27.3.2019

* USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Armenia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004271.html, Zugriff 27.3.2019

Todesstrafe

Armenien hat im September 2003 das 6. Protokoll zur Europäischen Menschenrechtskonvention ratifiziert. Die Todesstrafe ist damit abgeschafft; dies ist in Artikel 24 der Verfassung verankert (AA 7.4.2019, vgl. AI 23.10.2018, Standard 19.4.2003).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt (7.4.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien

* AI - Amnesty International (23.10.2018): Abolitionist and retentionist countries (as of July 2018), https://www.amnesty.org/download/Documents/ACT5066652017ENGLISH.pdf, Zugriff 27.3.2019

* Der Standard (19.4.2003): Armenien schafft Todesstrafe ab, https://derstandard.at/1276261/Armenien-schafft-Todesstrafe-ab, Zugriff 25.3.2019

Religionsfreiheit

Die Religionsfreiheit ist verfassungsrechtlich garantiert und darf nur durch Gesetz und nur soweit eingeschränkt werden, wie dies für den Schutz der staatlichen und öffentlichen Sicherheit, der öffentlichen Ordnung, Gesundheit und Moral notwendig ist. Gemäß Verfassung wird zudem die Freiheit der Tätigkeit von religiösen Organisationen garantiert. Es gibt keine verlässlichen Angaben zum Anteil religiöser Minderheiten an der Gesamtbevölkerung; Schätzungen zufolge machen sie weniger als 5% aus. Auch in den 2015 beschlossenen Verfassungsänderungen genießt die Armenisch-Apostolische Kirche (AAK) nach wie vor Privilegien, die anderen Religionsgemeinschaften nicht zuerkannt werden (Zulässigkeit der Eröffnung von Schulen, Herausgabe kirchengeschichtlicher Lehrbücher, Steuervorteile u. a. bei Importen, Wehrdienstbefreiung von Geistlichen, Kirchenbau). Religionsgemeinschaften sind nicht verpflichtet, sich registrieren zu lassen. Religiöse Organisationen mit mindestens 200 Anhängern können sich jedoch amtlich registrieren lassen und dürfen dann Zeitungen und Zeitschriften mit einer Auflage von mehr als 1.000 Exemplaren veröffentlichen, regierungseigene Gelände nutzen, Fernseh- oder Radioprogramme senden und als Organisation Besucher aus dem Ausland einladen. Es gibt keine Hinweise darauf, dass Religionsgemeinschaften die Registrierung verweigert wurde bzw. wird. Bekehrungen durch religiöse Minderheiten sind zwar gesetzlich verboten; missionarisch aktive Glaubensgemeinschaften wie die Zeugen Jehovas oder die Mormonen sind jedoch tätig und werden staatlich nicht behindert. Dies wird von offiziellen Vertretern der Zeugen Jehovas bestätigt (AA 7.4.2019).

In Artikel 18 der Verfassung wird die Armenische Apostolische Kirche als "Nationalkirche" anerkannt, die für die Erhaltung der armenischen nationalen Identität verantwortlich ist. Religiöse Minderheiten haben in der Vergangenheit über Diskriminierung berichtet, und einige hatten Schwierigkeiten, Genehmigungen für den Bau von Gotteshäusern zu erhalten (FH 4.2.2019). Mitglieder religiöser Minderheiten werden bei der öffentlichen Beschäftigung benachteiligt (USDOS 13.3.2019).

Laut Vertretern christlicher Minderheitengruppen besteht Freiheit in der Ausrichtung ihres Glaubens, allerdings fühlen sie sich verpflichtet, ihre Religion diskret auszuüben, besonders während sie im Militärdienst dienen. Menschenrechtsaktivisten äußerten weiterhin ihre Besorgnis über die Zustimmung der Regierung, dass die AAK am Unterricht an Schulen mitwirkt und die Zugehörigkeit zur AAK mit der nationalen Identität oft gleichsetzt wird, was die staatliche und gesellschaftliche Diskriminierung anderer religiöser Organisationen verstärkt (USDOS 29.5.2018).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt (7.4.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien

* FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Armenia, https://www.ecoi.net/en/document/2002606.html, Zugriff 26.3.2019

* USDOS - US Department of State (29.5.2018): 2017 Report on International Religious Freedom - Armenia, https://www.ecoi.net/de/dokument/1436783.html, Zugriff 27.3.2019

* USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Armenia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004271.html, Zugriff 27.3.2019

Ethnische Minderheiten

Die Bevölkerung setzt sich aus ca. 96% armenischen Volkszugehörigen und ca. 4% Angehörigen von Minderheiten (vor allem Jesiden, Russen, Kurden und Assyrer, denen nach der neuen Verfassung als den vier größten Minderheitengruppen jeweils ein Parlamentssitz zusteht) zusammen. Die Volkszugehörigkeit wird in armenischen Reisepässen nur eingetragen, wenn der Passinhaber dies beantragt. Die Verfassung garantiert nationalen Minderheiten das Recht, ihre kulturellen Traditionen und ihre Sprache zu bewahren, in der sie u.a. studieren und veröffentlichen dürfen. Zugleich verpflichtet ein Gesetz alle Kinder zu einer Schulausbildung in armenischer Sprache. Dennoch wird an einigen armenischen Schulen in Gegenden mit jesidischer Bevölkerung (derzeit in 23 Dörfern) auch Unterricht in Jesidisch erteilt. Angehörige der jesidischen Minderheit berichten zwar immer wieder über Diskriminierungen. Weder Jesiden noch andere Minderheiten sind Ziel systematischer und zielgerichteter staatlicher Repressionen (AA 7.4.2019).

Die größte Herausforderung für Minderheiten in Armenien ist ihre schiere Unsichtbarkeit in der Gesellschaft. Alle Minderheitengruppen zusammen machen weniger als 2% der armenischen Bevölkerung aus. Hinzu kommt, dass keine Minderheit in irgendeinem Teil des Landes die Mehrheit ausmacht und stattdessen in ganz Armenien verstreut lebt. Während die jüngsten Verfassungsänderungen dazu geführt haben, dass 2017 vier Minderheitenvertreter in das Parlament gewählt wurden, werden alle Regierungsgeschäfte weiterhin auf Armenisch geführt. Infolgedessen stehen Minderheiten nach wie vor Schwierigkeiten gegenüber, an Entscheidungen teilzunehmen, die ihr tägliches Leben betreffen, zumindest auf nationaler Ebene. Sie sind weiterhin größtenteils nur auf lokaler Regierungsebene vertreten (MRGI 2019).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt (7.4.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien

* MRGI - Minority Rights Group International (2019): Armenia, https://minorityrights.org/country/armenia/, Zugriff 27.3.2019

Relevante Bevölkerungsgruppen

Frauen

Verfassung und Gesetze schreiben die Gleichberechtigung von Männern und Frauen fest und verbieten die Diskriminierung auf der Basis des Geschlechts. Die Rolle der Frau in Armenien ist gleichwohl durch das in der Bevölkerung verankerte patriarchalische Rollenverständnis geprägt (AA 7.4.2019, vgl. USDOS 13.3.2019).

Frauen sind in Führungspositionen im öffentlichen Sektor deutlich unterrepräsentiert. Im Jahr 2018 lag die durchschnittliche Arbeitslosenquote der Frauen in Armenien bei 17,3%. Auch in der Exekutive bleibt die Beteiligung von Frauen auf den höchsten Entscheidungsebenen, auf regionaler und lokaler Ebene sowie im diplomatischen Dienst gering. Ungleichheit im Bereich der Löhne ist besonders offensichtlich (CoE-CommDH 29.1.2019, vgl. USDOS 13.3.2019, FH 4.2.2019).

Seit 2015 hat Armenien bedeutende Fortschritte bei der Schaffung und Verbesserung des Rechtsrahmens zur Bekämpfung häuslicher Gewalt gemacht. Wichtige gese

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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