TE Bvwg Beschluss 2019/7/10 L529 2217861-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 10.07.2019
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

10.07.2019

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §53
FPG §55
VwGVG §28 Abs3 Satz2

Spruch

L529 2217861-1/7E

Beschluss

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch den Richter Mag. M. EGGINGER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Türkei, vertreten durch Michael GENNER - Asyl in Not, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.03.2019, Zl. XXXX :

A) In Erledigung der Beschwerde werden die Spruchpunkte I. bis IV. und Spruchpunkt VII. des angefochtenen Bescheides aufgehoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

I.1. Die Beschwerdeführerin (im Folgenden: BF) stellte am 12.01.2015 im Bundesgebiet einen Antrag auf internationalen Schutz. Am selben Tag erfolgte die Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes. Am 27.11.2018 erfolgte die Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA).

I.2. Mit Bescheid des BFA vom 19.03.2019, Zl. XXXX , wurde der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 3 Z 2 iVm § 2 Z 13 und § 6 Abs. 1 Z 2 und Abs. 2 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 3a iVm § 9 Abs. 2 AsylG wurde der Antrag auf internationalen Schutz auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 8 Abs. 3a AsylG iVm § 9 Abs. 2 AsylG und § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der BF aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Türkei unzulässig ist (Spruchpunkt V.). Einer Beschwerde gegen diese Entscheidung wurde gemäß § 18 Abs. 1 Z 2 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VI.) und gemäß § 53 Abs. 1 iVm Absatz 3 Z 6 FPG gegen die BF ein unbefristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VII.).

I.3. Gegen den genannten Bescheid wurde mit im Akt ersichtlichen Schriftsatz vom 18.04.2019 innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben. Ausdrücklich unangefochten blieb Spruchpunkt V. Die Beschwerdevorlage erfolgte mit Schreiben vom 19.04.2019, sie langte am 25.04.2019 in der Außenstelle Linz ein.

I.4. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes (im Folgenden: BVwG) vom 03.05.2019, L529 2217861-1/3E wurde Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG ersatzlos behoben.

I.5. Mit E-Mail vom 04.06.2019 wurde seitens des BFA eine Mitteilung des Standesamtes Wien-Ottakring betreffend Ermittlung der Ehefähigkeit (beabsichtigte Eheschließung am 17.06.2019) hinsichtlich der BF zur Beschwerdevorlage nachgereicht.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

II.1. Feststellungen:

II.1.1. Die BF stelle am 12.01.2015 in der Erstaufnahmestelle Ost einen Antrag auf internationalen Schutz. Als Fluchtgrund brachte sie dabei vor, dass sie und ihre Familie von der Regierung beobachtet würden, weil die BF an mehreren regierungskritischen Demonstrationen teilgenommen habe; in der Türkei werde sie momentan gesucht. Die BF werde beschuldigt, dass sie mit Terrorismus zu tun habe; sie solle der verbotenen Partei DHKP/C angehören. Seit dem Jahr 2009 sei sie insgesamt fünf Mal festgenommen worden, anfänglich wegen ihrer Teilnahme an Demonstrationen, später wegen ihrer angeblichen Zugehörigkeit zur DHKP/C. Dabei sei sie auch mehrmals misshandelt worden. Derzeit laufe ein Verfahren gegen sie, wo sie wegen Terrorismus angeklagt worden sei.

Eine Cousine von ihr kämpfe für die PKK in den Bergen, eine weitere Cousine sei im Gefängnis verstorben und ihrer Schwester sei erst diese Woche über die Medien vorgeworfen worden, dass sie einen Selbstmordanschlag in einer Polizeistation in Istanbul verübt habe (AS 13).

II.1.2. Mit Schriftsatz vom 30.05.2017 erstattete die rechtsfreundliche Vertretung eine Stellungnahme für die BF und legte ein Konvolut an Unterlagen in türkischer Sprache vor (AS 45 - 275).

II.1.3. Am 27.11.2018 wurde die BF beim BFA erstmals niederschriftlich einvernommen.

II.1.4. Mit Schriftsatz vom 11.12.2018 erfolgte eine weitere Stellungnahme der rechtsfreundlichen Vertretung unter Vorlage weiterer Dokumente.

II.1.5. Mit Datum 19.03.2019 wurde der angefochtene Bescheid ausgefertigt; die Zustellung an die rechtsfreundliche Vertretung erfolgte mit 25.03.2019.

II.1.6. Die BF ist in Österreich unbescholten.

II.1.7. Das BFA gründete die Annahme, dass die BF ein "offensichtlich aktives Mitglied" [der DHKP/C] sei (AS 792), auf die vorgelegten türkischen Gerichtsurteile.

Die Übersetzung dieser Gerichtsurteile erfolgte nur fragmentatrisch. Darin wird zum Teil wesentlich auf eine Anklageschrift verwiesen (vgl. AS 475, 479, 489, 513, 515, 517, 585,...), die in den Verwaltungsakten nicht vorhanden ist und offenbar auch nicht vorgelegt wurde. Die im Akt befindlichen Übersetzungen von Teilen der vorgelegten strafgerichtlichen Dokumente bestehen zu einem großen Teil aus einer Aneinanderreihung von Paragraphen, Artikeln, Datumsangaben und Verweisungen. Welche konkreten Tathandlungen der BF vorgeworfen wurden, geht aus den vorliegenden Aktenteilen nicht hervor.

Die BF hatte im Verfahren stets behauptet, sie sei zwar eine linksorientierte Person, habe aber im Herkunftsland nur an legalen Demonstrationen, Pressekonferenzen teilgenommen. Hinsichtlich des bei ihr sichergestellten "Propagandamaterials" handle es sich beispielsweise um legale Bücher, wie "Das Kapital" von Karl Marx, bzw. um legal erworbene Zeitschriften.

Eine Verbindung zwischen dem XXXX Studentenjugendverband und der DHKP/C wird in dem Urteil zwar behauptet, schlüssig ableitbar ist das aus den vorliegenden Übersetzungen [bestimmter Teile des Urteiles] aber nicht.

II.1.8. Einem Mitangeklagten der BF - XXXX - wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 24.01.2012 (GZ 10.10.985-BAG) Asyl gewährt. Ermittlungen dazu - zu dem dieser Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt - fehlen völlig.

II.1.9. Einem weiteren Mitangeklagten der BF - XXXX - wurde in der Schweiz mit Entscheidung vom 25.04.2017 Asyl gewährt. Ermittlungen dazu - Einsichtnahme in dortige Unterlagen/Kontaktaufnahme mit den Schweizer Asylbehörden - fehlen völlig.

II.1.10. Mit Stellungnahme vom 11.12.2018 legte die rechtsfreundliche Vertretung der BF weitere Dokumente (insbes. Artikel v. 06.10.2015, 11.08.2016, 15.04.2017, 27.06.2016 und vom 06.12.2018) in türkischer Sprache vor. Dass diese Dokumente einer Übersetzung zugeführt worden wären, ist aus dem Akteninhalt nicht ersichtlich, ebenso wenig geht aus dem Akteninhalt hervor, dass sich das BFA damit in irgendeiner Form auseinandergesetzt hätte.

II.1.11. Der entscheidungserhebliche Sachverhalt hinsichtlich der offenen Spruchpunkte steht nicht fest. Das BFA hat den hierfür maßgeblichen Sachverhalt bloß ansatzweise ermittelt, die entscheidungswesentlichen Ermittlungen fehlen nahezu völlig. Aus dem Vorgehen des BFA muss geschlossen werden, dass die notwendigen Ermittlungen auf das BVwG übergewälzt werden sollten.

II.2. Beweiswürdigung:

II.2.1. Der Verfahrensgang und der oben festgestellte Sachverhalt ergeben sich aus dem unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakte des BFA und der Gerichtsakten.

II.2.2. Zufolge der großteils nicht erfolgten Übersetzung liegen nur Teilbereiche des dem Urteil zugrundeliegenden Sachverhalts vor. Um aber alle angeklagten Handlungen und den Teil, der die BF betrifft, beurteilen zu können ist eine vollständige Übersetzung der Urteile notwendig, weil ein solches Urteil nur im Kontext der Handlungen der Mitangeklagten gelesen und bewertet werden kann.

II.3. Rechtliche Beurteilung:

II.3.1. Aufhebung von Spruchpunkt I. bis IV. sowie Spruchpunkt VII. des angefochtenen Bescheides und Zurückverweisung

II.3.1.1. Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das VwG über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z. 1 B-VG (Bescheidbeschwerden) dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht (Z1) oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das VwG selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist (Z2).

Gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG hat das VwG, wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vorliegen, im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das VwG bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

Gemäß § 28 Abs. 4 VwGVG hat das VwG, wenn es nicht gemäß Abs. 2 in der Sache selbst zu entscheiden hat und wenn die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder abzuweisen ist, für den Fall, dass die Behörde bei ihrer Entscheidung Ermessen zu üben hat, den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufzuheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückzuverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das VwG bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

Das Modell der Aufhebung des Bescheids und die Zurückverweisung der Angelegenheit an die belangte Behörde folgt konzeptionell jenem des § 66 Abs. 2 AVG (vgl. Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren [2013] § 28 VwGVG Anm. 11). Der VwGH hat festgehalten, dass bei der Ausübung des Ermessens nach § 66 Abs. 2 und 3 AVG auch die Bedeutung und Funktion der Rechtmittelbehörde ins Kalkül zu ziehen sei und die Einräumung eines Instanzenzuges nicht "zur bloßen Formsache degradiert" werden dürfe. Der Umstand, dass es die Vorinstanz ablehnt, auf das Vorbringen sachgerecht einzugehen und brauchbare Ermittlungsergebnisse zu erarbeiten, rechtfertige nicht, dass sich der Rechtsweg "einem erstinstanzlichen Verfahren (...) nähert", in dem eine ernsthafte Prüfung des Antrages erst bei der zweiten und letzten Instanz beginnt und auch endet (VwGH 21.11.2002, Zl. 2000/20/0084).

Gemäß § 60 AVG sind in der Begründung eines Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Die Begründung eines Bescheides bedeutet die Bekanntgabe der Erwägungen, aus denen die Behörde zur Überzeugung gelangt ist, dass ein bestimmter Sachverhalt vorliegt und dass damit der Tatbestand einer bestimmten Rechtsnorm verwirklicht ist. Die Begründung eines Bescheides hat Klarheit über die tatsächlichen Annahmen der Behörde und ihre rechtlichen Erwägungen zu schaffen. In sachverhaltsmäßiger Hinsicht hat sie daher alle jene Feststellungen in konkretisierter Form zu enthalten, die zur Subsumierung dieses Sachverhaltes unter die von der Behörde herangezogene Norm erforderlich sind. Denn nur so ist es möglich, den Bescheid auf seine Rechtsrichtigkeit zu überprüfen (VwGH 23.11.1993, Zl. 93/04/0156; 13.10.1991, Zl. 90/09/0186; 28.07.1994, Zl. 90/07/0029).

Der VwGH hat mit Erkenntnis vom 26.06.2014, Zl. Ro 2014/03/0063, in Bezug auf die grundsätzliche Sachentscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte nach § 28 VwGVG und die Möglichkeit der Zurückverweisung ausgesprochen, dass angesichts des in § 28 VwGVG insgesamt verankerten Systems die nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte darstellt. So kommt eine Aufhebung des Bescheides nicht in Betracht, wenn der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist. Von der Möglichkeit der Zurückverweisung kann nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht werden. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden. Das Verwaltungsgericht hat nachvollziehbar zu begründen, wenn es eine meritorische Entscheidungszuständigkeit nicht als gegeben annimmt, etwa weil es das Vorliegen der Voraussetzungen der Z 1 und Z 2 des § 28 Abs. 2 VwGVG verneint bzw. wenn es von der Möglichkeit des § 28 Abs. 3 erster Satz VwGVG nicht Gebraucht macht.

II.3.1.2. Im gegenständlichen Fall hat sich ergeben, dass die belangte Behörde erforderliche Ermittlungen zur Feststellung des für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalts unterlassen bzw. bloß ansatzweise und nur grob mangelhaft ermittelt hat:

II.3.1.2.1. Das BFA führte aus, es hätten in Österreich keine familiären Anknüpfungspunkte festgestellt werden können und es habe nicht festgestellt werden können, dass die BF in Österreich strafrechtlich in Erscheinung getreten ist. Sie sei in der Türkei wegen Mitgliedschaft zu einer terroristischen Organisation (DHKP/C) zu einer neunjährigen Haftstrafe verurteilt worden. Sie sei 2015 nach Österreich eingereist. Eine integrative Bindung nach Österreich habe nicht festgestellt werden können. Sie führe hierorts eine Lebenspartnerschaft und studiere an der XXXX seit drei Semestern Bildungswissenschaften. Sie habe in Österreich für zwei Monate als Kinderbetreuerin für die XXXX gearbeitet.

Zu den Fluchtgründen und den Asylausschlussgründen stellte das BFA fest, dass die BF aufgrund der Mitgliedschaft zu einer terroristischen Vereinigung in der Türkei zu einer neunjährigen Haftstrafe verurteilt worden sei. Es wurde diesbezüglich auf das im Akt befindliche strafgerichtliche Urteil aus der Türkei verwiesen. Es bestehe der begründete Verdacht, dass die BF Mitglied der verbotenen DHKP/C sei. Zumal es sich dabei um eine verbotene Organisation handle, begründe die gegen sie verhängte Haftstrafe keinen asylrelevanten Sachverhalt. Es handle sich bei ihr um eine Person mit "Naheverhältnis zu einer gemäß EU-Verordnung (EG) 2580/2001 vom 27.12.2001 als terroristische Gruppe bzw Organisation (DHKP/C)" eingestuften Gruppierung. Es sei davon auszugehen, dass die BF Mitglied der genannten Organisation sei. Weiters liege einer der in Art 1 Abschnitt F der GFK genannten Gründe vor. Die BF stelle eine Gefahr für die Sicherheit der Republik Österreich dar. Zu den Gründen für die Erlassung eines unbefristeten Einreiseverbotes wurde festgestellt, dass sie aufgrund ihres aktenkundigen Naheverhältnisses zu einer als terroristische Organisation eingestuften Vereinigung eine erhebliche Gefahr für die Republik Österreich und die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstelle.

Hierzu hielt das BFA beweiswürdigend fest, dass sich die entsprechenden Feststellungen aus dem vorliegenden Akteninhalt sowie dem Vorbringen der BF ergeben würden. Die Feststellungen zu ihrer rechtskräftigen Verurteilung in der Türkei würden sich aus den von der BF vorgelegten Unterlagen sowie ihren Angaben dazu ergeben. Eine inhaltliche Prüfung der von der BF vorgebrachten Fluchtgründe sei ausgeschlossen, da sie einen Asylausschlussgrund gesetzt habe. Bei ihrem Vorbringen, wonach sie aufgrund einer drohenden Inhaftierung aus der Türkei geflohen sei, handle es sich um keinen asylrelevanten Sachverhalt, weil es sich dabei um eine legitime Strafverfolgung aufgrund eines begangenen Verbrechens und einer darauffolgenden Verurteilung handle. Die Tat sei zudem auch in Österreich strafbar. Zudem stehe die verhängte Strafe in keinem Zusammenhang zu einem GFK-Grund. Die Feststellungen hinsichtlich der Ausschlussgründe würden sich aus den vorliegenden türkischen Gerichtsunterlagen ergeben. Sie habe weder in ihren Stellungnahmen noch mit ihren Angaben im Verfahren davon überzeugen können, dass die gegen sie erhobenen Vorwürfe nicht der Wahrheit entsprechen würden. Dem türkischen Urteil folgend komme die belangte Behörde zum Schluss, dass die BF ein Mitglied der DHKP/C sei bzw., dass es sich bei ihr um eine Person mit einem ausgesprochenen Naheverhältnis zu dieser handle. In der Folge wurde auf mehrere Auszüge aus dem türkischen Gerichtsurteil verwiesen. Für die belangte Behörde hätten sich keine Anhaltspunkte für die Annahme einer nicht den rechtsstaatlichen Grundsätzen entsprechenden Verfahrensführung durch die türkischen Behörden ergeben.

Hinsichtlich der Gründe für die Feststellungen bezüglich der Erlassung des Aufenthaltsverbotes wurde im Wesentlichen auf die rechtskräftige Verurteilung der BF wegen Mitgliedschaft zu einer terroristischen Vereinigung in der Türkei verwiesen. Obwohl die BF in Österreich unbescholten sei, bestehe der begründete Verdacht, dass sie einer terroristischen Vereinigung (§ 278b StGB) angehöre und daher sei die Annahme gerechtfertigt, sie begehe terroristische Straftaten und stelle deshalb eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit dar. Ebenso bekräftige die Aktenlage die von ihr ausgehende Gefahr, zumal diese ihr Engagement für eine terroristische Organisation bezeugen würde. Aufgrund ihrer deshalb anzunehmenden innerlich verfestigten Geisteshaltung könne keine positive Zukunftsprognose getroffen werden. Zudem wurde auf einen terroristischen Angriff der Schwester der BF auf eine Polizeistation in der Türkei verwiesen.

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde aus, dass aufgrund des begründeten Verdachts der Mitgliedschaft der BF in einer terroristischen Vereinigung ein Asylausschlussgrund vorliege und ihr Asylantrag dementsprechend abzuweisen gewesen sei. Selbiges gelte hinsichtlich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten. Aufgrund ihrer langjährigen Mitgliedschaft bzw. ihres Naheverhältnisses zur DHKP/C sei auch von einer schwerwiegenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit auszugehen und ein unbefristetes Einreiseverbot dringend geboten.

II.3.1.2.2. In der dagegen erhobenen Beschwerde wurde demgegenüber im Wesentlichen ausgeführt, dass die belangte Behörde den behaupteten Asylausschlussgrund ausschließlich auf die strafgerichtliche Verurteilung durch die türkische Justiz gestützt habe, ohne zu überprüfen, ob es sich dabei um ein rechtsstaatliches Verfahren im europäischen Sinn gehandelt habe. Diesbezüglich wurde auch auf die getroffenen Länderfeststellungen der belangten Behörde verwiesen. Die bloße Zugehörigkeit zu einer bestimmten Organisation stelle nach der Rechtsprechung des EuGH zudem nicht automatisch einen Grund dar, der zur Annahme berechtige, dass die entsprechende Person eine schwere nichtpolitische Straftat oder Handlungen, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwiderlaufen, begangen habe. Die BF habe glaubhaft versichert, Gewalt abzulehnen und die Aktivitäten ihrer verstorbenen Schwester missbilligt zu haben.

II.3.1.2.3. Soweit das BFA im angefochtenen Bescheid feststellte, dass der begründete Verdacht bestehe, dass die BF Mitglied der verbotenen DHKP/C sei, an anderer Stelle aber, dass es sich bei ihr um eine Person mit Naheverhältnis zu einer gemäß EU-Verordnung (EG) 2580/2001 vom 27.12.2001 als terroristische Gruppe bzw. Organisation (DHKP/C) eingestuften Gruppierung handle, wieder an anderer Stelle, dass davon auszugehen sei, dass die BF Mitglied der genannten Organisation sei, so sind diese Feststellungen inkonsistent. Welche der Varianten (die BF ist Mitglied; es besteht der begründete Verdacht, dass sie Mitglied ist; sie ist eine Person mit einem Naheverhältnis zu einer terroristischen Gruppe) nun vom BFA für zutreffend erachtet wird, bleibt unklar.

Aus Sicht des erkennenden Gerichts macht es einen entscheidenden Unterschied, ob die belangte Behörde von einer Mitgliedschaft der BF zur DKHP/C ausgeht, von einem begründeten Verdacht der Mitgliedschaft oder doch ausschließlich von einem Naheverhältnis. Nach Durchführung geeigneter Ermittlungen hat die Behörde nachvollziehbar darzustellen, zu welchen konkreten Feststellungen sie gelangt.

Soweit die bB folgerte, es sei die Annahme gerechtfertigt, die BF begehe terroristische Straftaten und stelle deshalb eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit dar, so erweist sich das vor dem Hintergrund, dass die BF in Österreich unbescholten ist, vor dem Hintergrund obiger Ausführungen und lediglich der Heranziehung des vorliegenden türkischen Strafurteils (vgl. die Ausführungen unten) als reine Spekulation.

II.3.1.2.4. Die für die Überprüfbarkeit der behördlichen Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltselemente zur Begründung der Entscheidung des BFA, wonach die BF Mitglied einer terroristischen Organisation (DKHP/C) sei bzw. in einem "Naheverhältnis" zu dieser stehe, stützte die belangte Behörde ausschließlich auf die vorliegende rechtskräftige Verurteilung durch ein türkisches Gericht. Bestimmte Aktenteile nahm das BFA von der Akteneinsicht aus. Zu diesen Teilen gewährte das BFA der Vertretung der BF auch auf ausdrückliches Ersuchen keine Einsicht.

Aus Sicht des entscheidenden Gerichts hat das BFA damit bloß oberflächlich ermittelt. Es ist nicht ersichtlich, aufgrund welcher angestellten Ermittlungen die belangte Behörde zur Ansicht gelangen konnte, dass gegen die BF in der Türkei geführte Strafverfahren sei in Beachtung rechtsstaatlicher Grundsätze (mit europäischen Standards verglichen) erfolgt. Gerade unter Zugrundelegung der von der belangten Behörde herangezogenen länderkundlichen Informationen, wonach das türkische Recht zwar grundsätzliche Verfahrensgarantien im Strafverfahren absichert, insbesondere Fälle mit dem Verdacht auf terroristische Aktivitäten häufig aber als geheim eingestuft werden, mit der Konsequenz, dass Rechtsanwälten keine Akteneinsicht gewährt wird, wäre das BFA jedenfalls angehalten gewesen weitere Ermittlungen hinsichtlich der strafgerichtlichen Verurteilung der BF in der Türkei und deren rechtsstaatlicher Unbedenklichkeit (allenfalls in Form einer Anfragebeantwortung an die Staatendokumentation) anzustellen. Außerdem beziehen sich die von der belangten Behörde getroffenen Länderfeststellungen hinsichtlich der türkischen (Straf-)Justiz vornehmlich auf den Zeitraum nach dem Putschversuch im Jahr 2016. Angesichts des Umstandes, dass gegen die BF bereits im Jahr 2010 Anklage erhoben wurde und das Gerichtsurteil aus dem Jahr 2013 stammt, hätte das BFA auch Feststellungen über die türkische Strafjustiz in diesem, für die Beurteilung der Rechtsstaatlichkeit der Entscheidung maßgeblichen Zeitraum treffen müssen.

II.3.1.2.5. Vom BFA gekennzeichnete Teile des vorgelegten türkischen Strafurteiles wurden einer Übersetzung zugeführt. Die Übersetzung dieses Gerichtsurteiles erfolgte demnach nur fragmentatrisch. Das Urteil verweist wesentlich auf eine Anklageschrift, die aber offenbar nicht vorhanden ist. Die auszugsweise im Akt befindlichen Übersetzungen von Teilen der vorgelegten strafgerichtlichen Dokumente bestehen zu einem großen Teil aus einer Aneinanderreihung von Paragraphen, Artikeln, Datumsangaben und Verweisungen (exemplarisch AS 513, 515, 517, 531, 585, 591, 605,...). Welche konkreten Tathandlungen der BF vorgeworfen wurden, geht aus den vorliegenden Aktenteilen nicht hervor.

Um aber beurteilen zu können, ob das diesem Urteil zugrundeliegende Strafverfahren rechtsstaatlichen Grundsätzen entspricht, ist die gegenständlich vorliegende fragmentarische Übersetzung - jedenfalls, was die BF bzw. die sie selbst betreffenden Vorwürfe anbelangt - nicht ausreichend.

Ein weiterer Aspekt, der die vollständige Übersetzung des vorgelegten Strafurteiles verlangt, liegt darin, dass einerseits dem Mitangeklagten XXXX mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 24.01.2012, GZ.: 10 10.985-BAG, in Österreich Asyl gewährt wurde und andererseits dem Mitangeklagten XXXX mit Entscheidung vom 25.04.2017 in der Schweiz Asyl gewährt wurde. Aus dem vorliegenden Verwaltungsakt ist nicht erkennbar, ob und inwieweit sich die belangte Behörde mit dem Inhalt der Verwaltungsakten zu GZ.: 10 10.985-BAG, vom 24.01.2012. auseinandergesetzt hatte. Gemäß der Stellungnahme der rechtsfreundlichen Vertretung der BF vom 30.05.2017, wurde dem - in einem der vorgelegten Gerichtsentscheidungen des türkischen Strafgerichtes an erster Stelle angeführten - XXXX in Österreich rechtskräftig mit Bescheid des BAA vom 24.01.2012 Asyl gewährt und dessen unter dem Titel der Strafrechtspflege stattgefundene Verfolgung als politisch motivierte Verfolgung qualifiziert. Folglich wäre auch hier eine solche Auseinandersetzung mit der Sache GZ: 10 10.985-BAG notwendig gewesen, um allfällige inhaltliche Überschneidungen abzuklären.

II.3.1.2.6. Gleiches - wie oben ausgeführt - gilt hinsichtlich XXXX , einem weiteren Mitangeklagten der BF, weil diesem mit Entscheidung der Schweizer Asylbehörden vom 25.04.2017 Asyl gewährt wurde. Gemäß der Stellungnahme der BF vom 30.05.2017 indiziere das, dass auch die Verfolgung der BF als politisch motiviert sei.

II.3.1.2.7. Zudem sind die Zusammenhänge zu den Mitverurteilten bzw. deren Aussagen aufgrund der nur bruchstückhaften Übersetzung nicht erkennbar. Auch aus diesem Grund wäre eine vollständige Übersetzung notwendig; ein derartiges Urteil lässt sich nur im Gesamten lesen und auch einer Überprüfung unterziehen.

II.3.1.2.8. Das vorgelegte türkische Strafurteil nimmt häufig Bezug zu einer Anklageschrift - eine solche fehlt aber im Akt. Auch aus diesem Grund ist eine Überprüfung, ob das diesem Urteil zugrundeliegende Strafverfahren rechtsstaatlichen Grundsätzen entspricht, nur eingeschränkt möglich.

II.3.1.2.9. Teile des Urteils bestehen - den vorliegenden Unterlagen und fragmentarischen Übersetzungen zufolge - nur aus Aufzählungen mit wenig Aussagewert (Aneinanderreihung von §§ / Artikeln / Datumsangaben / Verweisungen). Unklar ist den vorgelegten Dokumenten zufolge, welche konkreten Tathandlungen der BF nun tatsächlich vorgeworfen wurden.

II.3.1.2.10. Eine Verbindung zwischen dem XXXX Studentenjugendverband und der DHKP/C wird in dem Urteil zwar behauptet, schlüssig ableitbar ist das aus den vorliegenden Übersetzungen [bestimmter Teile des Urteiles] aber nicht.

II.3.1.2.11. Mit Stellungnahme vom 11.12.2018 legte die rechtsfreundliche Vertretung der BF weitere Dokumente (insbes. Artikel v. 06.10.2015, 11.08.2016, 15.04.2017, 27.06.2016 und vom 06.12.2018) in türkische Sprache vor. Dass diese Dokumente einer Übersetzung zugeführt worden wären, ist aus dem Akteninhalt nicht ersichtlich, ebenso wenig geht aus dem Akteninhalt hervor, dass sich das BFA damit - wie auch mit der Stellungnahme an sich - in irgendeiner Form auseinandergesetzt hätte.

II.3.1.2.12. Das BFA hat zudem nur unzureichende Feststellungen betreffend die in Österreich bestehenden sozialen Verhältnisse der BF getroffen und ein etwaiges Engagement der BF in bestimmten Vereinen bzw. Organisationen hierorts nicht ermittelt bzw. festgestellt. Auch fehlen belastbare Ermittlungen bezüglich eines etwaigen politischen Engagements der BF in Österreich völlig. Auch in dieser Hinsicht ist das behördliche Ermittlungsverfahren zu ergänzen bzw. sind hierzu weitere Feststellungen zu treffen, zumal Anhaltspunkte denkbar sind, die die Annahme der Mitgliedschaft der BF zu einer terroristischen Vereinigung stützen. Insbesondere könnten hier im Wege der Amtshilfe anzufordernde Unterlagen von Sicherheitsbehörden oder der Strafjustiz aufschlussreich sein. Es ist diesbezüglich auch auf etwaige dem angefochtenen Bescheid nicht zugrunde gelegte Aktenbestandteile bzw. Ermittlungsergebnisse hinzuweisen, die aber iSd § 60 AVG verwertet werden hätten müssen, da diese Bestimmung die Bekanntgabe der Erwägungen, aus denen die Behörde zur Überzeugung gelangt ist, dass ein bestimmter Sachverhalt vorliegt, fordert. Hierzu ist auf die bereits eingangs zitierte Judikatur zu verweisen, wonach die behördliche Entscheidung alle Feststellungen in konkretisierter Form zu enthalten hat, die zur Subsumierung dieses Sachverhaltes unter die von der Behörde herangezogene Norm erforderlich sind. Denn nur so ist es möglich, den Bescheid auf seine Rechtsrichtigkeit zu überprüfen (VwGH 23.11.1993, Zl. 93/04/0156; 13.10.1991, Zl. 90/09/0186; 28.07.1994, Zl. 90/07/0029).

Zumal die BF behauptet, jegliche Gewalt abzulehnen und die Aktivitäten ihrer verstorbenen Schwester abzulehnen, hätte das BFA auch hinsichtlich dieses Vorbringens entsprechende Ermittlungen anzustellen gehabt, bzw. diesbezügliche Ermittlungsergebnisse im gerade ausgeführten Sinn verwerten und ihrer Entscheidung zugrunde legen müssen. Insgesamt erweist sich das behördliche Ermittlungsverfahren bezüglich der von der belangten Behörde angenommenen Mitgliedschaft der BF zu einer terroristischen Organisation als unzureichend und ist die Behörde daher angehalten, die entsprechenden erforderlichen Ermittlungsschritte nachzuholen.

Im Wesentlichen beschränkten sich die angestellten Ermittlungsschritte des BFA neben der Einvernahme der BF auf die Heranziehung von Bruchstücken eines von der BF selbst vorgelegten türkischen Strafurteils, die Einholung von Auskünften aus dem ZMR, GVS und Strafregister, sowie die Heranziehung einer Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 05.12.2016 zu den Haftbedingungen in der Türkei. Angesichts dieser bloß oberflächlichen Ermittlungsschritte erschließt sich für das erkennende Gericht jedoch nicht, wie die belangte Behörde zu den zentralen Feststellungen hinsichtlich der Mitgliedschaft der BF zur DKHP/C gelangen konnte. Weitere dahingehende Ermittlungsergebnisse sind dem vorliegenden Akt einerseits nicht zu entnehmen bzw. wurden angestellte Ermittlungen andererseits nicht ausreichend ausgewertet.

Diese zusätzlichen Ermittlungen hätten aber bei weitem aufwändigere Schritte als die vom BFA ergriffenen erfordert, weshalb davon auszugehen war, dass das BFA diese bewusst vom BVwG durchführen lassen hat wollen. Ein gewichtiges Indiz in diese Richtung sind die - offenbar aus Kostengründen - nur teilweise durchgeführten Übersetzungen der vorgelegten Dokumente.

Es ist in dieser Hinsicht das behördliche Ermittlungsverfahren aber jedenfalls von der belangten Behörde durch geeignete Ermittlungsschritte zu ergänzen.

II.3.1.2.13. Insgesamt hat die belangte Behörde zwar Ermittlungen angestellt, damit aber - wie oben angeführt - bloß ansatzweise ermittelt. Zumal die Ermittlungsschritte großteils fehlen und die vom BFA ergriffenen Ermittlungsschritte teilweise ungeeignet waren (vgl. VwGH 29.01.2015, Ra 2015/07/0001), bzw die belangte Behörde ihre Ermittlungsergebnisse nicht ausreichend verwertet hat, hat die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid weder eine hinreichende Feststellung des für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltes, noch eine Beantwortung aller relevanten Rechtsfragen vorgenommen, die auch eine geeignete nachfolgende verwaltungsgerichtliche Kontrolle des Bescheides ermöglichen würden (vgl. VwGH 26.06.2014, Ro 2014/03/0063). Zumal sich das BFA im Wesentlichen darauf beschränkte, oberflächliche, leicht zugängliche Auskünfte einzuholen, sowie sich auf ein ungeprüftes türkisches strafgerichtliches Urteil - bzw. Fragmente daraus - zu beziehen, sind diese Ermittlungsschritte als bloß marginal bzw. unbrauchbar einzustufen. Die gebotene Ermittlungstätigkeit wäre bei Weitem aufwändiger, weshalb anzunehmen ist, dass die belangte Behörde jene aufwendigen Ermittlungen bewusst unterlassen hat um diese durch das BVwG vornehmen zu lassen (vgl. VwGH 29.01.2015, Ra 2015/07/0001).

II.3.1.2.14. Es hat sich insgesamt nicht ergeben, dass die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das BVwG selbst im Interesse der Raschheit gelegen wäre, zumal nichts darauf hindeutet, dass die erforderliche Feststellung durch das BVwG selbst, verglichen mit der Feststellung durch die belangte Behörde nach Zurückverweisung der Angelegenheit, mit einer wesentlichen Zeitersparnis und Verkürzung der Verfahrensdauer verbunden wäre.

Schließlich liegt auch kein Anhaltspunkt dahingehend vor, dass die Feststellung durch das BVwG selbst im Vergleich zur Feststellung durch die Verwaltungsbehörde mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden wäre, handelt es sich beim BVwG doch um ein Mehrparteienverfahren.

II.3.1.2.15. Mit Nachtrag zur Beschwerdevorlage vom 04.06.2019 (OZ 5) wurde vom BFA eine Mitteilung des Standesamtes Wien-Ottakring über die Ermittlung der Ehefähigkeit hinsichtlich der BF und des zukünftigen Ehegatten sowie das Datum der bevorstehenden Eheschließung (17.06.2019, 13:30 h) bekanntgegeben. Auch dieser Umstand wird im fortzusetzenden Verfahren Berücksichtigung zu finden haben.

II.3.1.3. Da alle Voraussetzungen des § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG vorliegen, war der angefochtene Bescheid aufzuheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückzuverweisen.

II.4. Gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG konnte eine mündliche Verhandlung unterbleiben, weil bereits auf Grund der Aktenlage feststand, dass der Beschwerde stattzugeben bzw. der angefochtene Bescheid zu beheben war.

II.3.3. Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Ermittlungsmangel Ermittlungspflicht Kassation mangelhaftes Ermittlungsverfahren mangelnde Feststellungen mangelnde Sachverhaltsfeststellung soziale Bindung Übersetzung Zurückverweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:L529.2217861.1.01

Im RIS seit

18.08.2020

Zuletzt aktualisiert am

18.08.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten