Entscheidungsdatum
11.07.2019Norm
Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1Spruch
I407 2198082-1/16E
I407 2198082-2/10E
Im Namen der Republik
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Stefan MUMELTER als Vorsitzenden, den Richter Dr. Harald NEUSCHMID sowie die fachkundige Laienrichterin Mag. Dr. Elisabeth RIEDER als Beisitzer über die Beschwerden des XXXX , VN: XXXX , gegen die Ausstellung eines Behindertenpasses mit der Eintragung eines Grades der Behinderung von 50% und gegen den Bescheid des Sozialministeriumsservice, BASB Landesstelle Vorarlberg (OB 21127853500077), mit dem die Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ abgewiesen wird, nach mündlicher Verhandlung am 23.05.2019 zu Recht erkannt:
A)
I.) Der Beschwerde gegen den Behindertenpass wird stattgegeben und festgestellt, dass beim Beschwerdeführer ein Grad der Behinderung von 70% vorliegt.
II.) Die Beschwerde gegen den Bescheid OB 21127853500077 vom 24.05.2018 ("Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel") wird abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang
1. Mit formularmäßigem Vordruck des Sozialministeriumservice, Landesstelle Voralberg (in der Folge: belangte Behörde), beantragte Herr XXXX (in der Folge: Beschwerdeführer) am 29.01.2018, bei der belangten Behörde am 01.02.2018 eingelangt, die Neufestsetzung des Grades seiner Behinderung im Behindertenpass. Der Antrag trägt folgenden handschriftlichen Vermerk der Behörde: „UNZU 80% alter Behindertenpass im Kasten.“
2. In einem von der belangten Behörde eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten des Dr. XXXX vom 28.04.2018 führte dieser auszugsweise, nach persönlicher Untersuchung des Beschwerdeführers, zu den Funktionseinschränkungen im Wesentlichen wie folgt aus:
„Anamnese:
Beim AST besteht der Zn einer Lebertransplantation 2015 aufgrund einer Leberzirrhose auf dem Boden einer Hepatitis und einem HCC. Er ist unter Kontrolle am KH XXXX , die Therapieadhärenz ist oft fraglich. Es besteht seit der LTX offensichtlich eine ausgeprägte Fatiguesymptomatik, eine regelmäßige Arbeit wäre nicht mehr möglich. Barrierefrei Wohnung ist beantragt.
[…]
Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:
Lfd.
Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden
Pos. Nr.
GdB %
1
Leber, Zirrhose inaktiv bis stärker aktiv, kompensiert
Zn Lebertransplantation mit laufender immunsupressiver Therapie
07.05.04
40
2
Malignome, Entfernte Malignome mit abgeschlossener adjuvanter Behandlung nach Abschluss der Heilungsbewährung
Zn HCC nach Heilungsbewährung
13.01.02
40
3
Hörorgan, Einschränkungen des Hörvermögens
Schwerhörigkeit rechts
12.02.01
10
Gesamtgrad der Behinderung: 50 v. H.
[…]
Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel:
1. Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?
Die Benutzung der öffentlichen Verkehrsmittel ist zumutbar. Trotz bestehender Fatiguesymptomatik und leichtem Tremor ist das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke von 400 Meter ohne Hilfsmittel möglich. Ein sicherer Transport und das Ein und Aussteigen ist bei einer leichten Verlangsamung aber insgesamt erhaltener Koordination ebenfalls möglich.
2. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Liegt eine schwere Erkrankung des Immunsystems vor?
Nein“
3. Dieses Beweisergebnis wurde dem Beschwerdeführer im Wege des rechtlichen Gehörs vorgehalten und ihm mitgeteilt, dass der Grad der Behinderung aufgrund des Sachverständigengutachten auf 50 v.H. herabgesetzt wird. Auch die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel könne ihm zugemutet werden. Der Beschwerdeführer nahm zum Parteiengehör Stellung und teilte mit, dass er mit der Herabsetzung des Grades der Behinderung und der Aberkennung der Unzumutbarkeit nicht einverstanden sei. Ohne neue Befunde vorzulegen, ersuchte er um einen neuen Gutachtenstermin.
4. Die belangte Behörde hat auf Grund dieses Ermittlungsverfahrens am 24.05.2018 einen Behindertenpass ausgestellt und hat ihn mit der Eintragung eines Grades der Behinderung von 50% versehen.
4. Mit Bescheid vom 24.05.2018 wurde der Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ abgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, dass das ärztliche Begutachtungsverfahren ergeben habe, dass die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung nicht vorliegen.
5. Am 29.05.2018 erhob der Beschwerdeführer Beschwerde, weil er mit der Herabsetzung des Grades der Behinderung nicht einverstanden und weil die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel für ihn unzumutbar sei. Er beantragte eine neuerliche Untersuchung.
6. Das Bundesverwaltungsgericht hat daraufhin am 22.06.2018 ein Gutachten mit persönlicher Untersuchung des Beschwerdeführers bei Dr. XXXX in Auftrag gegeben. Das Ergebnis des Gutachtens lautet auszugsweise:
„Anamnese:
Er sei weiterhin in regelmäßiger Behandlung, aufgrund einer „Leberentzündung" und einem Karzinom sei 2015 dann eine Lebertransplantation durchgeführt worden. Es gehe gar nicht gut, beschrieben wird seit der Transplantation eine allgemeine Leistungsschwäche, er sei immer müde, könne „nichts tun", schlafe viel; jede Tätigkeit sei ihm zu viel, er sei oft aufbrausend und möchte nur seine Ruhe haben. Zuletzt hätten auch Schmerzen in der rechten Flanke zugenommen, auch eine Hernie im Bereich der Narbe hätte sich entwickelt. Er sei in regelmäßiger Kontrolle im KH XXXX alle 2 Monate, hier aber angeblich keine Auffälligkeiten. Nach XXXX müsse er immer 1x pro Jahr zur Kontrolle, seit der Operation hätte er ca. 7kg abgenommen, er hätte einfach keinen Hunger. Beschrieben wird dann auch noch wiederkehrender Schwindel mit Gleichgewichtsproblemen, auch Stürze werden angegeben, zuletzt vor ca. 3 Wochen, eine Hörminderung wird erst nach Befragung angeführt.
[…]
Vorliegende Befunde
Keine neuen Befund vorgelegt
[…]
Eigene Untersuchung
Leicht reduzierter Allgemeinzustand, guter Ernährungszustand, Größe 161 cm, Gewicht 62kg, Blutdruck 135/80, grob klinisch kardiopulmonal keine Auffälligkeiten, blande Narbe nach LTX, im Narbenbereich Bruchnarbe im lateralen Drittel, praesternal ca. 3cm Durchmesser teigige Schwellung keine Rötung, kein Druckschmerz, Wirbelsäule unauffällig, kein Klopfschmerz oder Einschränkung der Beweglichkeit, Extremitäten frei beweglich, grob neurologisch keine Defizite erkenntlich, Arm-Vorhalteversuch unauffällig, geistig depressive Stimmungslage, im Affekt flach wenig affizierbar, etwas verlangsamt imponierend;
Gutachten:
Die gestellten Fragen werden wie folgt beantwortet:
a) zur Diagnose samt Feststellung der Funktionsbeeinträchtigung(en) bzw. der Art der Gesundheitsschädigung(en);
1) Lebertransplantation 17.11.2015 bei Leberzirrhose Child A mit maligner Transformation — mit Zn portaler Hypertension und Ösophagusvarizen;
2) Noduläres unilokuläres hepatozelluläres Karzinom Segment VIII - VI
3) Leichtgradige Schwerhörigkeit
4) Depressive Episode
b) zur Frage, ob es sich bei den Funktionsbeeinträchtigung(en) um Dauerzustände handelt oder ob (und bejahendenfalls wann) eine Nachuntersuchung vorzusehen ist;
1) Dauerzustand, trotzdem ist noch mit einer Besserung des Allgemeinzustandes bei langsamer Erholung nach der Lungentransplantation zu rechnen, eine Nachuntersuchung in 2 Jahren wird vorgeschlagen;
2) Operation 11/2015 - Fleilungsbewährung (5 Jahre) noch nicht abgeschlossen
3) Dauerzustand
4) Unter spezifischer Therapie ist Besserung möglich, Nachuntersuchung in 2 Jahren vorgeschlagen
c) zur Einschätzung des Grades der Behinderung für jede der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen;
1) 40%
2) 60%
3) 10%
4) 20%
d) zu den Richtsatzpositionen laut Einschränkungsverordnung EVO und – falls Rahmensätze vorgegeben sind - dem von Ihnen zu Grunde gelegten Rahmensatz;
1) Pos 07.05.04, analoge Beurteilung bei Zn Lebertransplantation mit immunsuppressiver Therapie, aufgrund der notwendigen regelmäßigen Medikamenteneinnahme oberer Rahmensatz gewählt;
2) Pos Nr 13.01.03, Zn hepatozellulärem Karzinom mit operativer Sanierung (Lebertransplantation) bei noch nicht abgeschlossener Heilungsbewährung, der Notwendigkeit einer weiterführenden Therapie und nur leicht reduziertem Allgemeinzustand Rahmensatz im unteren Bereich gewählt;
3) Pos Nr 12.02.01, übernommen vom Vorgutachten, keine aktuellen Befunde vorliegend,
4) Pos Nr 03.06.01, eher unterer Rahmensatz da noch keine medikamentöse Behandlung, aber entsprechende depressive Symptomatik vorliegend, beginnender sozialer Rückzug, keine pychosewertigen Zustände;
e) zur Frage, ob im Vergleich zum Gutachten vom 27.11.2017 eine Änderung des Gesundheitszustandes festgestellt werden kann; bejahendenfalls zur Änderung in den Graden der Behinderung bezüglich der einzelnen festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen;
1) keine Änderung
2) da Heilungsbewährung noch nicht abgeschlossen (5 Jahre nach operativer Sanierung, Operation im November 2015) andere Pos Nr und höherer Richtsatz anzuwenden
3) keine Änderung
4) Neueinstufung bei Vorliegend einer depressiven Episode;
f) zu dem von Ihnen ermittelten Gesamtgrad der Behinderung (GdB);
Der Gesamtgrad der Behinderung ergibt 70%.
g) beim Zusammenwirken aller Funktionsbeeinträchtigungen bzw. mehrerer Gesundheitsschädigungen, ob die führende funktionelle Einschränkung durch eine weitere funktionelle Einschränkung erhöht wird oder nicht und - bejahendenfalls - um wie viele Stufen, wobei die wechselseitige (Nicht-) Beeinflussung der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen bzw. Leiden einer ausführlichen Begründung bedarf.
Die führende funktionelle Einschränkung (Zn Lebertransplantation bei hepatozellulärem Karzinom mit operativer Sanierung, innerhalb der Heilungsbewährung) wird durch die bestehende depressive Episode bei wechselseitig ungünstiger Leidensbeeinflussung um 1 Stufe erhöht, beide Leiden (Zn Lebertransplantation und depressive Episode) führen zu der ausgeprägten „Fatigue" Symptomatik mit allgemeiner Leistungseinschränkung und sozialem Rückzug.
zu 2.:
d) Eine Gesundheitsschädigung gemäß § 2 Abs. 1 erster Teilstrich der oben genannten Verordnung ist gegeben, wenn Tuberkulose, Zuckerkrankheit, Zöliakie oder Aids entsprechend einem festgestellten Grad der Behinderung von mindestens 20% vorliegt. Der Zöliakie sind die Phenylketonurie (PKU) und ähnlich schwere Stoffwechselerkrankungen im Sinne des Abschnittes 09.03 der Anlage zur Einschätzungsverordnung gleichzuhalten. - liegt nicht vor.
e) Eine Gesundheitsschädigung gemäß § 2 Abs. 1 zweiter Teilstrich der oben genannten Verordnung ist gegeben, wenn eine Gallen-, Leber- oder Nierenerkrankung mit einem festgestellten Grad der Behinderung von mindestens 20% vorliegt. - liegt vor (Pos Nr 07.05.04 und 13.01.03)
f) Eine Gesundheitsschädigung gemäß § 2 Abs. 1 dritter Teilstrich der oben genannten Verordnung ist gegeben, wenn Funktionsbeeinträchtigungen im Sinne der Abschnitte 07 und 09 der Anlage zur Einschätzungsverordnung oder Malignome des Verdauungstraktes im Sinne des Abschnittes 13 der Anlage zur Einschätzungsverordnung entsprechend einem festgestellten Grad der Behinderung von mindestens 20% vorliegen - liegt nicht vor.
Zu 3.:
a) Ob eine kurze Wegstrecke ( ca 300 bis 400m) aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe (allenfalls unter Verwendung zweckmäßiger Behelfe) ohne Unterbrechung zurückgelegt werden kann
Hr Asik kann eine kurze Wegstrecke - auch bei ausgeprägter „Fatigue" Symtomatik und depressiver Symptomatik - aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe ohne Unterbrechung zurücklegen, es liegen keine funktionellen Einschränkungen in den Extremitäten vor;
b) Ob die Verwendung der erforderlichen Behelfe die Benutzung des öffentlichen Verkehrsmittels in hohen Maß erschwert;
Keine Behelfe erforderlich.
c) Ob sich die dauernde Gesundheitsschädigung auf die Möglichkeit des Ein- und Aussteigens (zu überwindende Niveauunterschiede) und die sichere Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel ( u.a. beim Stehen oder bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt) unter Berücksichtigung der beim üblichen Betrieb dieser Verkehrsmittel gegebenen Bedingungen auswirkt;
Die vorliegenden Gesundheitsschädigungen schränken die Möglichkeit des Ein- und Aussteigens nicht ein, auch liegen keine Beeinträchtigungen vor, die die sichere Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel beeinträchtigen, es liegen keine körperlichen oder funktionellen Einschränkungen vor, die allgemeine Müdigkeit und Kraftlosigkeit führen nicht zur Unzumutbarkeit, auch die - gelegentlich auftretenden - Schwindelattacken stellen keine Beeinträchtigung dar, die die sichere Beförderung beeinflussen.
d) Ob erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten bestehen, die Auswirkungen auf die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel haben;
Nicht vorliegend;
e) Ob erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit bestehen, die Auswirkungen auf die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel haben;
Es liegt zwar eine sog. „Fatigue Symptomatik" vor, allerdings ist keine erhebliche Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit feststellbar, auch die angeführte depressive Episode führt zu keiner relevanten Einschränkung der körperlichen Leistungsfähigkeit.
f) Ob erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten bzw. Funktionen bestehen, die Auswirkungen auf die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel haben;
s.o. - unter Punkt e) depressive Episode
g) Ob sich unter Berücksichtigung des medizinischen Gesamtzustandes die Notwendigkeit einer Begleitperson ergibt;
Die Notwendigkeit einer Begleitperson ist nicht gegeben, Hr Asik ist in seinen kognitiven Funktionen nicht eingeschränkt, auch die körperlichen Beeinträchtigungen erreichen kein Ausmaß, dass eine Begleitperson notwendig ist.
h) Ob sonstige sich aus dem Gesundheitszustand ergebende Gründe ergeben, die aus medizinischer Sicht der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel entgegenstehen;
Keine vorliegend
7. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Ergebnisse dieses Gutachtens am 5.10.2018 den Verfahrensparteien zum rechtlichen Gehör übermittelt. Die belangte Behörde hat keine Stellungnahme abgegeben. Der Beschwerdeführer hat im Wege der belangten Behörde dem Bundesverwaltungsgericht mitgeteilt, dass er mit dem Ergebnis des Gutachtens nicht einverstanden sei und die Unzumutkarkeit der öffentlichen Verkehrsmittel bekommen wolle.
12. Am 23.05.2019 fand in Gegenwart des Beschwerdeführers, seiner Begleitperson und eines Dolmetschers für die türkische Sprache eine Beschwerdeverhandlung vor dem erkennenden Senat des Bundesverwaltungsgerichts statt, bei welcher das Erkenntnis mündlich verkündet wurde. Noch am Tag der Beschwerdeverhandlung verlangte der Beschwerdeführer eine schriftliche Ausfertigung des Erkenntnisses.
13. Am 04.06.2019 langte bei Gericht ein Schreiben ein, bei der der Beschwerdeführer um einen erneuten Gutachtenstermin und eine erneute Verhandlung bat.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen (Sachverhalt)
Aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens steht nachstehender entscheidungswesentlicher Sachverhalt als erwiesen fest:
1.1. Der Beschwerdeführer hat seinen Wohnsitz in Österreich. Dem Beschwerdeführer wurde am 24.05.2018 ein Behindertenpass ausgestellt.
1.2. Der Grad der Behinderung des Beschwerdeführers beträgt 70%.
1.3. Folgende Funktionseinschränkungen liegen bei dem Beschwerdeführer vor: Lebertransplantation, Leberkarzinom, leichtgradige Schwerhörigkeit sowie eine depressive Episode.
1.4. Das Ein- und Aussteigen sowie der sichere Transport im Verkehrsmittel sind dem Beschwerdeführer möglich. Des Weiteren kann er auch kurze Wegstrecken ohne Hilfsmittel und Unterbrechung zurücklegen. Es liegt beim Beschwerdeführer eine sog. „Fatigue Symptomatik" vor, allerdings ist keine erhebliche Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit feststellbar.
1.4. Der Beschwerdeführer ist nicht hochgradig sehbehindert, blind oder taubblind. Bei dem Beschwerdeführer besteht keine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder der körperlichen Belastbarkeit.
2. Beweiswürdigung
2.1. Die Feststellungen zu Wohnort des Beschwerdeführers sowie zum Pass ergeben sich aus dem vorgelegten Akt der belangten Behörde und sind unstrittig.
2.2. Die Feststellungen zu den funktionellen Einschränkungen des Beschwerdeführers basieren auf den von der belangten Behörde eingeholten Gutachten des Dr. A V, einem Facharzt für Innere Medizin, vom 19.03.2018 und auf einem vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten Gutachten von Dr. A M vom 21.09.2018.
In seinem Gutachten vom 19.03.2018 stellte Dr. A V insbesondere fest, dass bei dem Beschwerdeführer die Heilungsbewährung von fünf Jahren abgelaufen sei. Unter Immunsuppression bestehe ein stabiler Zustand. Insgesamt ergäbe sich ein GdB von 50%. Die bei dem Beschwerdeführer vorliegenden Funktionseinschränkungen würden zu keiner Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel führen und führte dazu aus, dass trotz bestehender Fatiguesymptomatik und leichtem Tremor das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke von 400 Meter ohne Hilfsmittel möglich sei. Ein sicherer Transport und das Ein- und Aussteigen sei bei einer leichten Verlangsamung, aber insgesamt erhaltener Koordination, ebenfalls möglich.
In seinem Gutachten vom 21.09.2018 stellte Dr. A M insbesondere fest, dass bei dem Zustand nach Lebertransplantation mit immunsuppressiver Therapie, aufgrund der notwendigen regelmäßigen Medikamenteneinnahme der obere Rahmensatz gewählt wurde. Bei dem Beschwerdeführer liege eine depressive Episode vor, die mit dem unteren Rahmensatz zu bewerten sei, da noch keine medikamentöse Behandlung erfolge, aber entsprechende depressive Symptomatik bei beginnendem sozialem Rückzug und keinen psychosewertigen Zuständen vorliegend wäre. Die führende funktionelle Einschränkung (Zn Lebertransplantation bei hepatozellulärem Karzinom mit operativer Sanierung, innerhalb der Heilungsbewährung) werde durch die bestehende depressive Episode bei wechselseitig ungünstiger Leidensbeeinflussung um eine Stufe erhöht. Insgesamt ergäbe sich ein Grad der Behinderung von 70%.
Die bei dem Beschwerdeführer vorliegenden Funktionseinschränkungen würden nach den Ausführungen des Gutachters Dr. A M zu keiner Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel führen und begründete dies ausreichend und nachvollziehbar. So führte er aus, dass die vorliegenden Gesundheitsschädigungen die Möglichkeit des Ein- und Aussteigens nicht einschränken, auch lägen keine Beeinträchtigungen vor, die die sichere Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel beeinträchtigen, es lägen keine körperlichen oder funktionellen Einschränkungen vor, die allgemeine Müdigkeit und Kraftlosigkeit würden nicht zur Unzumutbarkeit führen, auch die - gelegentlich auftretenden - Schwindelattacken würden keine Beeinträchtigung darstellen, die die sichere Beförderung beeinflussen.
Der Beschwerdeführer hat im Laufe der Beschwerdeverhandlung aktuelle Befunde vorgelegt. Der Gutachter Dr. A M hat sein Gutachten in der Verhandlung erläutert und ausgeführt, dass aus den Befunden keine neuen Sachverhalte feststellbar waren. Dem letzten Entlassungsbrief der Klinik XXXX vom 25.03.2019 wäre zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer in gutem Allgemeinzustand wieder aus der Klinik entlassen worden sei. Psychiatrische Befunde sind keine vorgelegt worden.
Im Übrigen wäre es jedoch dem Beschwerdeführer frei gestanden, das im Auftrag der Behörde bzw. des Gerichtes erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften bzw. zu widerlegen zu versuchen (vgl. VwGH vom 26.02.2008, Zl. 2005/11/0210). Dies ist im gegenständlichen Verfahren nicht erfolgt.
Das Gutachten des Dr. A M vom 21.09.2018 steht mit den allgemeinen Gesetzen der Logik in Einklang, ist schlüssig und vollständig und ihm wurde nicht (auf derselben fachlichen Ebene) entgegen getreten. Ihm wurde im Bezug auf die Ermittlung des Grades der Behinderung der Vorzug gegenüber dem Gutachten des Dr. A V gegeben, zumal Dr. A M in seinem Gutachten den letzten Befund des Beschwerdeführers berücksichtigt und hat auf die Einwände des Beschwerdeführers in der mündlichen Beschwerdeverhandlung Bezug genommen und diese entkräftet. Bei der Ermittlung der Unzumutbarkeit öffentlicher Verkehrsmittel sind der von der belangten Behörde und der vom Gericht bestellte Gutachter zum selben Ergebnis gekommen. Aus diesen Gründen legt der erkennende Senat diese Gutachten unter freier Beweiswürdigung seiner Entscheidung zu Grunde.
2.3. Dass der Beschwerdeführer nicht hochgradig sehbehindert, blind oder taubblind ist und bei ihm keine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder der körperlichen Belastbarkeit bestehen, ergibt sich aus dem Gutachten und ist unstrittig.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht
§§ 6 und 7 Abs. 1 BVwGG lauten wie folgt:
Einzelrichter
§ 6. Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Senate
§ 7. (1) Die Senate bestehen aus einem Mitglied als Vorsitzendem und zwei weiteren Mitgliedern als Beisitzern. Für jeden Senat sind mindestens ein Stellvertreter des Vorsitzenden und mindestens zwei Ersatzmitglieder (Ersatzbeisitzer) zu bestimmen.
§ 45 Abs. 3 und 4 Bundesbehindertengesetz (BBG), BGBl 1990/283 in der geltenden Fassung, lauten wie folgt:
(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.
(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.
Über die vorliegende Beschwerde war daher durch einen Senat, bestehend aus zwei Berufsrichtern und einem fachkundigen Laienrichter, zu entscheiden.
Die §§ 1, 17, 28 Abs. 1 und 2 und 58 Abs. 1 und 2 des Bundesgesetzes über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz VwGVG) lauten wie folgt:
§ 1. Dieses Bundesgesetz regelt das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes.
§ 17. Soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, sind auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
§ 28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn
1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder
2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
§ 58. (1) Dieses Bundesgesetz tritt mit 1. Jänner 2014 in Kraft.
(2) Entgegenstehende Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht sind, bleiben unberührt.
3.2. Zu Spruchpunkt A)
3.2.1. Die maßgeblichen Bestimmungen des BBG lauten wie folgt:
ABSCHNITT VI
BEHINDERTENPASS
§ 40 (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpaß auszustellen, wenn
1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder
2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder
3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder
4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder
5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.
§ 42 (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.
(2) Der Behindertenpaß ist unbefristet auszustellen, wenn keine Änderung in den Voraussetzungen zu erwarten ist.
§ 45 (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluß der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.
(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.
…
§ 1 Abs. 2 Z 3 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 2013/495, lautet wie folgt:
Auf Antrag des Menschen mit Behinderung ist jedenfalls einzutragen:
3. die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und
- erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder
- erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder
- erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder
- eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder
- eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach § 1 Abs. 2 Z 1 lit. b oder d
vorliegen.
3.2.2. Zu A1) Stattgebung der Beschwerde über den Behindertenpass
Unter Behinderung im Sinne des Bundesbehindertengesetzes ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten. (§ 1 Abs. 2 BBG)
Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen ein Behindertenpass auszustellen, wenn
1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder
2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder
3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder
4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder
5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören (§ 40 Abs. 1 BBG).
Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpass, auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist (§ 40 Abs. 2 BBG)
Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn
1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder
2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder
3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt. (§ 41 BBG)
Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu. (§ 45 Abs. 2 BBG)
Da das Bundesverwaltungsgericht einen Gesamtgrad der Behinderung von 70% festgestellt hat, ist dem Beschwerdeführer ein dementsprechender Behindertenpass auszustellen.
3.2.2. Zu A1) Abweisung der Beschwerde über die Unzumutbarkeit öffentlicher Verkehrsmittel
Gemäß § 1 Abs. 2 Z 3 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen ist auf Antrag des Menschen mit Behinderung ist jedenfalls einzutragen, die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und
? erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder
? erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder
? erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder
? eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder
? eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach § 1 Abs. 2 Z 1 lit. b oder d
vorliegen.
Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in § 1 Abs. 2 genannten Eintragungen erfüllt sind, bildet laut § 1 Abs. 3 Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen ein Gutachten eines ärztlichen Sachverständigen des Bundessozialamtes. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.
Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu dieser Zusatzeintragung ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel dann unzumutbar, wenn eine kurze Wegstrecke nicht aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe, allenfalls unter Verwendung zweckmäßiger Behelfe ohne Unterbrechung zurückgelegt werden kann oder wenn die Verwendung der erforderlichen Behelfe die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in hohem Maße erschwert. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist auch dann nicht zumutbar, wenn sich die dauernde Gesundheitsschädigung auf die Möglichkeit des Ein- und Aussteigens und die sichere Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel unter Berücksichtigung der beim üblichen Betrieb dieser Verkehrsmittel gegebenen Bedingungen auswirkt.
Zu prüfen ist die konkrete Fähigkeit öffentliche Verkehrsmittel zu benützen. Zu berücksichtigen sind insbesondere zu überwindende Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche, bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt (VwGH 22.10.2002, Zl. 2001/11/0242; 14.05.2009, 2007/11/0080).
Um die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilen zu können, hat die Behörde zu ermitteln, ob die Antragstellerin dauernd an ihrer Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt. Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden. Nur dadurch wird die Behörde in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob dem Betreffenden die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung unzumutbar ist (vgl. ua. VwGH vom 27.01.2015, Zl. 2012/11/0186, oder vom 23.05.2012, Zl. 2008/11/0128).
Im gegenständlichen Fall wurde festgestellt, dass die vorliegenden Gesundheitsschädigungen die Möglichkeit des Ein- und Aussteigens nicht einschränken, auch liegen keine Beeinträchtigungen vor, die die sichere Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel beeinträchtigen, es liegen keine körperlichen oder funktionellen Einschränkungen vor, die allgemeine Müdigkeit und Kraftlosigkeit führen nicht zur Unzumutbarkeit, auch die - gelegentlich auftretenden - Schwindelattacken stellen keine Beeinträchtigung dar, die die sichere Beförderung beeinflussen.
Das Ermittlungsverfahren hat des Weiteren ergeben, dass bei dem Beschwerdeführer keine schweren anhaltenden Erkrankungen des Immunsystems vorliegen und er weder blind noch hochgradig sehbehindert oder taubblind ist.
Zur Frage, ob bei dem Beschwerdeführer eine erheblichen Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit vorliegt, ist auszuführen, dass nach den Erläuterungen zur Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 2013/495, zu § 1 Abs. 2 Z. 3 Folgendes ausgeführt ist:
Die Begriffe „erheblich“ und „schwer“ werden bereits jetzt in der Einschätzungsverordnung je nach Funktionseinschränkung oder Erkrankungsbild verwendet und sind inhaltlich gleich bedeutend. …
Erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit betreffen vorrangig cardiopulmonale Funktionseinschränkungen. Bei den folgenden Einschränkungen liegt jedenfalls eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vor:
-arterielle Verschlusskrankheit ab II/B nach Fontaine bei fehlender therapeutischer Option
-Herzinsuffizienz mit hochgradigen Dekompensationszeichen
-hochgradige Rechtsherzinsuffizienz
-Lungengerüsterkrankungen unter Langzeitsauerstofftherapie
-COPD IV mit Langzeitsauerstofftherapie
-Emphysem mit Langzeitsauerstofftherapie
-mobiles Gerät mit Flüssigsauerstoff muss nachweislich benützt werden
Bei dem Beschwerdeführer liegt jedenfalls keine dieser ausdrücklich angeführten Einschränkungen vor. Auch wurde keines der sonst bei dem Beschwerdeführer festgestellten Leiden als „erheblich“ oder „schwer“ eingestuft, weshalb keine erhebliche Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit besteht.
Zur Frage, ob bei dem Beschwerdeführer erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten vorliegen, ist auszuführen, dass nach den Erläuterungen zur Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 2013/495, zu § 1 Abs. 2 Z. 3 Folgendes ausgeführt ist:
Erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten umfassen im Hinblick auf eine Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel folgende Krankheitsbilder:
- Klaustrophobie, Soziophobie und phobische Angststörungen als Hauptdiagnose nach ICD 10 und nach Ausschöpfung des therapeutischen Angebotes und einer nachgewiesenen Behandlung von mindestens 1 Jahr,
- hochgradige Entwicklungsstörungen mit gravierenden Verhaltensauffälligkeiten,
- schwere kognitive Einschränkungen, die mit einer eingeschränkten Gefahreneinschätzung des öffentlichen Raumes einhergehen,
- nachweislich therapiefrakträres, schweres, cerebrales Anfallsleiden – Begleitperson erforderlich.
Bei dem Beschwerdeführer liegt jedenfalls kein solches Krankheitsbild vor und wurde die Depression darüber hinaus nicht als erheblich oder schwer eingestuft.
Insgesamt ist daher festzuhalten, dass die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung "Dem Inhaber des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar" im Behindertenpass nicht vorliegen, weshalb die Beschwerde abzuweisen war.
3.3. Zu Spruchpunkt B) – Unzulässigkeit der Revision
§ 25a Abs. 1 VwGG lautet wie folgt:
Das Verwaltungsgericht hat im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eindeutige Rechtsvorschriften stützen. Darüber hinaus stellten sich im gegenständlichen Fall in erster Linie Fragen der Tatsachenfeststellung und der Beweiswürdigung.
Schlagworte
Behindertenpass Sachverständigengutachten ZusatzeintragungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:I407.2198082.2.01Im RIS seit
18.08.2020Zuletzt aktualisiert am
18.08.2020