TE Bvwg Beschluss 2019/7/19 L507 2221308-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 19.07.2019
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

19.07.2019

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §57
BFA-VG §18
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §53
FPG §55
VwGVG §28 Abs3 Satz2

Spruch

L507 2221308-1/10E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Habersack über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Israel, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 06.05.2019, Zl. XXXX , beschlossen:

A)

In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang

1. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 06.05.2019,

Zl. XXXX , wurde dem Beschwerdeführer, einem Staatsangehörigen von Israel, ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung nach Israel gemäß § 46 FPG zulässig sei. Gemäß § 55 Abs. 4 FPG wurde eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt und gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG einer Beschwerde gegen diesen Bescheid die aufschiebende Wirkung aberkannt. Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG wurde gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen.

2. Im angefochtenen Bescheid wurden folgende für die Entscheidungsfindung herangezogene Beweismittel aufgezählt:

"Von Ihnen vorgelegte Beweismittel:

- Stellungnahme vom 05.04.2019

Weitere von der Behörde herangezogene Beweismittel:

- Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien GZ: XXXX

- Der gesamte Inhalt Ihres Fremdenaktes zur IFA Zahl XXXX

- Länderinformationsblatt"

Sodann traf die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid folgende Feststellungen:

"- Zu Ihrer Person:

Sie sind nicht österreichischer Staatsbürger und somit Fremder. Sie sind israelischer Staatsbürger und Ihre Identität steht fest. Sie sind 46 Jahre alt und in arbeitsfähigem Alter. Sie sind gesund und der russischen Sprache mächtig.

- Zu Ihrem Aufenthalt in Österreich:

Sie verfügen über keine aufrechte Meldung im Bundesgebiet ausgenommen Haftmeldungen in den Justizanstalten und haben vor Ihrer Inhaftierung nirgends Unterkunft genommen. Da sie in Ihrer Stellungnahme angaben, die meiste Zeit bei ihrer Mutter zu verbringen, ist anzunehmen, dass sie bei dieser unangemeldet wohnhaft waren. Sie befinden sich seit 2016 im Bundesgebiet und reisten unmittelbar vor der Tat ins Bundesgebiet ein.

- Zu Ihrem Privat- und Familienleben:

Laut Ihrer Stellungnahme bestehen zu Österreich familiäre Bindungen da ihre Mutter hier lebt. Da sie in Israel leben und ihre Mutter nur sporadisch besuchen, ist die Bindung als geringfügig anzusehen. Es besteht keine soziale Integration, da Sie sich erst seit kurzer Zeit im Bundesgebiet aufhielten.

- Zur Lage in Ihrem Herkunftsstaat bzw. Zielstaat:

Sie befanden sich erst vor kurzen in Ihrer Heimat und gaben Sie auch im Zuge der niederschriftlichen Einvernahme keinerlei Gründe an, welche gegen eine Rückkehr nach Israel sprechen würden.

Gemäß der aktuell ho. vorliegenden Länderinformation handelt es sich in Ihrem Fall um einen sicheren Drittstaat und spricht somit nichts gegen eine Rückkehr nach Israel.

- Zu den Gründen für die Erlassung des Einreiseverbots:

Sie durften als Tourist mit einem biometrischen Reisepass für 90 von 180 Tagen mit ausreichend Bargeld für den Aufenthalt und die Heimreise legal nach Österreich einreisen. Sie wurden von einem inländischen Gericht zu einer Freiheitsstrafe im Maßnahmenvollzug rechtskräftig verurteilt.

Durch Ihre Verurteilung wurde Ihr Aufenthalt illegal. Sie begingen die Straftaten bereits kurze Zeit nach Ihrer Einreise. Sie waren nicht gewillt sich an die österreichischen Gesetze zu halten.

Ihr angeführtes Fehlverhalten stellt eine erhebliche, tatsächliche und gegenwärtige Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit dar und ist die Erlassung eines Einreiseverbotes daher unabdingbar."

Beweiswürdigend wurde von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid Folgendes ausgeführt:

"- Betreffend die Feststellungen zu Ihrer Person:

Es handelt sich bei Ihrer Person um die als Bescheidadressaten aufscheinende Person.

Ihre Angaben hinsichtlich Ihrer Identität, Alter und Staatsangehörigkeit wurden durch die österr. Strafverfolgungsbehörden verifiziert. Dass Sie gesund sind ergibt sich aus Ihrer Haftfähigkeit in der Justizanstalt.

- Betreffend die Feststellungen zu Ihrem Aufenthalt in Österreich:

Sie befinden sich seit Ihrer Einreise unrechtmäßig im Bundesgebiet, da Sie ausschließlich zur Begehung strafbarer Handlungen ins Bundesgebiet kamen, nicht über ausreichende Barmittel verfügen um sich den weiteren Aufenthalt zu finanzieren. Da sie in Ihrer Stellungnahme angaben, die meiste Zeit bei ihrer Mutter zu verbringen, ist anzunehmen, dass sie bei dieser unangemeldet wohnhaft waren. Sie befinden sich seit 2016 im Bundesgebiet und reisten unmittelbar vor der Tat ins Bundesgebiet ein.

Sie verfügen über keine aufrechte Meldung im Bundesgebiet.

- Betreffend die Feststellungen zu Ihrem Privat und Familienleben:

Sie haben Ihren Lebensmittelpunkt in Israel, es bestehen zu Österreich familiäre Bindungen da ihre Mutter hier lebt. Da sie in Israel leben und ihre Mutter nur sporadisch besuchen, ist die Bindung als geringfügig anzusehen. Es bestehen keine beruflichen Bindungen.

- Betreffend die Feststellungen zur Lage in Ihrem Herkunftsstaat bzw. Zielstaat:

Laut Stellungnahme befanden Sie sich zuletzt 2016 in Israel. Sie gaben auch an weder strafrechtlich oder politisch verfolgt zu werden. Somit spricht nichts gegen eine Rückkehr nach Israel.

[...]

- Betreffend die Feststellungen zu den Gründen für die Erlassung des Einreiseverbots:

Am 24.01. 2019 wurden sie vom LG für Strafsachen Wien, GZ: XXXX wegen §§ 107 Abs.1 u. Abs. 2 StGB zum Maßnahmenvollzug mit regelmäßigen Überprüfungen, rechtskräftig verurteilt.

Im Urteil ist angeführt, dass Sie am 06.11.2016 und am 20.06.2016 Polizeibeamte und den damaligen Wiener Bürgermeister mit dem Tode drohten.

Sie haben hiedurch das Vergehen der gefährlichen Drohung und die Verbrechen der schweren Nötigung begangen.

Sie mussten sich über Ihren unsicheren Aufenthaltsstatus - Sie durften, wenn überhaupt nur als Tourist, mit ausreichenden Barmitteln - im Klaren sein dass jede strafbare Handlung zur der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und zur Erlassung eines schengenweiten Einreiseverbotes führen kann, zumal Sie auch weder sozial oder beruflich integriert sind. Es bestehen familiäre Bindungen zu Österreich wenngleich diese als geringfügig anzusehen sind, da sie ihre Mutter laut eigener Auskunft nur sporadisch besuchen. Ihr Gesamtfehlverhalten stellt eine erhebliche, tatsächliche und gegenwärtige Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit dar. Sie haben durch Ihr Verhalten das Grundinteresse der Gesellschaft am Schutz fremden Vermögens massiv verletzt. Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem Einreiseverbot ist daher dringend geboten. Ein Einreiseverbot für den angeführten Zeitraum von 10 Jahren scheint aufgrund Ihres Gesamtfehlverhaltens angemessen.

Sie haben durch Ihr Verhalten gezeigt, dass Sie kein Interesse daran haben, die Gesetze Österreichs zu respektieren. Ihr bisheriger Aufenthalt in Österreich beeinträchtigte ein Grundinteresse der Gesellschaft, nämlich jenes an Sicherheit für Eigentum und an sozialem Frieden."

In der rechtlichen Beurteilung des angefochtenen Bescheides wurde im Wesentlichen folgendes ausgeführt:

"- Zu Spruchpunkt I.:

[...]

Diese Voraussetzungen liegen bei Ihnen nicht vor. Sie gaben weder an Opfer von Menschenhandel noch Opfer von Gewalt zu sein. Sie sind im Bundesgebiet auch nicht geduldet. Die Erteilung eines entsprechenden Aufenthaltstitels kam daher zweifelsfrei nicht in Betracht. Ihr weiterer Aufenthalt stellt eine Gefahr für die Sicherheit der Bewohner der Republik Österreich dar.

Daher ist ein Aufenthaltstitel gem. § 57 AsylG nicht zu erteilen.

[...]

Für Ihre Person bedeutet das:

Das Recht auf Achtung des Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK schützt das Zusammenleben der Familie.

Laut Ihrer Stellungnahme bestehen zu Österreich familiäre Bindungen da ihre Mutter hier lebt. Da sie in Israel leben und ihre Mutter nur sporadisch besuchen, ist die Bindung als geringfügig anzusehen. Es besteht keine soziale Integration, da Sie sich erst seit kurzer Zeit im Bundesgebiet aufhielten.

Das Recht auf Achtung des Privatlebens sichert dem Einzelnen zudem einen Bereich, innerhalb dessen er seine Persönlichkeit frei entfalten und erfüllen kann.

Sie waren in Österreich zuletzt bis 04.05.2004 behördlich gemeldet wobei hier wohl die Abmeldung vergessen wurde, da sie laut eigenen Angaben seit 2002 in Israel leben. Sie reisten laut eigenen Angaben kurz vor Ihrer Tatbegehung in das Bundesgebiet ein, somit kann davon ausgegangen werden, dass keine soziale Integration besteht.

Gem. Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung des Rechts auf das Privat- und Familienleben nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, welche in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, der Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Das BFA ist eine öffentliche Behörde im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK; der Eingriff ist - wie bereits oben dargestellt - in § 10 AsylG iVm § 52 Abs. 1 FPG gesetzlich vorgesehen.

Daher ist zu prüfen, ob der Eingriff in Ihr Recht auf Achtung des Familien- und Privatlebens im gegenständlichen Fall durch den Eingriffsvorbehalt des Art. 8 EMRK gedeckt ist und ein in einer demokratischen Gesellschaft legitimes Ziel, nämlich die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung im Sinne von Art. 8 Abs. 2 EMRK, verfolgt. Es ist eine individuelle Abwägung der betroffenen Interessen vorzunehmen, um festzustellen, ob der Eingriff durch die Rückkehrentscheidung auch als im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK verhältnismäßig angesehen werden kann.

Wie bereits angeführt, wurden sie von einem österreichischen Gericht zum Maßnahmenvollzug rechtskräftig verurteilt. Sie befinden sich seit Ihrer Einreise unrechtmäßig in Österreich, weil Sie nicht über genügend Barmittel verfügten, um sich Ihren Aufenthalt zu finanzieren. Sie befinden sich seit kurzer Zeit im Bundesgebiet. Sie sind keiner erlaubten Erwerbstätigkeit nachgegangen. Von einer sozialen Integration ist in keinster Weise auszugehen, da Sie sich erst seit kurzer Zeit im Bundesgebiet befinden und dies ausschließlich im Verborgenen und zur Begehung strafbarer Handlungen. Laut Ihrer Stellungnahme bestehen zu Österreich familiäre Bindungen da ihre Mutter hier lebt. Da sie in Israel leben und ihre Mutter nur sporadisch besuchen, ist die Bindung als geringfügig anzusehen. Von einer Bindung zu Ihrem Heimatland ist auszugehen, da Sie dort den Großteil Ihres Lebens verbrachten und Sie dort auch sozialisiert wurden. Sie sind in arbeitsfähigem Alter und der russischen Sprache mächtig.

Daher ist die Rückkehrentscheidung nach § 9 Abs. 1-3 BFA-VG zulässig. Eine Prüfung der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG hat zu unterbleiben, da die Rückkehrentscheidung nicht auf Dauer unzulässig ist (§ 58 Abs. 2 AsylG).

Da die Voraussetzung des nicht rechtmäßigen Aufenthalts im Sinne des § 52 Abs. 1 Z 1 FPG vorliegt, Ihnen ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt wird und die Rückkehrentscheidung gemäß § 9 Abs. 1-3 BFA-VG zulässig ist, ist gem. § 10 Abs. 1 AsylG und § 52 Abs. 1 Z 1 FPG eine Rückkehrentscheidung zu erlassen.

- Zu Spruchpunkt II.:

[...]

Gegen Sie wird mit diesem Bescheid eine Rückkehrentscheidung erlassen.

Die Abschiebung Fremder in einen Staat ist gem. § 50 Abs. 1 FPG unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 der EMRK oder das Protokoll Nr. 6 oder 13 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für Sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.

Weder aus den Feststellungen zur Lage im Zielstaat noch aus Ihrem Vorbringen ergibt sich eine derartige Gefährdung:

Sie haben in Ihrer Stellungnahme nichts Derartiges behauptet.

Gem. § 50 Abs. 2 FPG ist eine Abschiebung auch dann unzulässig, wenn dem Fremden die Flüchtlingseigenschaft zukommen sollte. Sie haben keinen Antrag auf internationalen Schutz gestellt, und derartige Gründe sind auch nicht ersichtlich.

Gem. § 50 Abs. 3 FPG ist eine Abschiebung schließlich unzulässig, wenn die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ihr entgegenstehe. Eine solche vorläufige Maßnahme wurde in Ihrem Fall nicht empfohlen.

Es ist somit auszusprechen, dass im Falle der Durchsetzbarkeit der Rückkehrentscheidung sowie bei Vorliegen der in § 46 Abs. 1 Z 1 bis 4 FPG genannten Voraussetzungen Ihre Abschiebung in die Russischen Föderation zulässig ist.

- Zu Spruchpunkt III.:

[...]

Aufgrund Ihres bereits mehrfach zitierten Gesamtfehlverhaltens, insbesondere im Hinblick auf Ihre rechtskräftige Verurteilung, ist Ihre sofortige Ausreise im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erforderlich. Sie wurden von einem inländischen Gericht bereits kurz nach Ihrer Einreise rechtskräftig verurteilt. Zweifelsfrei widerstrebt Ihr weiterer Aufenthalt sowohl der öffentlichen Ordnung als auch der öffentlichen Sicherheit.

Eine sofortige Ausreise nach der Entlassung aus der Anhaltung ist erforderlich. Es konnte Ihnen keine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt werden, jedoch wird Ihnen die Möglichkeit gegeben innerhalb von 24 Stunden selbständig auszureisen und es wird Ihnen ein Informationsblatt über die Verpflichtung zur Ausreise mitgegeben, welches Sie beim österreichischen Konsulat in Ihrer Heimat abzugeben haben.

[...]

- Zu Spruchpunkt IV.:

Mit einer Rückkehrentscheidung kann vom Bundesamt mit Bescheid ein Einreiseverbot erlassen werden (§ 53 Abs. 1 FPG).

Gemäß § 53 Abs. 3 FPG ist dieses gemäß Abs. 1 für die Dauer von höchstens zehn Jahren, in den Fällen der Z 5 bis 8 auch unbefristet zu erlassen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt. Als bestimmte Tatsache, die bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes neben den anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen relevant ist, hat insbesondere zu gelten, wenn

1. ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mindestens drei Monaten, zu einer bedingt oder teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten oder mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden strafbaren Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist;

[...]

Ziffer 1 ist in Ihrem Fall erfüllt:

Aufgrund des rechtskräftigen Urteils des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom [sic!] ist dieser Sachverhalt erfüllt. Ihr weiterer Aufenthalt stellt auf jeden Fall eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit dar.

Die Erfüllung dieses Tatbestandes indiziert gemäß § 53 Abs. 3 das Vorliegen einer schwerwiegenden Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit. Bei der Bemessung ist das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und aufgrund konkreter Feststellungen eine Beurteilung der Gefährlichkeitsprognose vorzunehmen. Bei dieser Beurteilung kommt es nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung oder des Vorliegens der sonstigen genannten Tatbestandsvoraussetzungen an, sondern auf das diesen zugrundeliegende Fehlverhalten, die Art und Schwere der zugrundeliegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild (VwGH 19.2.2013, 2012/18/0230).

In Ihrem Fall war dabei zu berücksichtigen:

In Ihrem Fall war dabei zu berücksichtigen, dass Sie von einem inländischen Gericht rechtskräftig verurteilt wurden. Insbesondere befindet die Behörde die Erlassung eines Einreiseverbotes als angemessen und notwendig, zumal das Gericht von einer Höheren Gefahrenprognose ausging.

In Ihrem Fall war auch zu berücksichtigen, dass Sie über keine engen familiären, sozialen und beruflichen Bindungen zum Bundesgebiet verfügen. Ihr Lebensmittelpunkt befindet sich in Israel.

Aufgrund der Schwere des Fehlverhaltens ist unter Bedachtnahme auf Ihr Gesamtverhalten, d.h. im Hinblick darauf, wie Sie Ihr Leben in Österreich insgesamt gestalten, davon auszugehen, dass die im Gesetz umschriebene Annahme, dass Sie eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellen, gerechtfertigt ist.

Bei der Bemessung des Einreiseverbotes, kann sich die Behörde nicht auf die bloße Beurteilung von Rechtsfragen zurückziehen, sondern ist insbesondere auch die Intensität der privaten und familiären Bindungen zu Österreich einzubeziehen (VwgH 7.11.2012, 2012/18/0057).

Wie bereits zur Frage der Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung ausführlich geprüft und festgestellt, sind Ihre familiären und privaten Anknüpfungspunkte in Österreich nicht dergestalt, dass sie einen Verbleib in Österreich rechtfertigen würden. Die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme verletzt in Ihrem Fall Art. 8 EMRK nicht. Es muss daher nun, unter Berücksichtigung des in § 53 Abs. 3 genannten Tatbestandes ebenso davon ausgegangen werden, dass das öffentliche Interesse an Ordnung und Sicherheit Ihrem persönlichen Interesse an einem Verbleib in Österreich überwiegt.

Die Gesamtbeurteilung Ihres Verhaltens, Ihrer Lebensumstände sowie Ihrer familiären und privaten Anknüpfungspunkte hat daher im Zuge der von der Behörde vorgenommenen Abwägungsentscheidung ergeben, dass die Erlassung des Einreiseverbotes in der angegebenen Dauer gerechtfertigt und notwendig ist, die von Ihnen ausgehende schwerwiegende Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit zu verhindern. Das ausgesprochene Einreiseverbot ist daher zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten.

Das Einreiseverbot bezieht sich gem. § 53 Abs. 1 FPG auf das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten, womit lt. VwGH vom 22.5.2013, 2013/18/0021 jene Staaten erfasst sind, für die die Rückführungsrichtlinie, (RL 2008/115/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 16.12.2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger) gilt.

Demnach umfasst das Einreiseverbot alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union außer Irland und das Vereinigte Königreich. Umfasst sind allerdings weiters Island, Norwegen, die Schweiz und Liechtenstein.

Sie sind daher angewiesen, im festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet dieser Staaten einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten.

Die Frist des Einreiseverbotes beginnt mit Ablauf des Tages Ihrer Ausreise."

3. Gegen diesen dem Beschwerdeführer am 13.05.2019 persönlich zugestellten Bescheid wurde am 03.06.2019 fristgerecht Beschwerde erhoben.

Begründend wurde unter anderem ausgeführt, dass der Beschwerdeführer Staatsangehöriger von Israel sei und in Moskau geboren wurde. Der Beschwerdeführer habe von 1981 bis 2002 in Österreich gelebt und spreche fließend Deutsch. Er habe in Wien eine Schule besucht und später als Netzwerktechniker in Österreich gearbeitet. Anschließend sei er in Israel aufhältig gewesen und habe dort in der IT-Branche gearbeitet. Wegen seiner Arbeit habe der Beschwerdeführer auch geschäftlich im Schengenraum zu tun. Zudem leben die Mutter des Beschwerdeführers und eine Tante in Österreich und habe der Beschwerdeführer auch Verwandte in Deutschland.

Die Mutter des Beschwerdeführers sei Österreicherin und lebe im dritten Wiener Gemeindebezirk. Aufgrund ihres Alters würde sie Unterstützung von Beschwerdeführer benötigen, weshalb sie der Beschwerdeführer oft in Österreich besuche.

Am 24.01.2019 sei der Beschwerdeführer wegen § 107 Abs. 1 und Abs. 2 StGB zum Maßnahmenvollzug mit regelmäßigen Überprüfungen rechtskräftig verurteilt worden. Er leide an einer schizoaffektiven Psychose und halte sich derzeit in der Justizanstalt XXXX auf. Bei regelmäßiger Medikamenteneinnahme sei der Beschwerdeführer stabil.

Die Behörde habe sich im angefochtenen Bescheid nicht im ausreichenden Maße mit dem Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers und mit der Gefahrenprognose auseinandergesetzt.

So sei es aktenwidrig, wenn die Behörde behauptet, der Beschwerdeführer werde in Österreich nicht sozial integriert, da er sich hier erst seit kurzer Zeit aufhalte. Tatsächlich gehe aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers hervor, dass er mehr als 20 Jahre in Österreich gelebt habe und viele Jahre die Schule besucht und hier auch gearbeitet habe. Für seine Integration spreche auch, dass er die deutsche Sprache fließend beherrsche.

Es sei unrichtig, wenn dem Beschwerdeführer unterstellt werde, dass er ausschließlich zur Begehung von strafbaren Handlungen ins Bundesgebiet gekommen sei. Tatsächlich habe er seine Mutter besuchen wollen, die aufgrund des Alters auf die Unterstützung des Beschwerdeführers angewiesen sei. Auch wenn sich der Beschwerdeführer nicht ständig in Österreich aufhalte, so sei die Bindung des Beschwerdeführers zu seiner Mutter trotzdem nicht als geringfügig anzusehen. Zudem verfüge der Beschwerdeführer nicht nur über soziale Bindungen nach Österreich, sondern habe auch beruflich immer wieder im Schengenraum zu tun.

Trotz der Tragweite der Konsequenzen, welche eine Rückkehrentscheidung verbunden mit einem zehnjährigen Einreiseverbot für den Beschwerdeführer bedeuten würde, habe die Behörde nur oberflächliche Ermittlungen angestellt und ein reines Aktenverfahren geführt. Durch die unmittelbare Einvernahme des Beschwerdeführers hätte sich die belangte Behörde ein umfassendes Bild vom Sachverhalt machen können und müssen.

Die Behörde habe den Beschwerdeführer zwar schriftlich Parteiengehör eingeräumt, habe es jedoch unterlassen sich selbst ein Bild des Beschwerdeführers zu machen. Hätte sich die Behörde einen unmittelbaren, persönlichen Eindruck des Beschwerdeführers, etwa bei einer Einvernahme, gemacht, hätte sie feststellen müssen, dass der Beschwerdeführer keine erhebliche, tatsächliche oder gegenwärtige Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit darstelle.

Dieses Unterlassen belaste das durchgeführte Verfahren mit einem schweren Mangel und sei dieses somit rechtswidrig. Beantragt werde daher die Aufhebung des erlassenen Bescheides infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

4. Gegenständliche Beschwerde samt einer Kopie des Verwaltungsaktes des BFA wurde dem Bundesveraltungsgericht von der belangten Behörde am 15.07.2019 in Vorlage gebracht, wobei die Kopie des Verwaltungsaktes des BFA am 16.07.2019 in der zuständigen Gerichtsabteilung einlangte.

Einem Ersuchen des Bundesverwaltungsgerichtes auf Vorlage des Originalaktes des BFA wurde von der belangten Behörde nicht entsprochen.

5.1. Auf Seite 4 ff der vom BFA in Vorlage gebrachten Kopie des Verwaltungsaktes findet sich ein Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen XXXX , aus dem hervorgeht, dass der Betroffene XXXX , geborener XXXX , geboren am XXXX in Moskau/Russland, staatenlos, ledig, ohne Beschäftigung, zuletzt ohne Unterstand im Bundesgebiet, gemäß § 21 Abs. 1 StGB in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen wurde, wobei gemäß § 45 StGB die Einweisung unter Setzung einer Probezeit von fünf Jahren bedingt nachgesehen wurde.

Weiters geht aus diesem Urteil hervor, dass XXXX laut einem psychiatrischen Gutachten an einer schizoaffektiven Psychose mit einem manisch-psychotischen Zustand leide. Im Zeitpunkt der Tathandlungen sei die Diskretion- und Dispositionsfähigkeit des XXXX aufgehoben gewesen, weshalb eine Zurechnungsfähigkeit im Sinne des

§ 11 StGB nicht vorgelegen sei. Es handle sich bei der psychiatrischen Erkrankung des XXXX um eine geistig seelische Abartigkeit höheren Grades im Sinne des

§ 21 Abs. 1 StGB. Diese sei für die Tathandlungen kausal gewesen.

XXXX habe im Spruch genannten Tathandlungen gesetzt und damit Taten begangen, die das Tatbild des Verbrechens der schweren Nötigung nach §§ 15, 105 Abs. 1, 106 Abs. 1 Z 1 StGB und das Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs. 1 und

Abs. 2 StGB verwirklichen. Da XXXX im Tatzeitpunkt aufgrund seiner schweren geistigen seelischen Abartigkeit zurechnungsunfähig gewesen sei, komme eine Bestrafung des genannten nicht in Betracht. Allerdings handle es sich bei den Taten um solche, die mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht seien. Da XXXX aufgrund seiner Krankheit gefährlich sei und davon auszugehen sei, dass er ohne Einweisung weiterhin gleichartige Taten mit schweren Folgen begehen werde, sei XXXX in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher einzuweisen.

5.2. Auf Seite 14 ff der vom BFA in Vorlage gebrachten Kopie des Verwaltungsaktes findet sich ein Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom XXXX ,

Zl. XXXX , aus dem hervorgeht, dass der Betroffene XXXX , geboren am XXXX in Moskau, israelischer Staatsangehöriger, ohne Beschäftigung, gemäß

§ 21 Abs. 1 StGB in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen wurde.

Weiters geht aus diesem Urteil hervor, dass der Betroffene an einer schwerwiegenden Geisteskrankheit in Form einer schizoaffektiven Psychose leide. Der Betroffene habe sich am Tattag in einem hochpsychotischen Zustand befunden, der dazu geführt habe, dass die Diskretionsfähigkeit und die Dispositionsfähigkeit aufgehoben gewesen seien.

5.3. Aus der auf Seite 119 der vom BFA in Vorlage gebrachten Kopie des Verwaltungsaktes einliegenden ärztlichen Stellungnahme der Justizanstalt XXXX vom 20.05.2019 geht folgende psychiatrische Diagnose betreffend XXXX hervor: Schizoaffektiven Psychose, zuletzt schizomanisch F25.0.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG), BGBl. I 33/2013 idgF geregelt. Gemäß

§ 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu Spruchteil A):

2.1. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist, die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss. Gemäß Abs. 3 sind auf die Beschlüsse des Verwaltungsgerichtes § 29 Abs. 1 zweiter Satz, Abs. 4 und § 30 sinngemäß anzuwenden. Dies gilt nicht für verfahrensleitende Beschlüsse.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht (Z1) oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist (Z2).

Gemäß § 28 Abs. 3, 2. Satz VwGVG kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen, wenn die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhaltes unterlassen hat. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

2.2. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 28 Abs. 3, 2. Satz VwGVG ist Voraussetzung für eine Aufhebung und Zurückverweisung nach dieser Bestimmung das Fehlen relevanter behördlicher Sachverhaltsermittlungen. Hinsichtlich dieser Voraussetzung gleicht die Bestimmung des § 28 Abs. 3, 2. Satz VwGVG jener des § 66 Abs. 2 AVG, der als - eine - Voraussetzung der Behebung und Zurückverweisung gleichfalls Mängel der Sachverhaltsfeststellung normiert, sodass insofern - auch wenn § 66 Abs. 2 AVG im Gegensatz zu § 28 Abs. 3, 2. Satz VwGVG als weitere Voraussetzung der Behebung und Zurückverweisung auch die Notwendigkeit der Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung voraussetzt - auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur Bestimmung des § 66 Abs. 2 AVG zurückgegriffen werden kann.

§ 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bildet damit die Rechtsgrundlage für eine kassatorische Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes, wenn "die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen" hat.

Der Verwaltungsgerichtshof hat sich im seinem Erkenntnis vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063, mit der Sachentscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte auseinandergesetzt und darin folgende Grundsätze herausgearbeitet:

Die Aufhebung eines Bescheides einer Verwaltungsbehörde durch ein Verwaltungsgericht komme nach dem Wortlaut des § 28 Abs. 1 Z 1 VwGVG nicht in Betracht, wenn der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt feststeht. Dies wird jedenfalls dann der Fall sein, wenn der entscheidungsrelevante Sachverhalt bereits im verwaltungsbehördlichen Verfahren geklärt wurde, zumal dann, wenn sich aus der Zusammenschau der im verwaltungsbehördlichen Bescheid getroffenen Feststellungen (im Zusammenhalt mit den dem Bescheid zu Grunde liegenden Verwaltungsakten) mit dem Vorbringen in der gegen den Bescheid erhobenen Beschwerde kein gegenläufiger Anhaltspunkt ergibt.

Der Verfassungsgesetzgeber habe sich bei Erlassung der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I 51, davon leiten lassen, dass die Verwaltungsgerichte grundsätzlich in der Sache selbst zu entscheiden haben, weshalb ein prinzipieller Vorrang einer meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte anzunehmen ist.

Angesichts des in § 28 VwGVG insgesamt verankerten Systems stelle die nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte dar. Nach dem damit gebotenen Verständnis stehe diese Möglichkeit bezüglich ihrer Voraussetzungen nicht auf derselben Stufe wie die im ersten Satz des § 28 Abs. 3 VwGVG verankerte grundsätzliche meritorische Entscheidungskompetenz der Verwaltungsgerichte. Vielmehr verlangt das im § 28 VwGVG insgesamt normierte System, in dem insbesondere die normative Zielsetzung der Verfahrensbeschleunigung bzw. der Berücksichtigung einer angemessenen Verfahrensdauer ihren Ausdruck findet, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht wird. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (etwa im Sinn einer "Delegierung" der Entscheidung an das Verwaltungsgericht).

3.1. Der angefochtene Bescheid erweist sich in Bezug auf den ermittelten Sachverhalt aus folgenden Gründen als höchst mangelhaft:

Die belangte Behörde führte als Bescheidadressaten XXXX , geboren am XXXX , an und traf die Feststellung, dass XXXX nicht österreichischer Staatsbürger und somit Fremder sei. Er sei israelischer Staatsbürger und seine Identität stehe fest. Er sei 46 Jahre alt und im arbeitsfähigen Alter. Er sei gesund und der russischen Sprache mächtig.

Diese Feststellungen stützt die belangte Behörde Beweiswürdigend auf die Angaben des Beschwerdeführers zu seiner Identität, zu seinem Alter und seiner Staatsangehörigkeit und auf den Umstand, dass dies durch die österreichischen Strafverfolgungsbehörden verifiziert worden sei. Dass der Beschwerdeführer gesund sei, ergebe sich aus seiner Haftfähigkeit in der Justizanstalt.

Diese Feststellungen belangten Behörde zur Identität, zu Staatsangehörigkeit und zum Gesundheitszustand des Beschwerdeführers entsprechen nicht dem Akteninhalt bzw. sind diese Feststellungen nicht aus dem Akteninhalt ableitbar.

Aus den in der vom BFA in Vorlage gebrachten Aktenkopie und der darin einliegenden Urteile des Straflandesgerichtes Wien geht lediglich hervor, dass ein gewisser XXXX , der im Urteil vom XXXX als staatenlos und im Urteil vom XXXX als israelischer Staatsangehöriger bezeichnet wird, in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen wurde. Weshalb die belangte Behörde den Beschwerdeführer als XXXX bezeichnet und die Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers mit Israel feststellt, wobei diese Feststellungen auf eine Verifizierung durch die österreichischen Strafvollzugsbehörden [wer auch immer damit gemeint sein möge] stützt, ist aus dem Akteninhalt nicht abzuleiten.

Ebenso erweist sich die Feststellung der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid, dass der Beschwerdeführer gesund sei als aktenwidrig.

Aus den in der vom BFA in Vorlage gebrachten Aktenkopie und der darin einliegenden Urteile des Straflandesgerichtes Wien sowie aus der ärztlichen Stellungnahme der Justizanstalt XXXX geht eindeutig hervor, dass der Beschwerdeführer an einer schwerwiegenden Geisteskrankheit in Form einer schizoaffektiven Psychose leidet. Die von der belangten Behörde getroffene Feststellung zum Gesundheitszustand des Beschwerdeführers entspricht somit nicht im Akteninhalt.

Diesbezüglich konnte auch nicht nachvollzogen werden, weshalb die belangte Behörde diese Feststellung beweiswürdigend auf die Haftfähigkeit des Beschwerdeführers stützt, obwohl sich dieser - laut Akteninhalt - nicht in Haft sondern im Maßnahmenvollzug im Forensischen Zentrum der Justizanstalt XXXX befindet, und dort einer medizinischen Behandlung bzw. psychiatrischen Therapie unterzogen wird.

Des Weiteren traf die belangte Behörde im Hinblick auf die Erlassung eines Einreiseverbotes die Feststellungen, dass der Beschwerdeführer vom Landesgericht für Strafsachen Wien wegen §§ 107 Abs. 1 u. Abs. 2 StGB zum Maßnahmenvollzug mit regelmäßigen Überprüfungen, rechtskräftig verurteilt worden sei. Der Beschwerdeführer habe dadurch, dass er am 06.11.2016 und am 20.06.2016 Polizeibeamte und den damaligen Wiener Bürgermeister mit dem Tod bedrohte, das Vergehen der gefährlichen Drohung und die Verbrechen der schweren Nötigung begangen.

Diese Feststellungen entsprechen keineswegs den in der Aktenkopie einliegenden Urteilen des Straflandesgerichtes Wien vom XXXX und XXXX , zumal aus diesen Urteil hervorgeht, dass der Beschwerdeführer gemäß § 21 Abs. 1 StGB in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen wurde. Die dem Beschwerdeführer zum Vorwurf gemachten Straftaten konnten ihm aufgrund dessen fehlender Diskretion- und Dispositionsfähigkeit zu den Tatzeitpunkten infolge seiner massiven Geisteskrankheit nicht zugerechnet werden.

Die Feststellungen im angefochtenen Bescheid, dass der Beschwerdeführer durch sein Verhalten das Vergehen der gefährlichen Drohung und die Verbrechen der schweren Nötigung begangen habe und deshalb wegen §§ 107 Abs. 1 u. Abs. 2 StGB verurteilt worden sei, erweisen sich im Hinblick auf den Akteninhalt als aktenwidrig.

Der Vollständigkeit halber muss auch erwähnt werden, dass die Feststellung, dass der Beschwerdeführer der russischen Sprache mächtig ist, aus dem Akteninhalt nicht ableitbar ist.

Hervorzuheben ist auch, dass der Beschwerdeführer von der belangten Behörde zu keiner Zeit zu einer mündlichen Einvernahme geladen wurde, sondern lediglich mit einem als "Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme" bezeichneten Schreiben vom 15.03.2019 zur Abgabe einer schriftlichen Stellungnahme aufgefordert wurde.

Obwohl aus der schriftliche Stellungnahme des Beschwerdeführers vom 28.03.2019 keine wesentlichen - für das Verfahren unbedingt erforderliche - Informationen gewonnen werden konnten, traf die belangte Behörde die oben erwähnten Feststellungen, ohne weitere Ermittlungen - wie etwa die mündliche Einvernahme des Beschwerdeführers - vorzunehmen.

Zu betonen ist auch, dass sich in der von der belangten Behörde dem Bundesverwaltungsgericht in Vorlage gebrachten Aktenkopie keinerlei Kopien von Identitätsdokumenten des Beschwerdeführers finden. Ebenso finden sich auch keine Hinweise darauf, dass der Beschwerdeführer von der belangten Behörde zur Vorlage von Identitätsdokumenten angehalten oder aufgefordert worden sei.

Infolge gänzlicher Unterlassung nachvollziehbarer Ermittlungen und entsprechender Feststellungen zur Identität, zur Staatsangehörigkeit, zum Gesundheitszustand des Beschwerdeführers und zu den Strafverfahren betreffend den Beschwerdeführer erweist sich der angefochtene Bescheid als massiv mangelhaft.

Insgesamt gesehen hat die belangte Behörde im gegenständlichen Verfahren im Sinne der oben zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes Ermittlungen gänzlich unterlassen, wobei diese Ermittlungen nunmehr durch das Bundesverwaltungsgericht erstmals vorgenommen werden müssten.

Da im gegenständlichen Verfahren aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes Ermittlungen zur Feststellung des Sachverhaltes für die abschließende Beurteilung, ob gegen den Beschwerdeführer allenfalls eine Rückkehrentscheidung oder ein Einreiseverbot zu erlassen ist, gänzlich unterlassen wurden und die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes (erstmals) durch das Bundesverwaltungsgericht selbst vorgenommen werden müsste, war der angefochtene Bescheid zu beheben und das Verfahren zur neuerlichen Durchführung und Erlassung eines Bescheides an das BFA zurückzuverweisen.

Zu Spruchteil B):

Gemäß § 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß

Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die gegenständliche Entscheidung weicht nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 26.06.2014, Ro 2014/03/0063) ab. Durch das genannte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes fehlt es auch nicht an einer Rechtsprechung und die zu lösende Rechtsfrage wird in der Rechtsprechung auch nicht uneinheitlich beantwortet.

Schlagworte

Aktenwidrigkeit Bescheidadressat Ermittlungsmangel Ermittlungspflicht Identität Kassation mangelhaftes Ermittlungsverfahren mangelnde Feststellungen mangelnde Sachverhaltsfeststellung Maßnahmenvollzug Straffälligkeit strafgerichtliche Verurteilung Zurückverweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:L507.2221308.1.00

Im RIS seit

18.08.2020

Zuletzt aktualisiert am

18.08.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten