TE Vwgh Erkenntnis 1997/12/22 95/10/0187

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Veröffentlicht am 22.12.1997
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Index

L55008 Baumschutz Landschaftsschutz Naturschutz Vorarlberg;
L81518 Umweltanwalt Vorarlberg;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §63 Abs1;
AVG §8;
LSchG Vlbg 1982 §13;
LSchG Vlbg 1982 §14 Abs2;
LSchG Vlbg 1982 §27 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Bumberger und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Suda, über die Beschwerde der R-Ges.m.b.H. & Co KG in Au, vertreten durch Dr. Wolfgang Blum, Rechtsanwalt in Feldkirch, Marktplatz 8, gegen den Bescheid der Vorarlberger Landesregierung vom 14. Juli 1995, Zl. IVe-223/244-93, betreffend Bewilligung nach dem Landschaftsschutzgesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Vorarlberg Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bregenz vom 26. Juli 1993 wurde der Beschwerdeführerin gemäß den §§ 13, 14, 3 Abs. 1 lit. l und 10 Landschaftsschutzgesetz die Bewilligung für einen näher beschriebenen Felsabbau in S. und die anschließende Deponierung von Aushubmaterial und Erdreich (kein Bauschutt) unter im einzelnen angeführten Bedingungen und Auflagen erteilt. Hiezu wurde - nach Darstellung des Verfahrensganges - im wesentlichen ausgeführt, durch den Felsabbau (nicht aber durch die nachfolgende Deponierung von Aushubmaterial und Erdreich) würden Interessen des Landschaftsschutzes verletzt. Interessen der Raumplanung würden hingegen nicht verletzt. Die Gewinnung des Steinmaterials in S. sei zur Deckung eines dringenden Bedarfes notwendig. Dies sei durch die im Verfahren eingeholten Stellungnahmen des Landeswasserbauamtes, der Agrarbezirksbehörde, der Wildbach- und Lawinenverbauung, der Bundes- und Landesstraßenverwaltung, der Handelskammer und der Regionalplanungsgemeinschaft Bregenzerwald erwiesen. Das Landeswasserbauamt habe erklärt, daß für die Durchführung von Instandhaltungsmaßnahmen an der Bregenzerach und ihren Zubringern Gesteinsmaterial unterschiedlicher Größe und Menge benötigt werde, ebenso für die naturnahe Fixierung von Bachsohlen. Die einzubringende Jahrestonnage bewege sich im Durchschnitt zwischen 3.000 t und 5.000 t. Durch den Steinbruch der Beschwerdeführerin könnten auch lange Transportwege vermieden werden. Die Agrarbezirksbehörde habe erklärt, daß für den Güterwegebau jährlich erhebliche Mengen an Natursteinen zur Ausführung von Stützmauern und sonstigen Böschungssicherungen sowie für Bachverbauungen verwendet würden, weiters aufbereitetes Gesteinsmaterial zur Wegebefestigung. Derzeit bestehe ein Mangel an geeignetem Steinmaterial, sodaß das Vorhaben der Beschwerdeführerin begrüßt werde. Der Forsttechnische Dienst für Wildbach- und Lawinenverbauung, Gebietsbauleitung B. habe ausgeführt, daß in den letzten Jahren vermehrt Steinmaterial aus anderen Gegenden, sogar aus Tirol und Oberösterreich zur Deckung des Bedarfes an hochwertigem Bausteinmaterial (6.000 t bis 12.000 t in den Jahren 1985 - 1990) mit Lkws herantransportiert hätten werden müssen. Es bestehe daher großes Interesse am geplanten Felsabbau, zumal dieser zur Deckung des Bedarfes an Bruchsteinmaterial und Wasserbausteinen im Bregenzerwald notwendig sei. Seitens der Straßenverwaltung sei das Interesse an der Versorgung mit dem notwendigen Streusplitt im Ausmaß von 900 t bis 1.500 t jährlich bekundet und auf den Bedarf an Mauersteinen, Frostschutzkies, Flickschotter und Betonkies im hinteren Bregenzerwald hingewiesen worden. Die Handelskammer habe erklärt, daß der geplante Felsabbau im wirtschaftlichen und öffentlichen Interesse gelegen sei, weshalb sie das Vorhaben der Beschwerdeführerin befürworte. Die Regionalplanungsgemeinschaft Bregenzerwald habe schließlich ausgeführt, daß ihre Erhebungen einen regionalen Bedarf nach Steinen, Bruchschotter, Beton, Kies und dergleichen ergeben hätten und zwar nicht nur für Großbaustellen, sondern für viele kleine Baustellen (Wohnhäuser, Stallgebäude, Güterwege etc.). Aufgrund der Schließung von Kiesgruben mache sich eine spürbare Verschlechterung der Versorgung mit Kiesmaterialien bemerkbar. Es sei sinnvoller, das benötigte Gestein dezentral im Bregenzerwald abzubauen, als es zu importieren; damit könne auch eine Verkehrsbelastung vermieden werden. Dies sei auch der Standpunkt der Bezirkshauptmannschaft. Jeder Gesteinsabbau bringe eine gewisse Beeinträchtigung des Landschaftsbildes mit sich. Es müsse aber berücksichtigt werden, daß die Bevölkerung für ihre Baustellen und daß insbesondere die öffentlichen Dienststellen (Wasserbau, Straßenbau usw.) Steinmaterial benötigten. Es erscheine zweckmäßig, wenn dieses Material dort gewonnen werde, wo es benötigt werde und wo die Gewinnung - wie im vorliegenden Fall - von außen kaum einsehbar und abseits des Siedlungsgebietes möglich sei, sodaß lange Zufahrts- und Abfahrtswege und damit Verkehrsbelastungen vermieden würden und eine äußerst geringe Beeinträchtigung der Bevölkerung entstehe. Um aber die Verletzung der Interessen des Landschaftsschutzes möglichst gering zu halten, seien Bedingungen und Auflagen vorgeschrieben worden.

Gegen diesen Bescheid wurde u.a. von der Gemeinde S. und von der Beschwerdeführerin berufen.

Mit Bescheid der Vorarlberger Landesregierung vom 14. Juli 1995 wurde der Berufung der Beschwerdeführerin keine Folge, der Berufung der Gemeinde S. hingegen Folge gegeben, der erstinstanzliche Bescheid aufgehoben und der Beschwerdeführerin die beantragte Bewilligung versagt. Hiezu wurde im wesentlichen ausgeführt, es sei in Ansehung der Frage der räumlichen Abgrenzung des Gebietes, für welches der Bedarf maßgeblich sei, festzuhalten, daß die von der Beschwerdeführerin beantragte Abbauanlage aufgrund ihres Standortes und ihrer Größe für die Landesversorgung ohne Bedeutung sei. Da die nächste leistungsfähige Abbauanlage, die die Versorgung übernehmen könne, der Steinbruch R. in H. sei, könne der Bedarf im äußeren Teil des Bregenzerwaldes besser von dort aus gedeckt werden. Es könne daher nur auf die Versorgungslage in der Region Hinterwald, das sei das Gebiet von Andelsbuch bis Lech, abgestellt werden. Laut Mitteilung der Landesstelle für Statistik seien in dieser Region zum 30. September 1994 ca. 13.100 Personen gemeldet gewesen. Die in bezug auf die beantragte Bodenabbauanlage relevanten Materialien ließen sich nach ihrer Verarbeitung und ihrem Verwendungszweck in Splitt, Steine und Betonzuschlagstoffe bzw. Frostkoffermaterial (Sand und Kies) einteilen. Der Bedarf an Baurohstoffen verteile sich in der Regel zu 5 % auf Splitt, zu 45 % auf Steine und zu 50 % auf Betonzuschlagstoffe bzw. Frostkoffermaterial. Was die Versorgung mit Splitt anlange, sei der Bedarf durch die vorhandenen Abbauanlagen in der Region ausreichend gedeckt. Hinsichtlich der Versorgung mit Steinen sei festzuhalten, daß der bestehende Steinbruch O. in M. aufgrund der im Vorjahr erweiterten Abbaubewilligung in der Lage sei, den Bedarf der Region weitgehend zu decken, ausgenommen bei großen Wasserbausteinen, die voraussichtlich nicht dauernd lieferbar sein würden. Der Bedarf der Region an Betonzuschlagstoffen lasse sich ermitteln, indem die Bevölkerungsanzahl der Region mit dem durchschnittlichen Verbrauch je Einwohner, d.h. 6 t pro Jahr, multipliziert werde. Dies ergebe für die Region Hinterwald einen Jahresbedarf von ca. 78.600 t. Der Bedarf an Frostkoffermaterial werde auf durchschnittlich 6.000 t jährlich geschätzt; der Gesamtjahresbedarf an Betonzuschlagstoffen und Frostkoffermaterial belaufe sich daher auf ca. 84.600 t. Im beantragten Steinbruch werde der jährliche Abbau etwa 8.000 m3 betragen. Dies entspreche ca. 20.000 t, wovon nach den Vorstellung der Beschwerdeführerin 70 % (also ca. 14.000 t) zu Betonzuschlagstoffen bzw., soweit eine entsprechende Nachfrage bestehe, zu Frostkoffermaterial verarbeitet werden solle. Durch die beantragte Bewilligung könnte also ungefährt 1/6 des Jahresbedarfes des hinteren Bregenzerwaldes an Betonzuschlagstoffen gedeckt werden. Ein Bedarf an Eigenversorgung in der Region mit Betonzuschlagstoffen in diesem Ausmaß sei jedenfalls gegeben. Durch die Erteilung der beantragten Bewilligung würden bei einer jährlichen Gewinnung von 14.000 t Betonzuschlagstoffen und Frostkoffermaterial bei gemischtem Einsatz von Zwei-, Drei- und Vierachslastkraftwagen höchstens 10 Transportfahrten pro Tag wegfallen, wobei sich diese Zahl noch weiter verringere, wenn anstelle der berechneten Leer-Rückfahrten Gegenfuhren möglich seien. Allerdings würden sich diese Fahrten nicht gleichmäßig über das ganze Jahr verteilen, weil sich die Bautätigkeit in den in Betracht kommenden Gemeinden auf sieben Monate des Jahres konzentriere. Demgegenüber sei zur Frage der Verkehrsbelastung auf der B 200 auf die Straßenverkehrszählung der Abteilung Straßenbau des Amtes der Vorarlberger Landesregierung im Jahre 1990 hinzuweisen, wonach die Meßstelle B. an Werktagen von durchschnittlich 4.678 Kraftfahrzeugen, die dem Personenverkehr dienten, und von 477 Kraftfahrzeugen, die dem Güterverkehr dienten, passiert worden sei. § 14 Abs. 1 Landschaftsschutzgesetz sehe vor, daß eine Bewilligung für Bodenabbauanlagen nur erteilt werden dürfe, wenn die Interessen des Landschaftsschutzes und der Raumplanung nicht verletzt werden. Trotz Verletzung von Interessen des Landschaftsschutzes und der Raumplanung dürfe eine Bewilligung gemäß § 14 Abs. 2 leg. cit. erteilt werden, wenn die Gewinnung des Materials zur Deckung eines dringenden Bedarfes notwendig ist. Es gehe dabei um den Bedarf am abgebauten Material an sich, um die Versorgung der Baustellen und anderer Letztverbraucher im Land mit Baurohstoffen, und nicht um die Verfolgung mittelbarer Zwecke, mögen diese auch im öffentlichen Interesse gelegen sein (wie etwa die Aufrechterhaltung eines Abbau- und Verarbeitungsbetriebes und seiner Arbeitsplätze oder die mögliche Folgenutzung der Abbaufläche als Deponie). Bei diesem Bedarf müsse es sich grundsätzlich um einen Bedarf im Landesgebiet handeln. Nur ausnahmsweise werde auch ein regionaler oder lokaler dringender Bedarf der Beurteilung zugrunde zu legen sein, wenn sich regional oder lokal besondere Versorgungsprobleme ergäben. Von einem dringenden Bedarf werde schließlich dann ausgegangen werden können, wenn die landesweite, allenfalls regionale oder örtliche Versorgung der Letztverbraucher mit Baurohstoffen ohne die beantragte Bodenabbauanlage nur mit schwerwiegenden Nachteilen möglich sei bzw. wenn die beantragte Bodenabbauanlage große Vorteile für die Versorgung der Letztverbraucher mit sich brächte. Bei diesen besonderen Vorteilen bzw. Nachteilen, die einen dringenden Bedarf begründen könnten, könne es sich insbesondere um solche

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der Versorgung, wenn diese sonst nicht oder nicht zeitgerecht möglich wäre,

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der Gestehungskosten für das Material, wenn mit der beantragten Anlage eine preislich wesentlich günstigere Versorgung des maßgeblichen Gebietes möglich wäre,

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der Umweltbelastung handeln, wenn die Zufuhr des Materials von bestehenden Bodenabbauanlagen wesentlich größere Belastungen mit sich brächte als die Errichtung und der Betrieb der neuen Bodenabbauanlage.

Da durch die von der Beschwerdeführerin beantragte Bodenabbauanlage Interessen des Landschaftsschutzes erheblich verletzt würden, sei zu prüfen gewesen, ob die Gewinnung des Materials in dieser Anlage zur Deckung eines Bedarfes notwendig sei und in der Folge, ob es sich bei diesem Bedarf um einen dringenden Bedarf handle. Bezüglich der Versorgung mit Steinen könne der Bedarf in der Region durch bestehende Anlagen weitgehend gedeckt werden. Nur große Wasserbausteine würden nicht dauernd lieferbar sein; insoweit bestehe in Einzelfällen ein Bedarf an der Gewinnung des Materials. Die Versorgung der Region mit Steinen sei mit wie ohne die beantragte Anlage zeitgerecht möglich. Weder bei den Abgabepreisen an die Letztverbraucher noch hinsichtlich der Umweltbelastung durch den Transport der Steine seien signifikante Unterschiede zu erwarten. Würde die Anlage errichtet, so entstehe in der Region ein gewisses Überangebot an Steinen, welches dazu führen werde, daß diese aus der Region verbracht würden, während andererseits zeitweise große Wasserbausteine zugeführt werden müßten. Die Transportleistungen würden sich etwa die Waage halten. Hinsichtlich der Gewinnung von Steinen sei ein dringender Bedarf jedenfalls nicht gegeben. Hinsichtlich der Betonzuschlagstoffe und des Frostkoffermaterials sei festzustellen, daß die Versorgung der Region durch Abbauanlagen außerhalb der Region ohne zeitliche Probleme zufriedenstellend abgesichert werden könne. Es sei auch nicht anzunehmen, daß die Versorgung der Region bei Errichtung der beantragten Anlage kostenmäßig wesentlich günstiger würde, weil die abgebaute Menge gering und die Erzeugung eher aufwendig sei; die Preise würden sich am vorgegebenen Markt orientieren. Bleibe zu fragen, ob die nachteiligen Umweltauswirkungen durch die Versorgung der Region mit Betonzuschlagstoffen und Frostkoffermatieral mit der beantragten Bodenabbauanlage wesentlich geringer wären als ohne diese. Es seien dabei die Belastungen, die die beantragte Anlage für die Umwelt mit sich brächte, mit der Verkehrsbelastung durch die Zufuhr der Betonzuschlagstoffe in die Region abzuwägen. Den im einzelnen dargelegten Belastungen durch die Anlage (ökologische und ästhetische Beeinträchtigungen der Landschaft, Beeinträchtigung der Erholungseignung, Belastungen der Bewohner durch Lärm und Staub) stehe als einziger unmittelbarer Vorteil eine kaum spürbare Verkehrsentlastung durch den Wegfall von durchschnittlich zehn Lkw-Fahrten pro Tag gegenüber. Von einem dringenden Bedarf könne also keine Rede sein.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 13 Landschaftsschutzgesetz dürfen Steinbrüche, Entnahmestellen von Schuttmaterial aller Art sowie von Sand und Kies, Lehm und Ziegeleitongruben sowie Torfgewinnungsstätten - im folgenden Bodenabbauanlagen genannt - nur mit Bewilligung der Behörde eingerichtet und betrieben werden.

Die Bewilligung darf gemäß § 14 Abs. 1 leg. cit. nur erteilt werden, wenn Interessen des Landschaftsschutzes und der Raumplanung nicht verletzt werden. Die Bewilligung kann unter Bedingungen oder Auflagen erteilt werden, wobei insbesondere auch Vorschreibungen über den Abtransport des abgebauten Materials gemacht werden können.

Gemäß § 14 Abs. 2 leg. cit. darf eine Bewilligung trotz Verletzung von Interessen des Landschaftsschutzes oder der Raumplanung erteilt werden, wenn die Gewinnung des Materials zur Deckung eines dringenden Bedarfes notwendig ist. In einem solchen Falle ist durch Bedingungen oder Auflagen die Verletzung der Interessen des Landschaftsschutzes in einem möglichst geringen Ausmaß zu halten.

Gemäß § 27 Abs. 1 leg. cit. hat die Gemeinde u.a. im Bewilligungsverfahren nach § 14 einen Rechtsanspruch darauf, daß Interessen des Landschaftsschutzes gewahrt werden. Sie kann zur Wahrung von Interessen des Landschaftsschutzes gegen einen Bescheid Berufung einbringen, wenn ihrer Stellungnahme nicht entsprochen wurde oder wenn sie nicht gehört worden ist.

Die Beschwerdeführerin wendet gegen den angefochtenen Bescheid zunächst ein, die Gemeinde S. habe im erstinstanzlichen Verfahren ausreichende Gelegenheit gehabt, Stellung zu beziehen und gehört zu werden. In ihrer Berufung habe die Gemeinde auch nicht geltend gemacht, daß sie in diesen Rechten beeinträchtigt worden wäre. Sie habe vielmehr die Versagung der von der Beschwerdeführerin beantragten Bewilligung beantragt. Da ihr ein solches Recht im Grunde des § 27 Abs. 1 leg. cit. jedoch nicht zustehe, hätte ihre Berufung als unzulässig zurückgewiesen werden müssen.

Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen hat (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom 29. Mai 1995, Zl. 95/10/0071, und vom 6. Mai 1996, Zl. 96/10/0016), steht der Gemeinde kein subjektives Recht auf eine Entscheidung bestimmten Inhaltes - insbesondere auf Versagung einer Bewilligung nach dem Landschaftsschutzgesetz - zu, sondern es ist ihr nur ein Recht auf Anhörung sowie Abgabe einer Stellungnahme vom Standpunkt der Wahrung von Interessen des Landschaftsschutzes und (davon abgeleitet) auf Erhebung einer Berufung eingeräumt.

Die Gemeinde S. hat - nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakten - im erstinstanzlichen Verfahren eine Stellungnahme erstattet, in der sie sich u.a. unter Gesichtspunkten des Landschaftsschutzes gegen die von der Beschwerdeführerin beantragte Bewilligung aussprach. Da dieser Stellungnahme durch den erstinstanzlichen Bescheid nicht entsprochen wurde, war die Gemeinde im Grunde des § 27 Abs. 1 leg. cit. berechtigt, Berufung zu erheben und solcherart im Sinne des § 66 Abs. 4 AVG die Ermächtigung der belangten Behörde zur Entscheidung in der Sache, die den Gegenstand des erstbehördlichen Bescheides gebildet hat, auszulösen. Der Umstand, daß in dieser Berufung der Antrag gestellt wurde, die von der Beschwerdeführerin beantragte Bewilligung zu versagen, vermag weder an der Zulässigkeit der Berufung, noch an der Entscheidungsbefugnis der Berufungsbehörde etwas zu ändern.

Die Beschwerdeführerin bringt weiters vor, das Tatbestandsmerkmal des dringenden Bedarfes nach dem abzubauenden Material stelle einen Sonderfall des öffentlichen Interesses im Sinne des § 8 Abs. 3 leg. cit., bei dessen Überwiegen eine Bewilligung trotz Verletzung von Interessen des Landschaftsschutzes erteilt werden könne, dar. Die Auffassung der belangten Behörde, daß es sich dabei um einen landesweiten Bedarf und nur ausnahmsweise um einen regionalen oder lokalen handeln dürfe, entspreche nicht dem Gesetz. Bei richtiger rechtlicher Beurteilung hätte die belangte Behörde den im Bregenzerwald, einem geographisch abgegrenzten Abschnitt Vorarlbergs, der einerseits bis zum Rheintal, andererseits bis zum Arlberg reiche, bestehenden Bedarf erheben müssen. Wie die belangte Behörde selbst feststelle, gebe es in dieser Region keine Abbaustätten für große Wasserbausteine; auch Betonzuschlagstoffe und Frostkoffermaterial müßten aus dem Ausland bezogen werden. Es bestehe daher ein Bedarf, der in der Region befriedigt werden müsse, sollen nicht andere öffentliche Interessen verletzt werden. Dieser Bedarf sei als dringend zu bewerten, weil er nur durch Abbauanlagen außerhalb der Region befriedigt werden könne, wodurch einerseits die Versorgungssicherheit nicht hinreichend gewährleistet sei und andererseits durch die notwendigen Transporte ein nicht unerhebliches Verkehrsaufkommen mit den zusammenhängenden negativen Begleiterscheinungen entstehe. Das Vorliegen eines dringenden Bedarfes sei im übrigen von den betroffenen Abnehmern der Region im erstinstanzlichen Verfahren ausdrücklich bestätigt worden. Zur Bejahung des dringenden Bedarfes hätte aber auch der Umstand führen müssen, daß das betroffene Gebiet als Bergbaugebiet im Sinne des § 176 Abs. 1 Berggesetz festgelegt sei.

Die Beschwerdeführerin ist mit ihrer Auffassung, das Landschaftsschutzgesetz stelle nicht auf einen landesweiten dringenden Bedarf ab, im Recht. § 14 Abs. 2 leg. cit. normiert nämlich als Bewilligungsvoraussetzung, daß "die Gewinnung des Materials zur Deckung eines dringenden Bedarfes notwendig ist", ohne jedoch zu verlangen, daß dieser Bedarf landesweit oder zumindest in einem größeren Teil des Landesgebietes gegeben sein müsse. Zur Erfüllung dieser Voraussetzung genügt es daher, daß ein - wenn auch nur lokaler - dringender Bedarf nach dem zu gewinnenden Material besteht (vgl. RV, 12. Beilage im Jahre 1973 des XXI. Vorarlberger Landtages, 129), dessen Deckung die beantragte Materialgewinnung notwendig macht. Ob ein in diesem Sinn dringender Bedarf nach dem zu gewinnenden Material besteht, bemißt sich danach, ob und inwieweit die nach diesem Material bestehende Nachfrage ohne die zur Bewilligung beantragte Bodenabbauanlage befriedigt wird. Ist dies nicht oder in nur erheblich unzulänglicher Weise der Fall, so wird ein dringender Bedarf nach dem zu gewinnenden Material regelmäßig zu bejahen sein. Ob eine Befriedigung der Nachfrage durch die beantragte Anlage ihrer Art und Weise nach den öffentlichen Interessen besser entspricht als die bestehende Bedarfsdeckung, ist in diesem Zusammenhang jedoch nicht relevant. Anders als nach § 10 Abs. 2 leg. cit. ist für die (ausnahmsweise) Bewilligung einer die Interessen des Landschaftsschutzes verletztenden Anlage nämlich nicht das überwiegende öffentliche Interesse an dieser Anlage tatbestandsmäßig, sondern, daß sie zur Deckung eines dringenden Bedarfes notwendig ist. Wird die Nachfrage nach dem zu gewinnenden Material daher (in einer nicht als erheblich unzulänglich zu qualifizierenden Weise) befriedigt, so fehlt es an der für die Erteilung einer Ausnahmebewilligung gemäß § 14 Abs. 2 leg. cit. entscheidenden Tatbestandsvoraussetzung. Das etwa unter Gesichtspunkten des Umweltschutzes an der Vermeidung von Materialtransporten bestehende öffentliche Interesse ist daher für sich alleine nicht geeignet, eine entsprechende Ausnahmebewilligung zu rechtfertigen. Die Voraussetzungen für die Erteilung dieser Bewilligung wären vielmehr erst dann erfüllt, wenn wegen der Notwendigkeit von Transporten die bestehende Nachfrage nicht oder nur auf erheblich unzulängliche Weise befriedigt würde.

Daß die (regionale) Nachfrage nach dem von der Beschwerdeführerin zum Abbau beantragten Material ohne die Anlage der Beschwerdeführerin in diesem Sinne unbefriedigt bliebe, behauptet die Beschwerdeführerin selbst nicht; meint sie doch lediglich, daß bereits aus dem Umstand der Befriedigung des regionalen Bedarfes durch Abbauanlagen außerhalb der Region der Schluß gezogen werden müsse, die Versorgungssicherheit sei nicht hinreichend gewährleistet. Der Auffassung der belangten Behörde, die Versorgung der Region durch Abbauanlagen außerhalb der Region werde ohne zeitliche Probleme und zufriedenstellend abgesichert, ist die Beschwerdeführerin jedoch nicht konkret entgegengetreten. Im übrigen ist auch dem Vorbringen der von der Erstbehörde befragten Abnehmer nicht zu entnehmen, daß ohne die von der Beschwerdeführerin zur Bewilligung beantragte Anlage eine im dargelegten Sinne unbefriedigt bleibende Nachfrage bestünde. Soweit die Beschwerdeführerin aber aus dem Umstand der Festlegung des Gebietes als Bergbaugebiet im Sinne des § 176 Abs. 1 Berggesetz das Vorliegen eines dringenden Bedarfes im Sinne des § 14 Abs. 2 Landschaftsschutzgesetz abzuleiten sucht, ist ihre Auffassung nicht nachvollziehbar.

Bei diesem Ergebnis kann auch dahinstehen, ob die belangte Behörde mögliche Beeinträchtigungen und Belastungen der Bewohner durch die von der Beschwerdeführerin beantragte Anlage zu berücksichtigen hatte. Denn selbst wenn diese Auswirkungen zu Unrecht berücksichtigt worden wären, so hätte dies für die allein entscheidende Frage, ob ein im dargelegten Sinn dringender Bedarf nach dem von der Beschwerdeführerin zu gewinnenden Material besteht, keine Bedeutung.

Die Beschwerdeführerin bringt unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung von Verfahrensvorschriften noch vor, der angefochtene Bescheid basiere auf Bedarfszahlen, die in einer Besprechung von Vertretern des Amtes der Vorarlberger Landesregierung am 20. Dezember 1994 "aufgetaucht" seien. Das Ergebnis dieser Besprechung könne nicht als Gutachten gewertet werden, weil darin weder der entscheidungswesentliche Sachverhalt festgestellt, noch gutachterliche Schlüsse begründet abgeleitet würden. Insbesondere sei nicht dargetan worden, auf Basis welcher wissenschaftlichen Erkenntnisse die Annahmen getroffen worden seien. Sohin sei der angefochtene Bescheid nicht nachvollziehbar. Diese Mangelhaftigkeit habe zu einer unrichtigen Sachverhaltsfeststellung hinsichtlich des dringenden Bedarfes an den abzubauenden Materialien geführt. So sei nicht berücksichtigt worden, daß in der betroffenen Region - einer Fremdenverkehrsregion - ein unverhältnismäßig größerer Bedarf an Baumaterialien bestehe. Die Aussage, der Bedarf an Splitt werde durch die vorhandenen Abbauanlagen in der Region ausreichend gedeckt, sei eine durch nichts bewiesene Behauptung. Schließlich seien keinerlei Erhebungen über den derzeitigen Bezug an Betonzuschlagstoffen und Frostkoffermaterial durchgeführt worden. Derartige Erhebungen hätten zum Ergebnis geführt, daß diese Stoffe aus Deutschland bezogen würden und daß dieser Bezug mittel- bis langfristig nicht sichergestellt sei.

Diesem Vorbringen ist zunächst entgegenzuhalten, daß der an der Besprechung vom 20. Dezember 1994 teilnehmende Amtssachverständige für Geologie - nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakten - den Bedarf an Baurohstoffen (Sand, Kies, gebrochener Stein) pro Kopf der Bevölkerung bereits in seinem Gutachten vom 7. März 1994 berechnet hat und die Beschwerdeführerin diesen Ausführungen in ihrer - im Rahmen des Parteiengehörs - am 11. Juli 1994 hiezu erstatteten Stellungnahme nicht entgegengetreten ist.

Es ist daher die Beschwerdebehauptung, die dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegenden und mit den Zahlen dieses Gutachtens im wesentlichen übereinstimmenden Bedarfszahlen seien erst in der Besprechung vom 20. Dezember 1994 "aufgetaucht" und der Bescheid insoweit nicht nachvollziehbar, unzutreffend.

Im übrigen wäre selbst dann, wenn in der in Rede stehenden Region ein unverhältnismäßig größerer Bedarf an Baumaterialien als angenommen festzustellen wäre, der Bedarf an Splitt durch Abbauanlagen in der Region nicht gedeckt wäre, Betonzuschlagstoffe und Frostkoffermaterial aus Deutschland bezogen würden und dieser Bezug mittel- bis langfristig nicht sichergestellt wäre, für den Standpunkt der Beschwerdeführerin nichts gewonnen. Denn abgesehen davon, daß es eines diesbezüglich konkreten Vorbringens der Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren bedurft hätte, um eine Ermittlungspflicht der Behörde in dieser Hinsicht auszulösen (vgl. zur Frage der Mitwirkungspflicht der Partei in Ansehung des Vorliegens eines öffentlichen Interesses das hg. Erkenntnis vom 20. September 1993, Zlen. 92/10/0395, 0450, mit weiteren Judikaturhinweisen), ergibt sich aus den aufgezeigten Umständen noch nicht, daß die Nachfrage nach den von der Beschwerdeführerin zur Gewinnung beabsichtigten Materialien ohne die beantragte Bodenabbauanlage nicht oder erheblich unzulänglich befriedigt würde. Der Beschwerdeführerin ist es mit diesem Vorbringen daher nicht gelungen, die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels im Sinne des § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG darzutun.

Die sich somit als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1995100187.X00

Im RIS seit

08.11.2001

Zuletzt aktualisiert am

16.09.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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