Entscheidungsdatum
30.03.2020Norm
AsylG 2005 §12 Abs2Spruch
W119 2177882-2/2E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a Eigelsberger als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch den Diakonie Flüchtlingsdienst gem GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 5. 3. 2020, Zl IFA-Zahl/Verfahrenszahl: 1092638010/191241784, beschlossen:
A)
Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes ist gemäß § 12a Abs 2 AsylG 2005 nicht rechtmäßig. Der Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 5. 3. 2020, Zl IFA-Zahl/Verfahrenszahl: 1092638010/191241784, wird aufgehoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer stellte am 7. 10. 2015 erstmalig einen Antrag auf internationalen Schutz.
Am 29.10.2015 wurde er vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt und gab dabei zu seinem Fluchtgrund an, dass die Sicherheitslage in Afghanistan sehr schlecht sei. Er sei mit seiner Frau geflüchtet, da ihre Familie, die Angehörige der Taliban wären, gegen die Heirat gewesen seien und geschworen hätten, beide zu töten.
Am 31.10.2017 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (Bundesamt) zu seinen Lebensumständen im Herkunftsstaat und in Österreich sowie zu seinem Fluchtgrund einvernommen. Dabei hielt er sein Fluchtvorbringen aus der Erstbefragung im Wesentlichen aufrecht.
Mit Bescheid vom 31.10.2017 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt, gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig ist (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 24.11.2017 fristgerecht Beschwerde.
Am 27.05.2019 vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Beschwerdeverhandlung statt, in welcher der Beschwerdeführer zu seinen Lebensumständen in Afghanistan und Österreich sowie zu seinem Fluchtvorbringen und der Möglichkeit einer Rückkehr in den Herkunftsstaat befragt wurde.
Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 19. 6. 2019, Zl W233 2177882-1/14E, wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Mit Bescheid des Bundesamtes vom 28. 11. 2019 wurde über den Beschwerdeführer gemäß § 76 Abs 2 Z 2 FPG iVm § 57 Abs 1 AVG die Schubhaft verhängt.
Am selben Tag wurde ihm auch der festgelegte Abschiebetermin für den 10. 12. 2019 bekanntgegeben.
Am 2. 12. 2019 stellte der Beschwerdeführer einen zweiten Antrag auf internationalen Schutz.
Anlässlich der am selben Tag durchgeführten Erstbefragung nach dem AsylG gab der Beschwerdeführer an, dass er ungefähr seit einem Jahr eine Beziehung mit einem Mann führe. Da er afghanischer Staatsangehöriger und Homosexualität in seiner Kultur nicht erlaubt sei, habe er sich wegen seiner sexuellen Ausrichtung geschämt, sich dazu zu bekennen. Zudem gab der Beschwerdeführer den Namen, die Adresse und den Beruf seines nunmehrigen Partners an.
Mit Bescheid des Bundesamtes vom 4. 12. 2019, Zl 1092638010-191241784/BMI-EAST_OST, wurde gemäß § 12a Abs 4 AsylG festgestellt, dass die Voraussetzungen des § 12a Abs 4 Z 1 und 2 AsylG nicht vorlägen. Der faktische Abschiebeschutz werde dem Beschwerdeführer gemäß § 12a Abs 4 AsylG nicht zuerkannt.
Mit Schriftsatz vom 9. 12. 2019 übermittelte der Rechtsberater des Beschwerdeführers eine Vorstellung gegen diesen Bescheid und führte im Wesentlichen aus, dass der Beschwerdeführer in einer gleichgeschlechtlichen Beziehung lebe, sodass er aufgrund seiner sexuellen Orientierung in Afghanistan asylrelevant verfolgt werden würde.
Am 10. 12. 2020 erfolgte die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan.
Mit Bescheid des Bundesamtes vom 5. 3. 2020, Zl IFA-Zahl/Verfahrenszahl 1092638010-191241784, wurde gemäß § 12a Abs 4 AsylG festgestellt, dass die Voraussetzungen des § 12a Abs 4 Z 1 und 2 AsylG nicht vorlägen. Der faktische Abschiebeschutz werde dem Beschwerdeführer gemäß § 12a Abs 4 AsylG nicht zuerkannt.
Begründend wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer den Folgeantrag binnen 18 Tagen vor dem festgelegten Abschiebetermin gestellt habe. Es sei ihm im Verfahren nicht gelungen, glaubhaft zu machen, dass er den Folgeantrag zu keinem früheren Zeitpunkt hätte stellen können. Er habe nämlich anlässlich der Erstbefragung angegeben, seit ungefähr seit einem Jahr von seinen geänderten Fluchtgründen zu wissen. Es sei daher naheliegend, dass der Beschwerdeführer aufgrund der behaupteten Verfolgungsgefahr bereits zu einem früheren Zeitpunkt einen solchen Antrag eingebracht hätte und nicht erst 5 Tage vor dem ihm zur Kenntnis gebrachten Abschiebetermin.
Es sei daher festzuhalten, dass der Beschwerdeführer den Folgeantrag zur ungerechtfertigten Verhinderung oder Verzögerung der Abschiebung gestellt habe. Da die Voraussetzungen des § 12a Abs 4 Z 1 und 2 nicht vorlägen, komme eine Zuerkennung des Abschiebeschutzes gemäß § 12 AsylG nicht in Betracht.
Dieser Bescheid wurde dem Rechtsberater des Beschwerdeführers zugestellt.
Mit Schriftsatz vom 20. 3. 2020 wurde eine Beschwerde eingebracht.
Die bezughabenden Verwaltungsakten sind am 27. 3. 2020 bei der zuständigen Gerichtsabteilung eingelangt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Beschwerdeführer stellte erstmals am 7. 10. 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz, über welchen mit Bescheid des Bundesamtes vom 31. 10. 2017, Zl 1092638010/151643921, und im Rechtsmittelweg mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. 6. 2019, Zl W233 2177882-1/14E, rechtskräftig mit 26. 6. 2019 negativ entschieden wurde.
Mit Mandatsbescheid des Bundesamtes vom 28. 11. 2019 wurde über den Beschwerdeführer gemäß § 76 Abs 2 Z 2 FPG iVm § 57 Abs 1 AVG die Schubhaft verhängt.
Am selben Tag wurde ihm auch der festgelegte Abschiebetermin für den 10. 12. 2019 bekanntgegeben.
Am 2. 12. 2019 stellte der Beschwerdeführer einen zweiten Antrag auf internationalen Schutz.
Mit Bescheid des Bundesamtes vom 4. 12. 2019, Zl 1092638010-191241784/BMI-EAST_OST, wurde gemäß § 12a Abs 4 AsylG festgestellt, dass die Voraussetzungen des § 12a Abs 4 Z 1 und 2 AsylG nicht vorlägen. Der faktische Abschiebeschutz werde dem Beschwerdeführer gemäß § 12a Abs 4 AsylG nicht zuerkannt.
Mit Schriftsatz vom 9. 12. 2019 übermittelte der Rechtsberater des Beschwerdeführers eine Vorstellung gegen den oben angeführten Bescheid.
Am 10. 12. 2020 wurde der Beschwerdeführer nach Afghanistan abgeschoben.
Aufgrund der eingebrachten Vorstellung gegen den oben angeführten Mandatsbescheid hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 5. 3. 2020, Zl IFA-Zahl/Verfahrenszahl: 1092638010/191241784, gemäß § 12a Abs. 4 AsylG 2005 festgestellt, dass die Voraussetzung des § 12a Abs. 4 Z1 und Z 2 AsylG nicht vorliege und unter einem dem Beschwerdeführer den faktischen Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 4 AsylG nicht zuerkannt.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen zum Gang des ersten Asylverfahrens, des gegenständlichen Verfahrens sowie zum verfahrensgegenständlichen Bescheid sowie zur Situation in Afghanistan wurden auf Grundlage der vorgelegten Verwaltungsakten des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und der Gerichtsakten getroffen.
III. Rechtliche Würdigung:
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da weder im BFA-VG noch im AsylG 2005 eine Senatsentscheidung vorgesehen ist, liegt gegenständlich somit Einzelrichterzuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg. cit.). Gemäß § 58 Abs. 1 VwGVG trat dieses Bundesgesetz mit 1. Jänner 2014 in Kraft. Gemäß Abs. 2 leg. cit. bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist
Zu A)
Der mit "Faktischer Abschiebeschutz bei Folgeanträgen" betitelte § 12a AsylG 2005 idgF lautet:
"§ 12a.
(1) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) nach einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG gestellt, kommt ihm ein faktischer Abschiebeschutz nicht zu, wenn
1. gegen ihn eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG erlassen wurde,
2. kein Fall des § 19 Abs. 2 BFA-VG vorliegt und
3. im Fall des § 5 eine Zuständigkeit des anderen Staates weiterhin besteht oder dieser die Zuständigkeit weiterhin oder neuerlich anerkennt und sich seit der Entscheidung gemäß § 5 die Umstände im zuständigen anderen Staat im Hinblick auf Art. 3 EMRK nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit maßgeblich verschlechtert haben.
(2) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) gestellt und liegt kein Fall des Abs. 1 vor, kann das Bundesamt den faktischen Abschiebeschutz des Fremden aufheben, wenn
1. gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG besteht,
2. der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist, und
3. die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten und für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
(3) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) gemäß Abs. 2 binnen achtzehn Tagen vor einem bereits festgelegten Abschiebetermin gestellt, kommt ihm ein faktischer Abschiebeschutz nicht zu, wenn zum Antragszeitpunkt
1. gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG besteht,
2. der Fremde über den Abschiebetermin zuvor nachweislich informiert worden ist (§ 58 Abs. 2 FPG) und
3. darüber hinaus
a) sich der Fremde in Schub-, Straf- oder Untersuchungshaft befindet;
b) gegen den Fremden ein gelinderes Mittel (§ 77 FPG) angewandt wird, oder
c) der Fremde nach einer Festnahme gemäß § 34 Abs. 3 Z 1 oder 3 BFA-VG iVm § 40 Abs. 1 Z 1 BFA-VG angehalten wird.
Liegt eine der Voraussetzungen der Z 1 bis 3 nicht vor, ist gemäß Abs. 2 vorzugehen. Für die Berechnung der achtzehntägigen Frist gilt § 33 Abs. 2 AVG nicht.
(4) In den Fällen des Abs. 3 hat das Bundesamt dem Fremden den faktischen Abschiebeschutz in Ausnahmefällen zuzuerkennen, wenn der Folgeantrag nicht zur ungerechtfertigten Verhinderung oder Verzögerung der Abschiebung gestellt wurde. Dies ist dann der Fall, wenn
1. der Fremde anlässlich der Befragung oder Einvernahme (§ 19) glaubhaft macht, dass er den Folgeantrag zu keinem früheren Zeitpunkt stellen konnte oder
2. sich seit der letzten Entscheidung die objektive Situation im Herkunftsstaat entscheidungsrelevant geändert hat.
Über das Vorliegen der Voraussetzungen der Z 1 und 2 ist mit Mandatsbescheid (§ 57 AVG) zu entscheiden. Wurde der Folgeantrag binnen zwei Tagen vor dem bereits festgelegten Abschiebetermin gestellt, hat sich die Prüfung des faktischen Abschiebeschutzes auf das Vorliegen der Voraussetzung der Z 2 zu beschränken. Für die Berechnung der zweitägigen Frist gilt § 33 Abs. 2 AVG nicht. Die Zuerkennung des faktischen Abschiebeschutzes steht einer weiteren Verfahrensführung gemäß Abs. 2 nicht entgegen.
(5) Abweichend von §§ 17 Abs. 4 und 29 Abs. 1 beginnt das Zulassungsverfahren in den Fällen des Abs. 1 und 3 bereits mit der Stellung des Antrags auf internationalen Schutz.
(6) Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 FPG bleiben 18 Monate ab der Ausreise des Fremden aufrecht, es sei denn es wurde ein darüber hinausgehender Zeitraum gemäß § 53 Abs. 2 und 3 FPG festgesetzt. Anordnungen zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG und Ausweisungen gemäß § 66 FPG bleiben 18 Monate ab der Ausreise des Fremden aufrecht."
Gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 idgF ergehen Entscheidungen des Bundesamtes über die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 mündlich in Bescheidform. Die Beurkundung gemäß § 62 Abs. 2 AVG gilt auch als schriftliche Ausfertigung gemäß § 62 Abs. 3 AVG. Die Verwaltungsakte sind dem Bundesverwaltungsgericht unverzüglich zur Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG zu übermitteln. Diese gilt als Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht; dies ist in der Rechtsmittelbelehrung anzugeben. Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes hat das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen der Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG mit Beschluss zu entscheiden."
Der mit "Überprüfung der Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes" betitelte § 22 BFA-VG lautet:
"(1) Eine Entscheidung des Bundesamtes, mit der der faktische Abschiebeschutz eines Fremden aufgehoben wurde (§ 12a Abs. 2 AsylG 2005), ist vom Bundesverwaltungsgericht unverzüglich einer Überprüfung zu unterziehen. Das Verfahren ist ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden. § 20 gilt sinngemäß. § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG ist nicht anzuwenden.
(2) Die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 und eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG sind mit der Erlassung der Entscheidung gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 durchsetzbar. Mit der Durchführung der die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung umsetzenden Abschiebung gemäß § 46 FPG ist bis zum Ablauf des dritten Arbeitstages ab Einlangen der gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 zu übermittelnden Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuzuwarten. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Bundesamt unverzüglich vom Einlangen der Verwaltungsakte bei der zuständigen Gerichtsabteilung und von der im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 getroffenen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes zu verständigen.
(3) Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 hat das Bundesverwaltungsgericht binnen acht Wochen zu entscheiden."
Zu den Voraussetzungen des § 12a AsylG 2005 im gegenständlichen Fall ist festzustellen, dass gegen den Beschwerdeführer mit der oben genannten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. 6. 2019 eine aufrechte Rückkehrentscheidung vorliegt.
Das Bundesamt hat in seinem Bescheid ausgeführt, dass dem Beschwerdeführer aufgrund seines Folgeantrages gemäß § 12a Abs. 3 AsylG ex lege kein faktischer Abschiebeschutz zukommt, da er diesen Folgeantrag am 2. 12. 2019, sohin binnen 18 Tagen vor dem bereits festgelegten Abschiebetermin am 10. 12. 2019, gestellt hat, wobei dem Beschwerdeführer dieser Abschiebetermin am 28. 11. 2019 nachweislich zur Kenntnis gebracht worden ist, der Beschwerdeführer sich überdies in Schubhaft befunden hat und gegen ihn aufgrund der rechtskräftigen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. 6. 2019 eine rechtskräftige und aufrechte Rückkehrentscheidung bestanden hat.
Aus den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (330 BlgNR 24. GP) zu § 12a AsylG 2005 geht hervor, dass die Festlegung des Abschiebetermins und die diesbezügliche Information an den Fremden seiner Antragstellung vorangehen müssen. Der Fremde muss also zum Zeitpunkt seiner Antragstellung von der Tatsache seiner zeitnah bevorstehenden Abschiebung und dem geplanten Termin Kenntnis haben. Schriftlichkeit der Information ist nicht gefordert. Die Information wird beispielsweise auch in Einem mit dem Ausspruch der Festnahme erfolgen können. Um dem Rechtsschutzgedanken ausreichend Rechnung zu tragen, ist es daher angebracht, die Rechtsfolgen des Abs. 3 nur dann eintreten zu lassen, wenn dem Fremden die bevorstehende Abschiebung bewusst ist und daher im Allgemeinen davon auszugehen ist, dass es sich bei einem erst dann gestellten Folgeantrag lediglich um eine Reaktion auf die drohende Außerlandesbringung zwecks ihrer ungerechtfertigten Verhinderung handelt. Zu beachten ist dabei insbesondere der Umstand, dass der wohlmeinende Folgeantragsteller seinen Antrag natürlich sogleich bei Vorliegen einer (neuen) Verfolgungs- oder Bedrohungssituation und nicht als Reaktion auf fremdenpolizeiliche Tätigkeit stellen wird.
Das Bundesamt hätte dem Beschwerdeführer sohin lediglich dann faktischen Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 4 AsylG zuerkennen müssen, wenn der Beschwerdeführer glaubhaft gemacht hätte, dass er den Folgeantrag zu keinem früheren Zeitpunkt stellen habe können oder sich seit der letzten Entscheidung die objektive Situation im Herkunftsstaat entscheidungsrelevant geändert hätte.
Der Beschwerdeführer hat in seiner Einvernahme vom 2. 12. 2019 vorgebracht, dass er in einer gleichgeschlechtlichen Beziehung lebe, wozu er auch den Namen, Adresse und Beruf seines nunmehrigen Partners angeführt hat. Er habe sich jedoch aufgrund seiner kulturellen Herkunft geschämt, dies früher bekanntzugeben.
Das Bundesamt hat sich über diese Ausführungen des Beschwerdeführers sowie auch über die Namhaftmachung seines Partners begründungslos hinweggesetzt, sondern lediglich dazu ausgeführt, dass der Beschwerdeführer bei einem tatsächlichen Vorliegen einer Verfolgungsgefahr einen solchen Antrag auf internationalen Schutz bereits zu einem früheren Zeitpunkt gestellt hätte. Dass der Beschwerdeführer dies mit Scham zu seiner gelebten sexuellen Ausrichtung begründete, wurde vom Bundesamt außeracht gelassen.
Dass aber einer Auseinandersetzung mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers von vornherein die Eignung abzusprechen gewesen wäre, kann nicht erkannt werden. Ausgehend davon kann nämlich nicht ausgeschlossen werden, dass das Bundesamt bei Befassung mit dem Vorbringen und einer zeugenschaftlichen Einvernahme des Partners des Beschwerdeführers zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre.
Auf Grundlage der dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegten Verwaltungsakten kann daher das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzung des § 12a Abs 2 Z 2 AsylG nicht bejaht werden. Der Bescheid des Bundesamtes ist daher aufzuheben.
B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Da die in der vorliegenden Entscheidung maßgeblichen Rechtsfragen klar waren und keiner Auslegung bedurften, ging das Bundesverwaltungsgericht nicht vom Vorliegen einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 133 Abs. 4 V-BVG aus.
Schlagworte
faktischer Abschiebeschutz - Aufhebung nicht rechtmäßig Folgeantrag Homosexualität ZeugenbeweisEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W119.2177882.2.00Im RIS seit
18.08.2020Zuletzt aktualisiert am
18.08.2020