TE Bvwg Erkenntnis 2020/4/1 W136 2200755-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 01.04.2020
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Entscheidungsdatum

01.04.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W136 2200755-1/11E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Brigitte HABERMAYER-BINDER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 07.06.2018, Zl. 1129934401-161264677, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 26.11.2019, zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer stellte am 17.09.2016 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Am selben Tag fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die niederschriftliche Erstbefragung des Beschwerdeführers statt. Dabei gab er zu seinen Fluchtgründen im Wesentlichen an, dass sich in seiner Stadt die Taliban befinden würden, welche seine Volksgruppe umbringen. Außerdem würde Krieg herrschen und keine Sicherheit bestehen. Zu seinen Rückkehrbefürchtungen teilte er mit, dass er Angst vor den Taliban habe.

Am 09.05.2018 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari niederschriftlich einvernommen. Dabei brachte er zu seinen Fluchtgründen im Wesentlichen vor, dass in seiner Heimatregion sehr viele Paschtunen leben würden, die Mitglieder bei den Taliban seien. Als Schiit sei er in deren Augen kein Moslem gewesen und sie hätten ihn deshalb umbringen wollen. Er sei persönlich nicht bedroht worden. Die Taliban hätten ihn auch umgebracht, wenn sie bemerkt hätten, dass er Schiit ist. Nach dem Tod seines Vaters, habe dessen Bruder die (gesamte) Erbschaft haben wollen und habe ihn deshalb mit einem Holzstock geschlagen. Er sei von diesem Onkel immer wieder bedroht worden und habe auch Angst vor den Taliban bzw. vor dem Sterben gehabt. Diese hätten ausnahmslos Kinder und Personen umgebracht. Der Onkel habe ihn auch mit dem Umbringen bedroht. Außerdem sei die allgemeine Situation gefährlich. Zu seinen Rückkehrbefürchtungen teilte er mit, dass er in Afghanistan niemanden hätte und nicht wüsste, wo sein Onkel lebt. Er habe Angst vor seinem Onkel, der ihn aufgrund seiner Volljährigkeit nun umbringen würde. Er sei 6 Monate alt gewesen, als sein Vater gestorben sei. Er habe Grundstücke geerbt, die sein Onkel an einen Bauern verpachtet habe. Bezüglich der Grundstücke würde es keine Urkunden geben. Rund 3 Jahre vor der Ausreise sei es zu den ersten Problemen mit dem Onkel gekommen. Er sei drei bis fünfmal mit einem Holzstock geschlagen worden. Das letzte mal drei bis fünf Monate vor seiner Ausreise. Dabei sei es auch zu einer Morddrohung gegenüber seiner Person gekommen. Die Grundstücke seien nach dem Tod seiner Großeltern auf seine beiden Onkeln und ihn aufgeteilt worden. Bezüglich seiner Probleme aufgrund seiner Volksgruppen- bzw. Religionszugehörigkeit teilte er mit, dass es konkrete Vorfälle mit den Taliban nicht gegeben habe.

Mit dem oben im Spruch angeführten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 07.06.2018, durch Hinterlegung zugestellt am 12.06.2018, wurde der gegenständliche Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.), als auch bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde ihm gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) erlassen (Spruchpunkt IV.). Weiters wurde gemäß § 52 Abs 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig ist (Spruchpunkt V.) und dass gemäß § 55 Abs 1 bis 3 FPG die Frist für eine freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (Spruchpunkt VI.).

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl traf umfassende herkunftsstaatsbezogene Feststellungen zur allgemeinen Lage in Afghanistan, stellte die Identität des Beschwerdeführers nicht fest und begründete im angefochtenen Bescheid die abweisende Entscheidung im Wesentlichen damit, dass es dem Beschwerdeführer nicht gelungen sei, den vorgebrachten Fluchtgrund glaubhaft und in sich schlüssig darzulegen. Obwohl die Erstbefragung ihrem Konzept nach keine ausführliche Einvernahme beinhalten würde, sei dennoch zu erwarten, dass ein derart einschneidendes Erlebnis, wie eine von seinem Onkel XXXX erhaltene Morddrohung, schon bei der Erstbefragung angegeben wird, sofern dies tatsächlich Teil einer Verfolgung bzw. eines Bedrohungsszenarios darstellen könnte. Der Beschwerdeführer habe im Lauf des Verfahrens sein Vorbringen insofern gesteigert, dass der eigentliche fluchtauslösende Grund aufgrund von der erhaltenen Morddrohung seines Onkels ausgegangen wäre. Er habe sein Heimatdorf selbst nach der Morddrohung nicht unverzüglich verlassen, sondern sich zumindest noch drei bis vier Monate dort aufgehalten, ohne dass es zu weiteren von seinem Onkel ausgehenden Bedrohungen, ausgesprochenen Morddrohungen bzw. möglichen Tätlichkeiten gegenüber seiner Person gekommen sei. Die Behörde würde in einer Gesamtschau daher nicht von einer glaubwürdigen Darstellung in Bezug auf sein Fluchtvorbringen ausgehen. Davon abgesehen würden Familienangehörige von ihm nach wie vor in Afghanistan leben, sei er gesund sowie im erwerbsfähigen Alter und damit arbeitsfähig. Außerdem würde seine achtjährige Schulbildung bei einer Integration am afghanischen Arbeitsmarkt von Vorteil sein. Er könnte daher Gelegenheitsarbeiten verrichten und so für seinen Lebensunterhalt sorgen. Immerhin müsse er nur für sich selbst sorgen. Abgesehen von seiner volatilen Heimatprovinz sei es ihm zumutbar, sich in einer sicheren Gegend wie Kabul niederzulassen.

Mit Verfahrensanordnung gemäß § 63 Abs. 2 AVG vom 08.06.2018 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG der Verein Menschenrechte Österreich als Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht zur Seite gestellt.

Gegen den oben genannten Bescheid wurde fristgerecht eine Beschwerde erhoben, welche am 09.07.2018 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einlangte. In dieser wurde im Zuge einer Wiederholung des Sachverhalts bzw. seines bisherigen Fluchtvorbringens im Wesentlichen ausgeführt, dass die Behörde es verabsäumt habe, die ihm bezüglich der Bedrohung durch seinen Onkel abgesprochene Glaubwürdigkeit nachvollziehbar zu begründen. Der einzige Erklärungsansatz der Behörde, sein drei- bis viermonatiger Aufenthalt in der Heimat nach der letzten Morddrohung sei nämlich notwendig gewesen, um die finanziellen Mittel für seine Flucht aufzustellen. Weiters würde sich die Behörde hinsichtlich der Sicherheitslage in Afghanistan bzw. in Kabul auf veraltete Länderfeststellungen stützen. Zur aktuell äußerst prekären Sicherheitslage wurden zahlreiche Ausschnitte von Berichten internationaler Organisationen angeführt. Diese würden deutlich machen, dass in Afghanistan sehr wohl eine allgemeine Gefahr festgestellt und Kabul nicht als sicher eingestuft werden könne. Auch die Versorgungslage sei nach wie vor angespannt. Für Rückkehrer aus westlichen Ländern, die über kein familiäres Netzwerk in Afghanistan verfügen, sei es unmöglich den Lebensunterhalt zu sichern und Wohnraum zu finden. Ferner würden Rückkehrer insofern ein vulnerables Profil aufweisen, als dass einerseits ein höheres Risiko bestehen würde, durch regierungsfeindliche oder kriminelle Gruppen rekrutiert zu werden und andererseits da sie einem erhöhten Risiko von Entführungen ausgesetzt seien. Durch die Bedrohung und Verfolgung seitens der Taliban, die durch die Rückkehr des Beschwerdeführers aus einem westlichen Land verstärkt würde, und den wegbleibenden Schutz durch den afghanischen Staat, wäre ihm der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen. Aufgrund der prekären Sicherheits- und Versorgungslage sei ihm zumindest aber der Staus eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen. Durch seine Rückkehr aus einem westlichen Land würde sich die ohnehin prekäre Versorgungslage nämlich noch mehr zuspitzen. Zusammenfassend würde sich aus seinem Vorbringen eine asylrelevante Verfolgung ergeben, da ihm einerseits durch seinen Onkel und andererseits als Rückkehrer aus einem westlichen Land eine Verfolgung drohen würde und der afghanische Staat nicht gewillt bzw. nicht fähig sei, diese zu unterbinden. Abschließend wurden die Integrationsschritte des Beschwerdeführers im Bundesgebiet angeführt und darauf hingewiesen, dass er durch seine enge Beziehung zu seiner Patenfamilie ein schützenswertes Privat- und Familienleben führen würde.

Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vorgelegt und sind am 12.07.2018 beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt.

Mit Schreiben vom 30.10.2019 wurden der Beschwerdeführer und das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zu einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 26.11.2019 geladen.

Am 26.11.2019 führte das Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit einer Dolmetscherin für die Sprache Dari mit der beschwerdeführenden Partei und deren Vertretung eine mündliche Verhandlung durch, bei der die beschwerdeführende Partei im Detail zu ihren Fluchtgründen befragt wurde.

Mit Schreiben vom 25.11.2019 wurde im Zuge der mündlichen Verhandlung eine Stellungnahme zu den im Vorfeld dazu übermittelten landeskundlichen Feststellungen abgegeben. Darin wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Heimatprovinz des Beschwerdeführers seit einiger Zeit zu den volatilen Provinzen Afghanistans zählen würde und dass es zu Zusammenstößen zwischen den Taliban und afghanischen Sicherheitskräften kommen würde. Weiters würde soziale Diskriminierung gegen schiitische Hazara basierend auf Klasse, Ethnie oder religiösen Ansichten ihre Fortsetzung in Erpressungen (illegale Steuern), Zwangsrekrutierungen, Zwangsarbeit, physischer Misshandlung und Festnahmen finden. Bezüglich der vorgebrachten Bedrohung des Beschwerdeführers aufgrund eines Erbschaftsstreits mit seinem Onkel und einer Verfolgung durch die Taliban wurden Ausschnitte von Friedericke Stahlmann angeführt. Spätestens der Versuch einer Ansiedlung würde aufgrund des allgemein großen Misstrauens gegenüber Fremden, und hier insbesondere alleinstehenden Männern als potentiellen Gefährdern, eine Offenlegung der Biografie und deren erfolgreiche Überprüfung durch die Aufnahmegemeinschaft voraussetzen. Im Zuge dieser Überprüfung würden somit auch die Herkunftsgemeinschaft und die Verfolger den Aufenthaltsort des Geflohenen erfahren. Hinsichtlich einer Verfolgung durch die Taliban würden lokale Gemeinschaften und insbesondere kampf- und arbeitsfähige Männer nicht die Option der Neutralität zugestanden bekommen, sondern vor der Wahl stehen, für welche Seite sie arbeiten und kämpfen wollen - und damit von der Gegenseite als legitimer Feind betrachtet werden. Der Beschwerdeführer sei Hazara und würde bei einer Rückkehr aus Europa als "verwestlichte" Person angesehen werden. Er sei im wehrfähigen Alter und damit auch der Gefahr einer Zwangsrekrutierung ausgesetzt. Durch seine Flucht in ein westliches Land habe er zudem aus Sicht der Taliban gegen islamische Grundsätze, Normen und Werte gemäß deren Auslegung verstoßen. Hinsichtlich einer innerstaatlichen Fluchtalternative sei im Fall des Beschwerdeführers darauf hinzuweisen, dass er in den Großstädten keine für sein dortiges Überleben relevanten Erfahrungen gemacht habe und dort auch über kein ihn unterstützendes soziales Netzwerk verfügen würde. Die prekäre Rolle von alleinstehenden Männern auch in den Städten Kabul, Herat und Mazar-e Sharif würde hervorgehoben werden. Aufgrund der volatilen und sich verschlechternden Sicherheitslage in Afghanistan, dem Machtzuwachs der Taliban, der dramatischen Folgen der Dürre, der Überlastung städtischer Infrastruktur, welche elementarste Dienstleistungen, wie z.B. Versorgung mit Wasser und Sanitärangeboten nicht garantieren könnte, der extrem schwierigen Lage am Arbeitsmarkt und der mangelnden Versorgung mit Lebensmitteln könnte - in Zusammenschau mit der persönlichen Situation des Beschwerdeführers (kein soziales und/oder familiäres Netz in Afghanistan, keine Berufsausbildung) - nicht mit ausreichender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden, dass seine durch Art. 2 EMRK und Art. 3 EMRK geschützten Rechte im Falle seiner Ansiedelung in Herat-Stadt oder Mazar-e Sharif verletzt werden.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat über die zulässige Beschwerde erwogen:

1. Feststellungen:

Auf Grundlage des Antrages auf internationalen Schutz vom 17.09.2016, der Einvernahmen des Beschwerdeführers durch die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes und des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, der Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, der im Verfahren vorgelegten Dokumente, der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 26.11.2019, der Einsichtnahme in die bezughabenden Verwaltungsakten, werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:

1.1. Zur Person und zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist afghanischer Staatsangehöriger schiitischen Glaubens und gehört der Volksgruppe der Hazara an. Er stammt aus dem Dorf XXXX , in der Provinz Maidan Wardak. Seine Muttersprache ist Dari.

Er ist ledig, kinderlos, arbeitsfähig und leidet an keinen schweren bzw. lebensbedrohlichen Erkrankungen. In seiner Heimat leben zumindest noch seine Mutter mit ihrem neuen Ehemann, eine Tante väterlicherseits und sein Ziehvater, der Onkel väterlicherseits, bei dem er nach dem Tod seiner Großeltern aufgewachsen ist, mit ihren jeweiligen Familien. Weiters hat er noch eine Tante väterlicherseits im Iran. Auch wenn aktuell kein regelmäßiger und intensiver Kontakt mit den genannten Personen besteht, ist es nicht völlig auszuschließen, dass er im Rahmen seiner Rückkehr zu seinen Verwandten wieder Kontakt erhalten und schließlich - entsprechend der afghanischen Tradition - Unterstützung finden wird. Ebenso ist kein Grund ersichtlich, weshalb der Beschwerdeführer von seiner Tante väterlicherseits und seinem Ziehvater, sollte dieser tatsächlich in den Iran gezogen sein, nicht auch vom Iran aus unterstützt werden könnte.

Es ist - aufgrund der Erfahrungen aus zahlreichen Einvernahmen von afghanischen Staatsbürgern - eine gerichtsnotorische Tatsache, dass afghanische Familien wegen der schwachen staatlichen Sozialstrukturen in der Regel mehrere Kinder haben und enge Beziehungen zu ihrer erweiterten Großfamilie pflegen auf deren Netzwerk sie auch angewiesen sind.

Der Beschwerdeführer kann auf das soziale Netzwerk seiner Familie vor Ort und auf die Unterstützung der Großfamilie (Onkel/Tanten und deren Nachkommen in der Heimatprovinz) bzw. seiner Freunde zurückgreifen, die ihn aufgrund der modernen Kommunikationsmittel und des Bankwesens finanziell und mit ihren Kontakten auch aus der Ferne unterstützen können.

In Österreich hat der Beschwerdeführer keine verwandtschaftlichen oder sozialen Anknüpfungspunkte. Er ist zwar berufstätig und arbeitet derzeit als Erntehelfer im Bundesgebiet, hat sich aber insgesamt noch keine derartige wirtschaftliche Existenz aufgebaut, deren Aufgabe ihm nicht mehr zuzumuten wäre. Er verfügt über gute Deutschkenntnisse und sein Freundeskreis besteht hauptsächlich aus sportlichen Bekanntschaften und Personen mit Migrationshintergrund.

Es kann nicht festgestellt werden, dass dem Beschwerdeführer in Afghanistan Verfolgung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf Grund seiner ethnischen, religiösen, staatsbürgerlichen oder Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe bzw. wegen seiner politischen Gesinnung durch den afghanischen Staat bzw. durch den jeweiligen Machthaber (insbesondere durch die Taliban bzw. durch seinen Onkel väterlicherseits) im Herkunftsgebiet droht.

Im Falle einer Rückkehr des Beschwerdeführers nach Kabul, Mazar-e Sharif oder Herat würde er mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit nicht in eine existenzbedrohende Notlage geraten.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

1.2. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:

Aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Afghanistan vom 29. Juni 2018, letzte Kurzinformation eingefügt am 13.11.2019, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, wird auszugsweise wie folgt angeführt:

Allgemeine Sicherheitslage

Wegen einer Serie von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen in städtischen Zentren, die von regierungsfeindlichen Elementen ausgeführt wurden, erklärten die Vereinten Nationen (UN) im Februar 2018 die Sicherheitslage für sehr instabil. Für das Jahr 2017 registrierte die Nichtregierungsorganisation INSO (International NGO Safety Organisation) landesweit 29.824 sicherheitsrelevante Vorfälle. Im Jahresvergleich wurden von INSO 2016 landesweit 28.838 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert und für das Jahr 2015 25.288. Zu sicherheitsrelevanten Vorfällen zählt INSO Drohungen, Überfälle, direkter Beschuss, Entführungen, Vorfälle mit IEDs (Sprengfallen/Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und andere Arten von Vorfällen.

Im August 2017 stuften die Vereinten Nationen (UN) Afghanistan, das bisher als "Post-Konflikt-Land" galt, wieder als "Konfliktland" ein; dies bedeute nicht, dass kein Fortschritt stattgefunden habe, jedoch bedrohe der aktuelle Konflikt die Nachhaltigkeit der erreichten Leistungen.

Afghanistan ist nach wie vor mit einem aus dem Ausland unterstützten und widerstandsfähigen Aufstand konfrontiert. Nichtsdestotrotz haben die afghanischen Sicherheitskräfte ihre Entschlossenheit und wachsenden Fähigkeiten im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand gezeigt. So behält die afghanische Regierung auch weiterhin Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, die wichtigsten Verkehrsrouten und den Großteil der Distriktzentren. Zwar umkämpften die Taliban Distriktzentren, sie konnten aber keine Provinzhauptstädte bedrohen - ein signifikanter Meilenstein für die ANDSF; diesen Meilenstein schrieben afghanische und internationale Sicherheitsbeamte den intensiven Luftangriffen durch die afghanische Nationalarmee und der Luftwaffe sowie verstärkter Nachtrazzien durch afghanische Spezialeinheiten zu.

Die von den Aufständischen ausgeübten öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffe in städtischen Zentren beeinträchtigten die öffentliche Moral und drohten das Vertrauen in die Regierung zu untergraben. Trotz dieser Gewaltserie in städtischen Regionen war im Winter landesweit ein Rückgang an Talibanangriffen zu verzeichnen. Historisch gesehen gehen die Angriffe der Taliban im Winter jedoch immer zurück, wenngleich sie ihre Angriffe im Herbst und Winter nicht gänzlich einstellen. Mit Einzug des Frühlings beschleunigen die Aufständischen ihr Operationstempo wieder.

Die Taliban und weitere aufständische Gruppierungen wie der Islamische Staat (IS) verübten auch weiterhin "high-profile"-Angriffe, speziell im Bereich der Hauptstadt, mit dem Ziel, eine Medienwirksamkeit zu erlangen und damit ein Gefühl der Unsicherheit hervorzurufen und so die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben. Möglicherweise sehen Aufständische Angriffe auf die Hauptstadt als einen effektiven Weg, um das Vertrauen der Bevölkerung in die Regierung zu untergraben, anstatt zu versuchen, Territorium in ländlichen Gebieten zu erobern und zu halten.

Landesweit haben Aufständische, inklusive der Taliban und des IS, in den Monaten vor Jänner 2018 ihre Angriffe auf afghanische Truppen und Polizisten intensiviert; auch hat die Gewalt Aufständischer gegenüber Mitarbeiter von Hilfsorganisationen in den letzten Jahren zugenommen. Die Taliban verstärken ihre Operationen, um ausländische Kräfte zu vertreiben; der IS hingegen versucht, seinen relativ kleinen Einflussbereich zu erweitern. Die Hauptstadt Kabul ist in diesem Falle für beide Gruppierungen interessant.

Balkh

Die Provinz Balkh liegt in Nordafghanistan; sie ist geostrategisch gesehen eine wichtige Provinz und bekannt als Zentrum für wirtschaftliche und politische Aktivitäten. Die Provinzhauptstadt ist Mazar-e Sharif. Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.382.155 geschätzt. Die Hauptstadt Mazar-e Sharif liegt an der Autobahn zwischen Maimana (Provinzhauptstadt Faryab) und Pul-e-Khumri (Provinzhauptstadt Baghlan); sie ist gleichzeitig ein Wirtschafts- und Verkehrsknotenpunkt in Nordafghanistan. Die Region entwickelt sich wirtschaftlich gut. Es entstehen neue Arbeitsplätze, Firmen siedeln sich an und auch der Dienstleistungsbereich wächst. Die Infrastruktur ist jedoch noch unzureichend und behindert die weitere Entwicklung der Region. In Mazar-e Sharif gibt es einen internationalen Flughafen.

Im Juni 2017 wurde ein großes nationales Projekt ins Leben gerufen, welches darauf abzielt, die Armut und Arbeitslosigkeit in der Provinz Balkh zu reduzieren. Nach monatelangen Diskussionen hat Ende März 2018 der ehemalige Gouverneur der Provinz Balkh Atta Noor seinen Rücktritt akzeptiert und so ein Patt mit dem Präsidenten Ghani beendet. Er ernannte den Parlamentsabgeordneten Mohammad IshaqRahgozar als seinen Nachfolger zum Provinzgouverneur. Der neue Gouverneur versprach, die Korruption zu bekämpfen und die Sicherheit im Norden des Landes zu garantieren.

Die Provinz Balkh ist nach wie vor eine der stabilsten Provinzen Afghanistans, sie zählt zu den relativ ruhigen Provinzen in Nordafghanistan. Balkh hat im Vergleich zu anderen Regionen weniger Aktivitäten von Aufständischen zu verzeichnen. Manchmal kommt es zu Zusammenstößen zwischen Aufständischen und den afghanischen Sicherheitskräften, oder auch zu Angriffen auf Einrichtungen der Sicherheitskräfte.

Im Zeitraum 11. Jänner 2017 bis 30. April 2018 wurden in der Provinz 93 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert. Im gesamten Jahr 2017 wurden 129 zivile Opfer (52 getötete Zivilisten und 77 Verletzte) registriert. Hauptursache waren IEDs, gefolgt von Bodenoffensiven und Blindgänger/Landminen. Dies bedeutet einen Rückgang von 68% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016.

Die afghanischen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte führen regelmäßig militärische Operationen durch, um regierungsfeindliche Aufständische zu verdrängen und sie davon abzuhalten, Fuß im Norden des Landes zu fassen. Regierungsfeindliche Gruppierungen versuchen ihren Aufstand in der Provinz Balkh voranzutreiben. Sowohl Aufständische der Taliban als auch Sympathisanten des IS versuchen in abgelegenen Distrikten der Provinz Fuß zu fassen. Im Zeitraum 1. Jänner 2017 bis 15. Juli 2017 wurden keine IS-bezogenen Vorfälle in der Provinz registriert. Im Zeitraum 16. Juli 2017 bis 31. Jänner 2018 wurden dennoch vom IS verursachten Vorfälle entlang der Grenze von Balkh zu Sar-e Pul registriert.

(Maidan) Wardak

Die Provinz Wardak, auch bekannt als Maidan Wardak, grenzt im Norden an Parwan und Bamyan, im Osten an Kabul und Logar und im Süden und Westen an Ghazni. Die Provinz ist in die folgenden Distrikte unterteilt: Chak-e-Wardak, Daimir Dad, Hissa-e-awaliBehsud, Jaghatu, Jalrez, Markaz-e-Behsud, Maidan Shahr, Nerkh, SayyidAbad (CSO 2019; vgl. IEC 2018w, UNOCHA 4.2014w, NPS o.D., OPr 1.2.2017). Die Provinzhauptstadt ist Maidan Shahr, die sich etwa 40 Kilometer südwestlich von Kabul befindet (WP 26.10.2016; vgl. OPr 1.2.2017).

Die afghanische zentrale Statistikorganisation (CSO) schätzte die Bevölkerung von Wardak für den Zeitraum 2019-20 auf 648.866 Personen (CSO 2019). Sie besteht aus Tadschiken, Paschtunen und Hazara (OPr 1.2.2017; vgl. NPS o.D.).

Wardak ist aufgrund seiner strategischen Position - unter anderem kreuzen hier die Autobahn Richtung Westen und Osten, sowie Norden und Süden - und der Nähe zu Kabul eine bedeutsame Provinz (ARN 23.6.2019). Die Autobahn Kabul-Kandahar durchquert die Distrikte Maidan Shahr, Narkh und Saydabad (UNOCHA 4.2014w). Im Juni 2019 kündigte der afghanische Transportminister an, dass ein Stück der Straße nun asphaltiert würde (AN 30.6.2019). Eine Provinzstraße führt von Maidan Shahr nach Bamyan durch die Distrikte Jalrez, Hesa-e Awal-e Behsud, Markaz-e Behsud und den Haji-gak-Pass (UNOCHA 4.2014w). Die Taliban sind entlang dieser Straße präsent, dort kam es in der Vergangenheit zu Fällen von Erschießungen oder Entführungen von Passagieren (DA 11.6.2019; vgl. RY 2.6.2019; NYT 18.8.2018; WZ 4.1.2018), das Sammeln von "ushr" (eine prozentuelle Steuer - Anm.) (PAJ 5.11.2018). In gewissen Distrikten - wie z.B. SayyidAbad und Daimir Dad - sollen die Taliban Posten auf der Autobahn aufgestellt haben (UNSG 7.12.2018; vgl. PAJ 27.10.2018; AP 7.10.2018; UNAMA 11.2018). Im Rahmen der Parlamentswahlen im Oktober 2018 sollen die Taliban in Maidan Wardak zudem Straßensperren errichtet haben, um die Bewohner vom Wählen abzuhalten (UNAMA 11.2018).

Laut dem UNODC Opium Survey 2018 hat die Provinz Wardak seit 2013 den Status "schlafmohnfrei" (UNDOC/MCN 11.2018).

Hintergrundinformationen zum Konflikt und Akteure

Die Sicherheitslage in der Provinz Maidan Wardak hat sich in den letzten Monaten verschlechtert. Aufständische der Taliban sind in gewissen Distrikten aktiv und führen terroristische Aktivitäten aus (KP 19.7.2019; vgl. KP 2.7.2019; DA 11.6.2019; KP 22.4.2019; KP 30.12.2018).

In Bezug auf die Anwesenheit von staatlichen Sicherheitskräften liegt die Provinz Wardak in der Verantwortung des 203. ANA Corps (USDOD 6.2019; vgl. KP 4.7.2019), das der Task Force Southeast unter der Leitung von US-Truppen untersteht (USDOD 6.2019).

Jüngste Entwicklungen und Auswirkungen auf die zivile Bevölkerung

Der folgenden Tabelle kann die Zahl sicherheitsrelevanter Vorfälle bzw. Todesopfer für die Provinz (Maidan) Wardak gemäß ACLED und Globalincidentmap (GIM) für das Jahr 2018 und die ersten drei Quartale 2019 entnommen werden (Quellenbeschreibung s. Disclaimer, hervorgehoben: Distrikt der Provinzhauptstadt):

Im Jahr 2018 dokumentierte UNAMA 224 zivile Opfer (88 Tote und 136 Verletzte) in der Provinz Wardak. Dies entspricht einer Steigerung von 170% gegenüber 2017. Die Hauptursachen für zivile Opfer waren Bodenkämpfe, gefolgt von Selbstmordanschlägen und Sprengstoffanschlägen (UNAMA 24.2.2019).

In der Provinz kommt es regelmäßig zu Sicherheitsoperationen (z.B. KP 9.8.2019; KP 6.8.2019; KP 19.7.2019; KP 2.7.2019; KP 20.6.2019; XI 29.5.2019; KP 21.5.2019; KP 22.4.2019; BN 28.5.2019; AJ 10.3.2019; PAJ 23.1.2019; KP 30.12.2018; ARU 11.10.2018; AT 9.10.2018; TN 26.9.2018). Dabei werden manchmal Aufständische getötet (z.B. KP 6.8.2019; KP 2.7.2019; KP 20.6.2019; XI 29.5.2019; KP 21.5.2019; KP 22.4.2019; BN 28.5.2019) und manchmal Gefangene der Taliban befreit (AN 20.6.2019).

Die Taliban griffen Kontrollpunkte der Sicherheitskräfte an und es kam zu Gefechten mit den Regierungstruppen, was zu Opfern unter den Sicherheitskräften und den Aufständischen führte (z.B. FRP 29.7.2019; ARN 23.6.2019; AN 29.5.2019; TN 9.9.2018; KP 20.10.2018; KP 30.12.2018). Der prominenteste Angriff war eine Autobombe der Taliban auf eine Basis des NDS in der Nähe der Provinzhauptstadt (NYT 21.1.2019; vgl. GN 21.1.2019).

Bei manchen sicherheitsrelevanten Vorfällen kamen auch Zivilisten zu Schaden (z.B. BAMF 15.7.2019; AJ 10.3.2019; PN 9.3.2019; PAJ 23.1.2019; TN 21.1.2019; PAJ 27.10.2018; RFE/RL 27.10.2018; AT 9.10.2018; TN 26.9.2018; PAJ 24.9.2018; PAJ 7.9.2018).

IDPs - Binnenvertriebene

UNOCHA meldete für den Zeitraum 1.1.-31.12.2018 3.199 Vertriebene aus der Provinz Wardak, von denen die meisten in der Provinz selbst und die übrigen in die benachbarten Provinzen Kabul und Ghazni vertrieben wurden (UNOCHA 28.1.2019). Im Zeitraum 1.1.-30.6.2019 meldete UNOCHA 945 Binnenvertriebene aus Wardak, die sich größtenteils in der Provinz selbst, sowie in geringerem Ausmaß in Kabul (35) niederließen (UNOCHA 18.8.2019). Im Zeitraum 1.1.-31.12.2018 meldete UNOCHA 2.205 Binnenvertriebene, welche sich in Wardak niederließen und vor allem aus der Provinz selbst (2.156), sowie aus Kandahar (49) stammten (UNOCHA 28.1.2019). Im Zeitraum 1.1.-30.6.2019 meldete UNOCHA 910 konfliktbedingt in die Provinz Wardak vertriebene Personen, die allesamt aus der Provinz selbst stammten (UNOCHA 18.8.2019).

Taliban

Die Taliban führten auch ihre Offensive "Mansouri" weiter; diese Offensive konzentrierte sich auf den Aufbau einer "Regierungsführung" der Taliban (Engl. "governance") bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung der Gewalt gegen die afghanische Regierung, die ANDSF und ausländische Streitkräfte. Nichtsdestotrotz erreichten die Taliban, die Hauptziele dieser "Kampfsaison" laut US-Verteidigungsministerium nicht (USDOD 12.2017). Operation Mansouri sollte eine Mischung aus konventioneller Kriegsführung, Guerilla-Angriffen und Selbstmordattentaten auf afghanische und ausländische Streitkräfte werden (Reuters 28.4.2017). Auch wollten sich die Taliban auf jene Gegenden konzentrieren, die vom Feind befreit worden waren (LWJ 28.4.2017). Laut NATO Mission Resolute Support kann das Scheitern der Taliban-Pläne für 2017 auf aggressive ANDSF- Operationen zurückgeführt, aber auch auf den Umstand, dass die Taliban den IS und die ANDSF gleichzeitig bekämpfen müssen (USDOD 12.2017).

Im Jahr 2017 wurden den Taliban insgesamt 4.385 zivile Opfer (1.574 Tote und 2.811 Verletzte zugeschrieben. Die Taliban bekannten sich nur zu 1.166 zivilen Opfern. Im Vergleich zum Vorjahreswert bedeutet dies einen Rückgang um 12% bei der Anzahl ziviler Opfer, die den Taliban zugeschrieben werden. Aufgrund der Komplexität der in Selbstmord- und komplexen Anschlägen involvierten Akteure hat die UNAMA oft Schwierigkeiten, die daraus resultierenden zivilen Opfer spezifischen regierungsfreundlichen Gruppierungen zuzuschreiben, wenn keine Erklärungen zur Verantwortungsübernahme abgegeben wurde. Im Jahr 2017 haben sich die Taliban zu 67 willkürlichen Angriffen auf Zivilist/innen bekannt; dies führte zu 214 zivilen Opfern (113 Toten und 101 Verletzten). Auch wenn sich die Taliban insgesamt zu weniger Angriffen gegen Zivilist/innen bekannten, so haben sie dennoch die Angriffe gegen zivile Regierungsmitarbeiter/innen erhöht - es entspricht der Linie der Taliban, Regierungsinstitutionen anzugreifen (UNAMA 2.2018).

Schätzungen von SIGAR zufolge kontrollierten im Oktober 2017 und im Jänner 2018 die Taliban 14% der Distrikte Afghanistans (SIGAR 30.4.2018). Die Taliban selbst verlautbarten im März 2017, dass sie beinahe 10% der afghanischen Distrikte kontrollierten (ODI 6.2018). Die Taliban halten auch weiterhin großes Territorium in den nördlichen und südlichen Gegenden der Provinz Helmand (JD News 12.3.2018; vgl. LWJ 20.4.2018). Die ANDSF haben, unterstützt durch US- amerikanische Truppen, in den ersten Monaten des Jahres 2018 an Boden gewonnen, wenngleich die Taliban nach wie vor die Hälfte der Provinz Helmand unter Kontrolle halten (JD News 12.3.2018; vgl. LWJ 20.4.2018). Helmand war lange Zeit ein Hauptschlachtfeld - insbesondere in der Gegend rund um den Distrikt Sangin, der als Kernstück des Taliban-Aufstands erachtet wird (JD News 12.3.2018; vgl. Reuters 30.3.2018). Die Taliban haben unerwarteten Druck aus ihrer eigenen Hochburg in Helmand erhalten: Parallel zu der Ende März 2018 abgehaltenen Friedens- Konferenz in Uzbekistan sind hunderte Menschen auf die Straße gegangen, haben eine Sitzblockade abgehalten und geschworen, einen langen Marsch in der von den Taliban kontrollierten Stadt Musa Qala zu abzuhalten, um die Friedensgespräche einzufordern. Unter den protestierenden Menschen befanden sich auch Frauen, die in dieser konservativen Region Afghanistans selten außer Hauses gesehen werden (NYT 27.3.2018).

Die Taliban geben im Kurznachrichtendienst Twitter Angaben zu ihren Opfern oder Angriffen (FAZ 19.10.2017; vgl. Pajhwok 13.3.2018). Ihre Angaben sind allerdings oft übertrieben (FAZ 19.10.2017). Auch ist es sehr schwierig Ansprüche und Bekennermeldungen zu verifizieren - dies gilt sowohl für Taliban als auch für den IS (AAN 5.2.2018).

Kabul

Die Provinzhauptstadt von Kabul und gleichzeitig Hauptstadt von Afghanistan ist Kabul-Stadt. Die Provinz Kabul grenzt im Nordwesten an die Provinz Parwan. im Nordosten an Kapisa. im Osten an Laghman. an Nangarhar im Südosten. an Logar im Süden und an (Maidan) Wardak im Südwesten. Kabul ist mit den Provinzen Kandahar. Herat und Mazar durch die sogenannte Ringstraße und mit Peshawar in Pakistan durch die Kabul-Torkham Autobahn verbunden. Die Provinz Kabul besteht aus folgenden Einheiten (Pajhwoko.D.z): Bagrami. Chaharasyab/CharAsiab. Dehsabz/Dehsabz. Estalef/Istalif. Farza. Guldara. Kabul Stadt. Kalakan. Khak-e Jabbar/Khak-i-Jabar. Mirbachakot/Mir Bacha Kot. Musayi/Mussahi. Paghman. Qarabagh. Shakardara. Surobi/Sorubi (UN OCHA 4-2014; vgl. Pajhwoko.D.z).

Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 4.679.648 geschätzt (CSO 4.2017).

In der Hauptstadt Kabul leben unterschiedliche Ethnien: Paschtunen. Tadschiken. Hazara. Usbeken. Turkmenen. Belutschen. Sikhs und Hindus. Ein Großteil der Bevölkerung gehört dem sunnitischen Glauben an. dennoch lebt eine Anzahl von Schiiten. Sikhs und Hindus nebeneinander in Kabul Stadt (Pajhwoko.D.z). Menschen aus unsicheren Provinzen, auf der Suche nach Sicherheit und Jobs, kommen nach Kabul - beispielsweise in die Region Shuhada-e Saliheen (LAT 26.3.2018). In der Hauptstadt Kabul existieren etwa 60 anerkannte informelle Siedlungen, in denen 65.000 registrierte Rückkehrer/innen und IDPs wohnen (TG 15.3.2018).

Kabul verfügt über einen internationalen Flughafen: den Hamid Karzai International Airport (HKIR) (Tolonews 25.2.2018; vgl. Flughafenkarte der Staatendokumentation; Kapitel 3.35). Auch soll die vierspurige "Ring Road", die Kabul mit angrenzenden Provinzen verbindet, verlängert werden (Tolonews 10.9.2017; vgl. Kapitel 3.35.).

Allgemeine Information zur Sicherheitslage

Einst als relativ sicher erachtet, ist die Hauptstadt Kabul von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen der Taliban betroffen (Reuters 14.3.2018), die darauf abzielen, die Autorität der afghanischen Regierung zu untergraben (Reuters 14.3.2018; vgl. UNGASC 27.2.2018). Regierungsfeindliche, bewaffnete Gruppierungen inklusive des IS versuchen in Schlüsselprovinzen und -distrikten, wie auch in der Hauptstadt Kabul, Angriffe auszuführen (Khaama Press 26.3.2018; vgl. FAZ 22.4.2018, AJ 30.4.2018). Im Jahr 2017 und in den ersten Monaten des Jahres 2018 kam es zu mehreren "high-profile"-Angriffen in der Stadt Kabul; dadurch zeigte sich die Angreifbarkeit/Vulnerabilität der afghanischen und ausländischen Sicherheitskräfte (DW 27.3.2018; vgl. VoA 19.3.2018 SCR 3.2018, FAZ 22.4.2018, AJ 30.4.2018).

Im Zeitraum 1.1.2017- 30.4.2018 wurden in der Provinz 410 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert, welche durch die folgende Darstellung der Staatendokumentation veranschaulicht werden sollen:

Im gesamten Jahr 2017 wurden 1.831 zivile Opfer (479 getötete Zivilisten und 1.352 Verletzte) registriert. Hauptursache waren Selbstmordanschläge, gefolgt von IEDs und gezielte Tötungen. Dies bedeutet eine Steigerung von 4% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016. Für Kabul-Stadt wurden insgesamt 1.612 zivile Opfer registriert; dies bedeutet eine Steigerung von 17% im Gegensatz zum Vorjahr 2016 (440 getötete Zivilisten und 1.172 Verletzte) (UNAMA 2.2018).

Im Jahr 2017 war die höchste Anzahl ziviler Opfer Afghanistans in der Provinz Kabul zu verzeichnen, die hauptsächlich auf willkürliche Angriffe in der Stadt Kabul zurückzuführen waren; 16% aller zivilen Opfer in Afghanistan sind in Kabul zu verzeichnen. Selbstmordangriffe und komplexe Attacken, aber auch andere Vorfallsarten, in denen auch IEDs verwendet wurden, erhöhten die Anzahl ziviler Opfer in Kabul. Dieser öffentlichkeitswirksame (high-profile) Angriff im Mai 2017 war alleine für ein Drittel ziviler Opfer in der Stadt Kabul im Jahr 2017 verantwortlich (UNAMA 2.2018).

Militärische Operationen und Maßnahmen der afghanischen Regierung in der Provinz Kabul

Regelmäßig werden in der Hauptstadt Sicherheitsoperationen durch die Regierung in unterschiedlichen Gebieten ausgeführt (Tolonews 31.1.2018; vgl. AT 18.3.2018, RS 28.2.2018; vgl. MF 18.3.2018). Im Rahmen des neuen Sicherheitsplanes sollen außerdem Hausdurchsuchungen ausgeführt werden (MF 18.3.2018). Um die Sicherheitslage in Kabul-Stadt zu verbessern, wurden im Rahmen eines neuen Sicherheitsplanes mit dem Namen "Zarghun Belt" (der grüne Gürtel), der Mitte August 2017 bekannt gegeben wurde, mindestens 90 Kontrollpunkte in den zentralen Teilen der Stadt Kabul errichtet. Die afghanische Regierung deklarierte einen Schlüsselbereich der afghanischen Hauptstadt zur "Green Zone" - dies ist die Region, in der wichtige Regierungsinstitutionen, ausländische Vertretungen und einige Betriebe verortet sind (Tolonews 7.2.2018). Kabul hatte zwar niemals eine formelle "Green Zone"; dennoch hat sich das Zentrum der afghanischen Hauptstadt, gekennzeichnet von bewaffneten Kontrollpunkten und Sicherheitswänden, immer mehr in eine militärische Zone verwandelt (Reuters 6.8.2017). Die neue Strategie beinhaltet auch die Schließung der Seitenstraßen, welche die Hauptstadt Kabul mit den angrenzenden Vorstädten verbinden; des Weiteren, werden die Sicherheitskräfte ihre Präsenz, Personenkontrollen und geheimdienstlichen Aktivitäten erhöhen (Tolonews 7.2.2018). Damit soll innerhalb der Sicherheitszone der Personenverkehr kontrolliert werden. Die engmaschigen Sicherheitsmaßnahmen beinhalten auch eine erhöhte Anzahl an Sicherheitskräften und eine Verbesserung der Infrastruktur rund um Schlüsselbereiche der Stadt (Tolonews 1.3.2018). Insgesamt beinhaltet dieser neue Sicherheitsplan 52 Maßnahmen, von denen die meisten nicht veröffentlicht werden (RFE/RL 7.2.2018). Auch übernimmt die ANA einige der porösen Kontrollpunkte innerhalb der Stadt und bildet spezialisierte Soldaten aus, um Wache zu stehen. Des Weiteren soll ein kreisförmiger innerer Sicherheitsmantel entstehen, der an einen äußeren Sicherheitsring nahtlos anschließt - alles dazwischen muss geräumt werden (Reuters 14.3.2018).

Regierungsfeindliche Gruppierungen in der Provinz Kabul

Sowohl die Taliban als auch der IS verüben öffentlichkeitswirksame (high-profile) Angriffe in der Stadt Kabul (UNGASC 27.2.2018; vgl. RFE/RL 17.3.2018, Dawn 31.1.2018), auch dem Haqqani- Netzwerk wird nachgesagt, Angriffe in der Stadt Kabul zu verüben (RFE/RL 30.1.2018; vgl. NYT 9.3.2018, VoA 1.6.2017). So existieren in der Hauptstadt Kabul scheinbar eine Infrastruktur, Logistik und möglicherweise auch Personal ("terroriststohire"), die vom Haqqani-Netzwerk oder anderen Taliban-Gruppierungen, Splittergruppen, die unter der Flagge des IS stehen, und gewaltbereiten pakistanischen sektiererischen (anti-schiitischen) Gruppierungen verwendet werden (AAN 5.2.2018).

Zum Beispiel wurden zwischen 27.12.2017 und 29.1.2018 acht Angriffe in drei Städten ausgeführt, zu denen neben Jalalabad und Kandahar auch Kabul zählte - fünf dieser Angriffe fanden dort statt. Nichtsdestotrotz deuten die verstärkten Angriffe - noch - auf keine größere Veränderung hinsichtlich des "Modus Operandi" der Taliban an (AAN 5.2.2018).

Für den Zeitraum 1.1.2017 - 31.1.2018 wurden in der Provinz Kabul vom IS verursachte Vorfälle registriert (Gewalt gegenüber Zivilist/innen und Gefechte) (ACLED 23.2.2018).

Rückkehr

Als Rückkehrer werden jene afghanischen Staatsbürger bezeichnet, die nach Afghanistan zurückgekehrt sind, nachdem sie mindestens sechs Monate im Ausland verbracht haben. Dazu zählen sowohl im Ausland registrierte Afghanen, die dann die freiwillige Rückkehr über UNHCR angetreten haben, als auch nicht-registrierte Personen, die nicht über UNHCR zurückgekehrt sind, sondern zwangsweise rückgeführt wurden. Insgesamt sind in den Jahren 2012 bis 2017 1.821.011 Personen nach Afghanistan zurückgekehrt.

Die Anzahl der Rückkehrer hat sich zunächst im Jahr 2016 im Vergleich zum Zeitraum 2012-2015, um 24% erhöht, und ist im Jahr 2017 um 52% zurückgegangen. In allen drei Zeiträumen war Nangarhar jene Provinz, die die meisten Rückkehrer zu verzeichnen hatte (499.194); zweimal so viel wie Kabul (256.145). Im Jahr 2017 kehrten IOM zufolge insgesamt 98.191 Personen aus Pakistan und 462.361 Personen aus Iran zurück (sowohl freiwillig, als auch zwangsweise). Im Jahr 2018 kehrten mit Stand 21. März 1.052 Personen aus angrenzenden Ländern und nicht-angrenzenden Ländern zurück. Bis Juli 2017 kehrten aus Europa und der Türkei 41.803 Personen nach Afghanistan zurück.

Unterstützung durch verschiedene Organisationen Vorort

Die afghanische Regierung kooperierte mit UNHCR, IOM und anderen humanitären Organisationen, um IDPs, Flüchtlingen, rückkehrenden Flüchtlingen und anderen betroffenen Personen Schutz und Unterstützung zu bieten. Die Fähigkeit der afghanischen Regierung vulnerable Personen zu unterstützen, einschließlich Rückkehrer aus Pakistan und dem Iran, bleibt begrenzt und ist weiterhin auf die Hilfe der internationalen Gemeinschaft angewiesen.

Auch wenn scheinbar kein koordinierter Mechanismus existiert, der garantiert, dass alle Rückkehrer die Unterstützung erhalten, die sie benötigen, und dass eine umfassende Überprüfung stattfindet, können Personen, die freiwillig oder zwangsweise nach Afghanistan zurückgekehrt sind, dennoch verschiedene Unterstützungsformen in Anspruch nehmen. Eine Reihe unterschiedlicher Organisationen ist für Rückkehrer und Binnenvertriebene (IDP) in Afghanistan zuständig. Außerdem erhalten Rückkehrer Unterstützung von der afghanischen Regierung, den Ländern, aus denen sie zurückkehren, und internationalen Organisationen (z.B. IOM) sowie lokalen Nichtregierungsorganisationen (NGO). Nichtsdestotrotz scheint das Sozialkapital die wichtigste Ressource zu sein, die Rückkehrer zur Verfügung steht, da keine dezidiert staatlichen Unterbringungen für Rückkehrer existieren und familiäre Unterbringungsmöglichkeiten für Rückkehrer daher als die zuverlässigste und sicherste Möglichkeit erachtet werden. So kehrt der Großteil der (freiwilligen bzw. zwangsweisen) Rückkehrer direkt zu ihren Familien oder in ihre Gemeinschaften zurück. Für jene, die diese Möglichkeit nicht haben sollten, stellen die Regierung und IOM eine temporäre Unterkunft zur Verfügung. Hierfür stand bislang das Jangalak-Aufnahmezentrum zur Verfügung, das sich direkt in der Anlage des Ministeriums für Flüchtlinge und Repatriierung in Kabul befand und wo Rückkehrende für die Dauer von bis zu zwei Wochen untergebracht werden konnten. Seit September 2017 nutzt IOM nicht mehr das Jangalak-Aufnahmezentrum, sondern das Spinzar Hotel in Kabul als temporäre Unterbringungsmöglichkeit. Auch hier können Rückkehrer für maximal zwei Wochen untergebracht werden.

Unterstützung durch die afghanische Regierung

Hilfeleistungen für Rückkehrer durch die afghanische Regierung konzentrieren sich auf Rechtsbeistand, Arbeitsplatzvermittlung, Land und Unterkunft (wenngleich sich das Jangalak- Aufnahmezentrum bis September 2017 direkt in der Anlage des Ministeriums für Flüchtlinge und Repatriierung in Kabul befand, wurde dieses dennoch von IOM betrieben und finanziert). Seit 2016 erhalten die Rückkehr nur Hilfeleistungen in Form einer zweiwöchigen Unterkunft. Neue politische Rahmenbedingungen für Rückkehrer und IDPs wurden von unterschiedlichen afghanischen Behörden, dem Ministerium für Flüchtlinge und Repatriierung (MoRR) und internationalen Organisationen geschaffen und sind im Dezember 2016 in Kraft getreten. Diese Rahmenbedingungen gelten sowohl für Rückkehrer aus der Region (Iran und Pakistan), als auch für jene, die aus Europa zurückkommen oder IDPs sind.

Soweit dies möglich ist, sieht dieser mehrdimensionale Ansatz der Integration unter anderem auch die individuelle finanzielle Unterstützung als einen Ansatz der "wholeofcommunity" vor. Demnach sollen Unterstützungen nicht nur Einzelnen zugutekommen, sondern auch den Gemeinschaften, in denen sie sich niederlassen. Die Rahmenbedingungen sehen die Grundstücksvergabe als entscheidend für den Erfolg anhaltender Lösungen. Hinsichtlich der Grundstücksvergabe wird es als besonders wichtig erachtet, das derzeitige Gesetz zu ändern, da es als anfällig für Korruption und Missmanagement gilt. Auch wenn nicht bekannt ist, wie viele Rückkehrer aus Europa Grundstücke von der afghanischen Regierung erhalten haben - und zu welchen Bedingungen - sehen Experten dies als möglichen Anreiz für jene Menschen, die Afghanistan schon vor langer Zeit verlassen haben und deren Zukunftsplanung von der Entscheidung europäischer Staaten über ihre Abschiebungen abhängig ist.

Die Rolle unterschiedlicher Netzwerke für Rückkehrer

Die Großfamilie ist die zentrale soziale Institution in Afghanistan und bildet das wichtigste soziale Sicherheitsnetz der Afghanen. Alle Familienmitglieder sind Teil des familiären Netzes. Die Großfamilie trägt zu Schutz, Betreuung und Versorgung ihrer Mitglieder bei. Sie bildet auch eine wirtschaftliche Einheit; die Männer der Familie sind verpflichtet, die Mitglieder der Großfamilie zu unterstützen und die Familie in der Öffentlichkeit zu repräsentieren. Auslandsafghanen pflegen zumeist enge Kontakte mit ihren Verwandten in Afghanistan. Quellen zufolge verlieren nur sehr wenige Afghanen in Europa den Kontakt zu ihrer Familie. Die Qualität des Kontakts mit der Familie hängt möglicherweise auch davon ab, wie lange die betreffende Person im Ausland war bzw. wie lange sie tatsächlich in Afghanistan lebte, bevor sie nach Europa migrierte. Der Faktor geographische Nähe verliert durch technologische Entwicklungen sogar an Wichtigkeit. Der Besitz von Mobiltelefonen ist mittlerweile "universell" geworden und digitale Kommunikation wird eine zunehmende Selbstverständlichkeit, vor allem in den Städten.

Quellen zufolge halten Familien in Afghanistan in der Regel Kontakt zu ihrem nach Europa ausgewanderten Familienmitglied und wissen genau Bescheid, wo sich dieses aufhält und wie es ihm in Europa ergeht. Dieser Faktor wird in Asylinterviews meist heruntergespielt und viele Migranten, vor allem Minderjährige, sind instruiert zu behaupten, sie hätten keine lebenden Verwandten mehr oder jeglichen Kontakt zu diesen verloren.

Neben der Familie als zentrale Stütze der afghanischen Gesellschaft, kommen noch weitere, wichtige Netzwerke zum Tragen, wie z. B. der Stamm, der Clan und die lokale Gemeinschaft. Diese basieren auf Zugehörigkeit zu einer Ethnie, Religion oder anderen "professionellen" Netzwerken sowie politische Netzwerke usw. Die unterschiedlichen Netzwerke haben verschiedene Aufgaben und unterschiedliche Einflüsse - auch unterscheidet sich die Rolle der Netzwerke zwischen den ländlichen und städtischen Gebieten.

Ein Netzwerk ist für das Überleben in Afghanistan wichtig. So sind einige Rückkehrer auf soziale Netzwerke angewiesen, wenn es ihnen nicht möglich ist, auf das familiäre Netz zurückzugreifen. Ein Mangel an Netzwerken stellt eine der größten Herausforderungen für Rückkehrer dar, was möglicherweise zu einem neuerlichen Verlassen des Landes führen könnte.

Die Rolle sozialer Netzwerke - der Familie, der Freunde und der Bekannten - ist für junge Rückkehrer besonders ausschlaggebend, um sich an das Leben in Afghanistan anzupassen. Sollten diese Netzwerke im Einzelfall schwach ausgeprägt sein, kann die Unterstützung verschiedener Organisationen und Institutionen in Afghanistan in Anspruch genommen werden.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zu den Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat:

Die Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat, welche den Parteien im Rahmen der mündlichen Verhandlung vorgehalten und denen im Zuge dessen nicht substantiiert entgegengetreten wurde, stützen sich auf die zitierten Quellen. Da diese aktuellen Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der getroffenen Länderfeststellungen zu zweifeln. Insoweit den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht wesentlich geändert haben.

2.2. Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers, seiner Herkunft, seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit gründen sich auf die diesbezüglich glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers. Seine Identität konnte mangels Vorlage unbedenklicher Dokumente nicht festgestellt werden; der im Spruch angeführte Name dient lediglich zur Identifizierung des Beschwerdeführers als Verfahrenspartei.

Das Datum der Antragstellung und die Ausführungen zum Verfahrensverlauf ergeben sich aus dem Akteninhalt.

Die Feststellungen zur persönlichen und familiären Situation des Beschwerdeführers ergeben sich aus seinen Angaben im Rahmen des Verfahrens vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl bzw. im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht.Die Feststellung zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit ergibt sich aus der Einsichtnahme in das Strafregister.

2.3. Zu den Feststellungen zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers:

Gemäß der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es Aufgabe des Asylwerbers, durch ein in sich stimmiges und widerspruchsfreies Vorbringen, allenfalls durch entspre-chende Bescheinigungsmittel, einen asylrelevanten Sachverhalt glaubhaft zu machen (VwGH 25.3.1999, 98/20/0559). Dabei bedarf es zunächst einer persönlichen Glaubwürdigkeit des Asylwerbers, die insbesondere dann getrübt sein wird, wenn sein Vorbringen auf ge- oder verfälschte Beweismittel gestützt ist oder er wichtige Tatsachen verheimlicht respektive be-wusst falsch darstellt, im Laufe des Verfahrens das Vorbringen auswechselt oder unbegrün-det und verspätet erstattet oder mangelndes Interesse am Verfahrensablauf zeigt und die nötige Mitwirkung verweigert. Weiters muss das Vorbringen des Asylwerbers - unter Berücksichtigung der jeweiligen Fähigkeiten und Möglichkeiten - genügend substantiiert sein; dieses Erfordernis ist insbesondere dann nicht erfüllt, wenn der Asylwerber den Sachverhalt sehr vage schildert oder sich auf Gemeinplätze beschränkt, nicht aber in der Lage ist, konkrete und detaillierte Angaben über seine Erlebnisse zu machen. Das Vorbringen hat zudem plausibel zu sein, muss also mit den Tatsachen oder der allgemeinen Erfahrung übereinstimmen. Schließlich muss das Fluchtvorbringen in sich schlüssig sein; der Asylwerber darf sich demgemäß nicht in wesentlichen Aussagen widersprechen.

Im vorliegenden Verfahren hat der Beschwerdeführer nach seiner Erstbefragung in einer Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Gelegenheit gehabt, seine Fluchtgründe umfassend darzulegen. Der aufgrund dieser Befragungen festgestellte Sachverhalt und die Beweiswürdigung finden ihren Niederschlag im angefochtenen Bescheid. In Anbetracht des von der belangten Behörde durchgeführten Ermittlungsverfahrens sowie angesichts der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht und dem ergänzenden Vorbringen des Beschwerdeführers, hat dieses auch keine Bedenken gegen die (in der Bescheidbegründung zum Ausdruck kommende) Annahme der belangten Behörde, dass dem Beschwerdeführer in seinem Herkunftsstaat keine gezielte konkrete Verfolgung droht:

Die vom Beschwerdeführer behauptete Bedrohung bzw. Verfolgungsgefährdung durch Angehörige der Taliban bzw. durch seinen jüngeren Onkel väterlicherseits in Afghanistan konnte letztlich nicht festgestellt werden. Hinsichtlich der Taliban hat er zum einen im Verfahren von keinem einzigen Vorfall in seiner Heimat berichtet, welcher seine Befürchtungen überzeugend stützen und ein Interesse der Extremisten an seiner Person bzw. an seinen Familienangehörigen tatsächlich nahelegen würde, zum anderen hat er nur sehr allgemeine Angaben gemacht und letztlich keine nachvollziehbaren Gründe für seine Befürchtungen vorgebracht oder eigene Erlebnisse bzw. Erfahrungen geschildert, welche seine Ängste überzeugend untermauern. Vielmehr hat er im Zuge der Einvernahme wiederholt ausdrücklich erklärt, dass er persönlich nicht direkt bedroht worden sei, dass er mit den Taliban nie persönlich Bekanntschaft gemacht bzw. dass es keine konkreten Vorfälle mit ihm und den Taliban gegeben habe. Auch vor der erkennenden Richterin hat er hinsichtlich einer allfälligen Bedrohung durch Angehörige der Taliban lediglich Vermutungen geäußert bzw. von einem lang zurückliegenden Erlebnis aus seiner Kindheit erzählt, welches letztlich gut ausgegangen ist (vgl. Verhandlung vom 26.11.2019: "Ich hatte die Befürchtung ebenfalls von den Taliban mit genommen zu werden. [...] Es ist nichts weiter geschehen, aber wenn sie festgestellt hätten, dass jemand in diesem Fahrzeug Schiite ist, hätten sie ihn mitgenommen."), und von keinem einzigen Vorfall oder Ereignis berichten können, welches seine Ängste tatsächlich untermauern könnte. Wie sich letztlich sogar herausgestellt hat, stützen sich die dahingehenden Befürchtungen des Beschwerdeführers ausschließlich auf Erzählungen aus seiner Kindheit bzw. frühesten Jugend (vgl. Verhandlung vom 26.11.2019: "Als ich noch klein war, hat mir mein Onkel erzählt, dass die Taliban gegen die Schiiten sind und die Schiiten verfolgen und töten. [...] Solange ich dort war, gab es keine Vorfälle im Dorf. Mein Onkel hat mir aber erzählt, dass es früher so war."). In diesem Zusammenhang ist insbesondere auch darauf hinzuweisen, dass die Taliban den Länderberichten zufolge vornehmlich gegen afghanische Sicherheitskräfte, staatliche Einrichtungen und ausländische Soldaten vorgehen. Auch wenn die einfache Bevölkerung zu den Leidtragenden der Auseinandersetzungen gehört, wird der Konflikt zumeist zwischen den Extremisten und den in- und ausländischen Sicherheits- bzw. Militärkräften ausgetragen. Dieser Umstand wurde letztlich auch durch die Angaben des Beschwerdeführers bestätigt, wonach er im Zuge seiner Ausreise aus der Heimat Kampfhandlungen zwischen den Taliban und afghanischen Sicherheitskräften beobachtet habe. Was eine im Rahmen der Beschwerde bzw. Stellungnahme vorgebrachte Zwangsrekrutierung des Beschwerdeführers durch die Taliban betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass diese ihren Nachschub den Länderberichten zufolge vorwiegend aus freiwilligen Bewerbern decken, bei welchen von einer gefestigteren Überzeugung und einer stärkeren Loyalität auszugehen ist. Auch bezüglich der ebenso bloß in den Raum gestellten Bedrohung aufgrund seiner Volksgruppen- bzw. Religionszugehörigkeit hat er letztlich selbst zugegeben, dass es ihm gegenüber keine konkreten Vorfälle gegeben habe.

Was seinen jüngeren Onkel väterlicherseits betrifft, ist zunächst darauf hinzuweisen, dass der Beschwerdeführer dieses Vorbringen vor dem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes überhaupt nicht und im Zuge seiner Einvernahme erst nach seinen Ängsten vor den Taliban und dabei eigentlich nachrangig vorgebracht hat (vgl. Einvernahme vom 09.05.2018: "Ich bin von diesem Onkel immer wieder bedroht worden, ich hatte auch Angst vor den Taliban. Ich habe Angst vor dem Sterben gehabt. Sie haben ausnahmslos Kinder und Personen umgebracht. Der Onkel hat auch gesagt, dass er mich umbringen wird."). Abgesehen davon hat er die angeblichen Verfolgungshandlungen nur sehr allgemein und oberflächlich vorgebracht und dabei nicht den Eindruck erwecken können, dass er diese tatsächlich selbst erlebt hat. So hat er weder die genaue Anzahl der Übergriffe angeben (vgl. Einvernahme vom 09.05.2018: "3, 4 oder 5-mal bin ich von einem Holzstock geschlagen worden."), noch den Ablauf der angeblichen Übergriffe genauer schildern können. Dabei ist insbesondere aber auch darauf aufmerksam zu machen, dass der Grundstücksanteil dem Beschwerdeführer bereits nach dem Tod seiner Großeltern (im Alter von fünf Jahren), also über zehn Jahre vor seiner Ausreise zugefallen und dass die Bewirtschaftung durch einen von seinem anderen Onkel väterlicherseits bestellten Bauern erfolgt sei. Es ist daher weder plausibel noch nachvollziehbar und somit unglaubwürdig, dass sein Onkel erst drei Jahre vor der Ausreise des Beschwerdeführers seine Bedenken gegen dessen Erbschaft geäußert haben soll. Zum einen lag der Erbfall bereits über sieben Jahre zurück, zum anderen war der Beschwerdeführer zu diesem Zeitpunkt noch lange nicht volljährig (vgl. Einvernahme vom 09.05.2018: "In Afghanistan gilt man mit 18 Jahren als erwachsen. Ab diesem Alter kann man sein Erbe antreten."). Die seitens des Beschwerdeführers behauptete Bedrohung ist daher weder nachvollziehbar noch plausibel.

Davon abgesehen ergibt sich aus den Länderberichten bekanntlich, dass Afghanistan kein zentrales Bevölkerungsregister, ebenso wenig "gelbe Seiten" oder Datenbanken mit Telefonnummerneinträgen hat (EASO 2.2018; vgl. BFA 13.6.2019). Auch muss sich ein Neuankömmling bei seiner Ankunft nicht in dem neuen Ort registrieren. Nach Ansicht der erkennenden Richterin liegen im konkreten Fall - entgegen der Ausführungen im Rahmen der Beschwerdeschrift und Stellungnahme - daher keine konkreten Hinweise oder Anhaltspunkte dafür vor, dass mögliche Verfolger den Beschwerdeführer in einer der modernen Großstädte Afghanistans ohne Meldewesen tatsächlich finden könnten.

Zusammengefasst hat der Beschwerdeführer letztlich keine nachvollziehbaren Gründe für seine Befürchtungen vorgebracht, welche seine Ängste in Afghanistan überzeugend stützen. Aus dem gesamten Vorbringen des Beschwerdeführers lässt sich daher keine persönliche Gefährdung oder Verfolgung für seine Person ableiten.

Dass der Beschwerdeführer bei einer möglichen Rückkehr nach Kabul, Mazar-e Scharif oder Herat nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit in eine existenzbedrohende Notlage geraten würde, ergibt sich aus einer Zusammenschau der oben wiedergegebenen Länderberichte und aus den festgestellten persönlichen Umständen des Beschwerdeführers.

Dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl kann dementsprechend nicht darin entgegengetreten werden, dass der Beschwerdeführer im Laufe seines Verfahrens mit seinem Vorbringen eine konkrete und aktuelle Verfolgung oder drohende Verfolgung aus Gründen, wie in der Genfer Flüchtlingskonvention taxativ aufgezählt, nicht hat glaubhaft machen können.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Eine derartige Regelung wird in den einschlägigen Materiengesetzen (BFA-VG, AsylG 2005, FPG) nicht getroffen und es liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Zu A)

3.1. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides (Status des Asylberechtigten):

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der Statusrichtlinie verweist). Gemäß § 3 Abs 3 AsylG 2005 ist der Asylantrag bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005) offensteht oder wenn er einen Asylausschlussgrund (§ 6 AsylG 2005) gesetzt hat.

Flüchtling iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren (VwGH 08.09.2015, Ra 2015/18/0080, mwN).

Voraussetzung für die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten ist im Übrigen, dass die begründete Furcht einer Person vor Verfolgung in kausalem Zusammenhang mit einem oder mehreren

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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