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E000 EU- Recht allgemein;Norm
11992E030 EGV Art30;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Bumberger und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Suda, über die Beschwerde des G in Leonding, vertreten durch Dr. Alexander Hasch, Dr. Bernhard Huber und Dr. Hans Spohn, Rechtsanwälte in Linz, Landstraße 47, gegen den Bescheid des Bundesministers für Gesundheit und Konsumentenschutz vom 9. Jänner 1995, Zl. 369.374/1-III/B/12a/94, betreffend die Untersagung des Inverkehrbringens eines als diätetisches Lebensmittel angemeldeten Produktes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des Bundesministers für Gesundheit und Konsumentenschutz vom 9. Jänner 1995 wurde gemäß § 17 Abs. 4 Lebensmittelgesetz 1975 (LMG 1975) das Inverkehrbringen des Produktes "Violetta Trinkwasser für Babynahrung" als diätetisches Lebensmittel untersagt. Hiezu wurde im wesentlichen ausgeführt, die Sachbezeichnung des gegenständlichen Produktes laute "Violetta Trinkwasser für Babynahrung". Weiters sei auf der Etikette ein Säugling abgebildet. Eine derartige Aufmachung bedinge eine Anmeldung als diätetisches Lebensmittel nach § 17 LMG 1975. Gemäß § 17 Abs. 1 lit. b leg. cit. seien diätetische Lebensmittel solche besonderer Beschaffenheit, die u.a. für den Zweck hergestellt würden, besonderen Ernährungsbedürfnissen des Säuglings Rechnung zu tragen und sich dadurch von Lebensmitteln vergleichbarer Art unterschieden. Ein Lebensmittel vergleichbarer Art sei Trinkwasser, welches den Anforderungen des Österreichischen Lebensmittelbuches, III. Auflage, Kapital B 1 "Trinkwasser" sowie der Trinkwassernitratverordnung, BGBl. Nr. 557/1989, und der Trinkwasser-Pestizidverordnung, BGBl. Nr. 448/1991, entsprechen müsse. Derartiges Wasser sei von vorneherein für die Ernährung von Säuglingen geeignet. Das in Rede stehende Produkt weise somit keine Unterschiede zu Lebensmitteln vergleichbarer Art, also zu gewöhnlichem, den lebensmittelrechtlichen Bedingungen entsprechenden Trinkwasser, hinsichtlich der Eignung zur besonderen Ernährung von Säuglingen auf. Es könne daher nicht als diätetisches Lebensmittel qualifiziert werden. Den Ausführungen, daß das in Rede stehende Produkt der Ergänzung des Österreichischen Lebensmittelbuches, Kapitel B 17, Anhang III (zu Abs. 12 Pkt. 1), zur Gänze entspreche und die darin angeführten Höchstwerte an Natrium, Kalium, Kalzium, Magnesium, Fluorid, Chlorid, Jodid, Nitrat, Nitrit, Sulfat und Hydrogencarbonat nicht überschreite und für solches Wasser die Bezeichnung "geeignet für die Zubereitung von Säuglingsnahrung" ausdrücklich zugelassen sei, sei entgegenzuhalten, daß sich diese Angaben auf natürliches Mineralwasser bezögen und nicht auf in Flaschen abgefülltes Trinkwasser; für Trinkwasser würden die Bestimmungen des Codexkapitels B 1 "Trinkwasser" gelten. Jedes Trinkwasser müsse für die Zubereitung von Babynahrung geeignet sein. Auch könne der Auffassung nicht gefolgt werden, daß die Annahme der Zulässigkeit des Inverkehrbringens des in Rede stehenden Produktes lediglich unter der Voraussetzung der Nichtuntersagung als diätetisches Lebensmittel in Widerspruch zu den Bestimmungen des Österreichischen Lebensmittelbuches, Kapitel B 17, Anhang III, stehe. Diese Bestimmungen hätten nämlich ausschließlich für natürliches Mineralwasser, aber nicht für Trinkwasser Geltung. Die Sachbezeichnung "Violetta Trinkwasser für Babynahrung" sowie die Abbildung eines Säuglings auf dem Etikett bedingten eine Anmeldung im Sinne des § 17 Abs. 1 lit. b LMG 1975; allerdings erfülle das Produkt nicht die Anforderungen des § 17 leg. cit. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt:
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 17 Abs. 1 LMG 1975 sind diätetische Lebensmittel Lebensmittel besonderer Beschaffenheit, die für bestimmte Gruppen von Verbrauchern zu dem Zweck hergestellt wurden,
a)
die Zufuhr bestimmter Nährstoffe oder anderer ernährungsphysiologisch wirkender Stoffe zu steigern oder zu verringern oder
b)
besonderen Ernährungsbedürfnissen bei Krankheiten, Mangelerscheinungen, Funktionsanomalien und bei Überempfindlichkeit gegen einzelne Lebensmittel oder deren Bestandteile, während der Schwangerschaft und Stillzeit sowie des Säuglings oder Kleinkindes Rechnung zu tragen,
und die sich dadurch von Lebensmitteln vergleichbarer Art unterscheiden. Wahrheitsgemäße Angaben über den diätetischen Zweck sind keine nach § 9 ABs. 1 verbotenen Bezeichnungen.
Gemäß § 17 Abs. 2 leg. cit. ist es verboten, Lebensmittel unter einer Aufmachung oder unter Verwendung von Bezeichnungen, die die Eignung des Lebensmittels im Sinne des Abs. 1 dartun, vor ihrer Anmeldung beim Bundesministerium für Gesundheit und Konsumentenschutz in Verkehr zu bringen.
Gemäß § 17 Abs. 4 leg. cit. hat der Bundesminister für Gesundheit und Konsumentenschutz durch Bescheid das Inverkehrbringen einer als diätetisches Lebensmittel angemeldeten Ware unverzüglich, längstens binnen drei Monaten zu untersagen, wenn die Ware den in Abs. 1 angeführten Anforderungen nicht entspricht oder für den vorgesehenen diätetischen Zweck nicht geeignet ist.
Der Beschwerdeführer wendet gegen die Auffassung der belangten Behörde ein, sie verkenne, daß es im Grunde des § 17 Abs. 1 lit. b LMG 1975 nicht darauf ankomme, ob Lebensmittel vergleichbarer Art für die Ernährung von Säuglingen ebenfalls geeignet seien. Diese Bestimmung stelle darauf ab, daß besonderen Ernährungsbedürfnissen des Säuglings oder Kleinkindes Rechnung getragen werde. Das bedeute aber nicht, daß nur das angemeldete Produkt und nicht auch vergleichbare Produkte für die Säuglingsernährung geeignet sein dürften; das angemeldete Produkt müsse lediglich besonderen Ernährungsbedürfnissen Rechnung tragen, was so viel heiße wie "besser geeignet" sein. Ebenso wie bei Mineralwasser gäbe es auch bei Trinkwasser unterschiedliche Zusammensetzungen und Qualitäten. Auch Trinkwasser könne eine chemische Zusammensetzung aufweisen, die den besonderen Ernährungsbedürfnissen von Säuglingen oder Kleinkindern Rechnung trage. Ein derartiges, qualitativ höherwertiges Wasser, das aufgrund seiner chemikalischen Zusammensetzung den Ernährungsbedürfnissen von Kleinkindern entgegenkomme, sei das gegenständliche Produkt des Beschwerdeführers. Es unterscheide sich von "normalem" Trinkwasser, welches lediglich den Mindestanforderungen des Österreichischen Lebensmittelbuches und den ergangenen Verordnungen entspreche, sehr wesentlich. Es erfülle jene chemikalischen Voraussetzungen, die für natürliches Mineralwasser erforderlich seien, um die Bezeichnung "geeignet für die Zubereitung von Säuglingsnahrung" verwenden zu dürfen. Es handle sich um besonders hochwertiges Wasser, welches den besonderen Ernährungsbedürfnissen von Säuglingen und Kleinkindern Rechnung trage. In Deutschland werde das in Rede stehende Wasser als Tafelwasser qualifiziert und dürfe den Zusatz "geeignet für die Zubereitung von Säuglingsnahrung" führen. Die Grenzwerte der hiefür maßgeblichen Verordnung entsprächen jenen Grenzwerten, die in Österreich für Mineralwasser mit der Zusatzbezeichnung "geeignet für Säuglingsnahrung" festgesetzt seien.
Ausgehend von der Bestimmung des § 17 Abs. 1 LMG 1975 käme dem in Rede stehenden Trinkwasser die Eigenschaft eines diätetischen Lebensmittels dann zu, wenn es aufgrund seiner besonderen Beschaffenheit zu dem Zweck gewonnen würde, besonderen Ernährungsbedürfnissen des Säuglings oder Kleinkindes Rechnung zu tragen und es sich in Ansehung dieser Zweckbestimmung von Lebensmitteln vergleichbarer Art unterschiede.
Nach seiner - oben dargestellten - Aufmachung nimmt das in Rede stehende Trinkwasser für sich in Anspruch, den besonderen Ernährungsbedürfnissen von Säuglingen insofern Rechnung zu tragen, als es aufgrund seiner Beschaffenheit für die Zubereitung von Babynahrung geeignet ist. Diese Eignung kommt allerdings, wie die belangte Behörde - von der Beschwerde unbestritten - ausgeführt hat, auch "gewöhnlichem", den dafür bestehenden Normen entsprechenden Trinkwasser zu. In Ansehung der dargestellten Zweckbestimmung unterscheidet sich das Trinkwasser des Beschwerdeführers somit vom "gewöhnlichen" Trinkwasser, dem Lebensmittel vergleichbarer Art, nicht; dies selbst dann nicht, wenn es für diesen Zweck, dem auch das gewöhnliche Trinkwasser zu dienen bestimmt ist, - wie der Beschwerdeführer behauptet - "besser geeignet" wäre als jenes. Abgesehen davon, daß eine solche "bessere Eignung" weder der Aufmachung, noch den Verfahrensergebnissen, noch dem Beschwerdevorbringen konkret entnommen werden kann, ist nämlich nur eine solche Zweckbestimmung tatbestandsmäßig im Sinne des § 17 Abs. 1 LMG 1975, die nicht bereits auch das Lebensmittel vergleichbarer Art aufweist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. Februar 1995, VwSlg. Nr. 14.222/A).
Läßt sich solcherart aber eine an der Zweckbestimmung im Sinne des § 17 Abs. 1 LMG 1975 orientierte Unterscheidung zwischen dem vom Beschwerdeführer als diätetisches Lebensmittel angemeldeten Trinkwasser und "gewöhnlichem" Trinkwasser nicht treffen, so besteht die Auffassung der belangten Behörde, die Anforderungen des § 17 Abs. 1 LMG 1975 seien nicht erfüllt, zu Recht.
Soweit der Beschwerdeführer auf den nach der Mineralwasserverordnung zulässigen Hinweis "geeignet für die Zubereitung von Säuglingsnahrung" verweist, ist für seinen Standpunkt nichts zu gewinnen. Dieser Hinweis ist nämlich nur für Mineralwässer vorgesehen, deren Gehalt an bestimmten Mineralien näher dargelegte Höchstwerte nicht überschreitet. Es sind daher - anders als bei Trinkwasser - nicht alle, sondern nur bestimmte Mineralwässer für die Zubereitung von Säuglingsnahrung geeignet.
Der Beschwerdeführer wendet gegen den angefochtenen Bescheid schließlich ein, er verstoße gegen die Warenverkehrsfreiheit nach Art. 30 EGV. Wie der Europäische Gerichtshof bereits mehrfach festgestellt habe, verbiete diese Bestimmung Hemmnisse für den freien Warenverkehr, die sich daraus ergäben, daß Waren bestimmten Vorschriften entsprechen müßten (wie etwa hinsichtlich ihrer Bezeichnung, ihrer Form, ihrer Abmessungen, ihres Gewichtes, ihrer Zusammensetzung, ihrer Aufmachung, ihrer Etikettierung und ihrer Verpackung), selbst dann, wenn diese Vorschriften unterschiedslos für alle Erzeugnisse gälten, sofern sich die Anwendung dieser Vorschriften nicht durch einen Zweck rechtfertigen lasse, der im Allgemeininteresse liege und den Erfordernissen des freien Warenverkehrs vorgehe (EuGH vom 24. November 1993, Bernard- Keck, EuZW 1993, 770 f; EuGH vom 2. Februar 1994, Clinique Laboratories, EuZW 1994, 148). Da durch den angefochtenen Bescheid die Einfuhr des in Rede stehenden Trinkwassers aus einem Mitgliedsstaat der EU nach Österreich beschränkt werde, liege eine Maßnahme mit der gleichen Wirkung wie eine mengenmäßige Beschränkung vor. Diese könnte nur dann gerechtfertigt sein, wenn sie u.a. zwingenden Erfordernissen der Lauterkeit des Handelsverkehrs oder dem Verbraucherschutz diene; es stelle ein legitimes Ziel dar, Konsumenten vor irreführender Werbung zu schützen. Ein solches Erfordernis bestehe im vorliegenden Fall jedoch nicht, weil auf der Etikette des vom Beschwerdeführer vertriebenen Produkts der Konsument darauf hingewiesen werde, daß das Trinkwasser besonders für Säuglinge und Kleinkinder geeignet sei. Diese Darstellung entspreche, wie auch in der Bundesrepublik Deutschland lebensmittelrechtlich anerkannt, den Tatsachen. Der angefochtene Bescheid untersage daher im Ergebnis das Inverkehrbringen von Trinkwasser, welches naturwissenschaftlich nachgewiesenermaßen für Säuglingsnahrung besser geeignet sei als normales Trinkwasser und daher auch als solches bezeichnet sei. Ungeachtet dessen, daß es sich dabei um eine klare wettbewerbseinschränkende Maßnahmen handle, weil es dem Beschwerdeführer untersagt werde, auf objektiv nachweisbare Eigenschaften seines Produktes hinzuweisen, werde durch die belangte Behörde ein nicht irreführender Sachverhalt (nämlich daß das in Rede stehende Wasser für Säuglinge besser geeignet sei) unter einem Tatbestand subsumiert, der grundsätzlich den Konsumenten vor Irreführung schützen solle. Eine derart weitgehende, am Schutzzweck der Norm vorbeigehende Auslegung von § 17 LMG 1975 sei aber nach der herrschenden Rechtsprechung des EuGH unverhältnismäßig und widerspreche daher dem freien Warenverkehr.
Selbst wenn man in der Untersagung eines als diätetisches Lebensmittel angemeldeten Produktes gemäß § 17 Abs. 4 LMG 1975 eine Maßnahme mit der gleichen Wirkung wie eine mengenmäßige Beschränkung im Sinne von Art. 30 EGV erblickte (vgl. dazu das Erkenntnis des EuGH vom 24. November 1993, C-267/91, C-268/91, Keck und Mithouard, Slg. 1993/I-6097), würde sich die Frage, inwieweit eine solche Maßnahme deshalb unzulässig wäre, zunächst nach den hiefür bestehenden gemeinschaftsrechtlichen Regelungen bemessen, im vorliegenden Fall nach der Richtlinie des Rates vom 3. Mai 1989, zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten über Lebensmittel, die für eine besondere Ernährung bestimmt sind, 89/398/EWG, ABl. Nr. L 186 vom 30. Juni 1989, S. 27, sowie der Richtlinie des Rates vom 18. Dezember 1978 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten über die Etikettierung und Aufmachung von Lebensmitteln sowie die Werbung hiefür, 79/112/EWG, ABl. Nr. L 33 vom 8. Februar 1979, S. 1 und Änderungen.
In Ansehung der Aufmachung bestimmt Art. 2 Abs. 1 lit. a sublit. iii) der Etikettierungsrichtlinie (auch für Lebensmittel, die für eine besondere Ernährung bestimmt sind), daß die Etikettierung und die Art und Weise, in der sie erfolgt, nicht geeignet sein dürfen, den Käufer irre zu führen und zwar insbesondere nicht, indem zu verstehen gegeben wird, daß das Lebensmittel besondere Eigenschaften besitzt, obwohl alle vergleichbaren Lebensmittel dieselben Eigenschaften besitzen.
Wenn daher § 17 Abs. 4 LMG 1975 dazu ermächtigt, das Inverkehrbringen eines als diätetisches Lebensmittel angemeldeten Produkts zu untersagen, weil der aus seiner Aufmachung ersichtlichen Zweckbestimmung von Lebensmitteln vergleichbarer Art in gleicher Weise nachgekommen wird, so steht dies damit nicht in Widerspruch.
Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich aufgrund des Beschwerdevorbringens somit nicht veranlaßt, in dieser Frage eine Vorabentscheidung gemäß Art. 177 EGV einzuholen.
Die sich als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Gerichtsentscheidung
EuGH 692J0315 Clinique - Estee Lauder VORAB;European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1995100028.X00Im RIS seit
20.11.2000Zuletzt aktualisiert am
15.11.2011