Entscheidungsdatum
07.04.2020Norm
AsylG 2005 §35Spruch
W241 2224564-1/5E
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Hafner nach Beschwerdevorentscheidung der Österreichischen Botschaft Addis Abeba vom 01.10.2019, Zl. Addis-Abeba-ÖB/RECHT/0031/2019, aufgrund des Vorlageantrags von XXXX , geb. XXXX , StA. Eritrea, vertreten durch den MigrantInnenverein St. Marx, über die Beschwerde gegen den Bescheid der Österreichischen Botschaft Addis Abeba vom 11.07.2019, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 35 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1 Der Beschwerdeführer (in der Folge BF) ist Staatsangehöriger Eritreas und stellte am 06.09.2018 persönlich bei der Österreichischen Botschaft Addis Abeba (in der Folge ÖB Addis Abeba) einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels gemäß § 35 Abs. 1 AsylG.
Begründend führte er aus, seine Ehefrau XXXX , geb. XXXX , StA. Eritrea, habe nach Asylantragstellung am 15.04.2014 mit Bescheid vom 10.04.2015 in Österreich Asyl erhalten. Mit dieser wolle er nun gemeinsam im Bundesgebiet leben.
Dem Antrag wurden folgende Unterlagen beigelegt:
- Kopie des Reisepasses des BF
- Kopie des österreichischen Reisepasses der Bezugsperson
- Kopie der E-Card der Bezugsperson
- Kopie des Meldezettels der Bezugsperson
- Kopie des Asylbescheids der Bezugsperson
- Mietvertrag der Bezugsperson
- Lohnzettel der Bezugsperson
- Schreiben des UNHCR
- Bestätigung über den Besuch eines Deutschkurses in Addis Abeba
- Heiratsurkunde
2. In einer Mitteilung vom 11.12.2018 teilte das BFA mit, dass die Gewährung des Status des Asyl- oder subsidiär Schutzberechtigten nicht wahrscheinlich sei, da die behauptete Eheschließung dem ordre-public-Grundsatz widerspreche. In der beiliegenden Stellungnahme wurde ausgeführt, dass die Bezugsperson am 29.11.2018 durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge BFA) einvernommen worden war. Dabei habe sie angegeben, dass die Ehe arrangiert worden sei, um die Bezugsperson vor dem eritreischen Nationaldienst zu bewahren. Die Eheleute hätten sich erst am Tag der Eheschließung kennengelernt und hätten danach eine Woche lang im Haus der Eltern des BF gelebt. Nach der Ausreise der Bezugsperson habe von Februar 2012 bis November 2016 kein Kontakt mehr bestanden. Der BF sei 2015/2016 wegen versuchter illegaler Ausreise inhaftiert gewesen. Im November 2016 sei der BF nach Äthiopien geflohen, wo er sich seither aufhalte. Im September 2018 habe die Bezugsperson den BF für acht oder neun Tage besucht. Manchmal würde sie ihn finanziell unterstützen. Die Bezugsperon stehe an den Wochenenden mit dem BF in Kontakt. Aus diesem Grund liege die behauptete Gültigkeit der Ehe nicht vor, da sie gegen den ordre public-Grundsatz verstoße und kein gemeinsames Familienleben vorliege.
3. Mit Schreiben vom 11.12.2018 wurde dem BF die Möglichkeit zur Stellungnahme (Parteiengehör) eingeräumt. Ihm wurde gleichzeitig mitgeteilt, dass das BFA nach Prüfung mitgeteilt habe, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten nicht wahrscheinlich sei, da ein gemeinsames Familienleben nicht bestanden habe. Auf die beiliegende Stellungnahme des BFA wurde verwiesen.
4. Am 14.12.2018 brachte der BF durch seine bevollmächtigte Vertretung eine Stellungnahme ein. Darin wurde im Wesentlichen vorgebracht, dass arrangierte Ehen in vielen Kulturen üblich seien, was nicht bedeute, dass es ich um Zwangsehen handle. Im gegenständlichen Fall würden keine Anhaltspunkte für Zwang vorliegen. Im Hinblick auf das kurze Familienleben werde auf Erwägungsgrund 8 der Familienzusammenführungs-Richtlinie verwiesen, wonach den Gründen der Flucht, die ein normales Familienleben verhindert haben, besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden solle.
5. Nach Übermittlung der vom BF abgegebenen Stellungnahme erstattete das BFA am 10.07.2019 eine neuerliche Stellungnahme, wonach die Entscheidung aufrecht bleibe.
6. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 11.07.2019 verweigerte die ÖB Addis Abeba die Erteilung des Einreisetitels gemäß § 26 FPG iVm § 35 AsylG mit der Begründung, dass die behauptete Eheschließung, dem ordre-public-Grundsatz widerspreche.
7. Gegen den Bescheid richtet sich die Beschwerde vom 08.08.2019, worin auf die Stellungnahme vom 14.12.2018 verwiesen wurde.
8. Mit Beschwerdevorentscheidung vom 01.10.2019 wies die ÖB Addis Abeba die Beschwerde gemäß § 14 Abs. 1 VwGVG ab.
9. Am 02.10.2019 wurde bei der ÖB Addis Abeba ein Vorlageantrag gemäß § 15 VwGVG eingebracht.
10. Mit Schreiben des Bundesministeriums für Europa, Integration und Äußeres vom 21.10.2019 wurde dem Bundesverwaltungsgericht der Vorlageantrag samt Verwaltungsakt übermittelt.
11. Aufgrund eines Verbesserungsauftrags des Bundesverwaltungsgerichts vom 30.01.2020 wurden Übersetzungen der vorgelegten Urkunden in deutscher Sprache nachgereicht.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der BF ist Staatsangehöriger von Eritrea und stellte am 06.09.2018 bei der Österreichischen Botschaft Addis Abeba einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels nach § 35 Abs. 1 AsylG.
Als Bezugsperson wurde XXXX , geb. XXXX , StA. Eritrea, genannt, welche die Ehefrau des BF sei.
Der Ehefrau des nunmehrigen BF wurde mit Bescheid des BFA vom 10.04.2015 der Status der Asylberechtigten zuerkannt.
Die Bezugsperson und der BF schlossen nach eigenen Angaben die Ehe nach christlichem Ritus am 29.01.2012 in Eritrea. Die Eheleute lernten sich erst am Tag der Eheschließung kennen und hatte die Bezugsperson keinen Anteil an der Auswahl ihres Ehemannes. Der BF und die Bezugsperson lebten eine Woche im Haus seiner Eltern zusammen. Die Bezugsperson verließ Eritrea im Februar 2012, ab diesem Zeitpunkt bis November 2016 bestand kein Kontakt zum BF. Die Bezugsperson besuchte den BF im September 2018 in Äthiopien. Der BF wird von der Bezugsperson nicht finanziell unterstützt.
Nach Antragstellung wurde vom BFA mitgeteilt, dass eine Gewährung desselben Schutzes wie der Bezugsperson als nicht wahrscheinlich einzustufen sei, da ein gemeinsames Familienleben nicht schon im Herkunftsstaat bestanden habe. Nach Einbringung einer Stellungnahme des BF erfolgte eine neuerliche Prüfung des Sachverhaltes durch das BFA und teilte dieses in der Folge in seiner Stellungnahme vom 20.04.2016 mit, dass die negative Wahrscheinlichkeitsprognose aufrecht bleibe.
2. Beweiswürdigung:
Die festgestellten Tatsachen ergeben sich aus dem Akt der ÖB Addis Abeba, insbesondere der Stellungnahme des BFA vom 11.12.2018. Die festgestellten Tatsachen wurden vom BF im Zuge des Verfahrens nicht bestritten. Vielmehr wurden die arrangierte Ehe und das kurze Zusammenleben in der Stellungnahme vom 14.12.2018 bestätigt. Es wurden keine Nachweise für eine finanzielle Unterstützung des BF durch die Bezugsperson vorgelegt oder hierzu nähere Angaben getätigt.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
1. Die maßgeblichen Bestimmungen des AsylG 2005 lauten:
§ 34 AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 145/2017:
"(1) Stellt ein Familienangehöriger von
1. einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist;
2. einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8) zuerkannt worden ist oder
3. einem Asylwerber
einen Antrag auf internationalen Schutz, gilt dieser als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes.
(2) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn
1. dieser nicht straffällig geworden ist und
(Z 2 aufgehoben durch Art. 3 Z 13, BGBl. I Nr. 84/2017)
3. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 7).
(3) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn
1. dieser nicht straffällig geworden ist;
(Z 2 aufgehoben durch Art. 3 Z 13, BGBl. I Nr. 84/2017)
3. gegen den Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 9) und
4. dem Familienangehörigen nicht der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen ist.
(4) Die Behörde hat Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen; unter den Voraussetzungen der Abs. 2 und 3 erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid. Ist einem Fremden der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 4 zuzuerkennen, ist dieser auch seinen Familienangehörigen zuzuerkennen.
(5) Die Bestimmungen der Abs. 1 bis 4 gelten sinngemäß für das Verfahren beim Bundesverwaltungsgericht.
(6) Die Bestimmungen dieses Abschnitts sind nicht anzuwenden:
1. auf Familienangehörige, die EWR-Bürger oder Schweizer Bürger sind;
2. auf Familienangehörige eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder der Status des subsidiär Schutzberechtigten im Rahmen eines Verfahrens nach diesem Abschnitt zuerkannt wurde, es sei denn es handelt sich bei dem Familienangehörigen um ein minderjähriges lediges Kind;
3. im Fall einer Aufenthaltsehe, Aufenthaltspartnerschaft oder Aufenthaltsadoption (§ 30 NAG)."
§ 35 AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 56/2018 lautet:
"(1) Der Familienangehörige gemäß Abs. 5 eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde und der sich im Ausland befindet, kann zwecks Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 34 Abs. 1 Z 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels bei einer mit konsularischen Aufgaben betrauten österreichischen Vertretungsbehörde im Ausland (Vertretungsbehörde) stellen. Erfolgt die Antragstellung auf Erteilung eines Einreisetitels mehr als drei Monate nach rechtskräftiger Zuerkennung des Status des Asylberechtigten, sind die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 zu erfüllen.
(2) Der Familienangehörige gemäß Abs. 5 eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde und der sich im Ausland befindet, kann zwecks Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 34 Abs. 1 Z 2 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 frühestens drei Jahre nach rechtskräftiger Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels bei der Vertretungsbehörde stellen, sofern die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 erfüllt sind. Diesfalls ist die Einreise zu gewähren, es sei denn, es wäre auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht mehr vorliegen oder in drei Monaten nicht mehr vorliegen werden. Darüber hinaus gilt Abs. 4.
(2a) Handelt es sich beim Antragsteller um den Elternteil eines unbegleiteten Minderjährigen, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, gelten die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 als erfüllt.
(3) Wird ein Antrag nach Abs. 1 oder Abs. 2 gestellt, hat die Vertretungsbehörde dafür Sorge zu tragen, dass der Fremde ein in einer ihm verständlichen Sprache gehaltenes Befragungsformular ausfüllt; Gestaltung und Text dieses Formulars hat der Bundesminister für Inneres im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres und nach Anhörung des Hochkommissärs der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (§ 63) so festzulegen, dass das Ausfüllen des Formulars der Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts dient. Außerdem hat die Vertretungsbehörde auf die Vollständigkeit des Antrages im Hinblick auf den Nachweis der Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 hinzuwirken und den Inhalt der ihr vorgelegten Dokumente aktenkundig zu machen. Der Antrag auf Einreise ist unverzüglich dem Bundesamt zuzuleiten.
(4) Die Vertretungsbehörde hat dem Fremden aufgrund eines Antrags auf Erteilung eines Einreisetitels nach Abs. 1 oder 2 ohne weiteres ein Visum zur Einreise zu erteilen (§ 26 FPG), wenn das Bundesamt mitgeteilt hat, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten wahrscheinlich ist. Eine derartige Mitteilung darf das Bundesamt nur erteilen, wenn
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1.-gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§§ 7 und 9),
2.-das zu befassende Bundesministerium für Inneres mitgeteilt hat, dass eine Einreise den öffentlichen Interessen nach Art. 8 Abs. 2 EMRK nicht widerspricht und
3.-im Falle eines Antrages nach Abs. 1 letzter Satz oder Abs. 2 die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 erfüllt sind, es sei denn, die Stattgebung des Antrages ist gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten.
Bis zum Einlangen dieser Mitteilung ist die Frist gemäß § 11 Abs. 5 FPG gehemmt. Die Vertretungsbehörde hat den Fremden über den weiteren Verfahrensablauf in Österreich gemäß § 17 Abs. 1 und 2 zu informieren.
(5) Nach dieser Bestimmung ist Familienangehöriger, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat."
§ 60 AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 145/2017 lautet:
"(1) Aufenthaltstitel dürfen einem Drittstaatsangehörigen nicht erteilt werden, wenn
1. gegen ihn eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 iVm 53 Abs. 2 oder 3 FPG besteht, oder
2. gegen ihn eine Rückführungsentscheidung eines anderen EWR-Staates oder der Schweiz besteht.
(2) Aufenthaltstitel gemäß § 56 dürfen einem Drittstaatsangehörigen nur erteilt werden, wenn
1. der Drittstaatsangehörige einen Rechtsanspruch auf eine Unterkunft nachweist, die für eine vergleichbar große Familie als ortsüblich angesehen wird,
2. der Drittstaatsangehörige über einen alle Risiken abdeckenden Krankenversicherungsschutz verfügt und diese Versicherung in Österreich auch leistungspflichtig ist,
3. der Aufenthalt des Drittstaatsangehörige zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft (§ 11 Abs. 5 NAG) führen könnte, und
4. durch die Erteilung eines Aufenthaltstitels die Beziehungen der Republik Österreich zu einem anderen Staat oder einem anderen Völkerrechtssubjekt nicht wesentlich beeinträchtigt werden.
(3) Aufenthaltstitel dürfen einem Drittstaatsangehörigen nur erteilt werden, wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen nicht öffentlichen Interessen widerstreitet. Der Aufenthalt eines Drittstaatsangehörigen widerstreitet dem öffentlichen Interesse, wenn
1. dieser ein Naheverhältnis zu einer extremistischen oder terroristischen Gruppierung hat und im Hinblick auf deren bestehende Strukturen oder auf zu gewärtigende Entwicklungen in deren Umfeld extremistische oder terroristische Aktivitäten derselben nicht ausgeschlossen werden können, oder auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass dieser durch Verbreitung in Wort, Bild oder Schrift andere Personen oder Organisationen von seiner gegen die Wertvorstellungen eines europäischen demokratischen Staates und seiner Gesellschaft gerichteten Einstellung zu überzeugen versucht oder versucht hat oder auf andere Weise eine Person oder Organisation unterstützt, die die Verbreitung solchen Gedankengutes fördert oder gutheißt oder
2. im Falle der §§ 56 und 57 dessen Aufenthalt die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährden würde."
§ 75 Abs. 24 AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 24/2016 lautet:
"(24) Auf Fremde, denen der Status des Asylberechtigten bereits vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 24/2016 zuerkannt wurde und auf Fremde, die einen Antrag auf internationalen Schutz vor dem 15. November 2015 gestellt haben, sind die §§ 2 Abs. 1 Z 15, 3 Abs. 4 bis 4b, 7 Abs. 2a und 51a in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 24/2016 nicht anzuwenden. Für diese Fremden gilt weiter § 2 Abs. 1 Z 15 in der Fassung vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 24/2016. §§ 17 Abs. 6 und 35 Abs. 1 bis 4 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 24/2016 sind auf Verfahren, die bereits vor dem 1. Juni 2016 anhängig waren, nicht anzuwenden. Auf Verfahren gemäß § 35, die bereits vor dem 1. Juni 2016 anhängig waren, ist § 35 Abs. 1 bis 4 in der Fassung vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 24/2016 weiter anzuwenden. Handelt es sich bei einem Antragsteller auf Erteilung des Einreisetitels gemäß § 35 Abs. 1 um den Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten bereits vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 24/2016 rechtskräftig zuerkannt wurde, sind die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 nicht zu erfüllen, wenn der Antrag auf Erteilung des Einreisetitels innerhalb von drei Monaten nach Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 24/2016 gestellt wurde. § 22 Abs. 1 gilt für Verfahren, die mit Ablauf des 31. Mai 2018 bereits anhängig waren, auch noch nach dem 31. Mai 2018 weiter."
§ 11 idF BGBl. I Nr. 145/2017, § 11a idF BGBl. I Nr. 68/2013 und § 26 idF BGBl. I Nr. 145/2017 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) lauten:
"Verfahren vor den österreichischen Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten
§ 11 (1) In Verfahren vor österreichischen Vertretungsbehörden haben Antragsteller unter Anleitung der Behörde die für die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes erforderlichen Urkunden und Beweismittel selbst vorzulegen; in Verfahren zur Erteilung eines Visums D ist Art. 19 Visakodex sinngemäß anzuwenden. In Verfahren zur Erteilung eines Visums gemäß § 20 Abs. 1 Z 9 sind Art. 9 Abs. 1 erster Satz und Art. 14 Abs. 6 Visakodex sinngemäß anzuwenden. Der Antragssteller hat über Verlangen der Vertretungsbehörde vor dieser persönlich zu erscheinen, erforderlichenfalls in Begleitung eines Dolmetschers (§ 39a AVG). § 10 Abs. 1 letzter Satz AVG gilt nur für in Österreich zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Personen. Die Vertretungsbehörde hat nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. Eine Entscheidung, die dem Standpunkt des Antragstellers nicht vollinhaltlich Rechnung trägt, darf erst ergehen, wenn die Partei Gelegenheit zur Behebung von Formgebrechen und zu einer abschließenden Stellungnahme hatte.
(2) Partei in Verfahren vor der Vertretungsbehörde ist ausschließlich der Antragssteller.
(3) Die Ausfertigung bedarf der Bezeichnung der Behörde, des Datums der Entscheidung und der Unterschrift des Genehmigenden; an die Stelle der Unterschrift kann das Siegel der Republik Österreich gesetzt werden, sofern die Identität des Genehmigenden im Akt nachvollziehbar ist. Die Zustellung hat durch Übergabe in der Vertretungsbehörde oder, soweit die internationale Übung dies zulässt, auf postalischem oder elektronischem Wege zu erfolgen; ist dies nicht möglich, so ist die Zustellung durch Kundmachung an der Amtstafel der Vertretungsbehörde vorzunehmen.
(4) Vollinhaltlich ablehnende Entscheidungen gemäß Abs. 1 betreffend Visa D sind schriftlich in einer Weise auszufertigen, dass der Betroffene deren Inhalt und Wirkung nachvollziehen kann. Dem Betroffenen sind die Gründe der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit, die der ihn betreffenden Entscheidung zugrunde liegen, genau und umfassend mitzuteilen, es sei denn, dass Gründe der Sicherheit der Republik Österreich dieser Mitteilung entgegenstehen. In der schriftlichen Ausfertigung der Begründung sind auch die Rechtsmittelinstanz und die Rechtsmittelfrist anzugeben.
(5) Für die Berechnung von Beginn, Lauf und Ende von Fristen (§ 33 AVG) gelten die Wochenend- und Feiertagsregelungen im Empfangsstaat.
(6) Kann dem Antrag auf Erteilung eines Visums D auf Grund zwingender außenpolitischer Rücksichten oder aus Gründen der nationalen Sicherheit nicht stattgegeben werden, so ist die Vertretungsbehörde ermächtigt, sich auf den Hinweis des Vorliegens zwingender Versagungsgründe zu beschränken. Der maßgebliche Sachverhalt muss auch in diesen Fällen im Akt nachvollziehbar sein.
(7) Der Fremde hat im Antrag auf Erteilung eines Visums D den jeweiligen Zweck und die beabsichtigte Dauer der Reise und des Aufenthaltes bekannt zu geben. Der Antrag ist zurückzuweisen, sofern der Antragsteller, ausgenommen die Fälle des § 22 Abs. 3, trotz Aufforderung und Setzung einer Nachfrist kein gültiges Reisedokument oder gegebenenfalls kein Gesundheitszeugnis vorlegt oder wenn der Antragsteller trotz entsprechenden Verlangens nicht persönlich vor der Behörde erschienen ist, obwohl in der Ladung auf diese Rechtsfolge hingewiesen wurde.
(8) Minderjährige Fremde, die das 14. Lebensjahr vollendet haben, können bei Zustimmung des gesetzlichen Vertreters die Erteilung eines Visums selbst beantragen.
[...]
Beschwerden gegen Bescheide österreichischer Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten
§ 11a (1) Der Beschwerdeführer hat der Beschwerde gegen einen Bescheid einer österreichischen Vertretungsbehörde sämtliche von ihm im Verfahren vor der belangten Vertretungsbehörde vorgelegten Unterlagen samt Übersetzung in die deutsche Sprache anzuschließen.
(2) Beschwerdeverfahren sind ohne mündliche Verhandlung durchzuführen. Es dürfen dabei keine neuen Tatsachen oder Beweise vorgebracht werden.
(3) Sämtliche Auslagen der belangten Vertretungsbehörde und des Bundesverwaltungsgerichtes für Dolmetscher und Übersetzer sowie für die Überprüfung von Verdolmetschungen und Übersetzungen sind Barauslagen im Sinn des § 76 AVG.
(4) Die Zustellung der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes hat über die Vertretungsbehörde zu erfolgen. § 11 Abs. 3 gilt."
Visa zur Einbeziehung in das Familienverfahren nach dem AsylG 2005
§ 26 Teilt das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gemäß § 35 Abs. 4 AsylG 2005 mit, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten wahrscheinlich ist, ist dem Fremden ohne Weiteres zur einmaligen Einreise ein Visum mit viermonatiger Gültigkeitsdauer zu erteilen."
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die österreichische Vertretungsbehörde im Ausland in Bezug auf die Erteilung eines Einreisetitels nach § 35 AsylG an die Mitteilung des Bundesasylamtes (nunmehr: des Bundeamtes für Fremdenwesen und Asyl) über die Prognose einer Asylgewährung bzw. Gewährung subsidiären Schutzes gebunden, und zwar auch an eine negative Mitteilung. Diesbezüglich kommt ihr keine eigene Prüfungskompetenz zu (vgl. das im Beschwerdefall im ersten Rechtsgang ergangene Erkenntnis VwGH 16.12.2014, Ro 2014/22/0034 unter Hinweis auf VwGH 17.10.2013, 2013/21/0152; VwGH 19.06.2008, 2007/21/0423).
Soweit es innerhalb des mit dem Fremdenbehördenneustrukturierungsgesetz - FNG, BGBl. I Nr. 87/2012 geschaffenen geschlossenen Rechtsschutzsystems allerdings dem Bundesverwaltungsgericht nunmehr offen steht, auch die Einschätzung des BFA über die Wahrscheinlichkeit der Gewährung internationalen Schutzes an den Antragsteller auf ihre Richtigkeit zu überprüfen (VwGH 01.03.2016, Ro 2015/18/0002), so führt diese Überprüfung im Beschwerdefall zu keinem anderen Ergebnis, weil die Prognose des Bundesamtes nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichtes im Ergebnis zutreffend ist:
Nach § 35 Abs. 4 AsylG hat das Bundesamt der Vertretungsbehörde nach Prüfung des Antrages mitzuteilen, ob die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder subsidiär Schutzberechtigten wahrscheinlich ist. Die Behörde hat also vorab zu prüfen, ob die Voraussetzungen des § 35 Abs. 5 und des § 34 AsylG vorliegen. Das Bundesamt zweifelte im gegenständlichen Fall aufgrund der vorgelegten Unterlagen nicht am Bestehen einer rechtsgültigen Eheschließung im Herkunftsstaat.
Aus den Materialien zur Änderung von § 34 Abs. 2 und 3 AsylG mit dem Fremdenrechtsänderungsgesetz 2017 (FRÄG 2017) geht hervor, dass sich der Gesetzgeber gerade im Hinblick auf die Familienzusammenführungsrichtlinie entschlossen hat, künftig die Prüfung, ob die Fortsetzung eines bestehenden Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK in einem anderen Staat möglich ist (§ 34 Abs. 2 Z 2 AsylG) entfallen zu lassen und stattdessen in § 34 Abs. 6 Z 3 AsylG anzuordnen, dass im Fall einer Aufenthaltsehe, Aufenthaltspartnerschaft oder Aufenthaltsadoption iSd § 30 NAG der vierte Abschnitt des vierten Hauptstücks des AsylG 2005 nicht anzuwenden ist.
Demnach können sich Fremde auch im Rahmen des Verfahrens nach § 34 AsylG nicht auf eine Ehe, eingetragene Partnerschaft oder Adoption berufen, wenn ein gemeinsames Eheleben nicht geführt wird oder die Adoption ausschließlich oder vorwiegend der Erlangung eines Aufenthaltsrechts dient (siehe Erläuterungen zum FRÄG 2017, § 34 Abs. 6 Z 3 AsylG).
Dafür, dass ein Einreisetitel nicht zu erteilen ist, wenn ein gemeinsames Familienleben ohnehin schon vor der Einreise der Bezugsperson beendet worden war, spricht auch Art. 16 Abs. 1 lit. b der Familienzusammenführungsrichtlinie. Danach können die Mitgliedstaaten einen Antrag auf Einreise und Aufenthalt zum Zweck der Familienzusammenführung ablehnen, wenn zwischen dem Zusammenführenden und dem Familienangehörigen keine tatsächlichen ehelichen oder familiären Bindungen bestehen. Auf diese Bestimmung wird auch in den Erläuterungen zum FRÄG 2017 Bezug genommen, indem angeführt wird, dass § 34 Abs. 6 Z 3 AsylG in Übereinstimmung mit Art. 16 Abs. 1 lit. b und Abs. 2 lit. b der Familienzusammenführungsrichtlinie stehe.
Der Tatbestand der Aufenthaltsehe ist nach § 30 Abs. 1 NAG auch dann erfüllt, wenn man sich nach Auflösung des gemeinsamen Familienlebens für die Erteilung eines beantragten Aufenthaltstitels auf eine Ehe beruft. § 30 Abs. 1 NAG erfordert nicht, dass die Ehe - quasi in Missbrauchsabsicht - zu dem Zweck geschlossen wurde, einen Aufenthaltstitel zu erlangen (VwGH vom 10.05.2016, Ra 2016/22/0015), auch eine spätere Berufung auf die Ehe reicht aus, wenn ein Familienleben tatsächlich nicht mehr besteht.
Es ist also auch nach neuer Rechtslage im Verfahren nach § 35 AsylG zu prüfen, ob ein Familienleben iSd Art. 8 EMRK vorliegt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 22.11.2017, Ra 2017/19/0218-8, zu einem ähnlich gelagerten Fall ausgesprochen, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein Familienleben zwischen Ehegatten zwar grundsätzlich ipso iure besteht (vgl. etwa den diesbezüglichen Hinweis in VwGH 2.8.2016, Ra 2016/20/0152), dies bedeute aber auch unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK nicht, dass in jedem Fall durch die Nichterteilung eines Einreisetitels in das Recht auf Privat- und Familienleben in unzulässiger Weise eingegriffen würde. Dem Gesetzgeber könne nicht unterstellt werden, dass das bloß formale Band der Verwandtschaft oder Eheschließung hinreichend sein sollte.
Nach der Rechtsprechung des EGMR sind für die Prüfung einer hinreichend stark ausgeprägten Nahebeziehung auch die Intensität und Dauer des Zusammenlebens von Bedeutung. Dies geht auch aus dem Erkenntnis des EGMR Abdulaziz, Cabales und Balkandali gegen Vereinigtes Königreich vom 28.05.1985 hervor: "Der Gerichtshof erinnert daran, dass Art. 8, indem er das Recht auf Achtung des Familienlebens garantiert, eine bestehende Familie voraussetzt (vgl. Marckx, Urteil vom 13. Juni 1979, Série A Nr. 31, S. 14, Ziff. 31, EGMR-E 1, 398 f.). Das bedeutet jedoch nicht, dass jedes nur beabsichtigte Familienleben völlig außerhalb seines Anwendungsbereichs liegt. Was auch immer der Begriff "Familie" bedeuten mag, er muss auf alle Fälle die Beziehung umfassen, die sich aus einer echten und rechtmäßigen Ehe, wie sie Herr und Frau Abdulaziz und Herr und Frau Balkandali geschlossen haben, ergibt, selbst wenn ein Familienleben in der Art, auf die die Regierung verweist, sich noch nicht voll entwickelt hat. Diese Beziehungen müssen als ausreichend betrachtet werden, um die nach Art. 8 gebotene Achtung auszulösen.
Außerdem umschließt der Begriff "Familienleben" im Falle eines Ehepaares normalerweise auch das Zusammenleben. Diese Überlegung wird durch die Existenz des Art. 12 verstärkt, da es kaum verständlich wäre, wenn das Recht, eine Familie zu begründen, nicht auch das Recht zusammenzuleben umfassen würde. Im Übrigen weist der Gerichtshof darauf hin, dass Frau und Herr Abdulaziz die Ehe nicht nur geschlossen, sondern auch eine gewisse Zeit zusammengelebt haben, bevor Herrn Abdulaziz die weitere Aufenthaltsgenehmigung im Vereinigten Königreich versagt wurde (s.o. Ziff. 40-41). Auch Herr und Frau Balkandali haben zusammengelebt und haben einen Sohn, obwohl sie erst geheiratet haben, nachdem die Aufenthaltsgenehmigung Herrn Balkandalis als Student abgelaufen war und eine Verlängerung verweigert wurde; sie lebten weiterhin zusammen, auch als sein Antrag auf Aufenthaltsgenehmigung als Ehemann abgelehnt wurde (s.o. Ziff. 51-52).
63. Der Fall von Frau Cabales muss gesondert betrachtet werden, da hier die Frage nach der Gültigkeit ihrer Ehe aufgeworfen worden ist (s.o. Ziff. 48). [...] Herr und Frau Cabales haben sich der Zeremonie einer Eheschließung unterzogen (s.o. Ziff. 45) und die vor dem Gerichtshof erbrachten Beweise bestätigen, dass sie davon ausgehen, miteinander verheiratet zu sein und dass sie wirklich wünschen, zusammenzuleben und ein normales Familienleben zu führen. Dies haben sie tatsächlich in der Folgezeit dann auch getan. Die Verbindung, die sie auf diese Weise eingegangen sind, reicht für die Anwendung von Art. 8 aus.
[...] 65. Zusammenfassend ist festzustellen, dass alle Bf. im Hinblick auf Art. 8 in einem ausreichenden Grad Familienleben begründet haben, so dass diese Vorschrift im vorliegenden Fall anwendbar ist."
Im zitierten Erkenntnis des EGMR ging es also um drei Ehepaare, die zum Zeitpunkt der Entscheidung schon mehrere Jahre (vor oder nach der Eheschließung) zusammenlebten, weshalb der Sachverhalt auf den gegenständlichen Fall nur begrenzt anwendbar ist. Der Rechtsprechung des EGMR ist aber zu entnehmen, dass ein Zusammenleben keine unbedingte Voraussetzung ist, um ein Familienleben im Sinne des Art. 8 zu begründen. Auch andere Faktoren können herangezogen werden, um eine hinreichend ausgeprägte Nahebeziehung zu belegen (oder zu widerlegen).
Im gegenständlichen Fall ist daher nicht nur das kurze Zusammenleben des BF mit seiner Ehefrau von einer Woche beachtlich, sondern auch eine Reihe anderer Hinweise, die am Bestehen einer Nahebeziehung zweifeln lassen:
Die Ehe wurde laut Aussage der Bezugsperson arrangiert, eine Beziehung oder auch nur näherer Kontakt bestanden vor der Eheschließung nicht. Vielmehr lernten sich die Eheleute erst am Tag der Eheschließung kennen, die Bezugsperson hatte laut eigenen Angaben auch keinen Einfluss auf die Auswahl ihres Ehemannes.
Der BF hielt sich nach der Hochzeit eine Woche mit der Bezugsperson in dessen Elternhaus auf. Ein gemeinsamer Haushalt wurde daher nicht gegründet.
Zwischen dem BF und der Bezugsperson bestand zwischen Februar 2012, dem Zeitpunkt der Ausreise der Bezugsperson, und November 2016, als der BF ebenfalls aus Eritrea flüchtete, kein Kontakt. Laut Angaben der Bezugsperson besteht seit November 2016 wieder Kontakt, die gegenständliche Antragstellung erfolgte jedoch erst zwei Jahre später, im September 2018. Zu diesem Zeitpunkt besuchte die Bezugsperson den BF auch in Äthiopien.
Zwischen 2016 und 2018 und seit September 2018 besteht zwischen dem BF und der Bezugsperson laut eigenen Angaben lediglich telefonischer Kontakt. Für eine finanzielle Unterstützung des BF durch die Bezugsperson wurden keine Belege vorgelegt.
Nach Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs und des Obersten Gerichtshofes besteht eine Ehe aus einer Geschlechts-, Wohnungs- und Wirtschaftsgemeinschaft, wobei auch ein Merkmal weniger ausgeprägt sein oder ganz fehlen kann. Bloß einseitige Unterhaltsleistungen reichen aber für die Annahme einer ehelichen Gemeinschaft nicht aus. Der VwGH hat in 99/18/0071 vom 01.06.1999 ausgesprochen, dass monatliche Zahlungen nicht dazu führen können, eine Beziehung als "gemeinsames Familienleben iSd Art. 8 EMRK" zu qualifizieren.
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass es sich bei der Eheschließung um eine arrangierte Ehe handelte, der BF und die Bezugsperson nur eine Woche zusammenlebten und seither auch nur kurz, für acht oder neun Tage, erneut persönlicher Kontakt bestand. Die Eheleute haben daher in den acht Jahren seit ihrer Eheschließung, und damit dem Zeitpunkt des Kennenlernens, lediglich etwa zwei Wochen miteinander verbracht. Nach Abwägung all dieser Faktoren kann daher eine hinreichend stark ausgeprägte Nahebeziehung und damit ein Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK nicht als gegeben angesehen werden. Die Beziehung zwischen dem BF und der Bezugsperson stellt sich als soweit gemindert dar, dass von einer Fortsetzung eines bestehenden Familienlebens nicht gesprochen werden kann.
Da die belangte Behörde über den betreffenden Einreiseantrag ein mängelfreies Ermittlungsverfahren durchgeführt hat, kam sie aufgrund der zutreffenden Mitteilung des BFA, dass die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten an den BF in Bezug auf die in Österreich befindliche Ehefrau nicht wahrscheinlich sei und weiters auch aktuell keine andere Bezugsperson in Betracht kommt, von der der BF einen Schutzstatus ableiten könnte, zu Recht zu dem Ergebnis, dass die Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 AsylG nicht vorliegen.
Im Hinblick darauf, dass es im Rahmen des gegenständlichen Verfahrens auch keine Möglichkeit der Erteilung eines humanitären Einreisetitels gibt, war spruchgemäß zu entscheiden.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Nach Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG idF BGBl. I Nr. 51/2012 ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im vorliegenden Fall ist die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Denn das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen wiedergegeben.
Schlagworte
Ehe Einreisetitel Familienleben ordre publicEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W241.2224564.1.00Im RIS seit
18.08.2020Zuletzt aktualisiert am
18.08.2020