TE Vwgh Erkenntnis 1997/12/22 97/17/0245

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Veröffentlicht am 22.12.1997
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Index

L37154 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Oberösterreich;
L81704 Baulärm Umgebungslärm Oberösterreich;
L82004 Bauordnung Oberösterreich;
L82304 Abwasser Kanalisation Oberösterreich;

Norm

BauO OÖ 1976 §20 Abs11;
BauO OÖ 1994 §19 Abs3;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):97/17/0246

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hnatek und die Hofräte Dr. Höfinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler und Dr. Zens als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Böheimer, über die Beschwerde

1.) der F GmbH (zur Zl. 97/17/0245), und 2.) der A (zur Zl. 97/17/0246), beide vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in E, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung zu 1.) vom 16. Juni 1997, Zl. BauR-011911/6-1997/PE/Vi, und zu

2.) vom 16. Juni 1997, Zl. BauR-011911/7-1997/PE/Vi, jeweils betreffend Verkehrsflächenbeitrag nach der Oberösterreichischen Bauordnung 1994 (mitbeteiligte Partei in beiden Beschwerdefällen: Stadtgemeinde Ried, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.

Das Land Oberösterreich hat den Beschwerdeführern jeweils Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

I.

1. Die Erstbeschwerdeführerin ist Alleineigentümerin eines durch den Hauptplatz der mitbeteiligten Stadtgemeinde aufgeschlossenen Grundstückes. Mit Bescheid vom 2. September 1987 des Bürgermeisters der mitbeteiligten Stadtgemeinde wurde der Erstbeschwerdeführerin der Abbruch eines bestehenden Gebäudes sowie der Neubau eines Geschäfts und Wohnhauses baubehördlich bewilligt. Am 7. Juli 1995 beschloß der Gemeinderat der mitbeteiligten Stadtgemeinde den Ausbau des Hauptplatzes und die Vergabe der Bauarbeiten hiefür.

Unter Berufung auf § 19 Abs. 3 Oberösterreichische Bauordnung 1994 schrieb der Bürgermeister der mitbeteiligten Stadtgemeinde der Erstbeschwerdeführerin mit Bescheid vom 27. Juni 1996 als Beitrag zu den Kosten der Herstellung der öffentlichen Verkehrsfläche "Hauptplatz" einen Betrag in der Höhe von S 32.802,-- vor.

Aufgrund der Berufung der Erstbeschwerdeführerin erging der Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom 18. Oktober 1996, mit welchem die Berufung abgewiesen wurde. Die Erstbeschwerdeführerin erhob Vorstellung. Diese Vorstellung wurde mit dem zur hg. Zl. 97/17/0245 angefochtenen Bescheid als unbegründet abgewiesen. Begründend führt die belangte Behörde insbesondere aus, daß gemäß § 19 Abs. 3 Oberösterreichische Bauordnung 1994 der Abgabenanspruch entstehe, wenn eine öffentliche Verkehrsfläche, durch die ein (schon bestehendes) Gebäude aufgeschlossen werde, von der Gemeinde erst nach Erteilung der Baubewilligung errichtet werde.

Die genannte Bestimmung sei, soweit es um das Entstehen des Abgabenanspruches durch die Straßenerrichtung gehe, inhaltsgleich mit der Vorläuferbestimmung des § 20 Abs. 11 Oberösterreichische Bauordnung 1976. Es könne daher insoweit auf die zu § 20 Abs. 11 Oberösterreichische Bauordnung 1976 ergangene Judikatur zurückgegriffen werden.

Unter Hinweis auf die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. Juni 1985, Zl. 85/17/0032, und vom 21. Juli 1995, Zl. 92/17/0158, wird ausgeführt, daß der Verwaltungsgerichtshof auch im Falle einer Sanierung bzw. Erneuerung einer schon bestehenden Straße den Abgabentatbestand des § 19 Abs. 3 Oberösterreichische Bauordnung 1994 als verwirklicht angesehen habe. Die Voraussetzung sei immer dann erfüllt, wenn auch anläßlich der Sanierung bzw. Erneuerung eine mittelschwere Befestigung einschließlich Niveauherstellung und Oberflächenentwässerung erfolge. Aus der von der mitbeteiligten Stadtgemeinde vorgelegten "Schlußrechnung" vom 23. Jänner 1996 über die im Zeitraum Juli bis November 1995 auf der gegenständlichen Verkehrsfläche durchgeführten Baumaßnahmen sei ersichtlich, daß der gesamte Hauptplatz mit einer Frostschutzschicht von 60 bzw. 40 cm, die Fahrbahn darüber hinaus mit einem Unterbauplanum und mit einer Oberflächenbefestigung versehen worden sei. Weitere Positionen der Rechnung bezögen sich auf die mit der Oberflächenentwässerung im Zusammenhang stehenden Baumaßnahmen (Verlegung von Kanalrohren, Straßeneinläufen, Schachtabdeckungen, Entwässerungsrinnen usw.).

Aufgrund dieses - von der Erstbeschwerdeführerin unbeeinsprucht gebliebenen - Beweismittels hätte die belangte Behörde keine Zweifel darüber, daß der Ausbau des Rieder Hauptplatzes im Sinne der dargelegten Judikatur einem Neubau gleichkomme. Auf die Notwendigkeit der umfänglichen Erneuerung der Verkehrsfläche sei im vorliegenden Abgabenverfahren mangels Tatbestandsmäßigkeit nicht einzugehen gewesen. Auch der Umstand, daß nach dem Vorstellungsvorbringen im vorliegenden Bereich bereits eine voll ausgebaute Straße vorhanden gewesen sei, stelle keinen gesetzlichen Hinderungsgrund für eine Vorschreibung dar. Auch in diesem Zusammenhang wird auf das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 19. Juni 1985 verwiesen.

Schließlich setzt sich die belangte Behörde unter Hinweis auf § 58 Abs. 6 Oberösterreichische Bauordnung 1994 noch mit der Frage auseinander, ob nach den bisherigen Bestimmungen bereits ein Beitrag zu den Kosten der Verkehrsfläche geleistet worden sei. Da eine derartige Leistung nicht feststellbar sei, sei die Vorschreibung in der von den Gemeindebehörden festgesetzten Höhe zu Recht erfolgt.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die zu Zl. 97/17/0245 protokollierte Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird.

3. Die Zweitbeschwerdeführerin zur Zl. 97/17/0246 ist ebenfalls Alleineigentümerin eines durch den Hauptplatz der mitbeteiligten Stadtgemeinde aufgeschlossenen Grundstückes.

Das Gebäude zählt zum historischen Kern der Altstadt und datiert aus dem 15. Jahrhundert. Nach dem Beschluß des Gemeinderates der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom 7. Juli 1995 wurde auch der Zweitbeschwerdeführerin unter Berufung auf § 19 Abs. 3 Oberösterreichische Bauordnung 1994 mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom 27. Juni 1996 als Beitrag zu den Kosten der Herstellung der öffentlichen Verkehrsfläche Hauptplatz ein Betrag in der Höhe von S 23.512,07 vorgeschrieben. Der Berufung der Beschwerdeführerin gab der Gemeinderat der mitbeteiligten Stadtgemeinde aufgrund des Beschlusses vom 18. Oktober 1996 keine Folge. Die Vorstellung der Zweitbeschwerdeführerin wurde mit dem zur hg. Zl. 97/17/0246 angefochtenen Bescheid als unbegründet abgewiesen.

Begründend führt die belangte Behörde nach Wiedergabe des Sachverhaltes im wesentlichen übereinstimmend mit dem zur Zl. 97/17/0245 angefochtenen Bescheid aus, daß aufgrund des durch die vorgelegte Schlußrechnung vom 23. Jänner 1996 dokumentierten Bauaufwandes von einer der Neuerrichtung technisch und wirtschaftlich gleichkommenden Sanierung im Sinne der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ausgegangen werden könne und die Frage der Notwendigkeit der umfänglichen Erneuerung der Verkehrsfläche im vorliegenden Abgabenverfahren mangels Tatbestandsmäßigkeit nicht zu untersuchen gewesen sei. In der Folge setzt sich die belangte Behörde mit der Argumentation der Zweitbeschwerdeführerin betreffend den vermuteten Baukonsens für das aus dem 15. Jahrhundert stammende Gebäude auseinander und kommt zum Schluß, daß § 19 Abs. 3 Oberösterreichische Bauordnung 1994 schon aus Gründen der verfassungskonformen Interpretation sowohl in Fällen anwendbar sei, in denen noch eine Baubewilligung für das betroffene Gebäude auffindbar sei, als auch in Fällen, in denen eine Baubewilligung nicht auffindbar wäre, der Konsens für das Gebäude jedoch entsprechend der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes anzunehmen sei ("vermuteter Konsens").

4. Gegen diesen Bescheid richtet sich die zur Zl. 97/17/0246 protokollierte Beschwerde, in der ebenfalls Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird.

5. Die belangte Behörde hat zu beiden Verfahren eine Gegenschrift erstattet und darin darauf hingewiesen, daß die Verwaltungsakten dem Verfassungsgerichtshof, an welchen sich die Beschwerdeführerinnen ebenfalls gewendet haben, übermittelt worden sein. Der Verfassungsgerichtshof hat die Verwaltungsakten dem Verwaltungsgerichtshof zur Verfügung gestellt.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat beschlossen, die Beschwerdesachen aufgrund ihres sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Beschlußfassung zu verbinden und hat erwogen:

1. In beiden Beschwerden wird im wesentlichen übereinstimmend geltend gemacht, daß sich aus der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, insbesondere aus dem Erkenntnis vom 19. Juni 1985, Zl. 85/17/0032, und vom 21. Juli 1995, Zl. 92/17/0158, nicht der von der belangten Behörde gezogene Schluß ableiten lasse, daß der Verkehrsflächenbeitrag gemäß § 19 Abs. 3 Oberösterreichische Bauordnung 1994 schon allein dann vorgeschrieben werden könne, wenn die in diesen Erkenntnissen genannten baulichen Maßnahmen, die wirtschaftlich-technisch einer Neuerrichtung gleich kämen, bei einer bestehenden Verkehrsfläche gesetzt werden, sondern daß auch maßgeblich sei, ob die betreffende Verkehrsfläche vor den Baumaßnahmen die in der Judiikatur herausgearbeiteten Anforderungen an eine Straße erfüllt hätten.

2. Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid dazu die Auffassung vertreten, daß es auf die Notwendigkeit der umfänglichen Erneuerung der Verkehrsfläche im vorliegenden Abgabenverfahren mangels Tatbestandsmäßigkeit nicht ankomme.

3. Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 27. Oktober 1997, Zl. 97/17/0256, dargestellt hat, ist der belangten Behörde darin beizupflichten, daß die in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 20 Abs. 11 Oberösterreichische Bauordnung 1976 entwickelten Grundsätze auch für den nunmehrigen Abgabentatbestand gemäß § 19 Oberösterreichische Bauordnung 1994 anwendbar sind. Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem genannten Erkenntnis jedoch deutlich gemacht, daß nicht allein der Umfang der gesetzten Baumaßnahmen über die Frage, ob eine Sanierung im Sinn der erwähnten Rechtsprechung vorliegt, ausschlaggebend ist. Der Verwaltungsgerichtshof hat vielmehr die Anwendung der in der Rechtsprechung zur Sanierung von Straßen entwickelten Grundsätze davon abhängig gemacht, daß auch ein Sanierungsbedarf gegeben war. In gleicher Weise wie in dem dem Erkenntnis vom 27. Oktober 1997 zugrundeliegenden Beschwerdefall die aus Anlaß von Kanalbauarbeiten vorgenommene "Sanierung" des dort gegenständlichen Straßenstückes nicht ohne weitere Erhebungen hinsichtlich des Sanierungsbedarfes als eine die Abgabepflicht nach § 19 Abs. 3 Oberösterreichische Bauordnung 1994 auslösende Baumaßnahme gesehen werden konnte, ist in den Beschwerdefällen - entgegen der Auffassung der belangten Behörde - nicht unerheblich, ob die anläßlich der neuen Oberflächengestaltung des Stadtplatzes erfolgenden Baumaßnahmen im Hinblick auf den Bauzustand der Verkehrsfläche auch ohne die vom Gemeinderat der mitbeteiligten Stadtgemeinde offenbar beschlossene Oberflächengestaltung als notwendig erwiesen hätten.

4. Die Auffassung der belangten Behörde, daß § 19 Abs. 3 Oberösterreichische Bauordnung 1994 unabhängig von der Frage der Notwendigkeit der Baumaßnahmen Anwendung finden könne, ist daher verfehlt.

Der Umstand allein, daß die durchgeführten Baumaßnahmen (wie sie sich aus der Schlußrechnung vom 23. Jänner 1996 ergeben) die in der Judikatur herausgearbeiteten Kriterien in wirtschaftlich-technischer Hinsicht erfüllen, ist für das Vorliegen der Abgabepflicht gemäß § 19 Abs. 3 Oberösterreichische Bauordnung 1994 nicht allein ausschlaggebend. Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie beide Bescheide mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes.

5. Die angefochtenen Bescheide waren daher schon aus diesem Grund gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.

6. Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte im Grunde des § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG Abstand genommen werden.

7. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft den angesprochenen Ersatz für Verhandlungsaufwand sowie die Stempelgebühr für die vierte (nicht erforderliche) Ausfertigung der Beschwerde.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1997170245.X00

Im RIS seit

03.04.2001

Zuletzt aktualisiert am

08.08.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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