Entscheidungsdatum
02.06.2020Norm
Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1Spruch
W133 2218783-1/6E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Natascha GRUBER als Vorsitzende und den Richter Mag. Michael SCHWARZGRUBER sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Gerald SOMMERHUBER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Niederösterreich, vom 06.05.2019, betreffend die Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in dem Behindertenpass zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Die Beschwerdeführerin ist seit 27.07.2018 Inhaberin eines unbefristeten Behindertenpasses mit einem festgestellten Grad der Behinderung von 60 von Hundert (v.H.) mit der Zusatzeintragung "Gesundheitsschädigung gem. § 2 Abs. 1 dritter Teilstrich VO 303/1996". Die Ausstellung dieses Behindertenpasses erfolgte nach Einholung eines allgemeinmedizinischen Sachverständigengutachtens aufgrund der Aktenlage vom 04.09.2018, in dem die Funktionseinschränkungen 1. "Morbus Crohn", bewertet mit einem (Einzel)Grad der Behinderung von 60 v.H. nach der Positionsnummer 07.04.06 der Anlage zur Einschätzungsverordnung, und 2. "Schilddrüsenunterfunktion", bewertet mit einem (Einzel)Grad der Behinderung von 10 v.H. nach der Positionsnummer 09.01.01 der Anlage zur Einschätzungsverordnung, festgestellt und ein Gesamtgrad der Behinderung von 60 v.H. objektiviert wurden. Begründend wurde ausgeführt, dass Leiden 2 das Leiden 1 nicht weiter erhöhe, da es zu geringfügig sei. Betreffend die rezidivierende depressive Störung seien keine Befunde vorgelegt worden. Es wurde weiters festgestellt, dass der Beschwerdeführerin die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar sei.
Am 08.01.2019 stellte die Beschwerdeführerin unter Vorlage eines Befundkonvolutes den gegenständlichen Antrag auf Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b StVO (Parkausweis), der entsprechend dem von der Beschwerdeführerin unterfertigten Antragsformular für den - auf sie zutreffenden - Fall, dass sie nicht über einen Behindertenpass mit der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" in diesem Behindertenpass verfügt, auch als Antrag auf Vornahme der genannten Zusatzeintragung in dem Behindertenpass galt.
Die belangte Behörde holte in der Folge ein Sachverständigengutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin vom 28.03.2019 ein. In diesem Sachverständigengutachten konnten nach Durchsicht der vorgelegten Unterlagen und einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 26.03.2019 folgende Funktionseinschränkungen objektiviert werden: 1.) Morbus Crohn mit schweren chronischen Veränderungen. Inkludiert auch den Zustand nach Blasenoperation 03/2018 wegen postoperativer Blutung, 2.) Bereits länger bestehende Funktionseinschränkung der Nieren initial unter Pentasa Therapie, gutartige Raumforderung am linken Nierenunterpol mitberücksichtigt; keine Blutdruckproblematik, Flüssigkeitsmangel bei M. Crohn mit erhöhtem Kreatinin sowie leichter Blutarmut und 3.) Schilddrüsenunterfunktion, unter Substitution Normwerte. Die nachweisliche Erhöhung des Serum Amyloid A sei vor dem Hintergrund des bekannten M. Crohn als Begleiterscheinung bei langen Entzündungen zu verstehen und sei bereits bei Leiden 1 mitberücksichtigt worden. Im Vergleich zum Vorgutachten vom 04.09.2018 würden sich die Leiden 1 und 3 (vormals Leiden 2) im Gesamtbild unverändert präsentieren, Leiden 2 (eine bereits seit längerem bestehende Nierenfunktionsstörung) sei neu erfasst worden. Es wurde mit einer ausführlichen Begründung festgestellt, dass der Beschwerdeführerin die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar sei.
Mit Schreiben vom 28.03.2019 räumte die belangte Behörde der Beschwerdeführerin ein förmliches Parteiengehör gemäß § 45 AVG samt Möglichkeit zur Stellungnahme ein. Das allgemeinmedizinische Gutachten vom 28.03.2019 wurde der Beschwerdeführerin als Beilage übermittelt.
Mit E-Mailschreiben vom 12.04.2019 wandte die Beschwerdeführerin ein, dass sie in den nächsten Tagen einen ausführlichen Einspruch erheben werde. Es wurden in weiterer Folge von der Beschwerdeführerin jedoch keine weiteren Schreiben oder Unterlagen in Vorlage gebracht.
Daher wies die belangte Behörde mit dem gegenständlich angefochtenen Bescheid vom 06.05.2019 den Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" vom 08.01.2019 unter Hinweis auf das medizinische Beweisverfahren gemäß §§ 42 und 45 Bundesbehindertengesetz (BBG) ab.
Am 10.05.2019 langte fristgerecht eine Beschwerde der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid vom 06.05.2019 bei der belangten Behörde ein. Ohne Vorlage weiterer Beweismittel wurde von der Beschwerdeführerin zusammengefasst vorgebracht, dass sie öffentliche Verkehrsmittel nicht benützen könne, da sie Probleme damit habe, den Stuhlgang zu kontrollieren und ihn auch nicht zurückhalten könne. An manchen Tagen müsse sie bis zu zwanzig Mal aufs WC und dies sehr spontan. Es sei schon vorgekommen, dass sie mit dem PKW umdrehen und nach Hause fahren habe müssen, weil sie spontan auf die Toilette habe müssen, jedoch keinen Parkplatz gefunden habe. Andere Morbus Crohn Patienten hätten einen Behindertenpass (gemeint wohl: Parkausweis) erhalten. Es seien ihre Krankengeschichte und die schwere Magen-Darm-OP zu bedenken. Ihr poröser Darm sei in einer mehrstündigen Operation restauriert und verkürzt worden, außerdem leide sie an Nierenproblemen. Weiters sei Morbus Crohn der Kategorie Immunerkrankung zuzuordnen.
Die belangte Behörde legte am 14.05.2019 dem Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde und den Bezug habenden Verwaltungsakt zur Entscheidung vor. Das Verfahren wurde der hg. Gerichtsabteilung W115 zugeteilt.
Mit Schreiben vom 07.10.2019 wurde die Beschwerdeführerin vom Bundesverwaltungsgericht dazu aufgefordert, die im Rahmen ihrer persönlichen Untersuchung am 26.03.2019 vorgelegten medizinischen Beweismittel eines näher genannten Krankenhauses vom 19.02.2019 in Vorlage zu bringen. Diesem Ersuchen kam die Beschwerdeführerin am 22.10.2019 nach. Zusätzlich wurden noch neue Befunde in Vorlage gebracht.
Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses des Bundesverwaltungsgerichtes vom 21.01.2020 wurde das gegenständliche Beschwerdeverfahren mit Wirksamkeit vom 07.02.2020 der Gerichtsabteilung W115 abgenommen und der Gerichtsabteilung W133 neu zugeteilt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die Beschwerdeführerin ist Inhaberin eines unbefristeten Behindertenpasses mit einem Grad der Behinderung von 60 v.H.
Die Beschwerdeführerin hat ihren Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt im Inland.
Die Beschwerdeführerin stellte am 08.01.2019 einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in dem Behindertenpass.
Bei der Beschwerdeführerin bestehen folgende Funktionseinschränkungen, die voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:
1. Morbus Crohn mit schweren chronischen Veränderungen, inkludiert auch den Zustand nach Blasenoperation 03/2018 wegen postoperativer Blutung;
2. Bereits länger bestehende Funktionseinschränkung der Nieren initial unter Pentasa Therapie, gutartige Raumforderung am linken Nierenunterpol mitberücksichtigt, keine Blutdruckproblematik, Flüssigkeitsmangel bei Morbus Crohn mit erhöhtem Kreatinin sowie leichter Blutarmut;
3. Schilddrüsenunterfunktion, unter Substitution Normwerte.
Die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung bezüglich der Unzumutbarkeit der öffentlichen Verkehrsmittel liegen nicht vor.
Es bestehen weder erhebliche Einschränkungen der unteren Extremitäten, noch erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit.
Die Beschwerdeführerin ist in der Lage, sich ohne Hilfsmittel fortzubewegen. Das Festhalten beim Ein- und Aussteigen ist ausreichend möglich, der Transport in öffentlichen Verkehrsmitteln ist daher gesichert durchführbar. Die Geh-, Steh- und Steigfähigkeit der Beschwerdeführerin sowie die Möglichkeit Haltegriffe zu erreichen und sich festzuhalten sind ausreichend. Niveauunterschiede können überwunden werden, da die Beugefunktion im Bereich der Hüft, Knie- und Sprunggelenke ausreichend ist und das sichere Ein-und Aussteigen gewährleistet sind.
Die Beschwerdeführerin leidet zwar an einer chronisch entzündlichen Darmerkrankung, eine manifeste Stuhlinkontinenz liegt jedoch nachweislich nicht vor, eine Versorgung mit Inkontinenzprodukten ist nicht notwendig. Auch bestehen hinsichtlich der - sich auf diese Erkrankung negativ auswirkenden - angespannt-ängstlich-depressiven Stimmungslage Therapieoptionen.
Trotz bereits seit längerem bekannter Einschränkung der Nierenfunktion bei Dehydratation begleitend aufgetreten unter Medikation (Pentasa) besteht keine Kollapsneigung, außerdem liegt ein stabiler Kreislauf bei gutem Allgemeinzustand und gutem Ernährungszustand vor.
Es liegen weiters keine erheblichen Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten bzw. Funktionen vor.
Es besteht auch keine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems und auch keine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit.
Hinsichtlich der bei der Beschwerdeführerin bestehenden einzelnen Funktionseinschränkungen, deren Ausmaß, wechselseitiger Leidensbeeinflussung, medizinischer Diagnose und deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel werden die diesbezüglichen medizinischen Beurteilungen im Sachverständigengutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin vom 28.03.2019 der nunmehrigen Entscheidung zu Grunde gelegt.
Die Beschwerdeführerin erhob weder in ihrer Stellungnahme im Rahmen des von der belangten Behörde durchgeführten Parteiengehörs, noch in ihrer Beschwerde konkrete und substantiierte Einwendungen gegen das vorliegende Gutachten, welche geeignet wären, dieses zu entkräften oder in Frage zu stellen; diesbezüglich wird auf die nachfolgende Beweiswürdigung und rechtliche Beurteilung verwiesen. Eine vom Gutachten abweichende Beurteilung erweist sich zum Entscheidungszeitpunkt als nicht möglich.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen über die Ausstellung eines Behindertenpasses, den aktuellen Grad der Behinderung und das Datum der Einbringung des gegenständlichen Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" im Behindertenpass basieren auf dem Akteninhalt.
Die Feststellung zum Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt der Beschwerdeführerin im Inland ergibt sich aus einem vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten Auszug aus dem Zentralen Melderegister; konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die Beschwerdeführerin ihren Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt nicht im Inland hätte, sind im Verfahren nicht hervorgekommen. Auch die belangte Behörde ging vom Vorliegen dieser Voraussetzung aus.
Die Feststellungen zu den bestehenden Leidenszuständen und zur Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel gründen sich auf das durch die belangte Behörde eingeholte medizinische Sachverständigengutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin vom 28.03.2019. In diesem Gutachten wird nachvollziehbar ausgeführt, dass die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel für die Beschwerdeführerin zumutbar ist. Es wird auf die Art der Leiden der Beschwerdeführerin und deren Ausmaß vollständig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei eingegangen. Die Gutachterin setzte sich auch nachvollziehbar mit den im Zuge des Verfahrens vorgelegten Befunden auseinander. Die am 22.10.2019 neu vorgelegten Befunde unterliegen der Neuerungsbeschränkung. Die getroffenen Beurteilungen basieren auf den im Rahmen einer persönlichen Untersuchung erhobenen Befunden und entsprechen auch den festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen (zur Art und zum Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen und deren Auswirkungen wird auf die detaillierten, oben auszugsweise wiedergegebenen Ausführungen im Gutachten verwiesen).
Die Feststellungen und die getroffene medizinische Beurteilung zu den Auswirkungen der vorliegenden Gesundheitsschädigungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel decken sich auch mit den Ergebnissen der Untersuchung im Rahmen der Statuserhebung und auch mit den vorliegenden Befunden.
Im Rahmen der persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 26.03.2019 wurde folgender klinischer Status erhoben:
"Klinischer Status - Fachstatus:
Atmung: unauffällig
Haut: gut durchblutet, warm, trocken, Turgor altersentsprechend unauffällig, aktuell kein Hinweis auf Dehydratation;
Sichtbare Schleimhäute: feucht, rosig, keine Zyanose, keine Ödeme, kein Ikterus
Caput: äußerlich unauffällig, Lesebrille, Pupillen rund, Reaktion prompt, isocor; Zähne saniert, Hörvermögen intakt
Collum: keine Lymphknoten tastbar, Schilddrüse verschieblich, palpatorisch nicht vergrößert oder druckempfindlich, Halsvenen nicht gestaut
Thorax: symmetrisch, sonorer Klopfschall, VA bds., keine RGs; HA rhythmisch, rein, mittellaut, höherfrequent (etwa 100/min) "das hab ich immer, soll angeschaut werden"
Abdomen: Bauchdecken weich in Thoraxniveau, keine Resistenzen, keine Druckdolenz über dem gesamten Abdomen, Darmgeräusche regelhaft, kein Meteorismus, Hepar am Rippenbogen, Lien nicht tastbar, Nierenlager bds. frei; blande mediane Laparotomienarbe ohne Hinweis auf Herniation; keine Inkontinenzversorgung, dünne kleine Slipeinlage;
WS: reguläre Krümmungsverhältnisse, Schultergürtel und Becken horizontal, kein
Klopfschmerz, HWS F 35-0-45, R 70-0-70, Lateralflexion re 45, li 45; ISG bds frei, FBA etwa 10 cm, Rumpfrotation frei, paravertebrale Muskulatur in allen Abschnitten seitengleich mäßig ausgeprägt, kein Hartspann
OE: Schultern stehen gerade, Schürzengriff frei, Nackengriff frei, Schultern: rechts AV/RV 170-0-40, Ad/Ab 40-0-180, Ri/a 95-0-80; links: AV/RV 170-0-40, Ad/Ab 40-0-180, Ri/a 95-080; kompletter Faustschluss sowie Daumenopposition und Pinzettengriff bds. uneingeschränkt; alle Gelenke bandstabil, Tonus und Trophik unauffällig; Grobkraft in etwa seitengleich; keine äußeren Auffälligkeiten
UE: keine Ödeme, Fußpulse seitengleich tastbar, Varicen nicht feststellbar, kein Hinweis auf CVI; Zehen-, Fersen- Einbeinstand bds. ausführbar, Muskelmantel symmetrisch,
Hüftbeweglichkeit: rechts B/S 120-0-10, Ab/Add 45-0-30, Ri/a 50-0-40; links: B/S 120-0-10, Ab/Ad 45-0-30, Ri/a 50-0-40; Knie: rechts E/F 10-0-130, links E/F 10-0-130;
seitenbandstabil; SPG Plantarflexion (40), Dorsalextension (30) beidseits unauffällig; keine Sensibilitätseinschränkungen, keine äußerlichen Auffälligkeiten
Neurologie: grob neurolog. unauffällig, keine sensomotorischen Defizite erhebbar
Gesamtmobilität - Gangbild:
Gangbild normalschrittig raumgreifend sicher und frei, Konfektionsschuhe, keine Gehhilfen; freies Stehen, Zehen- und Fersengang seitengleich möglich, selbständiges An- und Auskleiden rasch und flüssig im Stehen möglich, Niveauunterschiede (Stiegensteigen, Transfer zur und von Untersuchungsliege) unbeeinträchtigt realisierbar, allgemein sehr gute Beweglichkeit"
Bereits aus diesem Untersuchungsergebnis ergibt sich, dass die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung bezüglich der Unzumutbarkeit der öffentlichen Verkehrsmittel nicht vorliegen.
Funktionseinschränkungen am Stütz- und Bewegungsapparat sind nicht dokumentiert und werden von der Beschwerdeführerin auch nicht behauptet. Die Beschwerdeführerin ist in der Lage, sich ohne Hilfsmittel fortzubewegen. Das Festhalten beim Ein- und Aussteigen ist ausreichend möglich, der Transport in öffentlichen Verkehrsmitteln ist daher gesichert durchführbar. Die Geh-, Steh- und Steigfähigkeit der Beschwerdeführerin sowie die Möglichkeit Haltegriffe zu erreichen und sich festzuhalten sind ausreichend. Niveauunterschiede können überwunden werden, da die Beugefunktion im Bereich der Hüft, Knie- und Sprunggelenke ausreichend ist und das sichere Ein-und Aussteigen gewährleistet sind.
Weiters erläutert die beigezogene Gutachterin anhand des klinischen Untersuchungsbefundes nachvollziehbar, dass bei der Beschwerdeführerin eine manifeste Stuhlinkontinenz nachweislich nicht vorliegt und eine Versorgung mit Inkontinenzprodukten nicht notwendig ist. Sie beschreibt, dass im Rahmen der Untersuchung objektiviert werden konnte, dass die Beschwerdeführerin als Schutz vor Verunreinigung lediglich eine Slipeinlage verwendet, welche - da diese bei Weitem nicht über ein ausreichendes Fassungsvolumen verfügt - nicht als Ersatz für Erwachseneninkontinenzversorgung verstanden werden kann. Auch im Rahmen der Anamneseerhebung wurde von der Beschwerdeführerin angegeben, dass sie keine gängigen Erwachseneninkontinenzprodukte verwendet. Im Einklang mit den vorliegenden Befunden stellt die Sachverständige fest, dass das Darmleiden der Beschwerdeführerin lediglich einer geringen Medikation bedarf und zwischenzeitlich - wie in der Medikationsliste eines näher genannten Krankenhauses vom Februar 2019 dargestellt - gänzlich abgesetzt wurde. Schließlich wird auch in der bei der persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 26.03.2019 vorgelegten Ambulanzkarte eines näher genannten Krankenhauses vom 19.02.2019 beschrieben, dass zum damaligen Zeitpunkt keine Durchfälle vorlagen. Weiters ergibt sich im Übrigen auch aus dem nachgereichten Entlassungsbrief eines näher genannten Krankenhauses vom 17.07.2019, welcher der Neuerungsbeschränkung unterliegt, dass die Beschwerdeführerin nach einem mehrtägigen Aufenthalt in gutem Allgemeinzustand und subjektiv beschwerdefrei nach Hause entlassen werden könnte. Es wurde ein gastroenterologisches Folgekonsil zur Therapieübernahme aufgrund des bekannten Leidens ambulant vereinbart.
Zur bestehenden Therapieoption erläutert die beigezogene Sachverständige nachvollziehbar, dass sich die anamnestisch erhobene Zahl der Stuhlgänge der Beschwerdeführerin bei Nervosität erhöht, dass jedoch vonseiten der Beschwerdeführerin trotz Empfehlung der betreuenden Institutionen keinerlei begleitende Maßnahmen zur Erleichterung der angespannt-ängstlich-depressiven Stimmungslage unternommen wurden, und somit der therapeutische Rahmen auch diesbezüglich nicht ausgeschöpft ist.
In Zusammenschau der vorgelegten Befunde, der Ausführungen der Beschwerdeführerin im Rahmen der Anamneseerhebung und der schlüssigen Erläuterungen der befassten Sachverständigen kann daher nicht vom Vorliegen einer manifesten Stuhlinkontinenz mit imperativem Stuhldrang in einem Ausmaß ausgegangen werden, welche die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel unzumutbar machen würde.
Zur Neuaufnahme des Leidens 2 "Funktionseinschränkung der Nieren" erläutert die Sachverständige schlüssig, dass trotz bereits seit längerem bekannter Einschränkung der Nierenfunktion - bei Dehydratation begleitend aufgetreten unter Medikation (Pentasa) - keine Kollapsneigung besteht und ein stabiler Kreislauf bei gutem Allgemeinzustand vorliegt. Durch die Niereninsuffizienz verursachte Kollapszustände sind auch nicht dokumentiert und wurden weiters von der Beschwerdeführerin nicht beschrieben. Eine gute körperliche Belastbarkeit ist gegeben, wodurch die Fähigkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel durch dieses Leiden keine Einschränkung erfährt.
Schließlich ist anzumerken, dass sich dem eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten keine ausreichend konkreten Anhaltspunkte für die Annahme entnehmen lassen, dass bei der Beschwerdeführerin von der beigezogenen Sachverständigen keine fachgerechte Untersuchung durchgeführt worden wäre und ergibt sich eine solche Annahme auch nicht aus dem diesbezüglich nicht ausreichend substantiierten Vorbringen in der Beschwerde; insbesondere widersprechen die Untersuchungsergebnisse im Wesentlichen auch nicht den von der Beschwerdeführerin selbst vorgelegten medizinischen Unterlagen. Im Übrigen ist es - dies sei lediglich der Vollständigkeit halber angemerkt - im gegenständlichen Verfahren nicht Aufgabe des medizinischen Sachverständigen, dem Antragsteller eine medizinische Behandlung zukommen zu lassen, sondern eine Beurteilung auf Grundlage der Bestimmungen der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen vorzunehmen.
Die Beschwerdeführerin ist dem Sachverständigengutachten auch nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, steht es dem Antragsteller, so er der Auffassung ist, dass seine Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes doch frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27.06.2000, Zl. 2000/11/0093).
Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen folglich keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit des vorliegenden Sachverständigengutachtens vom 28.03.2019. Dieses wird daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchteil A)
Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten auszugsweise:
"§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn
1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder
2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder
3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder
...
5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.
(2) Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpass auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.
§ 41. (1) Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn
1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder
2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder
3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.
...
§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familiennamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.
...
§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.
(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.
(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.
(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.
...
§ 46. Die Beschwerdefrist beträgt abweichend von den Vorschriften des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes, BGBl. I Nr. 33/2013, sechs Wochen. Die Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung beträgt zwölf Wochen. In Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht dürfen neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden.
§ 47. Der Bundesminister für Arbeit und Soziales ist ermächtigt, mit Verordnung die näheren Bestimmungen über den nach § 40 auszustellenden Behindertenpaß und damit verbundene Berechtigungen festzusetzen."
§ 1 Abs. 4 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 495/2013 in der Fassung des BGBl. II Nr. 263/2016, lautet auszugsweise:
"§ 1 ...
(4) Auf Antrag des Menschen mit Behinderung ist jedenfalls einzutragen:
1. die Art der Behinderung, etwa dass der Inhaber/die Inhaberin des Passes
a)...
b)...
...
2. ...
3. die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und
- erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder
- erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder
- erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder
- eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder
- eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach Abs. 4 Z 1 lit. b oder d vorliegen.
(5) Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind, bildet ein Gutachten eines ärztlichen Sachverständigen des Sozialministeriumservice. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.
(6)..."
Gemäß § 1 Abs. 5 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen bildet die Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in § 1 Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind, ein Gutachten eines ärztlichen Sachverständigen des Sozialministeriumservice. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.
Um die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilen zu können, hat die Behörde nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu ermitteln, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt. Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden. Nur dadurch wird die Behörde in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob dem Betreffenden die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung unzumutbar ist (vgl. VwGH 23.02.2011, 2007/11/0142, und die dort zitierten Erkenntnisse vom 18.12.2006, 2006/11/0211, und vom 17.11.2009, 2006/11/0178, jeweils mwN.).
In den auf der Homepage des Bundesministeriums für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz veröffentlichten Erläuterungen zur Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen zur Stammfassung BGBl. II 495/2013 wird - soweit im Beschwerdefall relevant - Folgendes ausgeführt:
Zu § 1 Abs. 2 Z 3 (auszugsweise) - (nunmehr seit der Novelle BGBl. II Nr. 263/2016 unter § 1 Abs. 4 Z. 3 geregelt):
"Mit der vorliegenden Verordnung sollen präzisere Kriterien für die Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel festgelegt werden. Die durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bisher entwickelten Grundsätze werden dabei berücksichtigt.
...
Grundsätzlich ist eine Beurteilung nur im Zuge einer Untersuchung des Antragstellers/der Antragstellerin möglich. Im Rahmen der Mitwirkungspflicht des Menschen mit Behinderung sind therapeutische Möglichkeiten zu berücksichtigen. Therapierefraktion - das heißt keine therapeutische Option ist mehr offen - ist in geeigneter Form nachzuweisen. Eine Bestätigung des Hausarztes/der Hausärztin ist nicht ausreichend.
Durch die Verwendung des Begriffes "dauerhafte Mobilitätseinschränkung" hat schon der Gesetzgeber (StVO-Novelle) zum Ausdruck gebracht, dass es sich um eine Funktionsbeeinträchtigung handeln muss, die zumindest 6 Monate andauert. Dieser Zeitraum entspricht auch den grundsätzlichen Voraussetzungen für die Erlangung eines Behindertenpasses.
Nachfolgende Beispiele und medizinische Erläuterungen sollen besonders häufige, typische Fälle veranschaulichen und richtungsgebend für die ärztlichen Sachverständigen bei der einheitlichen Beurteilung seltener, untypischer ähnlich gelagerter Sachverhalte sein. Davon abweichende Einzelfälle sind denkbar und werden von den Sachverständigen bei der Beurteilung entsprechend zu begründen sein.
Die Begriffe "erheblich" und "schwer" werden bereits jetzt in der Einschätzungsverordnung je nach Funktionseinschränkung oder Erkrankungsbild verwendet und sind inhaltlich gleich bedeutend.
...
Erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit betreffen vorrangig cardiopulmonale Funktionseinschränkungen. Bei den folgenden Einschränkungen liegt jedenfalls eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vor:
- arterielle Verschlusskrankheit ab II/B nach Fontaine bei fehlender therapeutischer Option
- Herzinsuffizienz mit hochgradigen Dekompensationszeichen
- hochgradige Rechtsherzinsuffizienz
- Lungengerüsterkrankungen unter Langzeitsauerstofftherapie
- COPD IV mit Langzeitsauerstofftherapie
- Emphysem mit Langzeitsauerstofftherapie
- mobiles Gerät mit Flüssigsauerstoff muss benützt werden.
...
Erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Funktionen umfassen im Hinblick auf eine Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel folgende Krankheitsbilder:
- Klaustrophobie, Soziophobie und phobische Angststörungen als Hauptdiagnose nach ICD 10 und nach Ausschöpfung des therapeutischen Angebotes und einer nachgewiesenen Behandlung von mindestens 1 Jahr,
- hochgradige Entwicklungsstörungen mit gravierenden Verhaltensauffälligkeiten,
- schwere kognitive Einschränkungen, die mit einer eingeschränkten Gefahreneinschätzung des öffentlichen Raumes einhergehen,
- nachweislich therapierefraktäres, schweres, cerebrales Anfallsleiden - Begleitperson ist erforderlich.
Eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems, die eine Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel wegen signifikanter Infektanfälligkeit einschränkt, liegt vor bei:
- anlagebedingten, schweren Erkrankungen des Immunsystems (SCID - sever combined immundeficiency),
- schweren, hämatologischen Erkrankungen mit dauerhaftem, hochgradigem Immundefizit (z.B: akute Leukämie bei Kindern im 2. Halbjahr der Behandlungsphase, Nachuntersuchung nach Ende der Therapie),
- fortgeschrittenen Infektionskrankheiten mit dauerhaftem, hochgradigem Immundefizit,
- selten auftretenden chronischen Abstoßungsreaktion nach Nierentransplantationen, die zu zusätzlichem Immunglobulinverlust führen.
Bei Chemo- und/oder Strahlentherapien im Rahmen der Behandlung onkologischer Erkrankungen, kommt es im Zuge des zyklenhaften Therapieverlaufes zu tageweisem Absinken der Abwehrkraft. Eine anhaltende Funktionseinschränkung resultiert daraus nicht.
Anzumerken ist noch, dass in dieser kurzen Phase die Patienten in einem stark reduzierten Allgemeinzustand sind und im Bedarfsfall ein Krankentransport indiziert ist.
Bei allen frisch transplantierten Patienten kommt es nach einer anfänglichen Akutphase mit hochdosierter Immunsuppression, nach etwa 3 Monaten zu einer Reduktion auf eine Dauermedikation, die keinen wesentlichen Einfluss auf die Abwehrkräfte bei üblicher Exposition im öffentlichen Raum hat.
Keine Einschränkung im Hinblick auf die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel haben:
- vorübergehende Funktionseinschränkungen des Immunsystem als Nebenwirkung im Rahmen von Chemo-und /oder Strahlentherapien,
- laufende Erhaltungstherapien mit dem therapeutischen Ziel, Abstoßreaktionen von Transplantaten zu verhindern oder die Aktivität von Autoimmunerkrankungen einzuschränken,
- Kleinwuchs,
- gut versorgte Ileostoma, Colostoma und Ähnliches mit dichtem Verschluss. Es kommt weder zu Austritt von Stuhl oder Stuhlwasser noch zu Geruchsbelästigungen. Lediglich bei ungünstiger Lokalisation und deswegen permanent undichter Versorgung ist in Ausnahmefällen die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel unzumutbar,
- bei Inkontinenz, da die am Markt üblichen Inkontinenzprodukte ausreichend sicher sind und Verunreinigungen der Person durch Stuhl oder Harn vorbeugen. Lediglich bei anhaltend schweren Erkrankungen des Verdauungstraktes ist in Ausnahmefällen die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel unzumutbar.
..."
Der Vollständigkeit halber ist zunächst darauf hinzuweisen, dass im gegenständlichen Verfahren der Antrag der Beschwerdeführerin auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" gemäß §§ 42 und 45 BBG abgewiesen wurde. Verfahrensgegenstand im gegenständlichen Beschwerdeverfahren ist somit nicht die Feststellung des Gesamtgrades der Behinderung, sondern ausschließlich die Prüfung der Voraussetzungen für die Vornahme der beantragten Zusatzeintragung.
Wie oben unter Punkt II.2. eingehend ausgeführt wurde, wird der gegenständlichen Entscheidung das durch die belangte Behörde eingeholte medizinische Sachverständigengutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin vom 28.03.2019 zu Grunde gelegt, wonach der Beschwerdeführerin die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar ist. Weder bestehen entscheidungserhebliche Einschränkungen der oberen oder unteren Extremitäten, noch ausreichend erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit, noch ausreichend erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten oder Funktionen. Auch liegen keine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubheit vor, sowie auch keine anhaltende ausreichend erhebliche Funktionseinschränkung des Immunsystems im Sinne der genannten Verordnung. Ein psychiatrisches Leiden in einem Ausmaß, welches die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in unzumutbarem Ausmaß behindert, wurde ebenfalls nicht belegt.
Bei der Beschwerdeführerin liegt zwar eine chronische Darmerkrankung vor, diese erreicht aber -wie dies im Rahmen der Beweiswürdigung bereits ausgeführt wurde - nicht ein solches Ausmaß, dass sich daraus die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel rechtfertigen lassen würde.
Wie ebenfalls bereits oben im Rahmen der Beweiswürdigung dargelegt wurde, wurden von der Beschwerdeführerin keine Befunde vorgelegt, die das vorliegende Gutachten entkräften oder diesem widersprechen würden. Die mit Nachreichung vom 22.10.2019 neu vorgelegten Befunde unterliegen der Neuerungsbeschränkung. Das im gegenständlichen Verfahren von der Behörde eingeholte Gutachten erweist sich als vollständig, widerspruchsfrei und schlüssig.
Auch eine Ausschöpfung der zumutbaren Therapieoptionen in Bezug auf die geltend gemachten Funktionseinschränkungen ist - wie oben ebenfalls bereits ausgeführt wurde - nicht belegt. Aus dem eingeholten Gutachten vom 28.03.2019 ergibt sich vielmehr, dass sich die anamnestisch erhobene Zahl der Stuhlgänge der Beschwerdeführerin bei Nervosität erhöht, dass jedoch vonseiten der Beschwerdeführerin trotz Empfehlung der betreuenden Institutionen keinerlei begleitende Maßnahmen zur Erleichterung der angespannt-ängstlich-depressiven Stimmungslage unternommen wurden.
Da festzustellen war, dass die dauernden Gesundheitsschädigungen kein Ausmaß erreichen, welches aktuell die Vornahme der Zusatzeintragung "Dem Inhaber des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar" rechtfertigt, war die Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid spruchgemäß abzuweisen. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist der Beschwerdeführerin zum Entscheidungszeitpunkt zumutbar.
Die Beschwerdeführerin ist darauf hinzuweisen, dass bei einer befundmäßig objektivierten erheblichen Verschlechterung ihres Leidenszustandes eine neuerliche Antragstellung und die neuerliche Prüfung der "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" nach Maßgabe des § 41 Abs. 2 BBG in Betracht kommt.
Im gegenständlichen Fall wurde die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel unter Mitwirkung einer ärztlichen Sachverständigen geprüft. Die strittigen Tatsachenfragen (Schmerzen, Art und Ausmaß der Funktionseinschränkungen, deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel) gehören dem Bereich zu, der von Sachverständigen zu beleuchten ist. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist vor dem Hintergrund des vorliegenden, nicht ausreichend substantiiert bestrittenen schlüssigen Sachverständigengutachtens geklärt, sodass im Sinne der Judikatur des EGMR und der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16.12.2013, Zl. 2011/11/0180) eine mündliche Verhandlung nicht geboten war. Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union stehen somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG nicht entgegen (vgl. auch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16.12.2013, Zl. 2011/11/0180 mit weiterem Verweis auf die Entscheidung des EGMR vom 21.03.2002, Nr. 32.636/96). Beide Parteien haben zudem keine mündliche Verhandlung beantragt. All dies lässt die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern auch im Sinne des Gesetzes (§ 24 Abs. 1 VwGVG) liegt, weil damit dem Grundsatz der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird (vgl. dazu die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes vom 09.06.2017, Zl. E 1162/2017-5).
Zu Spruchteil B)
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Dieser Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung, des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.
Schlagworte
Behindertenpass Sachverständigengutachten Zumutbarkeit ZusatzeintragungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W133.2218783.1.00Im RIS seit
18.08.2020Zuletzt aktualisiert am
18.08.2020