Entscheidungsdatum
09.06.2020Norm
B-VG Art133 Abs4Spruch
W135 2213730-1/5E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Ivona GRUBESIC als Vorsitzende und die Richterin Mag. Carmen LOIBNER-PERGER sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Michael SVOBODA als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX vertreten durch Boyer Neuhuber Rechtsanwälte, gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 04.12.2018, Zl. XXXX , betreffend die Abweisung des Antrages vom 23.10.2018 auf Gewährung einer Hilfeleistung in Form von Pauschalentschädigung für Schmerzengeld nach dem Verbrechensopfergesetz, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Die anwaltlich vertretene Beschwerdeführerin stellte mit Schriftsatz vom 23.10.2018 beim Sozialministeriumservice (im Folgenden: belangte Behörde) einen Antrag auf Gewährung einer Pauschalentschädigung für Schmerzengeld gemäß § 6a Abs. 1 erster Fall VOG. Antragsbegründend gab die Beschwerdeführerin an, am 16.06.2018 von einer namentlich genannten Täterin an einem Badeteich in Österreich mit einem Paddel geschlagen und dabei am Kopf sowie rechten Arm verletzt worden zu sein. Die Beschwerdeführerin sei mit der Rettung ins Spital gebracht worden, sei in Folge zwei Wochen im Krankenstand gewesen und habe rund vier Wochen Schmerzen verspürt. Das Ermittlungsverfahren gegen die Täterin sei gemäß § 11 StGB eingestellt worden, da diese zum Tatzeitpunkt nicht zurechnungsfähig gewesen sei.
Mit dem Antrag legte die Beschwerdeführerin den Strafakt sowie die Fotodokumentation der Verletzungen und die Krankenunterlagen in Kopie vor.
Mit gegenständlich angefochtenem Bescheid vom 04.12.2018 wies die belangte Behörde - nach Gewährung eines entsprechenden Parteiengehörs - den Antrag der Beschwerdeführerin auf Gewährung einer Pauschalentschädigung für Schmerzengeld gemäß §§ 1 Abs. 1 iVm 6a VOG ab.
Die belangte Behörde führte in diesem Bescheid begründend aus, dass die Beschwerdeführerin am 16.06.2018 eine Beule mit Hautabschürfung im Bereich der rechten Stirnseite sowie eine Hautabschürfung am rechten Unterarm erlitten und sich zwei Wochen im Krankenstand befunden habe. Bei diesen Verletzungen handle es sich um eine leichte Körperverletzung mit einer Gesundheitsschädigung und Berufsunfähigkeit von nicht mehr als 14-tägiger Dauer.
Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin mit Anwaltsschriftsatz vom 17.01.2019 - bei der belangten Behörde am 21.01.2019 eingelangt - das Rechtsmittel der Beschwerde, in welcher die Beschwerdeführerin vorbringt, dass weder die im angefochtenen Bescheid zitierte Schwere der Verletzungen noch die angenommene Berufsunfähigkeit von "weniger als 14 Tagen" den tatsächlichen Umständen entsprechen würde. Betrachte man den Strafakt, insbesondere die von den Verletzungen der Beschwerdeführerin am 16.06.2018 im Krankenhaus angefertigten Fotos, sei allein aus dem Befund des Landesklinikums H. festzustellen, dass die Beschwerdeführerin eine große Beule mit einer offenen Kratzwunde erlitten habe. Der gesamte Unterarm sei aufgeschunden gewesen. Die Beschwerdeführerin habe ein blaues Auge gehabt und schwere Blutergüsse am Unterarm, welche von den Abwehrbewegungen stammten. Im Übrigen sei die Dauer des Krankenstandes, die lediglich dem subjektiven Empfinden entspreche, nicht mit einer Berufsunfähigkeit gleichzusetzen.
Die Beschwerde und der bezughabende Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 29.01.2019 zur Entscheidung vorgelegt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die Beschwerdeführerin, eine österreichische Staatsangehörige, erlitt am 16.06.2018 eine ihr im Inland zugefügte Körperverletzung in Form einer großen Beule mit Hautabschürfung im Bereich der rechten Stirnseite sowie eine Hautabschürfung mit Blutergüssen am rechten Unterarm.
Die Beschwerdeführerin wurde wegen der ihr zugefügten Körperverletzung am 16.06.2018 ambulant im Landesklinikum H. behandelt, war in Folge 14 Tage im Krankenstand und verspürte rund vier Wochen Schmerzen.
Das Ermittlungsverfahren gegen die Täterin V.B. wurde gemäß § 11 StGB eingestellt, da diese zum Tatzeitpunkt nicht zurechnungsfähig war.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen gründen auf den eigenen Angaben der Beschwerdeführerin im gesamten Verfahren und den von ihr selbst vorgelegten - im Verwaltungsakt der belangten Behörde einliegenden - Unterlagen der Landespolizeidirektion Niederösterreich, insbesondere dem Abschlussbericht an die Staatsanwaltschaft vom 24.08.2018, dem Ambulanzbericht des Landesklinikums vom 16.06.2018 samt der dazugehörigen Fotodokumentation.
3. Rechtliche Beurteilung:
Die Beschwerde ist rechtzeitig und auch sonst zulässig. Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes und die Entscheidung durch einen Senat ergeben sich aus §§ 6, 7 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz (BVwGG) iVm § 9d Abs. 1 Verbrechensopfergesetz (VOG).
Zu A)
Gemäß § 1 Abs. 1 VOG haben Anspruch auf Hilfe österreichische Staatsbürger, wenn mit Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass sie
1. durch eine zum Entscheidungszeitpunkt mit einer mehr als sechsmonatigen Freiheitsstrafe bedrohte rechtswidrige und vorsätzliche Handlung eine Körperverletzung oder eine Gesundheitsschädigung erlitten haben oder
2. durch eine an einer anderen Person begangene Handlung im Sinne der Z 1 nach Maßgabe der bürgerlich-rechtlichen Kriterien einen Schock mit psychischer Beeinträchtigung von Krankheitswert erlitten haben oder
3. als Unbeteiligte im Zusammenhang mit einer Handlung im Sinne der Z 1 eine Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung erlitten haben, soweit nicht hieraus Ansprüche nach dem Amtshaftungsgesetz, BGBl. Nr. 20/1949, bestehen,
und ihnen dadurch Heilungskosten erwachsen sind oder ihre Erwerbsfähigkeit gemindert ist. Wird die österreichische Staatsbürgerschaft erst nach der Handlung im Sinne der Z 1 erworben, gebührt die Hilfe nur, sofern diese Handlung im Inland oder auf einem österreichischen Schiff oder Luftfahrzeug (Abs. 6 Z 1) begangen wurde.
Gemäß § 1 Abs. 2 Z 1 leg.cit. ist Hilfe auch dann zu leisten, wenn die mit Strafe bedrohte Handlung im Zustand der Zurechnungsunfähigkeit begangen worden ist oder der Täter in entschuldigenden Notstand gehandelt hat.
Im Fall der Beschwerdeführerin liegen gemäß § 1 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 1 VOG die grundsätzlichen Voraussetzungen für Leistungen nach dem Verbrechensopfergesetz vor.
Nach § 2 Z 10 leg.cit. ist als Hilfeleistung unter anderem die Pauschalentschädigung für Schmerzengeld vorgesehen.
Nach § 6a Abs. 1 lec.cit. ist Hilfe nach § 2 Z 10 für eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs. 1 StGB) infolge einer Handlung im Sinne des § 1 Abs. 1 als einmalige Geldleistung im Betrag von 2 000 Euro zu leisten; sie beträgt 4 000 Euro, sofern die durch die schwere Körperverletzung verursachte Gesundheitsschädigung oder Berufsunfähigkeit länger als drei Monate andauert.
§ 84 Abs. 1 Strafgesetzbuch (StGB ) lautet:
"Schwere Körperverletzung
§ 84 (1) Hat die Tat eine länger als vierundzwanzig Tage dauernde Gesundheitsschädigung oder Berufsunfähigkeit zur Folge oder ist die Verletzung oder Gesundheitsschädigung an sich schwer, so ist der Täter mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren zu bestrafen."
Aus den zitierten Bestimmungen ergibt sich, dass für die Zuerkennung einer Pauschalentschädigung für Schmerzengeld gemäß § 6a Abs. 1 erster Fall VOG eine schwere Körperverletzung gemäß § 84 Abs. 1 StGB erforderlich ist.
Die Beschwerdeführerin wurde unmittelbar nach der ihr am 16.06.2018 zugefügten körperlichen Verletzung im Landesklinikum H. ambulant behandelt. Eine darüberhinausgehende, in weiterer Folge notwendig gewesene, medizinische Behandlung ist nicht dokumentiert und wurde von der Beschwerdeführerin im gesamten Verfahren nicht vorgebracht. Das Bundesverwaltungsgericht geht daher davon aus, dass die Verletzungen der Beschwerdeführerin komplikationslos verheilten. Die Beschwerdeführerin war ihren eigenen Angaben zu Folge 14 Tage im Krankenstand und habe insgesamt rund vier Wochen Schmerzen verspürt. Eine Berufsunfähigkeit, welche über die Dauer des Krankenstandes hinausgegangen wäre, wurde von der Beschwerdeführerin nicht vorgebracht; der Umstand allein, dass die Beschwerdeführerin rund vier Wochen - im Übrigen weder näher konkretisierte noch ausreichend dokumentierte - Schmerzen verspürt habe, reicht für die Annahme einer länger als 24 Tage dauernden Gesundheitsschädigung oder Berufsunfähigkeit nicht aus.
Dass es sich bei den festgestellten Verletzungen - einer großen Beule mit Hautabschürfung im Bereich der rechten Stirnseite sowie eine Hautabschürfung mit Blutergüssen am rechten Unterarm der Beschwerdeführerin - um eine an sich schwere Körperverletzung handelt, kann ebenso wenig erkannt werden.
Da die im Fall der Beschwerdeführerin in Rede stehende Handlung keine schwere Körperverletzung gemäß § 84 Abs. 1 StGB nach sich gezogen hat, wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf Gewährung einer Pauschalentschädigung für Schmerzengeld von der belangten Behörde zu Recht abgewiesen.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer mündlichen Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen.
Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.
Im gegenständlichen Fall war zu klären, ob der Beschwerdeführerin eine schwere Körperverletzung zugefügt wurde. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt wurde bereits durch die belangte Behörde geklärt und ist unbestritten. Die anwaltlich vertretene Beschwerdeführerin erstattete in der Beschwerde kein substantiiertes Vorbringen, welches dazu geführt hätte, dass das Bundesverwaltungsgericht von einem gänzlich anderen Sachverhalt, als die belangte Behörde ausgegangen wäre. Vor dem Hintergrund, dass der Sachverhalt den Unterlagen des vorgelegten Verwaltungsaktes der belangten Behörde zu entnehmen war, sohin der entscheidungsrelevante Sachverhalt durch reines Aktenstudium geklärt werden konnte sowie lediglich eine Rechtsfrage zu lösen war und in der Beschwerde keine Rechts- oder Tatfragen von einer solchen Art aufgeworfen wurden, deren Lösung eine mündliche Verhandlung erfordert hätte, war eine mündliche Verhandlung im Sinne der Judikatur des EGMR und der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. zuletzt VwGH vom 17.02.2015, Zl. Ra 2014/09/0007, mwN) nicht geboten. Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union stehen somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG nicht entgegen. Im vorliegenden Fall wurde darüber hinaus seitens beider Parteien eine mündliche Verhandlung nicht beantragt (vgl. VwGH 16.12.2013, 2011/11/0180 mit weiterem Verweis auf die Entscheidung des EGMR vom 21.03.2002, Nr. 32.636/96). Eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall ist nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel, sondern auch im Sinne des Gesetzes (§ 24 Abs. 1 VwGVG), weil damit dem Grundsatz der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird.
Zu B)
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.
Schlagworte
Dauer Gesundheitsschädigung Körperverletzung SchmerzengeldEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W135.2213730.1.00Im RIS seit
18.08.2020Zuletzt aktualisiert am
18.08.2020